Der Ich-Erzähler und die Frauen in Arno Schmidts Trilogie - Nobodaddy s Kinder -


Seminararbeit, 2002

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

A. Leben – Wirkung – Werk

B. Die Trilogie Nobodaddy’s Kinder
I. Aus dem Leben eines Fauns
II. Brand’s Haide
III. Schwarze Spiegel

C. Der Ich-Erzähler und die Frauen: Ein Überblick

Literaturverzeichnis

A. Wirkung– Leben – Werk

Arno Schmidt dürfte ohne Zweifel zu den umstrittensten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur gehören. Von den einen als Genie verehrt[1] und als „kühnster Pionier der neueren deutschen Epik“[2] gefeiert, wird ihm von seinen Kritikern „grobschlächtige Arroganz [...] und Wissensprotz aller Art“[3] vorgeworfen.

Dies alles beeindruckte Arno Schmidt wenig, zum einen las er keine Zeitung[4], zum anderen machte er sich nichts aus der Meinung seiner Rezensenten.

“(Denn sie müssen ja irgendwie aufgeweckt werden, die Halbmenschen hinter dem Grenzpfahl: drum laß Dich getrost „Schläger“ schelten von den Furchtsamen; „Brandstifter“ von den Feuerwehrleuten; „Ein-Brecher“ von den Schlafenden)“[5]

Doch obwohl seine Werke zu heftigsten Kontroversen führten, war er der breiten Masse meist unbekannt. Als 1970 das zur Mediensensation avancierende Werk Zettels Traum erschien, hörten sehr viele Menschen zum ersten Mal den Namen Arno Schmidt. Und das, obwohl Schmidt, der am 18. 01. 1914 in Hamburg geboren wurde, bis dahin schon seit über zwanzig Jahren Bücher und Zeitungsartikel geschrieben, Rundfunksendungen verfasst und sogar mehrere Literaturpreise erhalten hatte.

Schmidt, der vor dem Krieg als graphischer Lagerbuchhalter in Schleswig arbeitete, heiratete 1937 Alice Murawski. Es folgte die Einberufung zur Wehrmacht und schließlich im April 1945 die britische Gefangenschaft, aus der er aber noch Ende desselben Jahres entlassen wurde. Er zog mit seiner Frau in den Mühlenhof bei Cordingen, wo er versuchte, sich mit Übersetzungen sein Leben als freier Schriftsteller zu finanzieren.

Als er 1941 mit Leviathan einen Neuanfang wagt, ist seine Wut über die Hitlerzeit nicht zu übersehen. Seine Werke sind geprägt von seinen Kriegserfahrungen, dem überall herrschenden Elend, seinem Leben in der britischen Gefangenschaft und von einem außerordentlichen Hass auf jegliche Form von Obrigkeit.

SA, SS, Militär, HJ undsoweiter: die Menschen sind nie lästiger, als wenn sie Soldaten spielen. [...] Am Ende sind doch immer die Schlimmsten Meister, das heißt: Vorgesetzte, Chefs, Direktoren, Präsidenten, Generale, Minister, Kanzler. Ein anständiger Mensch schämt sich, Vorgesetzter zu sein![6]

Ebenso sehr wie Chefs und Politiker ist ihm die Beeinflussbarkeit und Manipulierbarkeit der Masse zuwider: „Wie schrecklich unwissend und deshalb so leicht zu betrügen ist das ’Volk’“[7], weshalb er stets großen Wert darauf legt, sich von ihr zu distanzieren.[8]

Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet von intensiver Arbeit und großen Entbehrungen. Geld verdient er mit seinen Werken nur sehr wenig, es ist einfach kein Publikum vorhanden.

