Wird Kitesurfen das Windsurfen verdrängen? Eine sport- und sozialwissenschaftliche Analyse


Bachelorarbeit, 2017

84 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Grundlagen des Wind- und Kitesurfens
2.1 Das Windsurfen
2.1.1 Die Entwicklung des Windsurfens
2.1.2 Das Sportgerät
2.1.3 Funktionsweise des Windsurfens

3 Ein Vergleich von Windsurfen und Kitesurfen
3.1 Material und Ausrüstung
3.2 Methodik und Didaktik von Wind- und Kitesurfkursen
3.2.1 Schwierigkeiten und Kursdauer
3.2.2 Kostenbetrachtung von Kursen
3.3 Sicherheit und Verletzungsrisiken
3.3.1 Sicherheit und Verletzungsrisiken bei Windsurfern
3.3.2 Sicherheit und Verletzungsrisiken bei Kitesurfern
3.4 Statistische Zahlen zu Kite- und Surfsportlern
3.5 Vielseitigkeit der Surfsportarten
3.6 Ausübungsorte und Naturschutz
3.7 Umsatz- und Verkaufszahlen der Hersteller
3.8 Wind- und Kitesurfen, Trends mit 20 Jahren Abstand

4 Umfrage zum Wind- und Kitesurfen: Methodik

5 Auswertung des Fragebogens
5.1 Materialbesitz und Kosten im Vergleich
5.2 Die Surfsportarten und ihre Zielgruppen

6 Die gegenseitige Akzeptanz von Kite- und Windsurfern

7 Verletzungs-Statistik zu Kite- und Windsurfern

8 Vor- und Nachteile von Kitesurfen und Windsurfen
8.1 Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile
8.2 Auswertung zur Kernfragestellung „Kitesurfen vs. Windsurfen“
8.3 Auswertung der Freitext-Einträge im Fragebogen

9 Prognosen von Funktionsträgern

10 Fazit: Windsurfen wird nicht verschwinden

11 Abbildungsverzeichnis

12 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Jahr 2015 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung ab einem Alter von 14 Jahren rund 370.000 Personen, die in ihrer Freizeit Windsurfing als Freizeitsport betrieben, fast 90 Prozent der Deutschen kennen Windsurfen als Sportart (Vgl. Sta- tista, 2016). Im gleichen Zeitraum wird die Zahl der Kitesurfer in Deutschland vom Industrieverband Global Kitesports Association auf 30.000 bis 35.000 geschätzt. Die Schätzung beruht auf den Absatzzahlen von Kite-Ausrüstung auf dem deut- schen Markt sowie dem Handelsvolumen von Wiederverkaufsbörsen. Während Windsurfen seit den 1970er Jahren bekannt ist, existiert Kitesurfen als Wassersportart erst seit 1993 in nennenswertem Umfang, in den letzten 20 Jah- ren hat aber die Zahl der Kitesurfer erheblich zugenommen. An windreichen Tagen dominieren inzwischen die Kiter die Strände an Nord- und Ostsee, so dass unter Wassersportlern verstärkt diskutiert wird, ob die Kitesurfer in Zukunft die Windsurfer zahlenmäßig überrunden werden. Vieles spricht für das Kiten: es ist leichter zu lernen, die Ausrüstung ist leichter zu transportieren und mit einem Kite ist man viel- seitiger. Der Schirm lässt sich sowohl auf dem Wasser als auch auf dem Strand, auf Schnee oder auf Eis nutzen. Die vorliegende Arbeit gibt eine Prognose, ob Kitesur- fen in Zukunft das Windsurfen verdrängen wird. Grundlage der Abschätzung sind eine detaillierte Beschreibung der Sportarten, eine Abwägung der Vorzüge und Schwierigkeiten sowie eine Fragebogenuntersuchung und ein Meinungsbild von Funktionären.

Der sportwissenschaftliche Kenntnisstand zeigt erhebliche Defizite in Bezug auf Motive, Handlungsmuster, motivationale Gründe und identifikationsrelevante As- pekte der Sportart. Die Publikationen zu diesem Thema beschäftigen sich neben der biomechanischen und rechtsmedizinischen Sichtweise vor allem mit den Verlet- zungsrisiken des Sports (vgl. Grimaul, Guilliodo & Dubrana, 2007, Nickel, Zantop & Zernial, 2005). Sozialwissenschaftliche Analysen, die auch für das oben gestellte Thema von Relevanz wären, wurden nur vereinzelt (Kühnert, 2009) vorgelegt. Die dieser Arbeit zu Grunde liegende Studie ist daher als explorativ zu betrachten und soll den Anstoß für weitere Studien und Forschungen in dieser Thematik geben.

2 Grundlagen des Wind- und Kitesurfens

Der nächste Abschnitt der Arbeit soll Basiswissen über beide Sportarten ver- mitteln. Es wird auf eine ausführliche Beleuchtung der geschichtlichen Ent- wicklung verzichtet, im Fokus stehen das benötigte Material, die Art und Weise der Beschulung und die Funktionsweise beider Sportarten. Auf dieser Grundlage werden die Motive der Sportler für die Wahl ihres Sportgerätes verständlich.

