Erschließung von Fabeln durch Standbilder für die Unterstufe. Der Begriff der Stärke in "Der Löwe und das Mäuschen"


Unterrichtsentwurf, 2017

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Kompetenzen / Lernziele

2. Geplanter Unterrichtsverlauf

3. Sachanalyse

4. Methodische Entscheidungen

5. Literatur

6. Anhang

Entwurf zum Unterrichtsbesuch in Deutsch einer sechsten Klasse

Thema der Stunde: Stärke – mehr als Muskeln! Eine Erschließung der vielschichtigen Bedeutung des Begriffs Stärke am Beispiel der Fabel „Der Löwe und das Mäuschen“

Thema der Unterrichtsreihe: Fabeln Einbettung in die Unterrichtsreihe:

1. Aufbau einer Fabel: Vom Fuchs und Hahn
2. Fabeltiere: Vom Fuchs und Hahn
3. Moral einer Fabel/historische Hintergründe
4. Wörtliche Rede
5. Inhaltserfassung und Fabeltiere: Rabe und Fuchs
6. Kein Käse, sondern… Gegenstandsänderung Rabe und Fuchs Schreibwerkstatt
7. Kein Käse, sondern… Gegenstandsänderung Rabe und Fuchs Präsentation
8. Präteritum
9. Präteritum
10. Vergiftetes Fleisch: Der Rabe und der Fuchs
11. Moral: Der Rabe und der Fuchs
12. Gegenhandlung erfinden: Der Wolf und der Kranich
13. Adjektive in Fabeln
14. Stärke – mehr als Muskeln!
15. Der Löwe und das Mäuschen: Moral

1. Kompetenzen / Lernziele

Hauptlernziel

Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass Stärke nicht allein auf körperlicher Überlegenheit beruht (Löwe hält Maus in Tatze, ist größer und körperlich stärker), sondern man auch auf andere Weisen Stärke zeigen kann (neugierige und wagemutige Maus, jemandem in Not beistehen, sein Wort halten), und jeder Mensch unterschiedliche Stärken hat, und auch sie selbst Stärken und Schwächen besitzen.

Teillernziele

Die Schülerinnen und Schüler erkennen

1. verschiedene Facetten von Stärke, indem sie Beispiele aus ihrem Leben nennen (z.B. sie selbst werden aufgrund ihrer Größe und ihres Alters häufig unterschätzt, können aber in manchen Situationen gerade deshalb mehr erreichen als die Großen; sie stehen einem Mitschüler bei; sie stehen zu ihrem Wort, etc.)
2. die Gegenhandlung und die Originalmoral der Fabel (Hilf Schwächeren, denn sie könnten dir auch helfen.) und nehmen zu dieser Stellung.

3. a) je nach Gegenhandlung unterschiedlich ausfallende Arten der Moral (z.B. Traue niemandem, der dir über den Weg läuft; Geteiltes Leid wird doppeltes Leid, Gemeinsam sind wir stark; Hilf Schwächeren, damit sie dir helfen; größer bedeutet nicht immer stärker, etc.)
b) Möglichkeiten für die Gegenhandlung (z.B. Maus lacht über Löwen, Maus hat Netz beauftragt und den Löwen in die Falle gelockt, Maus will helfen, wird ebenfalls gefangen, Maus holt weitere Mäuse zu Hilfe, Maus befreit den Löwen, etc.)

4. den Inhalt der Einleitung (Maus läuft über schlafenden Löwen, der erwacht und hält sie fest) und der Handlung (actio): (Maus fleht um Verzeihung, bietet ihm Dankbarkeit. Löwe lässt sie laufen).

Methodisch

Die Schülerinnen und Schüler

5. üben sich in der Entwicklung von Standbildern und deren Präsentation.
6. üben sich in der Beschreibung von (Stand-)Bildern.

