Jochen Vogt und die strukturalistisch geprägte Erzähltheorie


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Strukturalismus bzw. strukturale Linguistik und Erzähltheorie

3.Die Frage der Fiktionalität

4.Theoretische Annahmen Vogts
4.1.Aspekte des Untersuchungsgegenstandes
4.2.Erzählinstanz
4.2.1. Personale (bzw. neutrale) Erzählsituation
4.2.2. Auktoriale Erzählsituation
4.2.3. Ich Erzählsituation
4.3. Die Zeit der Erzählung
4.4. Das Problem der Gleichzeitigkeit
4.5. Personenrede und Bewusstseinsdarstellung

5.Methodologische Grundlagen

6.Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Seminararbeit soll dargestellt werden, in welchem Verhältnis der Beitrag von Jochen Vogt mit der strukturalistisch geprägten Erzähltheorie steht bzw. welche Bedeutung und Gültigkeit seine theoretischen und methodologischen Annahmen haben.

Im ersten Punkt werden zur Einführung in die Thematik die Grundlagen der strukturalistisch geprägten Literaturtheorie in ihrem Anfang skizziert und anschließend mit zwei weiterführenden Richtungen ergänzt. Im darauf folgenden Punkt wird das Problem der Fiktionalität thematisiert. Im nächsten Punkt werden Vogts Standpunkt, sein Untersuchungsgegenstand und seine Aspekte ausführlich referiert und kommentiert. Ihren Abschluss findet diese Arbeit in einer zusammenfassenden Einschätzung der Leistung dieses Werkes.

2. Strukturalismus bzw. strukturale Linguistik und Erzähltheorie

„Erzählen ist eine der grundlegendsten menschlichen Kommunikationsformen, um eine zeitlich erfahrene Welt in Form einer sprachlichen Zeitanordnung zu vermitteln. In der Literatur hat Erzählen seinen angestammten Platz in der Epik (Epos und Erzählprosa), wenngleich natürlich alle anderen Großgattungen nicht frei von narrativen Elementen sind. Die Erzähltheorie (oder auch: Narratologie) hat in den letzten Jahrzehnten einen solch erheblichen Theorie- und Wissenszuwachs erlebt, dass sie heutzutage wohl mit Recht als eine der komplexesten Teildisziplinen der Literaturwissenschaft bezeichnet werden kann.“1

Die Versuche, der Erzähltheorie einen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen gehen auf den Strukturalismus zurück bzw. auf den linguistischen Forschungsansatz de Saussures.

Genauso wie die Sprache, stellt die Erzählung ein Zeichensystem dar, das Bedeutungen transportiert. Der Strukturalismus nahm sich vor, die Erzählung als Zeichensystem zu untersuchen, universale Gesetze des Erzählens zu erforschen, die in allen Sprachen und Kulturen gelten. Die linguistische Theorie hat man von der Sprache auf das Erzählen übertragen. Genauso wie sich natürliche Sprachen als Systeme, deren Elemente nach Regeln angeordnet sind, beschreiben lassen, so hat man angenommen es sei möglich, Erzählungen als geschlossene Systeme zu betrachten, deren konstanten Elemente auch gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und in verschiedenen Verhältnissen zueinander stehen. Die herausgefilterten Regeln bilden eine universelle Struktur, die sich auf alle Erzählungen anwenden lässt – so die Strukturalisten.

Die Erzähltheorie, die später Narratologie getauft wurde, profitierte auch von einer früheren Richtung der Beschäftigung mit Literatur, nämlich den so genannten russischen Formalismus. Die Suche nach Universalien im Kosmos des Erzählens hat folgendes ergeben: Vladimir Propp analysierte einen umfangreichen Korpus von russischen Zaubermärchen und fand heraus, dass es bei den meisten gewisse Handlungsschemata (Abfolge von so genannten Funktionen d.h. Aktionen der Handlungsfiguren) gibt, die immer gleich sind. Propp glaubte, erkannt zu haben, dass sich diese Gesetzmäßigkeiten wiederholen, wenn auch nicht jedes Märchen alle Funktionen aufweisen kann. Eine vollständige Funktionenkette bildet nach Propp die Struktur des russischen Zaubermärchens. Diese Struktur ist ein Ordnungsprinzip, nach dem die Märchen geordnet werden, da sie durch ihre Wiederkehr für Regelhaftigkeit im Korpus sorgt. Diese Struktur begründet zugleich einzelne Märchen als konkrete Erscheinung in ihren allgemeinen Zügen.2

Grundansatz der russischen Formalisten war eine Theorie des literarischen Textes zu schaffen, aber auch eine Methode der Analyse von literarischen Texten zu entwickeln.

