Frauenbild und Minne im Mittelalter


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historische Stellung der Frau im Mittelalter
2.1 Erziehung und Bildung der höfischen Frau
2.2 Frauen als Dienerinnen und Repräsentantinnen ihres Geschlechts
2.3 Frauen im ehelichen Alltag

3. Der Minnesang
3.1 Hohe und niedere Minne
3.2 Walther von der Vogelweide und die Minne
3.3 Das Frauenbild in Minneliedern Walthers

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Minnesang werden Rollenspiele inszeniert, die der zuhörenden höfischen Gesellschaft in spielerisch kunstvoller Weise Liebesbeziehungen und erotische Situationen vorführen.

Die häufigste Konstellation ist die des vergeblich um eine höfische Dame werbenden Mannes, der trotz aller Abweisungen und Enttäuschungen an der Verehrung für seine „Herrin“ festhält und sein Leid als Möglichkeit der inneren Vervollkommnung begreift.[1]

Durch die Minne scheint daher ein bis dahin völlig neues Frauenbild transportiert zu werden, nämlich das der idealisierten höfischen Dame, die nicht nur gesellschaftlich sondern auch menschlich über dem Mann zu stehen scheint. Eine neue Wertschätzung der Frau als Person und eine sich steigernde Achtung gegenüber der Weiblichkeit durch den Idealisierungsprozess der Frau in der Minne scheint diese Epoche rund um Walther von der Vogelweide auszuzeichnen.

Das Frauenbild in der vorherrschenden Gesellschaftsordnung jedoch lief dem Idealbild der Frau innerhalb der Literatur völlig entgegen: Im realen Leben wurde das Bild der Frau nicht romantisch verklärt; unverheiratete Frauen galten bei ihren Familien als zusätzlicher Kostenfaktor. Geheiratet wurde nur aus ökonomischen Gründen und innerhalb der Ehe nahm der Mann selbstverständlich die Vormachtstellung ein.

Das reale Bild und die idealisierte literarische Vorstellung der Frau scheinen daher zwei verschiedene Dinge zu sein. Dass dies keineswegs so ist, und dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen Realität und literarischer Fiktion gibt als es scheint, werde ich im Laufe dieser Arbeit herausarbeiten.

Dabei werde ich auf die historische Stellung adliger Frauen bzw. Damen der höfischen Gesellschaft des Mittelalters eingehen und beschreiben, was man unter dem Begriff „Minnesang“ versteht und was der Unterschied zwischen „hoher“ und „niederer“ Minne ist. Außerdem werde ich mich eingehend mit der Person des Walther von der Vogelweide beschäftigen um sein Verhältnis zur Minnetradition besser einschätzen zu können und das Frauenbild, das in seinen Liedern transportiert wird, erklären zu können.

Ich schreibe diese Arbeit nach der neuen Rechtschreibreform.

2. Die historische Stellung der Frau im Mittelalter

Mittelalter. Das bedeutete für die Frauen dieser Zeit ein Leben unter männlicher Hegemonie. Sie mussten in allen kulturellen und sozialen Bereichen die tägliche Bevormundung und Reglementierung durch ihre Väter, ihre Ehemänner und auch durch ihre Beichtväter ertragen und die Idealisierungen und Abwertungen seitens aller Männer der Gesellschaft erdulden.

Mit der Formulierung „kulturelle und sozialen Bereiche“ spiele ich auf die dienende Rolle der Frau innerhalb der Familie, ihre Erziehung und Bildung, ihr religiöses Leben und ihren Part innerhalb der Ehe an. Diese Bereiche werde ich im folgenden beschreiben und diskutieren.

2.1 Erziehung und Bildung der höfischen Frau

Nach männlichem Verstehen und Verständnis wurde der Frau eine unterwürfige Rolle innerhalb der Gesellschaft zugewiesen. Die weibliche Natur wurde als „schwach“ und „schutzbedürftig“ angesehen, was dazu führte, dass Frauen sorgsamer belehrt und angeleitet werden mussten als Männer. In zahlreichen Schriften mahnten Kirchenväter zur Keuschheit und ließen verschiedenen höfischen Damen der Gesellschaft Ratschläge zur moralisch wertvollen Erziehung ihrer Töchter zukommen. Diese Briefe waren „eine Hauptquelle der christlichen Frauenlehre“.[2]

Bei der Erziehung adliger Mädchen wurde strengstens darauf geachtet, dass sie stets unter Bewachung standen, um ihre Jungfräulichkeit nicht zu verlieren. In Briefen des heiligen Hieronymus hieß es zum Beispiel, dass man junge Mädchen am Besten ständig im Hause halten und den Weg in die Kirche immer in Begleitung der Mutter absolvieren lassen sollte.