2.1 Das Windsurfen

2.1.1 Die Entwicklung des Windsurfens

„Von ein paar Leuten, die in Kalifornien mit Surfboards herumexperimentierten, wurde es zu einer Millionen-Dollar-Industrie, einer Sportart, der Amerikaner, Eu- ropäer, Asiaten und Australier frönen.“ (Evans, 1984, S. 16)

Die Grundidee des Windsurfens war, ein Wellenbrett mit einem Segel aus- zustatten, um nicht mehr auf die Welle als Antrieb angewiesen zu sein. Die erste Windsurfeinheit war eine Konstruktion mit einem Gewicht von 20 Kilogramm. Eine moderne Windsurfausrüstung ist mit gerade einmal sieben Kilogramm deutlich leichter zu handhaben. Die Konstruktion aus den 1970er Jahren bestand aus einem dreieckigen Stoffsegel, das mit einem 2,70 m langen Gabelbaum gesteuert wurde. Trotz des aufwendigen Transports ent- stand ein Boom, da das Windsurfen das Spiel mit den Elementen Wind und Wasser in einer völlig neuen Form ermöglichte. Das euphorische Lebens- gefühl der Surfer sprang schnell auf Sportler in anderen Ländern über und 1972 entstanden in Deutschland die ersten Surfschulen, in denen kommer- ziell Windsurfunterricht angeboten wurde.

2.1.2 Das Sportgerät

Die Windsurfeinheit besteht aus einem Board und einem Rigg. Unter einem Rigg versteht man die Einheit von Segel, Mast, Mastfuß und Gabelbaum (siehe Abbil- dung 1). Die Größe eines Riggs ist abhängig von der Größe des Sportlers, dem Fahrkönnen, dem Gewicht und der Windstärke. Die kleinsten Riggs, die v.a. für Kin- der verwendet werden, fangen bei 1,5 m² an, Leichtwindriggs für Regatten können bis zu 12 m² haben. Die einzelnen Bestandteile, die ein Rigg enthält, sind in der folgenden Abbildung dargestellt.

1: Segeltop = obere Ecke des Segels
2: Segellatten => Stabilisierung & besserer Vortrieb
3: Lattenspanner; befestigt Segellatte
4: die hintere Seite des Segels: das Achterliek
5: Schothorn = hintere Ecke des Segels
6: Trimmschot, verspannt Schothorn
7: Unterliek
8: Segelhals = untere Ecke des Segels
9: Vorliekstrecker
10: Mastfußhülse
11: Aufholleine, mit der das Segel aus dem Wasser geholt wird
12: Gabelbaumkopf (Anschlagung des Gabelbaums am Mast)
13: Gabelbaum (Segelführung; Spannung des Segels)
14: die vordere Seite des Segels: das Vorliek
15: Masttasche des Segels, durch die der Mast geschoben ist
16: Mast, der in das Surfbrett gesteckt wird

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Windsurfrigg mit Einzelteilen (Hilscher, 2017)

Die heutzutage gängigsten Materialen für Segel sind Monofilm, Dacron und Mylar. Alle Segel haben eine variable Anzahl aus profilierten Latten, die dem Segel die bauchige Form geben.

Der Mast besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoffen und wird mit Carbon ver- stärkt, da dieses Material hohe Festigkeit mit geringem Gewicht verbindet. Je nach Segelgröße und Segelart benötigt man einen anderen Mast. Die Masten unterschei- den sich in ihrer Dicke und in der Masthärte.

Surfboards haben, je nach Einsatzbereich unterschiedliche Größen und Volumina. Unterschieden wird in Race-, Wave-, Freestyle- und Freerideboards.

Raceboards zeichnen sich durch eine breite Form und lange Finnen bis zu 50 cm aus. Sie sind ausgerichtet auf frühes Angleiten1, hohe Geschwindigkeit und gutes Höhelaufen. Damit wird das Kreuzen erleichtert, die Fahrt in die Richtung des an- treibenden Windes.

Waveboards sind sehr schmal und haben ein geringes Volumen. Das Heck ist be- sonders verstärkt und sie bestechen durch eine große Wendigkeit und Kontrollier- barkeit bei schwierigen Bedingungen.

Freestyleboards sind ausgerichtet auf Sprünge und Tricks im flachen Wasser. Sie gleiten sehr früh an, werden bei hohen Geschwindigkeiten jedoch schwer zu kon- trollieren.

Freeridebretter sind die erste Wahl des Freizeitsportlers. Sie stellen den optimalen Kompromiss dar und können in allen Situationen punkten.

2.1.3 Funktionsweise des Windsurfens

Der Windsurfer wird maßgeblich von zwei Elementen beeinflusst. Zum einen ist es der Wind, der den Antrieb erzeugt, zum anderen das Wasser, welches den Widerstand leistet.