Die Erkenntnisse des Strukturalismus und des russischen Formalismus fanden Anklang bei den Anhängern der strukturellen Analyse. Sie stellt eine logische Fortsetzung des strukturalistischen Gedankenguts dar.

Die Pariser Schule des französischen Strukturalismus, zu der, außer Tzvetan Todorov, noch Greimas, Genette und Bremond gehören, war deutlich semiotischer inspiriert, da sie versuchte die Erzählung mit sprachlich-grammatikalischen Kategorien zu beschreiben. Ihr Bestreben war eine analysierbare Grammatik des Erzählens zu entwickeln.3

Laut Todorov, haben Erzählung und Sprache gemeinsame Züge: genauso wie die Sprache aus Wörtern als Einheiten besteht, so besteht auch eine Erzählung aus Einheiten: Das sind die Handlungspersonen, die als Substantive, ihre Eigenschaften als Adjektive und ihre Handlungen als Verben bezeichnet werden. Mit diesen Wörtern werden Sätze (Präpositionen) gebildet. Streng analogisch zur Satzanalyse, werden Handlungen bzw. Beziehungen zwischen handelnden Personen in solchen Sätzen als Prädikate bezeichnet.4 Durch die Kombination von einfachen Zeichen werden komplexe Zeichenkonstrukte gebildet. Da das Wesentliche am Zeichen seine Funktion ist, auf etwas zu verweisen bzw. für etwas zu stehen, wird durch die Kombination von Zeichen Bedeutung erzeugt.

Greimas teilt die Ansichten, dass Sprache und Erzählung gemeinsame Eigenschaften haben. Er findet, dass die Verfahrensweise zur Analyse von linguistischen Gegenständen auch zur Analyse von poetischen Gegenständen dienen kann, da die strukturale Linguistik und die Poetik Gegenstände sprachlicher Art haben und zudem noch eine komplexe Struktur, nämlich ein System von Relationen aufweisen.5 Dieser Ansatz ist komplementär zu Genettes Ansatz: Die semiologische Analyse der Erzählung geht nicht von der Diskursstruktur (Erzählinstanz, Erzählperspektive, Zeitstruktur etc.) aus, sondern von der Handlung und den Figuren als funktionalen Rollen (so genannte ‘Aktanten’).

Die innere (internalistische) Herangehensweise des Strukturalismus entspricht der Natur der Literatur und eignet sich deshalb für die Untersuchung der Literatur. Durch die strukturalistische Methode möchte Todorov die Literatur zur Wissenschaft machen und eine Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie über Gesetze verfügt, nach denen die Verhältnisse zwischen den Gegenständen geregelt bzw. hierarchisiert werden. Das Wesentliche für Todorov ist den Gegenstand der Literatur zu erforschen. Dahinter steckt die Annahme, dass es einen Gegenstand gibt und dass die Methode und der Gegenstand zusammenpassen. Die Argumente aber, die für den „internal approach“ von Todorov angegeben werden, sind weltanschaulich (außerwissenschaftlich) und das mindert die Überzeugungskraft des Versuches, Literatur zur Wissenschaft zu machen.

Eine strukturelle Analyse laut Todorov, soll Erkenntnisse darüber liefern, welche die bedeutungstragenden Elemente einer Erzählung sind und welche Hierarchie zwischen denen besteht. Sie soll nicht eine Interpretation des Textes liefern; sie ist theoretisch orientiert und nicht deskriptiv.6 Eine strukturelle Analyse kann eine Interpretation widerlegen, aber nicht stützen – das bedeutet, dass es eine asymetrische Relation zwischen den beiden besteht. Strukturale Analysen sind heuristischer Natur: sie sind Verweise darauf, was Texte bedeuten sollen.7