Affektiv Die Schülerinnen und Schüler

7. erweitern ihre moralische Urteilsbildung, indem sie eine Moral formulieren und mehrere gegeneinander abwägen.
8. entwickeln Freude bei der Konzeption und Darstellung von Standbildern.
9. bauen ihre Empathie- und Identifikationsfähigkeit aus, indem sie sich in die Lage des Löwen und der Maus hineinversetzen.

2. Geplanter Unterrichtsverlauf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Sachanalyse

„Der Löwe und das Mäuschen“ von Äsop ist eine relativ kurze Fabel mit einer belehrenden Absicht. Die Fabel gibt es in verschiedene Überlieferungen, welche sich besonders im Umgang mit der Moral unterscheiden: Bei manchen Versionen gibt es keine explizit formulierte, manche enden mit einer Gegenrede der Maus, bei anderen Versionen bezieht sich die Moral auf Menschen etc. Ich beziehe mich auf die Version des Schülerbuches, um eine Weiterarbeit mit diesem in den Folgestunden zu ermöglichen und eine Diskussion anzuregen.

In der Einleitung läuft eine Maus über einen schlafenden Löwen, der erwacht und sie festhält. Die Maus bittet um Gnade und verspricht, dem Löwen dafür zu danken. Obwohl sich dieser fragt, wie das geschehen soll, lässt er sie gehen, und schenkt ihr damit ihre Freiheit und ihr Leben. In dieser Einleitung und Rede wird die für Fabeln typische Hierarchie deutlich: Die kleine Maus ist dem König der Tiere, der zudem ihr Fressfeind ist, hilflos ausgeliefert. Dieses Gefälle wird bereits im Titel durch den Diminutiv „Mäuschen“ statt Maus, welches „dem König der Tiere“ (Z.8) gegenübersteht, sowie dem Wissen des Lesers von den natürlichen Fressfeinden und den deutlichen Größenverhältnissen verstärkt. Auch die Frage des Löwen, wie ein Mäuschen ihm dankbar sein wolle, unterstreicht das scheinbar sinnlose Angebot der Maus. Der Löwe wird in diesem Abschnitt als wohlwollend, „gewaltig“ (Z.3) und „großmütig“ (Z.7) dargestellt, wie es einem Tier seines Ranges gebührt. Das Mäuschen hingegen ist unvorsichtig (vgl. Z.5) und wahrscheinlich naiv, (wage)mutig oder neugierig, denn warum sonst sollte es über einen schlafenden Löwen laufen? Wie bereits bei anderen Fabeln Äspos (Rabe und Fuchs), ist der Auslöser für die Handlung fragwürdig und unklar.

Im dritten Teil der Fabel, der Gegenhandlung oder reactio, hört die Maus das Gebrüll des Löwen und findet ihn in einem Netz gefangen. Hier wenden sich die Machtverhältnisse: Der Löwe ist gefangen, die Maus frei und kann nun handeln. Sie zernagt einige Teile des Netztes, woraufhin der Löwe sich befreien kann und revanchiert sich so dafür, dass er sie laufen ließ. Die anfängliche Vermutung über das Mäuschen bestätigt sich hier: Es ist neugierig (Z.13). Seine Agilität wird durch das Verb „eilte“ (Z.15) unterstrichen, was es als klein und flink erneut in Kontrast zum großen und nun handlungsunfähigen Löwen stellt. Spannend ist in diesem Teil die weiterhin positive Darstellung des Löwen, der als „Wohltäter“ (Z.14) des Mäuschens bezeichnet wird, welches sich für dessen „Großmut“ (Z.19) nun revanchieren kann, indem sie ihm sein Leben und die Freiheit schenkt. Hierzu passt auch, dass die Maus nur einige Knoten zernagt, woraufhin der Löwe sich selbst befreien kann. Die Maus öffnete ihm also nur diese Option, der König der Tiere aber bleibt selbstständig.