Das Windsurfsegel beruht auf dem gleichen aerodynamischen Prinzip wie ein Flugzeugflügel: Durch die bauchige Form entsteht ein Unterdruck auf d er windabgewandten Seite des Segels, der Vortrieb für das Segel und das Surfbrett erzeugt. Der Surfer muss das Segel durch die Verlagerung seines Gewichtsschwerpunktes ausrichten und kann den Kurs ändern, indem er den Mast zum hinteren oder vorderen Ende des Brettes neigt.

2.2 Das Kitesurfen

2.2.1 Die Entwicklung des Kitesurfens

Die Sportart Kitesurfen, die auch unter den Synonymen Flysurfing und Kiteboarding bekannt ist, ist aus vielen unterschiedlichen Sportdisziplinen entstanden. Das Kitesurfen wurde beeinflusst vom Kite-Buggyfahren, dem Windsurfen, dem Wellen- reiten, dem Wakeboarden und dem Snowboarden. Wegen der Ähnlichkeiten kommt es häufig vor, dass Sportler mehrere dieser Sportarten beherrschen. Aus Interviews mit verschiedenen Surf-Ikonen wie Robby Naish (Windsurfweltmeister 1974) oder Pete Cabrinha (Wellenreiter und Gründer der Marke Cabrinha) lässt sich entneh- men, dass die ersten Kitesurfer allesamt Wassersportler waren, die sich für eine neue Technologie begeisterten.

Die Grundidee des Kitesurfens, die Kraft eines Wind-Drachen zu nutzen, geht zu- rück auf die Zeit bis 1000 v.Chr. in China. Dort wurden Wind-Drachen zu militäri- schen Zwecken und später als Symbol religiöser Zeremonien benutzt. Relevant für die Entwicklung des heutigen Kitesurfens wurde die Drachentechnologie seit den 1970er Jahren, als Flugleinen aus Kevlar entwickelt wurden und die Lenkdrachen- systeme deutlich an Effektivität gewannen. Den Durchbruch erfuhr das mittlerweile legendäre WIPIKA (WI.nd P.owered I.nflatable K.ite A.ircraft) Drachensystem, das die Gebrüder Legaignoux 1984 patentieren ließen.

Redaktioneller Hinweis:: Abbildung 2 wurde aus urheberrechtlichen Grunden entfernt.

Abbildung 2: Das Wipika Drachensystem (vgl.fksa, 2004)

Das Wipika System besitzt aufblasbare Kammern, welche heute immer noch in Ki- tes eingesetzt werden. Erst seit 1998 kann Kitesurfen als ernsthafte Extremsportart betrachtet werden. In diesem Jahr gelang es Kitesurfern erstmalig, Höhe zu laufen und die ersten Kiteschulen eröffneten auf Hawaii. 2001 etablierte dann der Verband Deutscher Windsurfing und Wassersportschulen e.V. (VDWS) das Kitesurfen in sei- nen Schulen und im Jahr 2000 fand der erste Kitesurflehrgang statt (vgl. VDWS, 2016). 2002 wurde schon die erste inoffizielle Deutsche Meisterschaft von der Deut- schen Windsurf-Vereinigung (DWSV) durchgeführt und 2003 erhielt die Kite Surf Trophy den Status einer offiziellen Meisterschaft. Auch medial ist das Kitesurfen präsent. Mit einer Auflage von 8.000 Stück ist das Kite-Magazin in Deutschland die größte Fachzeitschrift und die Kiteboarding.de mit einer Auflage von 5.000 Stück die zweitgrößte (Kappenstein, 2017)

2.2.2 Das Sportgerät

Grundlegend wird bei Kiteschirmen zwischen Softkites und Tubekites unterschie- den. Softkites, auch Mattenkites genannt, werden nicht vorher aufgepumpt, sondern besitzen ein ausgeklügeltes System von Luftkammern, die sich entfalten, sobald die Luft einströmt. Diese Schirme verfügen über ein sehr kompliziertes Leinensystem und haben aufgrund der Kammern eine schlechtere Relaunchqualität2 als Tubeki- tes. Dadurch, dass sie keinen Bladder3 haben, der aufgepumpt werden muss, sind sie wesentlich leichter und kompakter zu verstauen. Dies führt dazu, dass gerade Buggyfahrer und Foilsurfer4 diese Art bevorzugen, weil sie schon bei sehr wenig Wind ihr Potential entfalten können.

Auf dem Markt hat sich jedoch der Tubekite durchgesetzt, der wieder unterteilt wird in Bow-Kites, C-Kites, Hybrid-Kites und Delta-Kites. Die Kitegrößen der Tubekites variieren von 5 qm bis hin zu 17qm, bei Softkites sind Größen bis zu 21qm möglich. Damit ähneln sie sehr stark einem Gleitschirm, der mit durchschnittlich 27 qm nicht wesentlich größer ist als der größte Softkite.

