Eine Schule für Alle. Kann Inklusion in der Schule umgesetzt werden?


Ausarbeitung, 2014

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sonderpädagogische Schulentwicklung in Deutschland

3. Integration vs. Inklusion

4. Rechtliche Grundlagen inklusiver Bildung in der BRD
4.1 Die UN-BRK
4.2 Das Niedersächsische Schulgesetz

5. Inklusion in der Schule
5.1 Gesellschaftliche Bewusstsein
5.2 Alte Denkmuster
5.3 Standards einer inklusiven Schule
5.4 Kennzeichen einer inklusiven Schule
5.5 Der inklusive Unterricht

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Thema Inklusion ist, obwohl schon seit mehreren Jahren auf der politischen Tagesordnung, immer noch hochaktuell. Gesellschaftlich wird es ebenso sehr kontrovers diskutiert. Geschichtlich gesehen ist es meines Erachtens, vor allem im Hinblick auf Bildung und Schule, geradezu bahnbrechend. Die praktische Umsetzung des Inklusionsgedankens stellt meiner Meinung nach auch bisherige pädagogische Konzepte auf den Kopf und verlangt von vielen Menschen in unserer Gesellschaft, auch von pädagogischen Fachkräften, ein Umdenken bezüglich des eigenen Menschenbildes.

Seit nunmehr zwei Jahrzehnten bin ich in Einrichtungen tätig, in denen ich beruflich mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen arbeite, deren Lebensführung durch eine geistige, körperliche oder seelische Beeinträchtigung behindert war und/oder ist. Die meiste Zeit meiner beruflichen Tätigkeit habe ich in vorschulischen und schulischen Bildungseinrichtungen verbracht. Die letzten fünf Jahre bin ich an einer Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen und Körperliche/Motorische Entwicklung tätig.

Gerade durch diesen hautnahen praktischen Bezug beschäftigt und bewegt mich das Thema Inklusion sehr. Obwohl ich an einer Förderschule tätig bin, halte ich deren Bestehen für fragwürdig. Ich habe die Hoffnung, dass sich der inklusive Gedanke immer mehr in unseren Bildungseinrichtungen durchsetzen kann und früher oder später somit Förderschulen überflüssig werden.

In meiner Ausarbeitung werde ich neben der Darstellung der Entwicklung der Institution Schule in Deutschland, der gesetzlichen Grundlage bezüglich inklusiver Bildung, auch den Integrations- und den Inklusionsgedanken gegenüberstellen und versuchen deutlich zu machen das der Inklusionsgedanke bildungsspezifisch weitreichendere Folgen hat als eine schulische Integration. Danach werde ich der Frage nachgehen, unter welchen Bedingungen eine Schule als inklusiv bezeichnet werden kann.

2. Sonderpädagogische Schulentwicklung in Deutschland

Zum Einstieg in das Thema und zum besseren Verständnis der Problematik werde ich, da sich die Integrations- wie auch später die Inklusionsbewegung in kritischer Auseinandersetzung mit sonderpädagogischen Denkweisen und Organisationen konstituierten, nach Quack/Schmidt (2013) Grundfiguren ebendieser skizzieren.

Schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde darüber nachgedacht, wie, mit als lernschwach bezeichneten Kindern, verfahren werden sollte. Um alle Kinder zu nützlichen Arbeitskräften und Staatsbürgern und -bürgerinnen auszubilden zu können, wurden ihnen seit 1880 in den Volksschulen die Grundlagen des Lesens und Schreibens, der sittlich-religiösen Bildung und des Rechnens vermittelt.

Natürlich gab es an diesen Volksschulen auch Kinder, die dadurch, dass sie die Lerninhalte nicht ausreichend erfassen konnten, die Leistungsentwicklung der anderen Kinder zu stören drohten. Um einerseits die Lehrkräfte an den Volksschulen vom Mehraufwand durch die leistungsschwacheren Kinder zu entlasten und andererseits auch diesen Kinder noch die Chance zu geben zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft heranreifen zu können, wurden ab 1848 die sogenannten „Hilfsschulen für schwachbefähigte Kinder“ eingerichtet. Mit Hilfe angepasster Methoden und eines anspruchsreduzierten Curriculums sollten auch diese leistungsschwachen Schülern und Schülerinnen, noch die Bildungsziele erreichen können, um sie auch damit zur Teilhabe an der Gesellschaft zu befähigen.

