Pointierung im Feuilleton - eine theoretische und praktische Analyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Begriffdefinitionen
1.1 Feuilleton
1.2 Pointe

2. Die Pointe im Feuilleton
2.1 Der pointierte Schreibstil
2.2 Die Schlusspointe im Feuilleton
2.3 Unterschiede zur Pointierung in anderen Textsorten
2.4 Befreiung von der Zwangsjacke - der pointenlose Schluss

3. Analyse der Pointierung in der ZEIT-Kolumne „Das Letzte“

4. Fazit

5. Literatur

Anhang

„Jeder von uns muß angestoßen werden, damit der oder jener Groschen fällt. In jedem von uns steckt ein Groschen, der nur dann zu Fall zu bringen ist, wenn wir angestoßen werden. Also stoßen wir einander an, manchmal grob, manchmal behutsam, wie es gerade notwendig ist, um den Fall des Groschens auszulösen.“ JOHANNES R. BECHER

0. Einleitung

„Lieber mach’ ich mir einen Feind, als daß ich auf eine Pointe verzichte“, sagte einst der irische Lyriker und Dramatiker Oscar Wilde. Für viele belletristische und subjektiv journalistische Texte sind Pointen das Salz in der Suppe. Mit ihnen steht und fällt oftmals die Relevanz für den Leser, die Spannung und nicht zuletzt auch die Aussagekraft des gesamten Textes. In der wissenschaftlichen Literatur jedoch muss man schon sehr gründlich suchen, um Analysen und Definitionen zum Phänomen „Pointe“ zu finden. Ihre bis heute erst ansatzweise begonnene wissenschaftliche Aufarbeitung wird ihrem hohen Stellenwert in der literarischen und journalistischen Realität nicht gerecht. Auch Wenzel konstatiert ein „Theoriedefizit der Erzählsschlußanalayse“ (Wenzel 1989, 10).

Nicht viel weiter unten in der Hitliste der am meisten vernachlässigten medien-wissenschaftlichen Themen folgt die journalistische Darstellungsform Feuilleton. Die heute als oft Standardliteratur herangezogenen Werke stammen fast ausschließlich aus den Sechziger und Siebziger Jahren, einer Zeit, in der diese Textgattung zugegeben auch einen entsprechend höheren Stellenwert hatte. Aktuelle Abhandlungen zum Feuilleton lassen sich in den Buchhandlungen und Bibliotheken ähnlich schwer finden, wie zur Pointe. So bleibt das Feuilleton in dem Standardwerk „Einführung in den praktischen Journalismus“ von Walther von La Roche gänzlich unerwähnt. An anderen Stellen in der Literatur taucht es zumindest als Stichwort auf, einige Werke widmen ihm vielleicht gar ein Kapitel – doch die wissenschaftlichen Standard-Definitionen und Analysen sind zum größten Teil älter als vierzig Jahre. So stellt Kauffmann fest: „Die Feuilletonforschung ist niemals zum dem geplanten Großunternehmen geworden, das ebenso systematisch wie interdisziplinär hätten arbeiten sollen und müssen. […] Lehrer wie Emil Dovivat, Wilmont Haacke […] sind ohne Nachfolger geblieben“ (Kauffmann 2000, 11). Dieser Umstand muss andererseits aber auch als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Aussagen vergangener Jahre bis heute Gültigkeit beanspruchen dürfen.

Was nun aber geschieht, wenn man die Themen „Pointe“ und „Feuilleton“ in einem Hausarbeitsthema kombiniert, liegt leider auf der Hand: Wenige und alte wissenschaftliche Quellen lassen die Beschäftigung mit der „Pointierung im Feuilleton“ zu einem gewagten Experiment mit ungewissem Ausgang werden; eine Tatsache, aus der dieses Experiment aber auch seinen Reiz bezieht.