Kunst dem Volke?!: den slogan lasse man Nazis und Kommunisten: umgekehrt ists: das Volk (Jeder!) hat sich gefälligst zur Kunst hin zu bemühen![9]

Für einen elitären Leserkreis sorgt vor allem seine ebenfalls höchst umstrittene Art zu schreiben, die sich besonders in seinem - für sein Frühwerk charakteristischen - diskontinuierlichen Erzählen,[10] Neologismen, einer phonetischen Schreibweise, literarischen sowie mathematisch-naturwissenschaftlichen Kommentaren und einem unglaublichen Assoziationsreichtum äußert.

Seine Bücher erscheinen fortan in rascher Folge und trotz seines mehr oder weniger geringen Bekanntheitsgrades bringen sie ihm unter anderem 1951 den Großen Literaturpreis der Akademie der Wissenschaft und Literatur in Mainz und 1973 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt ein, bei dessen Verleihung er sich von seiner Frau vertreten lässt. Seine von ihr verlesene Festrede, die Dankadresse, lässt Schmidt einmal mehr als den politischen und kulturellen Außenseiter erscheinen, der er sein wollte.[11]

Seinen Traum von größtmöglicher Autarkie erfüllte Schmidt sich 1958 mit dem Kauf des Holzhauses Nr. 37 in Bargfeld, Krs. Celle. In dieser von ihm so geliebten flachen nördlichen Heidelandschaft spielen auch viele seiner Bücher, u.a. Aus dem Leben eines Fauns, Brand’s Haide und Schwarze Spiegel.

(Bergländer liebe ich nicht: nicht den breiigen Dialekt ihrer Bewohner, nicht die zahllos gewölbte Erde, Bodenbarock. Meine Landschaft muss eben sein, flach, meilenweit, verheidet, Wald, Wiese, Nebel, schweigsam).[12]

Am 03. 06. 1979 starb Arno Schmidt nach einem Gehirnschlag in einem Krankenhaus in Celle.[13]

B. Die Trilogie „Nobodaddy’s Kinder“

Im Prinzip mag es merkwürdig erscheinen, wenn man liest, dass der erste Teil der Trilogie Aus dem Leben eines Fauns erst 1953 und damit zuletzt entstand. [Der zweite (Brand’s Haide) und dritte (Schwarze Spiegel) Teil der Trilogie erschienen 1951 zusammen unter dem Titel Brand’s Haide.] Zieht man allerdings das Tagebuch von Alice Schmidt zu Rate, klärt sich dieser Umstand, denn demnach kam Arno Schmidt selbst erst nach der Niederschrift des Faun auf die Idee einer Trilogie.[14]

Trotz Schmidts ausdrücklichem Hinweis werden die Werke dennoch erst 1963 unter dem Titel Nobodaddy’s Kinder[15] als Trilogie publiziert.

Das verknüpfende Motiv der drei Werke ist der Krieg und seine Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Die zeitliche Abfolge stimmt dabei mit der Anordnung der Titel überein: Aus dem Leben eines Fauns spielt in dem Zeitraum von 1939-44, Brand’s Haide spiegelt die Situation kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder und Schwarze Spiegel schließlich ist eine Utopie, die die möglichen Folgen eines dritten Weltkrieges vor Augen hält.

I. Aus dem Leben eines Fauns

Aufgeteilt in drei Handlungsabschnitte, erzählt der Kurzroman, geschrieben aus der Sicht des Ich-Erzählers Heinrich Düring, den nationalsozialistischen Alltag in der Provinz der Lüneburger Heide. Als die Handlung im Februar 1939 einsetzt, ist Düring bereits 51 Jahre alt. Düring, der beim Landratsamt in Fallingbostel angestellt ist, lebt zusammen mit seiner Familie in einem Haus in Cordingen. Während der erste Teil der Erzählung (Februar 1939) über den tristen Alltag Dürings und von dessen neuer Aufgabe, nämlich der Anlegung eines Archivs zur Geschichte der Gegend berichtet, wird im zweiten Teil der endgültige ’Ausbruch’ Dürings aus seinem bisherigen Leben vorbereitet. In der Zeit von Mai bis August 1939 kapselt er sich immer mehr von der verhassten nazistischen Atmosphäre zu Hause und im Amt ab. Als er schließlich aufgrund seiner Recherchen die noch intakte Hütte eines französischen Deserteurs mit Namen Thierry findet, ist nun auch Raum für seine heimlichen Treffen mit der Nachbarstochter Käthe, und damit auch für seine Existenz als Faun geschaffen. Der titelgebenden Bezeichnung „Faun“ macht Düring dann auch alle Ehre, denn wie ein ’lüsterner Waldgeist’ verbringt auch er seine Zeit mit Käthe in der Waldhütte nicht mit tiefgreifenden philosophischen Gesprächen...[16]