Weiterhin benötigt der Kitesurfer eine Bar, die eine Verbindung zwischen dem Kite und dem Sportler herstellt. Die Bar verfügt über Leinen von 18-30 Metern (abhängig von Schirmart, Größe und persönlicher Vorliebe des Fahrers) und ein ausgefeiltes Sicherheitssystem, welches dem Surfer ermöglicht, sich im Notfall von der Bar zu trennen.

Die Boards, die zum Kiten verwendet werden, unterscheiden sich, grundsätzlich in „Directional-Boards“ und „Bidirectional-Boards“. Das Directional wird zum einen von Sportlern verwendet, die ohne am Board befestigte Schlaufen in der Welle kiten, und zum anderen für Rennen eingesetzt. Das Waveboard ist dabei schmal geschnit- ten und hat an seinem Ende eine Verdickung. Das Raceboard hingegen zeichnet sich durch eine sehr breite und flache Bauweise aus und wird mit Schlaufen gefah- ren, um den hohen Geschwindigkeiten standhalten zu können. Die Form des „Di- rectionals“ erinnert an das klassische Surfboard und verdankt seinen Namen der Tatsache, dass der Surfer nur in eine Richtung fahren kann, ohne seine Fußstellung zu ändern.

Weiterhin gehört zur Ausrüstung das Trapez, welches die Verbindung zwischen dem Sportler und der Bar bzw. dem Kite herstellt.

2.2.3 Funktionsweise des Kitesurfens

Das Bauprinzip der heutigen Softkites ähnelt sehr stark dem Bauprinzip von Para- gleitschirmen Die Konstruktion ist eine Tragfläche, die für Auftrieb und Vortrieb sorgt.

„Kites sind eigentlich nur Spiegel, die den Wind umlenken und sich so vom Boden ab- stoßen. Der Auftrieb ist größer als die Erdanziehungskraft und deshalb fliegt der Dra- chen. Neben der Auftriebskraft entstehen auch Zugkräfte. Das Verhältnis zwischen Zug-und Auftriebskraft ist abhängig vom Anstellwinkel des Kites, also wie steil oder flach der Kiteschirm im Wind steht. Hierbei ist der Auftrieb so zu verstehen, wie es auch beim Flügel eines Flugzeuges ist, also durch die Druckdifferenz. Die Auftriebskraft beschreibt die vertikale Kraft, die den Kite nach oben zieht. Die Zugkraft ist die Kraft, die am Kiter bzw. an den Leinen zieht.“ (Kitewiki, 2014)

3 Ein Vergleich von Windsurfen und Kitesurfen

Nachdem das vorangehende Kapitel das Basiswissen zu den beiden Sportarten vermittelt hat, soll das folgende Kapitel Gemeinsamkeiten und Unterschiede her- ausstellen. Es werden Vorteile und Nachteile der beiden Sportarten herausgearbei- tet und Motive vorgestellt, die Sportler zum Windsurfen oder zum Kitesurfen tendie- ren lassen. Im späteren Verlauf wird anhand einer empirischen Untersuchung vali- diert, inwieweit die folgenden Überlegungen zutreffen.

3.1 Material und Ausrüstung

Vergleicht man die Ausrüstung beider Sportarten, zeigt sich, dass für das Windsur- fen deutlich mehr Material benötigt wird. Die benötigten Komponenten sind hierbei Mast (mit Extension und Mastfuß), Segel, Trapez, Gabelbaum und das Board. Im Vergleich dazu benötigt der Kitesurfer lediglich seinen Kite, die Bar und das Board. Der Kite erhält seine Form durch Luft, welche in die Tube bzw. die Struts5 gepumpt wird. Das Rigg des Windsurfers braucht dagegen einen Mast und einen Gabelbaum, um das Segel in die gewünschte Form zu bringen. Der durchschnittliche Kitesurfer benötigt zwei Kitegrößen und kann damit einen sehr großen Windbereich abdecken. Beispielsweise hat ein 80 kg schwerer Mann mit einem 8 qm- und einem 12 qm-Kite und einem gängigen Bidirectional einen Aktionsspielraum von 15-32 Knoten6. Mit diesem Material kann er als fortgeschrittener Fahrer sowohl im Flachwasser als auch in der Welle angemessen fahren. Die Situation beim Windsurfen ist im Ver- gleich dazu komplexer, was im folgenden Absatz beschrieben wird.