Seitdem prägten und prägen viele (sonder) pädagogische Konzepte und Institutionen die Auffassungen, dass einerseits in homogeneren Klassen effektiver gelernt werden kann und andrerseits Leistungsschwächere die Leistungsstärkeren beim Lernen behindern und das die Schwächeren durch den Leistungsvorsprung der Anderen entmutigt werden könnten.

Die Homogenisierung von Lerngruppen hatte zur Folge, dass das Bildungssystem immer mehr ausdifferenziert wurde. Vom Bildungssystem wurde auf jeden besonderen Bedarf, entweder hinsichtlich einer Sinnesschädigung (Hören, Sehen) oder einer Entwicklungsbeeinträchtigung bezüglich der Motorik, Sprache, Kognition oder Emotionalität mit speziellen Lernangeboten reagiert.

So entstand in Deutschland eine sehr spezialisierte und hochprofessionelle Sonderpädagogik mit entsprechender institutioneller Ausdifferenzierung. Dies führte dazu, dass es hierzulande sieben verschiedene sonderpädagogische Kategorien mit entsprechenden Lehrstühlen und Förderschulen gibt.

Viele Kinder mit Behinderungen profitierten und profitieren von dieser hochprofessionellen und ausdifferenzierten Sonderpädagogik. Im Besonderen diejenigen Kinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen, welche zwischen 1938 und 1966 als „nichtbildbar“ vom Schulbesuch ausgeschlossen waren.

Aber bereits in den frühen 1970er Jahren setzen sich insbesondere Eltern von Kindern mit Behinderungen, dafür ein, dass ihre Kinder in ihrem natürlichen sozialen Umfeld bleiben und mit Kindern ohne Behinderungen gemeinsam in integrativen Kindergärten und Integrationsklassen und -schulen lernen konnten. Sie waren der Ansicht, dass diese spezialisierte Sonderpädagogik zu Ausgrenzungen und Stigmatisierungen bei ihren Kindern führte.

Der Integrationsgedanke in Deutschland verbreitete und etablierte sich unter dem beharrlichen Druck der Integrationsbewegung immer mehr und hielt auch sukzessiv Einzug in die Schulgesetzte. Integrativ konnte aber ein Kind nur beschult werden, wenn ein entsprechender Platz in einer Regelschule zur Verfügung stand und keine Mehrkosten dadurch entstanden. Auch musste der besondere Förderbedarf erst attestiert werden. Es bestand auch kein rechtlicher Anspruch auf integrative Beschulung und diese konnte daher ebenso wenig eingeklagt werden.

International wirkte die Salamanca - Erklärung von 1994, welche für alle Kinder, unabhängig von ihren unterschiedlichen Ressourcen, eine ausnahmslose gemeinsame Beschulung in Regelschulen zum Ziel hatte, wie eine Initialzündung. Anders in Deutschland, wo die Integrationsbewegung etwas an Fahrt verlor. Ein Grund dafür mag sicherlich auch gewesen sein, dass durch den mühseligen Kampf für die Integration einzelner Kinder, die grundlegende Perspektive der Integrationsbewegung als Schulreformbewegung aus dem Blick geraten war.

Erst durch die UN-Behindertenrechtskonvention 2006 (kurz UN-BRK) sollte der Begriff „Inklusion“, welcher nun auch als Kritik an der Praxis der schulischen Integration gebraucht wurde, auch in der BRD an Bedeutung gewinnen.

3. Integration vs. Inklusion

Nicht selten ist in der Öffentlichkeit, seit dem Inkrafttreten der UN-BRK, und oft auch in der Kombination oder auch als Ergänzung zum seit Jahren gängigen Wort der Integration, der bereits o.g. Begriff der Inklusion zu hören.

Die Unterscheidung der Begriffe Integration und Inklusion sorgte und sorgt aber in breiten Teilen der Bevölkerung, und auch in pädagogischen Fachkreisen immer noch für Unklarheit und Verwirrung. Dies mag vielleicht auch ein Grund dafür gewesen sein, warum aufgrund einer Entscheidung der Kultusministerkonferenz in der offiziellen deutschen Fassung der UN-BRK der Begriff inclusive education system anstatt als inklusives Bildungssystem, als integratives Bildungssystem ins Deutsche übersetzt wurde (Demmler 2008: In: Prengel 2010:17) und das wiederrum führt nach Meinung von Reich (2012) dazu, dass der eigentliche Kerngedanke von inklusiver Bildung, dass niemand ausgeschlossen werden darf und die Bringschuld für Inklusion auf der staatlichen Seite liegt, durch die „falsche“ Übersetzung nämlich dahingehend umgekehrt wurde, dass das Individuum mit Behinderung sich in die „Normalgruppe“ integrieren soll. (vgl. Reich 2012:36)