Die große Angst der „Erziehungsberechtigten“ war, dass adlige Mädchen auf schlimme Gedanken kommen könnten. Sie wurden daher permanent beschäftigt.

Diese regelrechte Beschäftigungstherapie äußerte sich in arbeiten, beten und lernen. Als angemessene Arbeiten für junge höfische Damen nannte man das Spinnen, das Weben und besonders das Nähen, Besticken und Verzieren von Gewändern aus dickem Stoff gegen die Kälte.

Die Mädchen lernten auch das Lesen. Geforderte Lektüre waren vor allem die heiligen Schriften, in denen die vier wichtigsten Dinge beschrieben waren, die es für Mädchen einzuhalten bzw. zu wissen galt :

1) Schamhaftigkeit und Keuschheit
2) Demut
3) Schweigsamkeit
4) Würde der Sitten und Gebärden

Schamhaftigkeit und Keuschheit zeigten sich darin, dass jede unnütze Ergötzung des Fleisches unterblieb.[3] So sollten sie nicht zu viel und zu lange schlafen und auch nicht zu oft baden. Zu eben diesem Punkt schrieb Hieronymus an Laeta : „Mir missfallen Bäder sehr bei einer erwachsenen Jungfrau, die über sich selbst erröten muss und die sich nicht nackend soll sehen können.“ ( Vgl. Bumke, 1986, 471).

Laut Vinzenz von Beauvais war die größte Bedrohung der Keuschheit eines Mädchens ihre schlechte Gesellschaft. Statt mit leichten Mädchen und geschwätzigen Weibern den Weg zur Kirche zu beschreiten, sollten sie lieber die Nähe von Witwen und anderen Jungfrauen suchen. Auch ihr Äußeres unterlag bestimmten Richtlinien: Die Kleider sollten, da sie als „Zeichen der Seele“(Vgl. Bumke, 1986, 471) angesehen wurden, nicht eng anliegen und weder aus Seide noch aus purpurfarbenem Stoff sein, Schlitze, Schleppen, kostbare Gürtel und Haarbänder waren nicht gern gesehen und so wie die Gesichter nicht geschminkt sein sollten, so sollten auch die Haare nicht ihrer ursprünglichen Farbe beraubt und etwa gefärbt werden. Laut den Kirchenvätern war dies „sündhaftes Teufelswerk“ (Bumke, 471), wodurch Gottes Schöpfung verfälscht würde.

Auch sollten die Mädchen in jeder ihrer Gesten eine Demut und eine Würde ausstrahlen, die anderen Frauen ein nachahmungswürdiges Vorbild sein sollte. Diese Würde erreichten die Mädchen durch das Einhalten verschiedenster Faustregeln, z. B. indem sie nicht viel redeten, wenig lachten, sich einfach kleideten, einen ehrbaren Gang hatten und nicht ihre Augen herumschweifen ließen und damit womöglich einen Mann erblicken könnten, der sie dann in die Sünde führen würde ( Vgl. Bumke, 1986, 471).

Eine höhere Bildung besaßen die Frauen nur im Hinblick auf die Laiengesellschaft, Von der gelehrten Bildung, die durch das Studium des Trivium und des Quadrivium erlangt wurde, waren sie fast gänzlich ausgeschlossen.[4]

Dies hatten sie unter anderem Männern wie Philippe de Novare zu verdanken, einem renommierten Juristen, der dafür eintrat, „dass Frauen überhaupt nicht lesen und schreiben lernen sollten, weil sie diese Fähigkeiten nur dazu nutzen, gegen die Gebote der Keuschheit zu verstoßen.“(Bumke, 1986, 475)

Eine Frau soll man nicht im Lesen und Schreiben unterrichten, außer wenn sie eine Nonne werden will. Denn vom Lesen und Schreiben der Frauen ist manches Übel gekommen. Es gibt nämlich Männer, die es wagen, ihnen Briefe mit Dummheiten und Bitten in Form von Liedern oder Gedichten oder Erzählungen zu übergeben, zu schicken oder zuzuwerfen, was sie nicht mündlich zu bitten und zu fragen wagen würden und auch nicht durch Boten entbieten.“[5]

Die Angst war groß, dass die Frau einen solchen Brief beantworten und „die Schwäche der natürlichen Beschaffenheit der Frau“ (Bumke, 1986, 476) zu einer Korrespondenz führen würde, die eine Gefahr für deren Keuschheit bedeuten könnte.

