Platons Gorgisa - Naturrecht contra sittlicher Selbstreflexion


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Personen im Platondialog „Gorgias“
2.1 Gorgias
2.2 Polos
2.3 Kallikles
2.4 Chairephon

3 Textanalyse und –interpretation
3.1 Vorspiel
3.2 Gespräch mit Gorgias
3.2.1 Was ist die Redekunst?
3.2.2 Die Redekunst ist bloße Überzeugung
3.2.3 Gorgias widerspricht sich
3.3 Gespräch mit Polos
3.3.1 Die Redekunst ist bloße Schmeichelei
3.3.2 Der Tyrann hat keine Macht
3.3.3 Unrechttun ist schlimmer als Unrechtleiden
3.3.4 Heilung der Schlechtigkeit der Seele durch gerechte Strafe
3.4 Gespräch mit Kallikles
3.4.1 Richtig zu leben erfordert Übereinstimmung mit sich selbst
3.4.2 Naturrecht contra Rechtspflege
3.4.3 Über die Schädlichkeit des Philosophierens
3.4.4 Die höchste Lust als Lebensprinzip
3.4.5 Das Angenehme soll nur um des Guten willen getan werden

4 Zusammenfassung und Schluß

5 Literatur

1 Einleitung

Im Dialog „Gorgias“ entfaltet Platon seine Gedanken über ein selbstreflektiertes philosophisches Leben in Abgrenzung zum von einzelnen Sophisten vertretenen Naturrecht.

Die dort dargestellte Gesprächsrunde rückt, wie fast alle Schriften Platons, Sokrates als offensichtlichen Gesprächsleiter in den Mittelpunkt. Er versucht zunächst, seine Diskussionspartner durch gezielte Fragen und Aufdecken von Widersprüchen von seiner Meinung zu überzeugen. Dabei kommt es ihm gerade nicht auf das bloße Überzeugen an, sondern auf das gemeinsame Finden der Wahrheit. Es ist charakteristisch für den von Platon dargestellten Sokrates, daß dieser von seiner Überzeugung gerne abrücken würde, wenn sie nicht der Wahrheit entspräche. Durch den Anspruch der Wahrheitsfindung setzt sich Sokrates schon in seiner Haltung und nicht allein argumentativ von seinen Gesprächspartnern ab. Er hat es hier mit den heute als Sophisten bezeichneten Personen „Gorgias“, „Polos“ und „Kallikles“ zu tun. Deren Anliegen ist es, ganz allgemein gesagt, als professionelle Redner (Rhetoriker) die Zuhörer durch geschickte Überredungskunst zu überzeugen. Ganz nach dem Motto: Wer den anderen überzeugt, hat recht. Wahr oder wahrhaftig ist demnach der, der die besseren Argumente vortragen kann, nicht aber derjenige, der wirklich besser Bescheid weiß.

Obwohl es am Beginn des Gesprächs noch vordergründig um die Redekunst und deren Ausübung geht, konzentriert sich der Text von Platon eigentlich auf die Frage der richtigen und selbstreflektierten Lebensführung im Gegensatz zur hedonistisch-egoistischen Grundhaltung. Das wird am Ende des Dialogs offen diskutiert.

Es finden sich im Gorgias-Dialog also zwei schier unversöhnliche Parteien ein, zum einen die Sophisten, die die Wahrheit der besseren Rede zuschreiben, zum anderen Sokrates, der der Frage nach einer objektiven Wahrheit nachgeht. So wird am Ende des Dialogs auch keine Einigung erzielt und keine Partei vermag die andere zu überzeugen.

Die hier angerissenen Gedanken über den von Platon verfaßten Dialog „Gorgias“ sollen in der sich anschließenden Arbeit anhand des Textes vertieft und erklärt werden. Es wird, wie auch schon im Seminar, vor allem Wert auf das selbständige Interpretieren des Textes und Herausarbeiten der Kerngedanken Wert gelegt.

2 Die Personen im Platondialog „Gorgias“

Die Personen, die Platon im Dialog zur Sprache kommen läßt, sind nicht fiktive Gestalten, sondern historische Persönlichkeiten. Es sind die exemplarischen Hauptverfechter der Gegenposition zu Sokrates, wenigstens aus Platons Sicht. Im Dialog kommen neben Sokrates selbst „Gorgias“, „Polos“, „Kallikles“ und „Chairephon“ zu Wort.