Die Beschäftigung mit Problemen des Erzählens, die sich zunehmend auf geisteswissenschaftliche Richtungen gestützt hat, erhielt von Todorov den Namen Narratologie. Der Begriff der Narratologie ist breiter gefasst, als der der traditionellen Epik: er umfasst nicht nur Erzählungen in der Literatur, sondern auch andere Medien wie Pantomime, Ballett, Film usw. Diese Medien ‚erzählen’ auch, d.h. sie besitzen eine Erzählstruktur; nur die Techniken, die diese Struktur vermitteln, unterscheiden sich von denen der literarischen Erzählung. Dementsprechend bezeichnet Todorov die Narratologie als allgemeine Theorie des Erzählens. Das Interesse der Narratologie galt vor allem der erzählenden Rede: der Text der Erzählung (die konkret präsentierte Geschichte) steht im Vordergrund und nicht die erzählte Geschichte selbst. Dementsprechend, sieht Todorov die Aufgabe der Narratologie nicht in der Beschreibung von Handlungen, sondern in der Erzählung von Handlungen.8

Gegenüber dem „harten“ Strukturalismus, hat sich eine „weiche“ Form des Strukturalismus herausgebildet. Der Schwerpunkt des „weichen“ Strukturalismus liegt auf der spezifischen Art literarischer Darstellung von Erzählungen und auf den Gesetzen, die dabei regieren. Anders als die Theorie Todorovs, interessiert sich diese Richtung des Strukturalismus gar nicht für die Gemeinsamkeiten aller möglichen Geschichten, unabhängig von ihrer Darstellungsweise. Propagiert wurde diese Variante des Strukturalismus von Gérard Genette.

Er liefert mit "Discours du récit. Essai de méthode", 1972 (dt. : Die Erzählung, München: Fink, 1994) das wichtigste Referenzwerk der Erzähltheorie für die am Strukturalismus orientierte französische Literaturwissenschaft; sie zeichnet sich durch sehr differenzierte und systematisch entwickelte Begrifflichkeit aus, die heute Allgemeingut der romanistischen Literaturwissenschaft geworden ist. Die erzähltheoretischen Begriffe werden hauptsächlich an Prousts À la recherche du temps perdu entwickelt.

Diese Variante des Strukturalismus hat großen Erfolg erfahren und wurde in viele Nationalphilologien in Form von Einführung in die Erzähltheorie übertragen. Sie findet heute noch Beachtung, obwohl sie vom Poststrukturalismus bekämpft wurde.9

In der deutschen Tradition der Erzählforschung entstanden in den 50er Jahre Ansätze, wie etwa von Stanzel und Lämmert, die relativ unabhängig vom Strukturalismus erschienen, aber deutliche strukturalistische Merkmale aufweisen. Stanzel und Lämmert sind Klassiker der Erzählforschung aus den 50er Jahren; ähnlich wie Stanzel ist Lämmerts Begrifflichkeit prägend bis heute und wird noch als solche verwendet. Stanzel bildet den Gegenpol zu Genette.

Das Verhältnis von Jochen Vogt zum Strukturalismus in der hier zu analysierenden Einführung in die Erzähltechnik und Romantheorie ist folgendes: Der Autor stellt sich in die traditionelle deutsche Linie Hamburgers, Stanzels und Lämmerts. Er fühlt sich einem älteren Paradigma (dem so genannten niederen Strukturalismus) verpflichtet, weil er, seiner Meinung nach, nah genug am Text bleibt, um ihn analysieren zu können. Die Gefahr der neueren formalistisch-strukturellen, semiotischen und kommunikativ-theoretischen Ansätze sieht er darin, dass sie den Text durch verschiedene Deutungsmöglichkeiten auflösen. Zudem hält er den begrifflichen Aufwand für zu groß.10

3. Die Frage der Fiktionalität

„Seit es erzählende Texte gibt, beschäftigt man sich mit der Frage, was einen fiktionalen Text ausmacht. Als fiktional (von lat. fingere: bilden, erdichten, vortäuschen) werden Texte bezeichnet, die keinen Anspruch darauf erheben, an der außersprachlichen Wirklichkeit überprüfbar zu sein. Somit gilt 'Fiktionalität' als eines der wichtigsten Kriterien für literarische Texte und zur Unterscheidung vom 'Wirklichkeitsbericht' bzw. faktualen Texten (von lat. factum: Geschehen, Tatsache). Erstmals hat Aristoteles in seiner Poetik (4. Jh. v. Chr.) auf diesen Unterschied hingewiesen. Nicht an der sprachlichen Form könne man die Erzählung von 'erfundenen' und 'tatsächlichen' Begebenheiten unterscheiden, sondern daran, was erzählt werde: "Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, dass sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt [...]; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte." (Aristoteles, S. 29)“11

Gérard Genette hat in seinem Buch Fiktion und Diktion (1991) diese Unterscheidung ausgebaut und erzähltheoretisch begründet. Mit ihm haben die Begriffe fiktional und faktual weitgehende Anerkennung gefunden.