Die folgenden Überlegungen resultieren aus Gesprächen mit anderen Windsurfern und eigener Erfahrung. Sie variieren abhängig vom Könnensstand und den Bedin- gungen. Sie geben nur ein Beispiel, um den komplexeren Materialbedarf eines Windsurfers darzustellen. Ein Windsurfer mit einem ähnlichen Gewicht benötigt, um bei 15 Knoten fahren zu können, ein 7,5 qm-Segel, dieses wird aber ab 22 Knoten zu groß sein. Die nächste Größe wäre dann ein 6-qm-Segel, das jedoch ab 25 Kno- ten an seinem Limit wäre. Im Bereich zwischen 25 und 32 Knoten würde der Wind- surfer nochmal zwei verschiedene Segel benötigen. Hinzu kommen neben vier Se- geln auch die entsprechenden Masten. Der Mast eines 4,5 qm-Segels wird nicht zu einem 7,5 qm-Segel passen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich ein normales Freerideboard nur schwer für die Welle eignet, ein reines Waveboard hingegen ist nicht kompatibel mit einem 7,5-qm-Segel, welches zwangsläufig in einem Revier ohne viel Welle zum Einsatz kommt. Will also ein Windsurfer die gleiche Flexibilität wie ein Kitesurfer erreichen, benötigt er vier Segel, zwei Masten und zwei verschie- dene Boards. Der logistische sowie finanzielle Mehraufwand für Windsurfer mit ei- ner eigenen Ausrüstung ist also erheblich.

Deutlich ist der Unterschied auch hinsichtlich der Größe von Segel und Board. Ein Waveboard (in diesem Beispiel das Fanatic Quad) mit einem Volumen von 69 Litern ist 5,9 Kilo schwer und hat die Maße 224 / 53 cm (Magazin, 2016). Ein Freeride- board, welches in Kombination mit einem 7,5-qm-Segel gefahren werden müsste, besitzt rund 120 Liter Volumen und ist noch größer und schwerer. Daraus resultiert, dass der Windsurfer vor deutlich größere logistische Herausforderungen gestellt ist.

Zwei Kites (8 qm und 12 qm) inklusive der benötigten Pumpe lassen sich in einem großen Rucksack verstauen und das Board ist mit einer durchschnittlichen Abmes- sung von 136 x 40cm wesentlich kompakter und einfacher in der Handhabung als das Windsurfboard.

Einzig die benötigte Kleidung (Neoprenanzug, Trapez und ggf. Handschuhe, Haube, Schuhe) stellt eine Gemeinsamkeit in Bezug auf das Material dar.

Weiterhin ist die Analyse der Kosten von großer Bedeutung. Einen brauchbaren Überblick zu geben, ist nicht einfach, da der Kauf von Material von vielen verschie- denen Faktoren, wie Größe, gebrauchtes oder neues Material, Können, Verwen- dungszweck, Nutzungshäufigkeit etc. beeinflusst wird.

Für einen Vergleich der Kosten könnte man die Verkaufspreise von Händlern bei zwei vergleichbar hochwertigen Produkten gegenüberstellen. Hierbei werden das Trapez und der Neoprenanzug nicht mit einberechnet, da dieser bei beiden Sport- arten zwingend erforderlich ist und hinsichtlich des Preises keine nennenswerten Unterschiede zu finden sind.

Um ein Windsurfrigg fahrfertig zu machen, benötigt der Sportler fünf Einzelteile: Se- gel, Gabelbaum, Mast, Mastfuß, und Mastfußverlängerung (Extension). Geht man von einem Freeridewindsurfsegel mit einer Größe von 6 qm aus, dann bezahlt der Surfer für das Segel rund 500 €, für den passenden Mast ca. 250 €, für den Gabel- baum 200 €, und für den Mastfuß 65 €. Ein Freerideboard in einer gehobenen Preis- klasse kostet etwa 1.500 €. Zusammengerechnet ergäben die Einzelteile einen Preis von rund 2.500 €.

Die Einzelteile bei dem Kauf eines Kites beschränken sich auf den Kite, die Bar und das Board. Nimmt man einen soliden hochwertigen Freerideschirm, in diesem Bei- spiel den North Evo in der Standardgröße 12 qm, kostet der Schirm neu rund 1.200, die entsprechende Bar kostet 330, und ein Freerideboard, wie beispielsweise das North X-Ride, beläuft sich auf 600 €. Summiert man die drei Komponenten, beläuft sich der Preis auf 2.130 € (vgl. Surfpirates, 2017).

Die Differenz liegt somit bei 400, es ergibt sich ein Unterschied von rund 16 Prozent.

Der Unterschied vergrößert sich jedoch drastisch, wenn der Sportler mit einer Wind- surfausrüstung die gleichen Bedingungen abdecken möchte wie der Kitesurfer. Wie oben erwähnt, benötigt der Kitesurfer lediglich zwei Kites, eine Bar und ein Board, um einen sehr großen Windbereich abzudecken. Damit läge er bei einem Neukauf bei etwa 2.800 € (vgl. Surfpirates, 2017). Der Windsurfer hingegen benötigt mindes- tens drei, eigentlich vier Segel und auch zwei Boards (ein Waveboard und ein Fre- erideboard), um in den gleichen Bedingungen zu bestehen. Die Preisdifferenz wächst damit auf über 2.000 € an. Preise für gebrauchtes Material sind kaum zu ermitteln, weil schwer zu erfassende Faktoren, wie Alter, Zustand und Marke eine Rolle spielen. Die Tatsache, dass für den gleichen Einsatzbereich deutlich mehr Material benötigt wird, bleibt jedoch bestehen. Daher ist auch im Gebrauchtmarkt das Kitesurf-Equipment im Durchschnitt günstiger.