2.1 Gorgias

Nach Gorgias ist der gesamte Dialog benannt.Er befindet sich damit in einer herausragenden Stellung. Es ist Gorgias von Leontinai, der von 480 bis 380 v. Chr. lebte. 427 v. Chr. kam er als Gesandter aus Sizilien nach Athen, erlangte als Redner große Bekanntheit und Einfluß als Politiker. In Athen gewann er zudem Schüler, welche er neben der Rhetorik auch Astronomie und Physik lehrte.[1] Es ist sehr wahrscheinlich, daß zu der Zeit, als Platon den Dialog verfaßte, Gorgias in hohem Alter stand und auf Thessalien lebte.[2]

Gorgias zählt neben Protagoras, Hippias und Prodikos zu den Hauptvertretern der Sophistik, eine Bezeichnung, die im ursprünglichen Sinn „Denker“ oder „Weiser“ im Allgemeinen bedeutete, später „die Lehre der gewandten Rede- und Unterredungskunst“ meinte.[3] Gorgias lehrte einen Skeptizismus, der besagt: „Nichts ist. Wenn aber etwas wäre, wäre es doch für einen Menschen nicht erkennbar. Und wäre es erkennbar, dann wäre es jedenfalls nicht mitteilbar“.[4]

2.2 Polos

Polos wird in den Quellen als Schüler des Empedokles und auch des Gorgias erwähnt, ist somit dem Kreise der Sophisten zuzuordnen.[5]

2.3 Kallikles

Kallikles ist im Gegensatz zu den anderen Diskusionspartner keine historisch nachweisbare Person, in keiner anderen Quelle sonst erwähnt.[6] Er kann, wie in Platons Gorgias selbst bezeugt[7], nicht unbedingt den Sophisten zugerechnet werden, vertritt allerdings im Dialog am konsequentesten die Theorie eines Naturrechtes.

2.4 Chairephon

Chairephon wird im Dialog als Sprachrohr des Sokrates dargestellt, in Wirklichkeit war er wohl sein glühendster Anhänger. Als solcher wird er in der antiken Literatur, in den „Wolken“, den „Wespen“ und den „Vögeln“ des Aristophanes verulkt.[8]

3 Textanalyse und –interpretation

3.1 Vorspiel

Der Dialog wird durch ein Vorspiel eingeleitet, in dem sich alle Gesprächspartner im Hause des Kallikles einfinden und eine Befragung des Gorgias durch den Chairephon stattfinden soll. Chairephon wird von Sokrates vorgeschoben, was zur Folge hat, daß nicht Gorgias, sondern Polos anstatt seiner antwortet. Da dieses Gespräch zwischen Chairephon und Polos nicht sehr fruchtbar verläuft, übernimmt nun Sokrates die Gesprächsführung und beginnt seinen Diskurs mit Gorgias selbst.

3.2 Gespräch mit Gorgias

3.2.1 Was ist die Redekunst?

Sokrates ließ zuerst durch Chairephon fragen: Gorgias – wer bist Du? In welcher Kunst bist du ein Meister?[9] Und diese Frage richtet Sokrates nun zu Beginn des ersten Teils des Dialogs erneut an Gorgias, weil ihm die Antworten des Polos nicht zufriedenstellend waren. Gorgias antwortet auf die Frage: „In der Redekunst, Sokrates.“[10] Im weiteren Verlauf versucht Sokrates zu klären, was denn genau die Redekunst ist. Hierzu vergleicht er sie mit anderen Künsten, welche alle ein bestimmtes Sachgebiet haben und einer Kunstfertigkeit bedürfen. Gorgias gibt zur Antwort, die Redkunst ist eine Fertigkeit im Überreden in Bezug auf Recht und Unrecht.[11]

3.2.2 Die Redekunst ist bloße Überzeugung

An dieser Stelle des Dialogs werden schon die Weichen gestellt von der scheinbaren Diskussion, was denn die Redekunst sei, hin zum eigentlichen Thema, nämlich was Recht und Unrecht (im Sinne von richtigem und falschem Handeln) ist. Es wird im weiteren Verlauf deutlich werden, daß das Kernthema nicht die Rhetorik, sondern die damit verbundene Ethik ist.

Von Gorgias wird hervorgehoben, daß die Redekunst nichts von anderen Künsten zu lernen braucht und trotzdem durch Überreden den meisten anderen Künste überlegen ist.[12] Dies bezieht sich allerdings auf das bloße Darüber-Reden, nicht auf die Fertigkeiten, die in entsprechenden Künsten Voraussetzung sind (z.B. das Heilen im Arztberuf). Es geht darum, überzeugender zu reden als die Fachgelehrten selbst. Hier aber lenkt Sokrates das Gesagte wieder auf Gegenstände der Ethik und Moral, wenn er sagt:

„Jetzt laß dies zuerst erwägen, ob auch hinsichtlich des Gerechten und Ungerechten, des Schönen und Unschönen, des Guten und Üblen, der Redner sich ebenso verhält wie in Hinsicht auf das Gesunde und die anderen Gegenstände der anderen Künste; nämlich daß er von der Sache selbst nichts weiß, was gut oder übel, schön oder unschön, gerecht oder ungerecht ist, sondern nur Überredung sich erkünstelt hat, so daß ein Nichtwissender unter den Nichtwissenden dafür gilt, mehr zu wissen als ein Wissender.“[13]