Bei dem Begriff Inklusion handelt es sich aber nicht einfach nur um den Austausch eines Schlagwortes durch ein anderes: „Integration und Inklusion bezeichnen vielmehr zwei sich grundlegend unterscheidende sozialpolitische Konzepte und stehen für unterschiedliche Sichtweisen auf die Gesellschaft“ (vgl. inklusion-schule). Bei einer Integration wird davon ausgegangen, dass eine Gesellschaft aus einer relativ homogenen Mehrheitsgruppe und einer kleineren Außengruppe besteht, welche in das bestehende System integriert werden soll.

Die Inklusion hingegen stellt eine Abkehr von dieser Zwei-Gruppen-Theorie dar. Sie sieht alle Menschen als gleichberechtigte Individuen, die von vornherein und unabhängig von persönlichen Merkmalen oder Voraussetzungen Teil eines Ganzen sind. (vgl. ebd.)

„Das Konzept der Integration nimmt also bewusst Unterschiede wahr und verlangt vom Einzelnen, dass er sich an das Mehrheitssystem anpasst, um ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Die Inklusion dagegen ordnet unterschiedliche individuelle Eigenschaften und Voraussetzungen nicht auf einer Werteskala, sondern betrachtet die Vielfalt und Heterogenität der Gesellschaft als grundlegend und selbstverständlich. Hier muss sich nicht der Einzelne dem System anpassen, sondern die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen so flexibel gestaltet sein, dass sie jedem/r Einzelnen Teilhabe ermöglichen“ (ebd.).

Auch Reich (2012) sieht Unterschiede zwischen den Begriffen Integration und Inklusion, und merkt an, dass „Inklusion umfassender als das [ist], was man früher mit Integration zu erreichen meinte“. Denn Inklusion sei, so Reich, eben ein gesellschaftlicher Anspruch, der von einer Gesellschaft verlangt, Leistungen zu erbringen, die allen Menschen eine chancengerechte Entwicklung ermöglicht und mit denen Diskriminierungen jeglicher Art abgebaut werden können. (Reich 2013:39)

Übertragen auf Schule benennen Höchst und Masyk (2013) in ihrem Buch „Inklusion ist möglich“ die Unterschiede zwischen Integration und Inklusion folgendermaßen: „Integration unterscheidet bewusst zwischen Kindern mit und ohne sonder­pädagogischen Förderbedarf (Gutachten).

Inklusion hingegen geht von der Besonderheit und den individuellen Bedürfnissen aller Kinder aus.

Integration fordert die Anpassung des Kindes an die Bedingungen der Schule. Inklusion hingegen fordert die Anpassung der Schule an die individuellen Bedürfnisse der Kinder“ (Höchst/Masyk 2013:8).

Desweiteren weist Erbring (2014) darauf hin, dass die, bei einer integrativen Beschulung bewilligten personellen und materiellen Ressourcen von der Ausweisung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs abhängig sind. Diese Ausweisung hat für das betreffende Kind aber eben nicht nur eine zusätzliche Förderung zur Folge, sondern es würde dadurch ebenso mit einer defizitorientierten Etikettierung versehen, so Erbring (vgl. Erbring:17ff) und Wocken (2014) ist der Meinung, das diese Etikettierung, der Stempel „Behinderung“ nicht sein muss, überflüssig und vielleicht sogar schädlich sei. (Wocken 2014:17)

Übersichtlich und zusammenfassend zeigen die folgenden Darstellungen (graphisch/ tabellarisch) von Hinz (2014), inwiefern sich Integration und Inklusion in der schulischen Praxis unterscheiden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Hinz, A. In: ibea - Integrative Berufsausbildung 2014)

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Eine Schule für Alle. Kann Inklusion in der Schule umgesetzt werden?
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
25
Katalognummer
V498947
ISBN (eBook)
9783346023049
ISBN (Buch)
9783346023056
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eine, schule, alle, kann, inklusion
Arbeit zitieren
André Bakemeier (Autor:in), 2014, Eine Schule für Alle. Kann Inklusion in der Schule umgesetzt werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498947

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