Das Windsurfen benötigt also deutlich mehr Material, was zu deutlich höheren Ge- samtkosten führt. Hinzu kommt der benötigte Platz für die Lagerung, der Transport bedeutet in den meisten Fällen einen finanziellen sowie logistischen Mehraufwand. Hinzu kommt, dass der Kitesurfer mit einem „Set“ nahezu alle Reviere befahren kann.

Es lässt sich an dieser Stelle die These aufstellen, dass deutlich mehr Kitesurfer eigenes Material besitzen als Windsurfer. Dies sollte vor alle an der größeren Viel- seitigkeit, dem geringeren Transportaufwand und den geringeren Kosten liegen. Ob diese These zutrifft, wird die Auswertung des Fragebogens ergeben.

3.2 Methodik und Didaktik von Wind- und Kitesurfkursen

3.2.1 Schwierigkeiten und Kursdauer

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Verbreitung von Wind- und Kitesurfen sind die Möglichkeiten, es zu erlernen. Da wissenschaftliche Erkenntnisse zur Methodik und Didaktik von Surfkursen kaum vorhanden sind, stützt sich die folgende Erörterung auf Erfahrungswerte und Ratgeber für die Ausbildung von Surfsportlern. Der Lern- fortschritt eines Sportlers ist immer abhängig von seinen persönlichen Vorausset- zungen, Revierbedingungen, Material und weiteren nicht beeinflussbaren Faktoren.

Bei dem Versuch, Lernfortschritte im Bereich Windsurfen zu analysieren, ist es zu- nächst wichtig, zwischen zwei Stufen zu differenzieren. Windsurfer werden hierzu in Anfänger, auch als Stehsegler bezeichnet, und in fortgeschrittene Fahrer unter- teilt. Der wesentliche Punkt, in dem sich der Fortgeschrittene vom Anfänger unter- scheidet, ist die Fähigkeit das Gleiten zu beherrschen. Bei höherer Geschwindigkeit und flachem Winkel hebt sich das Board soweit aus dem Wasser, dass nur noch das hintere Drittel des Boards das Wasser berührt. Wenn nun der Vortrieb durch das angeströmte Segel nicht abreißt und der Surfer die Belastung auf seinem Board richtig dosiert, kann das Board dauerhaft gleiten. Um diesen Zustand für längere Zeit aufrecht zu erhalten, kommen notwendigerweise die Aspekte „Trapez benut- zen“ und „Schlaufen fahren“ hinzu. Dies wird jedoch weitaus seltener innerhalb ei- nes Kurses vermittelt bei der klassischen Anfängerschulung. Das Erlernen dieser Techniken erfordert eine ausgeprägte Frustrationstoleranz hohe Übungsbereit- schaft.

In Anfängerkursen geht es darum, den Schülern möglichst schnell ein Erfolgserleb- nis zu verschaffen. Ein Anfänger kann bei guten Bedingungen mit dem entspre- chenden Material bereits nach wenigen Stunden geradeaus fahren und auch wen- den. Hierbei befindet sich das Board durchgehend in der Verdrängerfahrt und ge- neriert somit auch keine hohe Geschwindigkeit. Ein Anfängerkurs startet notwendi- gerweise immer mit einem theoretischen Einstieg, der auf dem Simulator durchge- führt wird. Hierbei lernen die Schüler die richtige Position auf dem Brett und die ersten Schritte, um das Segel richtig zu handhaben. Ein Anfängerkurs dauert je nach Schule zwischen 8 und 12 Stunden und kann gegen einen kleinen Aufpreis mit einer „Basis Licence“ im Windsurfen abgeschlossen werden. Die „Basic Licence“ ermöglicht es dann den Sportlern, weltweit an jeder Schule, die dem Verband an- gehört, Material zu leihen. Daraus resultiert, dass die meisten den Kurs mit der Li- zenz abschließen, weshalb die Zahl der vergebenen Lizenzen weitgehend gleich zu setzen ist mit der Zahl aller Windsurfanfänger, die einen Grundkurs abgeschlossen haben.

Hat der Windsurfanfänger einen Kurs mit der „Basic Licence“ abgeschlossen, be- herrscht er die Grundmanöver (Wende und Halse) sowie die wichtigsten Regeln für den Wassersportler. Die Besonderheit eines Windsurfkurses liegt in dem großen Spektrum erreichbarer Zielgruppen. Moderne Windsurfschulen besitzen Segel in verschiedenen Größen. Die kleinsten Segel beginnen bei 1,5 qm bis 2 qm und er- möglichen in Kombination mit entsprechenden Surfboards mit einem geringen Vo- lumen, sehr jungen und leichten Kindern den Einstieg in die Sportart. Gleichzeitig ist es möglich, mit Menschen beliebigen Alters, Größe und Gewichts, zusammen in einem Kurs zu lernen, da das Material bei gleicher Instruktion individuell auf den Sportler angepasst werden kann. Viele Surfschulen bieten aus diesem Grund auch Familienrabatte an und vermarkten den Einstieg in das Windsurfen als „Erlebnis für die ganze Familie“.