Die entscheidende Differenzierung ist bisher jedoch noch gar nicht beachtet wurden: Diese Hausarbeit soll in erster Linie den Unterschied zwischen einer „Pointe“ und „Pointierung“, bzw. einem „pointierten Schreibstil“ herausarbeiten und aufzeigen, dass das kleine Wörtchen „Pointe“ vielgestaltiger ist, als es gemeinhin beschrieben wird. Die Darstellungsform Feuilleton bietet sich für dieses Thema besonders an, da gerade sie ein besonderes Verhältnis zur Pointe hat, wie wir im Verlaufe der Arbeit sehen werden.

Zum Vorgehen im Einzelnen: Zunächst sollen die soeben eingeführten Begriffe in einem ersten Abschnitt genauer definiert werden, um das Handwerkszeug für die weiteren Ausführungen vorzubereiten. Anschließend soll das Auftreten und die Funktion von Pointen beim Feuilleton analysiert werden, wobei ausdrücklich nicht nur die Schlusspointe im Fokus der Betrachtung steht. Der feuilletonistische Schreibstil soll dabei mit einem noch genauer zu definierenden „pointierten Stil“ in Verbindung gebracht werden. Im Anschluss an die theoretische Bearbeitung des Themas, möchte ich anhand einiger Beispiele der Zeit-Kolumne „Das Letzte“ die Ausführungen praktisch unterfüttern. Am Ende sollen schließlich in einem Fazit die Ergebnisse der Arbeit kurz zusammengefasst werden.

1. Begriffdefinitionen

1.1 Feuilleton

Das Wort Feuilleton stammt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt „Blättchen“. Der Begriff bezeichnet einerseits ein „Ressort, in einer Zeitung, das die kulturellen Nachrichten, Analysen und Kritiken des kulturellen Lebens sowie Rezensionen und literarische Unterhaltung wie Roman und Kurzgeschichte bringt (Reumann 2000, 113). Andererseits ist das Feuilleton aber auch eine journalistische Darstellungsform und auf diese sollen sich die folgenden Ausführungen konzentrieren.

Der Autor Wilhelm Lichtenberg meinte einmal: „Feuilleton ist das, worin man in sechs Zeitungsspalten sagt, was man mit einem einzigen Satz für sich behalten sollte“ (Rückemann 2005). Diese Umschreibung ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu sehen, trifft aber seine Eigenart gar nicht so schlecht. Das oft auch als „Kleine Form“ bezeichnete Feuilleton lässt sich nicht exakt von anderen journalistischen Formen wie Glosse, Reportage oder Essay abgrenzen, ein Umstand der als eines der entscheidenden Charakteristika angesehen werden kann. So definiert Kauffmann es allein über seine Undefinierbarkeit (vgl. Kauffmann 2000, 11f.).

Eine gängige Umschreibung des Feuilletons ist „Plauderei“, was als Definition jedoch nicht ausreicht. Das Spektrum des Feuilletons ist sehr vielfältig. In diesem werden sowohl aktuelle Themen aufgegriffen und persönlich betrachtet als auch zeitlose Themen ohne aktuellen Aufhänger umgesetzt. Dazu gehören unter anderem alltägliche Erfahrungen oder philosophische Lebensfragen. Auch unterschiedliche Stimmungen können dabei transportiert werden: Heiterkeit, Nachdenklichkeit, Ärger, Liebe usw. . Reumann definiert das Feuilleton als Darstellungsform, die „in betont persönlicher Weise die Kleinigkeiten, ja Nebensächlichkeiten des Lebens [schildert] und versucht, ihnen eine menschlich bewegende, erbauliche Seite abzugewinnen, die das Alltägliche interessant macht“ (Reumann 2000, 114). Die Schwierigkeiten mit der Abgrenzung zu anderen Textgattungen zeigen sich besonders in dem Ausdruck „feuilletonistischer Stil“, welcher sich keineswegs nur auf die hier behandelte Darstellungsform beschränkt. Die Verwendung rhetorischer Figuren wie Antithese, Klimax, Parallelismus konstruiert einen bildhaften, verschwommenen Stil, der durch seine sprachliche Brillanz vom Sachlichen abzulenken vermag (vgl. Reumann 2000, 114). Den für ein Feuilleton typischen Stil gilt es im Abschnitt 2.1 weitergehend zu analysieren.