In enger Verbindung mit dem literarischen Unterricht der höfischen Damen stand auch die künstlerische Ausbildung. So wurde von einer adligen Dame das Spielen eines Saiteninstruments, das Singen, das Tanzen und ebenso das Schachspielen erwartet. Im Musikunterricht lernten die jungen Damen vor allem die modernen französischen Melodie – und Liedformen, die beim höfischen Publikum besonders beliebt waren: „Sie sang ihre Pastourelle, ihre Rotrouenge und ihr Rondeau, Chanson, Refloit und Folate über alle Maßen wunderschön“.[6]

Wirft man einen näheren Blick auf das gesamte Spektrum der höfischen Erziehung, so gerät man in Mitleid über die verlorene bzw. niemals gehabte Kindheit und Jugend der höfischen Damen. Von frühester Jugend an mussten sie dem Bild der späteren adligen Frau und im besten Sinne dem Bild der späteren höfischen Ehefrau angepasst und ihre notwendigen Fähigkeiten wie das Weben, das Schachspielen und das Nähen geschult werden. Vielleicht wurden diese Fähigkeiten wirklich vorausgesetzt, aber in jedem Fall war das jahrelange Aneignen dieser Talente eine einzigartige Variante der Beschäftigungstherapie, in der die Frau einerseits geschult und praktischerweise gleichzeitig beobachtet und kontrolliert werden konnte.

2.2 Frauen als Dienerinnen und Repräsentantinnen ihres Geschlechts

Um die Frauen auf ihre spätere Rolle als Ehefrau oder zumindest adlige Frau der Hofgesellschaft vorzubereiten, mussten sie als Teil ihrer Erziehung bestimmte Verhaltens – und Anstandsregeln verinnerlichen, um ihr Geschlecht innerhalb der Gesellschaft repräsentieren zu können.

Diesen Anstandsregeln war das gesellschaftliche Leben der Mädchen unterworfen. Unter anderem sollte eine Dame einen fremden Mann nicht direkt ansehen oder mutwillig scherzen, nicht zu laut sprechen und auch nicht beim Sitzen die Beine übereinander zu schlagen.

Beim Gehen sollte eine Dame weder zu große Schritte machen, noch zu stark auftreten oder sich zu oft umsehen, und während des Reitens war die Position der Dame auf dem Rücken des Pferdes eindeutig vorgeschrieben. Anständige Damen verließen das Haus niemals ohne ihren Mantel und es verstieß gegen die Sitten, einen Teil des Körpers unbedeckt zu lassen.

Ungefragt sollte eine Dame nicht sprechen und Geschenke sollten stets nur in kleiner Form angenommen werden, zum Beispiel in Form eines Spiegels oder eines Rings. Außerdem sollte sich keine sittsame Frau „von einem Mann anfassen lassen, der nicht das Recht dazu hat.“(Bumke, 1986,478.)

Robert de Blois veröffentlichte Mitte des 13. Jahrhunderts 21 Anweisungen für adlige Frauen, die ich innerhalb des Rahmens dieser Arbeit nicht nennen werde. Fest steht, dass eine anständige höfische Dame sich eben dieser Veröffentlichung mit dem Titel „Chastoie“ verschreiben musste um sich selbst und das Geschlecht der Frau im Allgemeinen innerhalb der höfischen, aber auch der restlichen Gesellschaft zu repräsentieren und sich nicht selbst durch unangebrachtes Verhalten die Chance auf einen möglichen Ehemann zu verbauen.

Das weibliche Tugendideal umfasste ihre „hohe Moral, ihre Keuschheit, ihre guten Taten, ihre Aufrichtigkeit und ihre Beständigkeit, ihre Preiswürdigkeit und ihre Höfischheit, ihren guten Ruf, ihre Vornehmheit und ihre Tugend.“[7]

Tugendhaftes Verhalten bestand für die Frau vor allem in der Reinhaltung ihres guten Rufs, der sich fast ausschließlich an ihrem sexuellen Verhalten bemaß. Schamhaftigkeit, Keuschheit und Reinheit waren neben den eher passiven Verhaltenswerten wie Sanftmütigkeit, Bescheidenheit, Barmherzigkeit, Güte und Demut ausschlaggebend für den Erhalt des eigenen guten Rufes innerhalb der Gesellschaft.

[...]


[1] Nusser, Peter ( 1992): Deutsche Literatur im Mittelalter. Stuttgart.- Kröner Verlag. S. 241

[2] Bumke, Joachim (1986): Höfische Kultur Band 2. 3. Aufl. Nördlingen.-dtv. S. 470.

[3] Bumke, S. 471.

[4] Bumke, S. 474.

[5] Bumke, S.476.

[6] Bumke, S. 477.

[7] Bumke, s. 481.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Frauenbild und Minne im Mittelalter
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V49806
ISBN (eBook)
9783638461658
ISBN (Buch)
9783656449768
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenbild, Mittelalters, Minne
Arbeit zitieren
M.A. Nicole Gast (Autor:in), 2003, Frauenbild und Minne im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49806

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