Mit diesen Worten, die Platon Sokrates in den Mund legt, entlarvt er das Wissen und die angebliche Überlegenheit der Sophisten als Schein im Gegensatz zum wirklichen Wissen, das das Sein betrifft. In der Tat war dies sogar einer der Grundsätze des wirklichen Gorgias: Es ist nichts, also ist alles Schein. Dem Schein verhelfe ich durch Rhetorik zur Wahrheit und damit zum Sein.[14]

3.2.3 Gorgias widerspricht sich

Der erste Teil des Dialogs endet damit, daß Sokrates einen Widerspruch in Gorgias´ Antworten aufdeckt. Zum einen bemerkte Gorgias, daß man die Redekunst wie eine Waffe im Guten wie im Schlechten gebrauchen kann, sie soll aber nur im Guten angewandt werden. Sollte aber dennoch von einem Rhetorikschüler Mißbrauch mit ihr getrieben werden, so ist das nicht die Schuld des Lehrers, sondern allein dem Schüler zuzuschreiben.[15] Dieser moralischen Forderung kann aber der Schüler schlechthin nur entsprechen, wenn er weiß, was gerecht oder ungerecht ist. Und Sokrates fragt darauf den Gorgias:

„Wenn du also einen zum Redner machen sollst, muß er da notwendig vorher wissen, was Recht und Unrecht ist, oder es später bei dir lernen?“[16]

Gorgias ist nun gezwungen, dies zuzugeben. Weil Sokrates aber mit der Zustimmung des Gorgias davon ausgeht, daß ein Gerechter niemals Unrecht tun würde[17], ist nun der Widerspruch mit dem oben Gesagten herbeigeführt, daß die Redekunst auch als Waffe im Schlechten zu gebrauchen ist. Mit anderen Worten: Wenn der Gegenstand der rhetorischen Ausbildung, wie Gorgias zumindest behauptet, das Gerechte und Ungerechte ist, so muß der Rhetor gerecht handeln, also ein Gerechter sein. Wer aber gerecht ist, kann niemals ungerecht sein.

An diesem Punkt endet die Auseinandersetzung mit Gorgias, der diesem Widerspruch nichts zu entgegnen hat. Das Gespräch wird nun mit Polos weitergeführt, der glaubt, seinem Lehrer Gorgias aus der Verlegenheit helfen zu können.

3.3 Gespräch mit Polos

Polos meint, die Situation für Gorgias dadurch retten zu können, daß er den Standpunkt vertritt, Gorgias hätte sich dafür geschämt, die Forderung des Sokrates nach Gerechtigkeit in der Redekunst zu bestreiten. Es sei die Art des Sokrates, seine Gesprächspartner in derartige Widersprüche zu verwickeln.[18] Er wird im folgenden Verlauf des Gesprächs versuchen, die Redekunst von jeglicher moralischen Verpflichtung zu entheben und sie so allein unter den Aspekt des Nutzens zu stellen.

[...]


[1] Metzler Philosophen Lexikon, Stuttgart, 1989, S. 292 f.

[2] Hildebrand, Kurt (Hg.): Platon. Gorgias, Stuttgart, 2003, S. 139.

[3] Schischkoff, Georgi (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart, 1991, S. 674.

[4] Hirschberger, Johannes: Geschichte der Philosophie, Frankfurt, 2001, S. 55.

[5] Cancik, Hubert (Hg): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 6, Stuttgart, Weimar, 1999, S. 181.

[6] Platon, Gorgias 520a

[7] H. Cancik, Bd. 10, 2001, S. 38.

[8] H. Cancik, Bd. 2, 1997, 1082 f.

[9] Platon, Gorgias 447d

[10] Platon, Gorgias 449a

[11] Platon, Gorgias 454a – 454b

[12] Platon, Gorgias 459c

[13] Platon, Gorgias 459d

[14] Rauscher, Josef: Seminarmitschrift, Mainz, 2004 / 2005.

[15] Platon, Gorgias 456c – 456d

[16] Platon, Gorgias 460c

[17] Platon, Gorgias 460c

[18] Platon, Gorgias 461e – 461c

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Platons Gorgisa - Naturrecht contra sittlicher Selbstreflexion
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V50025
ISBN (eBook)
9783638463331
ISBN (Buch)
9783638786744
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platons, Gorgisa, Naturrecht, Selbstreflexion
Arbeit zitieren
Robert Ludwig (Autor:in), 2004, Platons Gorgisa - Naturrecht contra sittlicher Selbstreflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50025

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