In dieser Richtung endet die Fabel auch mit einer wegen ihres Wortlautes für Sechstklässler wahrscheinlich schwer verständlichen Moral: „Selbst unbedeutende Menschen können Wohltaten bisweilen mit Wucher vergelten, darum behandle auch den Geringsten nicht übermütig.“ (Z.20-23) Sprich, man soll auch niedriger stehende Menschen menschlich behandeln, da sie einem vielleicht noch nützlich sein könnten. Diese egoistische Einstellung soll dem Leser nun mit auf den Weg gegeben werden. Hinterfragen kann man an dieser Stelle, warum die Moral nicht lautet, dass man andere aus altruistischen Gründen respektvoll behandeln sollte. Auch erschließt sich mir nicht, warum der Löwe so stark positiv dargestellt wird, und sogar als Wohltäter bezeichnet wird, obwohl er die Maus nur laufen lässt und nicht tötet. Dies kann natürlich an dem veränderten Kontext und veränderten Hierarchien liegen, welche zu Äsops Zeit und heute herrschen. Interessant ist an dieser Stelle auch der Mensch, der das Netz wahrscheinlich ausgelegt hat, und den König der Tiere fing, wodurch dieser machtlos wurde. Der Mensch steht in dieser Fabel, auch wenn er nur indirekt auftaucht, also klar und deutlich an der Spitze der Hierarchie. Die Fabel wird somit zu einem Kreislauf, bei dem der Mensch außen vor bleibt: Die unvorsichtige Maus weckt den Löwen und verliert ihre Freiheit, die der Löwe ihr schenkt. Der unvorsichtige Löwe gerät in ein Netz des Menschen und verliert seine Freiheit, die die Maus ihm schenkt. Der Mensch geht dabei als einziger leer aus, der Löwe und die Maus werden an ihrem Verhalten künftig aber wahrscheinlich nichts ändern: Die Maus läuft bei der Gegenrede erneut zu einer Gefahrenquelle und der Löwe würde Mäuse künftig wieder gehenlassen. Er könnte seine Meinung ihnen gegenüber aber insofern ändern, als dass er ihre Qualitäten anerkennt. Das grundlegende Menschenrecht als Recht auf Leben und Freiheit spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Ebenso kann ein Augenmerk auf die unterschiedlichen Qualitäten verschiedener Individuen gelegt werden: Was manche großen und starken Menschen können, vermögen kleine und schwache nicht. Diese haben aber wiederum andere Fähigkeiten, die manchmal nützlicher sein können. So ist jeder auf seinem Gebiet gut. Die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein sind ebenfalls wichtige Inhalte dieser Fabel. Natürlich kann man dies auf Äsops gesellschaftlich niedrigen Stand als Sklaven zurückführen, welcher den Herrschenden Respekt zollen du das klare hierarchische Gefälle einhalten. Doch wichtig scheint die Maus zu sein, die als kleines grau-braunes Tier kaum sichtbar ist und wenig beachtet wird. Durch die Fabel werden gerade die Potentiale dieser Eigenschaften deutlich und ein klarer Appell an den Leser gerichtet: Unterschätze die Kleinen und Schwachen nicht!