Ein Fortgeschrittenenkurs zielt darauf ab, spezifische Dinge zu erlernen. Neben den bereits erwähnten Techniken „Schlaufen und Trapez fahren“ werden auch Manöver wie die Powerhalse 7 oder der Wasserstart 8 unterrichtet. Der Fortgeschrittenenkurs dauert im Durchschnitt 3 mal 2 Stunden (Vgl. Surfschule Amrum, Windsurfschule Juist, Windsurfschule Kiel) und kostet zwischen 135 und 220 €. Dies ist abhängig vom Standort und der Art der Schule. Tendenziell sind die Schulen auf Inseln teurer als die auf dem Festland.

Der Betreuungsschlüssel ist bei Windsurfkursen mit 1:7 ein gängiges Maß, das den meisten Schülern gerecht wird. Jeder Schüler wird von Anfang an mit eigenem Ma- terial ausgestattet.

Ein Kitesurfkurs erfordert eine deutlich andere Unterrichtsstruktur. Schwier und Hä- ge r sagen in ihrer Studie „ Windspiele – Die Welt des Kitesurfens “:

„Die nach wie vor wachsende Trendsportart Kiteboarding ist unter anderem durch ein spezielles Anforderungsprofil, besondere Gefahrenpotenziale und Unfallmechanismen gekennzeichnet, was auch die potenzielle Gefährdung anderer Strandbesucher und Wassersportler durch nicht mehr zu beherrschende Windschirme einschließt.“ (Schwier & Häger, 2012)

Daraus resultiert, dass der Umgang mit dem Kite und seiner Kraft in einem mehrtä- tigen Kurs gründlich gelernt werden muss. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis der Studie, dass mehr als die Hälfte der Befragten sich das Kitesurfen in Eigenregie angeeignet hat. Diejenigen, die den autodidaktischen Weg gewählt haben, waren überwiegend jedoch Windsurfer mit umfangreicher Vorerfahrung (Schwier & Häger, 2012). Die Untersuchungen aus der Studie von Schwier und Hä- nger bestätigen sich in einer webbasierten Fragebogenerhebung zu Unfall und Prä- ventionsmechanismen beim Kitesurfen (Kristen, K./Körner, K., 2001, Kristen, K./Körner, K., 2001), in der rund 60 % der Befragten angaben, das Kitesurfen mit Freunden oder alleine erlernt zu haben.

Die Auswertung des Fragebogens im weiteren Verlauf der Arbeit wird Aufschluss darüber geben, ob das Windsurfen von der Mehrzahl der Personen in Eigenregie oder in Schulen erlernt wird. Die Kursgebühren bedeuten einen erheblichen Kos- tenfaktor bei der Gesamtbetrachtung des Aufwands für die jeweilige Surfsportart.

Der größte Unterschied zwischen den Sportarten liegt darin, dass es im Kitesport keine klare Linie gibt, ab wann ein Schüler wirklich kiten kann. Während beim Wind- surfen unterschieden wird in diejenigen, die sicher gleiten können, und diejenigen, die dies noch nicht beherrschen, gleiten beim Kitesurfen die Sportler, sobald sie die ersten Meter zurücklegen. Dies liegt an der völlig anderen Beschaffenheit der Kite- boards, die fast kein Volumen haben und dem anderen Kräfteverhältnis, das auf den Kitesurfer wirkt. Die Unterschiede im Können des Kitesurfers zeigen sich in der Zahl und der Schwierigkeit der Tricks, die er beherrscht.

Ein durchschnittlicher Kitekurs, nach dem die meisten Sportler schon die ersten Me- ter fahren können und mit der sicheren Handhabung des Kites vertraut sind, dauert etwa fünf bis sieben Tage (vgl. KMTV, 2016) und kostet abhängig von der Schule zwischen 220 und 350 €. Ein Kurs beginnt immer mit dem Fliegen eines Trainerki- tes9 und dem Erlernen kitespezifischer Sicherheitsaspekte. Es wird sehr viel Zeit für diese Punkte aufgewendet, da der richtige Umgang mit dem Kite eine wichtige Grundvoraussetzung darstellt.

Der anschließende Bodydrag10 dient der Kontrolle des Schirms auf dem Wasser. Erst wenn dieser sicher beherrscht wird (frühestens am zweiten, eher am dritten Tag), kann der Boardstart11 geübt werden. Die verbleibenden zwei bis drei Tage dienen dem Boardstart und der sicheren Kontrolle bei Lenk- und Wendemanövern. Am Ende dieser Tage ist der Schüler in der Lage, eigenständig den Kite aufzu- bauen, zu starten, die Sicherheitsregeln an Land und auf dem Wasser zu beachten, mehrere Meter ohne Unterbrechung zu fahren und den Kite wieder zu landen.