Vom Wirklichkeitsbericht gilt: Das berichtete Geschehen liegt im Erfahrungsfeld des Berichtendem, es ist tatsächlich geschehen, egal ob darüber berichtet wird oder nicht. Von der epischen Fiktion dagegen gilt, dass das erzählte Geschehen grundsätzlich kein vom Autor erlebtes Geschehen ist und dass es nur im Erzähltwerden existiert. Dementsprechend ist dies für den Wirklichkeitssinn überhaupt kein reales Geschehen.

Dennoch ist diese Abgrenzung zwischen fiktionalen und faktualen Texten nicht immer eindeutig und zureichend. Einerseits erkennt man in vielen faktualen Textsorten Techniken, die charakteristisch für fiktionale Literatur sind. So verwenden z.B. Reportagen oder auch die Geschichtsschreibung häufig "fiktionalisierende" Strategien. Andererseits, viele fiktionale Texte beziehen sich auf Orte, Zeiten und Sachverhalte, die zweifelsfrei in der außersprachlichen Wirklichkeit existieren.12

„Entscheidend für die Einordnung eines Textes als fiktional oder faktual ist in vielen Fällen das Wissen des Lesers um die Hintergründe seiner Entstehung und Rezeption. Häufig bestimmt bereits die Situation, d.h. der Kontext im weitesten Sinne darüber, wie man einen Text liest. Wenn in einem Literaturseminar an der Universität über Homo Faber von Max Frisch gesprochen wird, kann zunächst einmal mit dem Vorwissen gerechnet werden, dass Max Frisch ein schweizerischer Schriftsteller, also ein Verfasser fiktionaler Texte ist. Außerdem legt schon die 'Institution' "Literaturseminar an der Universität" nahe, dass es sich um einen fiktionalen Text handelt. Sollten der Name Max Frisch nicht bekannt sein und in dem Seminar auch seine Tagebücher behandelt werden, gibt es immer noch ein wichtiges Indiz, das keinen Zweifel am Status des Textes lässt: Indem der Autor seinen Text mit einer Gattungsangabe - nämlich 'Roman' - versieht, schließt er gewissermaßen einen 'Pakt' beziehungsweise einen 'Fiktionsvertrag' mit seinen Lesern.“13 Er gibt ihnen zu verstehen, dass er seinen Text als Roman, als eine erfundene Geschichte gelesen wissen möchte. Oder zum Beispiel bei einer Autobiographie: Der Leser rechnet die berichteten Ereignisse dem jeweiligen Verfasser als eigene Erfahrungen zu, bzw. macht ihn für die Zuverlässigkeit des Berichts verantwortlich. Unter Bedingungen des Romanpakts sieht der Leser den Romanautor weder als Subjekt der erzählten Geschehnisse, noch setzt er seine „Wirklichkeit“ voraus.

„Solche eindeutigen, die Lektüre steuernden Gattungsangaben kann man mit Genette 'Paratexte' (in etwa: was neben dem Text steht) nennen. Das Kontextwissen, die Lektüresituation in einer bestimmten 'Institution' und paratextuelle Angaben können in ihrer Gesamtheit als 'textexterne' (außerhalb des Textes angesiedelte) Fiktionalitätssignale verstanden werden.“14