Die treffendste Definition des Feuilletons findet sich bei Wilmont Haacke. Sie stammt aus dem Jahre 1951, einer Zeit, in der das Feuilleton noch stärker im Fokus wissenschaftlicher Betrachtung lag:

„Ein Feuilleton ist ein Stück sauberer, gehobener und ansprechender Prosa, in welchem ein dichterisches Erlebnis mit literarischen Mitteln bei Innehaltung journalistischer Kürze unter Hinzufügung einer philosophischen Unterbauung oder Auslesung zu moralischer Perspektive, gehalten in einer betont persönlichen Schilderung, welche jedoch die Nachempfindlichkeit für die Allgemeinheit nicht schwächt, sondern hebt, so dargestellt wird, dass sich Alltägliches mit Ewigem dann harmonisch und erfreuend verbindet“ (Haacke 1951, 305).

1.2 Pointe

Das Wort Pointe wird in Deutschland erst seit dem 18.Jahrhundert verwendet. Es stammt aus dem Französischen (pointe), was wörtlich in etwa „Spitze, Schräge“ bedeutet und wiederum auf das vulgärlateinische Wort „puncta“ für „Stich“ zurückgeht. Im Duden finden wir unter dem Stichwort „Pointe“ die Erklärung: „springender Punkt; überraschendes Ende eines Witzes, einer Erzählung“ (Duden 1996, 575). Zur Definition des Begriffes reicht diese Umschreibung nicht einmal ansatzweise aus, abgesehen davon, dass die Metapher „springender Punkt“ sogar als unzutreffend angesehen werden muss. Während nämlich der Ausdruck „der springende Punkt“ für „das Entscheidende“, „das Wichtigste“ steht, muss eine Pointe abgesehen von Textformen wie Witz oder Glosse nicht zwangläufig das Wichtigste zum Ausdruck bringen.

Das Fremdwörterbuch des Dudens hilft uns schon ein Stückchen weiter. Hier wird Pointe als „geistreicher, überraschender Schlusseffekt“ (Duden 2001, 780) umschrieben. Zwei wichtige Schlüsselbegriffe zur Definition von Pointe tauchen hier auf: geistreich und überraschend. Doch die Pointe ist nicht nur die gedankliche Spitze eines Textes, sondern beinhaltet gleichzeitig auch eine für den Leser überraschende Wende. „Auf der Reitbahn sagt man, le chaval fait une pointe, wann das Pferd die Volte macht…“ (Zedler 1735, Nachdruck 1961, 1033). Um diese überraschende Wende konstruieren zu können, braucht der Text zwei Ebenen, durch die Doppeldeutigkeiten erzeugt werden können. „Die Pointe […] löst dann das Spannungsverhältnis zwischen beiden Ebenen“ (Wechselmann 1988, 49). Sie ist zweideutig, was aber im vorhergehenden Text nicht zu erkennen sein sollte, da sonst ihre Wirkung verfliegt. Der Leser sollte also nicht zu offensichtlich zur Pointe hingeführt werden. Zwanzig bezeichnet die Pointe daher auch als „wirkungsvoll formulierten Schlusssatz, der […] das Nachdenken […] in die unerwartet richtige Richtung bringt (Zwanzig 1984, 256 ff.).

Die treffendste Definition der Pointe stammt jedoch von Heinz Knobloch aus den Sechziger Jahren: „Unter der Pointe verstehen wir das letzte Stück eines Textes, das überraschend den Widerspruch zwischen der dargestellten Erscheinung und ihrem Wesen enthüllt.“(Knobloch 1962, 124).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Pointierung im Feuilleton - eine theoretische und praktische Analyse
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Subjektive Darstellungsformen
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V49835
ISBN (eBook)
9783638461900
ISBN (Buch)
9783656071532
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pointierung, Feuilleton, Analyse, Subjektive, Darstellungsformen
Arbeit zitieren
Henry Berndt (Autor:in), 2005, Pointierung im Feuilleton - eine theoretische und praktische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49835

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