Die Hütte dient ihm jahrelang als Unterschlupf und Liebesnest, bis sich die Lage im August 1944 – hier beginnt der dritte Teil – schließlich zuspitzt. Bei dem Bombardement der in der Nähe von Cordingen gelegenen Munitionsfabrik können er und Käthe mit Mühe dem Flammeninferno entkommen. Sie finden ein letztes Mal Unterschlupf in ihrer Hütte, die sie am nächsten Morgen aus Angst vor einer Razzia anzünden.

Die Charakterisierung der Personen fällt mit Ausnahme des Erzählers ausgesprochen dürftig aus. Die Figuren sind zumeist stereotyp angelegt und lassen sich im Allgemeinen den Lebensbereichen Dürings zuordnen. Zum einen zu dem Kreis seiner Familie, bestehend aus seiner Frau Berta und den Kindern Paul und Gerda, zum anderen zu dem seiner Mitarbeiter (vor allem Schönert, Peters und Fräulein Krämer) einschließlich seines Chefs, des Landrats. Die mit Sicherheit wichtigste Person neben Düring ist die Nachbarstochter Käthe, die so alt ist wie seine eigene Tochter. Dennoch ist auch ihre Charakterisierung nicht sehr ausgeprägt. Hinzu kommen noch einige Randfiguren wie Nachbarn, Bauern, Landratsamtsbesucher etc.[17]

[...]


[1] Vgl. Holthusen, H. E., In: „Über Arno Schmidt“ S. 19.

[2] Kasack, H., In: „Über Arno Schmidt“ S. 21.

[3] N.N., In: „Über Arno Schmidt“ S. 23.

[4] Vgl. N.N., In: „Über Arno Schmidt“ S.22.

[5] Schmidt, A., „Faun“ S. 103.

[6] Schmidt, A., „Faun“ S.15.

[7] Schmidt, A., „Faun“ S.31.

[8] Vgl. Schmidt, A., „Faun“ S. 32.

[9] Schmidt, A., „Brand’s Haide“ S. 43. .

[10] Vgl. Eke, N.O., „Zu Schmidts ’Brand’s Haide’“ S. 18

[11] Vgl. Vollmer, „Das vertriebene und flüchtende Ich“ S. 89.

[12] Schmidt, A., „Faun“ S.20.

[13] Zu den Lebensdaten: Vgl.: Ahrend, P., „Der Büchermensch“ S.391 ff.

[14] Vgl. Hinrichs, B., „Nobodaddy’s Kinder“, S.42.

[15] Zum Titel: Vgl. Hinrichs , B., „Nobodaddy’s Kinder“, S.60.

[16] Vgl. Schmidt, A., „Faun“ S. 158.

[17] Vgl. Hinrichs, B., „Nobodaddy’s Kinder“ S.48.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Ich-Erzähler und die Frauen in Arno Schmidts Trilogie - Nobodaddy s Kinder -
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Literatur und Sprache)
Veranstaltung
Einführungsseminar in die Neuere deutsche Literatur
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V4998
ISBN (eBook)
9783638130462
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arno Schmidt; Nobodaddy s Kinder
Arbeit zitieren
Dorothea Nolde (Autor:in), 2002, Der Ich-Erzähler und die Frauen in Arno Schmidts Trilogie - Nobodaddy s Kinder -, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4998

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