„Ob auch im Text selbst Anzeichen für seinen fiktionalen oder faktualen Charakter zu finden sind, hat die Germanistin Käte Hamburger (1896-1992) intensiv untersucht. In ihrem vieldiskutierten Buch Die Logik der Dichtung (zuerst 1957) versucht sie, den fiktionalen Status eines Textes aus ihm selbst zu begründen, also 'textinterne' Fiktionalitätssignale aufzufinden. Hamburger zufolge gibt es vor allem drei Charakteristika, die einen fiktionalen Text von einem faktualen unterscheiden: Die Verwendung von " Verben der inneren Vorgänge " - oder genauer: des Wahrnehmens, Fühlens, Denkens -, um Gedanken und Gefühle von Figuren mitzuteilen, wiedergegeben in der dritten Person ist ein Indiz für die fiktionale Beschaffenheit eines Erzähltextes. Dadurch werden Sätze wie der folgende möglich: "Beim Anblick der Leiche dachte Sherlock Holmes an die vorangegangene Mordserie und kam nicht umhin, sich an diesem neuerlichen Verbrechen mitschuldig zu fühlen." Während der Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt einer in der dritten Person Singular beschriebenen Figur in einem fiktionalen Text problemlos akzeptiert wird, müsste sich der Autor eines Wirklichkeitsberichts fragen lassen: Woher wissen Sie das?

Ein weiteres Indiz für den fiktionalen Charakter eines Textes ist die Verwendung der so genannten 'erlebten Rede' (eine Form der Bewusstseinswiedergabe). Dabei handelt es sich um eine sprachliche Konstruktion, in der die Aussage einer Figur (in direkter Rede) mit der des Erzählers (im Imperfekt und der dritten Person) überblendet wird. Hamburger zufolge findet man diese Form ausschließlich in fiktionaler Prosa.“15

Ein drittes 'textinternes' Fiktionalitätssignal ist ein bestimmter Tempusgebrauch. Wie im Französischen üblicherweise im passé simple oder im Italienischen im passato remoto erzählt wird, ist das typische Erzähltempus im Deutschen das Imperfekt bzw. Präteritum. Während das normale, so genannte "historische" Präteritum in einem Wirklichkeitsbericht chronologisches Zurückliegen des Berichteten bezeichnet, geht ihm diese zeitliche Dimension in einem fiktionalen Text verloren: Man liest einen Roman - trotz Präteritum - so als laufe das Geschehen im Hier und Jetzt ab. Die Vorstellungskraft des „Hier-und-Jetzt“ löst das Erzählte von der historisch-chronologischen Datierung. Da das epische Präteritum erzählerishcer Fiktion die Illusion von Gegewärtigkeit schafft, kann es mit Zeitadverbien wie „jetzt“, „heute“, „morgen“ kombiniert werden, die vom Hier-und-Jetzt-Standpunkt der Romanfiguren aus auf Gleichzeitiges oder Zukunftiges zeigen. Solche verweisenden oder deiktischen Zeitadverbien verbinden sich in den Wirklichkeitsaussagen konsequenterweise mit dem Präsens oder dem Futur. Mit der Verwendung des Präteritums verschwindet das Bewusstsein historischer Distanz. Deshalb hält Hamburger dieses epische Präteritum für verantwortlich für die "Zeitlosigkeit der Fiktion". Allerdings ist diese Ansicht lebhaft bestritten worden. Jochen Vogt vollzieht in seinen Aspekten erzählender Prosa diese Auseinandersetzung ausführlich nach.16

[...]


1 www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/anglistik/literaturwissenschaft

2 Vgl. Horn 1998: 71

3 Vgl. Horn 1998: 72

4 Vgl. Fietz 1982 : 170

5 Vgl. Greimas 1967 in: Ihwe 1971(2): 472

6 Vgl. Todorov 1969 in: Ihwe 1971(3) : 265

7 Vgl. Todorov 1971 in: Chatman 1973: 153-158

8 Vgl. Todorov 1969 in: Horn 1998: 65 -66

9 Vgl. Aumüller in: Frankfurter Rundschau, Nr.274 vom 23.11.2004

10 Vgl. Vogt 2005: 10

11 http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

12 Vgl. http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

13 http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

14 http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

15 http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

16 Vgl. http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Jochen Vogt und die strukturalistisch geprägte Erzähltheorie
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Germanistik II)
Note
2.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V498011
ISBN (eBook)
9783346016126
ISBN (Buch)
9783346016133
Sprache
Deutsch
Schlagworte
jochen, vogt, erzähltheorie
Arbeit zitieren
Vesna Nikolovska (Autor:in), 2005, Jochen Vogt und die strukturalistisch geprägte Erzähltheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498011

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