Didaktische Analyse

Fabeln gehören laut dem Lehrplan als fiktionale Texte in der Orientierungsstufe zu den Textsorten, welche behandelt werden können, um das eigene Selbst- und Weltverständnis zu erkennen und sich auf fremde, auch unvertraute, Perspektiven einlassen zu können. Zudem soll „die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzungen mit Texten und Deutungen gefördert werden. […] und [die Schüler] zu einem eigenen Urteil gelangen.“1 Die Fabel Äsops „Der Löwe und das Mäuschen“ ist kurz und bietet sich aufgrund der neuen Tiere und der Bekanntheit Äsops, der in der Reihe bereits behandelt wurde, in der Klasse an. Da diese Stunde in der Mitte der Reihe steht, und nach der Analyse von Fabeln ein selbstständiges Schreiben dieser beginnen soll, stellt die Stunde mit seinem handlungsorientierten und offenen Ansatz eine Progression zu den vorherigen Stunden dar und öffnet durch die kreative Auseinandersetzung mit möglichen Gegenhandlungen und Arten der Moral bereits den Weg zum selbstständigen Verfassen von Fabeln. Die gewählte Fabel bietet sich hierfür aufgrund ihrer klaren schematischen Einteilung in Einleitung, Konflikt (actio-reactio) und einer Moral an. Hier schien es naheliegend, eine Textrezeption mit Unterbrechung während des Konfliktes zu wählen, um den Wendepunkt und die Spannungskurve des Textes, sowie die Dominanz der Tiere zu verdeutlichen. Gerade durch diese Einteilung, kann die bereits angebahnte Darstellung der Tiere als Gegenpole genutzt werden. Durch den Löwen und das Mäuschen werden starke Bilder geweckt, an die ich anknüpfen kann, wie die Größenverhältnisse, die deutliche Hierarchie, der König der Tiere, das graue Mäuschen, Mäuse als Schädlinge etc. Um die Gegenhandlung adäquat umsetzen zu können, müssen sich die Schüler der wechselnden Hierarchie bewusst sein, bei der zuerst der Löwe, dann die Maus dominiert.

In dieser Stunde soll der Fokus jedoch nicht auf den Charaktereigenschaften der Tiere liegen. Der Inhalt muss zum Verständnis erschlossen werden, wird aber nicht nach Zeilen eingeordnet und festgehalten, sondern als Ausgangspunkt für die Gruppenarbeit benötigt. Somit findet bereits eine didaktische Reduktion bezüglich des Aufbaus und der Charaktere statt, welche zugunsten der Schwerpunktsetzung, also der eigenen Fortsetzung der Fabel sowie einer daraus folgenden Moral, zurücktreten. Dieser Fokus ist wichtig, um der Klasse eine starke Empathiebildung sowie eine Identifikation durch den Perspektivwechsel durch die Darstellung der Tiere sowie die Rolle eines eigenen Autors, zu ermöglichen. Durch das Ansehen anderer Standbilder wird zudem die Imaginationsfähigkeit und die Phantasieentwicklung aller Beteiligten geschult, was durch das vorherige Schließen der Augen verstärkt wird. Aufgrund einer selbst formulierten Moral, wird die moralische Urteilsbildung bestärkt und bei der vergleichenden Gegenüberstellung mit anderen Lehren vertieft. Dabei sollen andere Meinungen akzeptiert, aber auch hinterfragt werden. Es wird persönlich Stellung bezogen, was die Persönlichkeitsbildung stärkt. Durch die verschiedenen Sichtweisen wird ein Zugang zu Selbst- Fremd- und schließlich dem Weltverstehen anhand Äsops Moral gegeben. Seine sprachlich komplexe Lehre stellt eine deutliche Progression zu den bisher behandelten Fabeln dar. Dennoch ist die Moral für die Mehrheit der Klasse zu schwierig formuliert. Daher werde ich eine etwas verständlichere Formulierung nutzen. Zuerst sollte der Hauptfokus auf der kritischen Hinterfragung der Moral liegen. Da dieses Ziel sehr abstrakt erscheint, wurde es zugunsten der schülernahen Thematik der Stärke verworfen. Ergibt sich die Chance, werde ich aber auch diesen Aspekt thematisieren.

[...]


1 Lehrplan RLP, D, Sek I. S.67.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Erschließung von Fabeln durch Standbilder für die Unterstufe. Der Begriff der Stärke in "Der Löwe und das Mäuschen"
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V498489
ISBN (eBook)
9783346016515
ISBN (Buch)
9783346016522
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Äspo, Löwe und Maus, Fabel, Standbild, Stärke, List, Schlau, Schwach, Sozial, Moral, Empathie, Identifikation
Arbeit zitieren
Marie Welsche (Autor:in), 2017, Erschließung von Fabeln durch Standbilder für die Unterstufe. Der Begriff der Stärke in "Der Löwe und das Mäuschen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498489

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