Ein großer Unterschied zwischen Kite- und Windsurfkursen ist der Betreuungs- schlüssel. Ein Windsurflehrer führt nach den gängigen Standards einen Anfänger- kurs mit bis zu acht Schülern durch. Jeder Schüler bekommt während des Kurses eine Ausrüstung (Rigg und Board) zugeteilt. Bei einem Kitesurfkurs liegt der Betreu- ungsschlüssel bei 1:4, jedoch teilen sich meistens zwei Schüler einen Schirm. Dies führt dazu, dass nur etwa gleich schwere Schüler sich einen Kite teilen können. Hinzu kommt, dass ein Mindestgewicht von 45 kg, ein Mindestalter von 10-14 Jah- ren und eine Körpergröße von 150 cm Grundvoraussetzungen für das Erlernen der Sportart sind. Diese Angaben sind nicht allgemein gültig, sondern schwanken ab- hängig von der Surfschule (vgl. Kitesurfen.net, 2016). Familien mit Kindern von un- terschiedlichem Gewicht und Alter können nicht ohne weiteres einen „Familienkurs“ buchen. Der Kitesurfunterricht hat insofern andere Zielgruppen stärker im Fokus.

Erschwerend für die Kitesurfschulung ist, dass die Windstärke mindestens 14 Kno- ten betragen muss. Im Gegensatz dazu kann ein Windsurfgrundkurs bereits ab 6 Knoten starten und hat damit deutlich mehr Einsatzmöglichkeiten. Beide Schulungs- arten müssen bei Starkwind (abhängig vom Revier) bei 22 – 25 Knoten ihre Einstei- gerschulung abbrechen. Die Kitesurfschulung hat also ein deutlich kleineres Fens- ter als die Windsurfschulung und die Schüler wechseln sich mit dem Material ab. Dies kann dazu führen, dass Urlauber, die eine Woche Zeit für einen Kurs haben, zu einem Windsurfkurs tendieren, statt einen Kite-Kurs zu buchen, da beim Wind- surfkurs ein schneller Lernerfolg deutlich wahrscheinlicher ist.

3.2.2 Kostenbetrachtung von Kursen

Nicht nur beim Material, auch bei der Ausbildung für das Kite- und das Windsurfen ergeben sich spürbare Unterschiede in den Kosten. Beim Vergleich der Preise von drei Surfschulen, die sowohl Kitesurf- als auch Windsurfunterricht anbieten, fällt auf, dass die Kite-Kurse teurer sind als Windsurf-Kurse. Die Surfschule Amrum (vgl. Boyens, 2017) zum Beispiel nimmt für einen Windsurfkurs mit 12 Stunden 295 €, die Windsurfschule Juist 225 € für acht Stunden und die Windsurfschule Kiel 208 € für 10 Stunden. Der Durchschnittspreis der drei Schulen für einen 10-stündigen Windsurfkurs, inklusive Theorie und Lizenz, liegt bei 244 €.

Der Preis für einen Einsteigerkurs im Kitesurfen auf Amrum beträgt 395 € für neun Stunden, auf Juist 294 € für acht Stunden und in Kiel bei 212 € für acht bis zehn Stunden. Alle Preise umfassen die notwendige Theorie und eine Lizenz. Der Mittel- wert beträgt hier für einen 10-stündigen Kurs 346 €.

Im Vergleich dieser drei Schulen ist ein Kitekurs etwa 100 € teurer als ein Wind- surfkurs bei gleicher Leistung.

Beherrscht der Sportler dann das Kiten bzw. das Windsurfen nach dem Kurs und entscheidet sich, kein eigenes Material zu kaufen, kann er es an den genannten Schulen auch ausleihen. Die Preise für den Verleih von Kitequipment variieren stark. Während die Kiteschule Amrum 50 € pro Stunde verlangt, lässt sich für den gleichen Tarif in Kiel Equipment für den ganzen Tag leihen. An der Kitesurfschule Juist kostet eine Stunde Materialverleih 35€.

Den höchsten Stundensatz für Windsurfmaterial hat die Surfschule Amrum mit 25 € pro Stunde. Die Surfschule Kiel verleiht das Material nur als 10er Karte und verlangt umgerechnet 12 € pro Stunde. Die Windsurfschule Juist liegt mit 20 € preislich zwi- schen beiden Schulen. Das Leihen von Kitesurfmaterial ist insofern auch teurer als das Leihen von Windsurfmaterial.

3.3 Sicherheit und Verletzungsrisiken

Im Bereich der Sicherheit gibt es mehrere Studien, in denen das Verletzungsprofil sowie die Verletzungshäufigkeit von Windsurfern und Kitesurfen untersucht und z.T. miteinander verglichen wurde. Die folgende kurze Gegenüberstellung wird zeigen, wie hoch das aktuelle Verletzungsrisiko bei der jeweiligen Sportart ist. Im Anschluss werden die Ausführungen in der anschließenden Fragebogenuntersuchung mit ak- tuellen Erfahrungen von Sportlern verglichen. Dass der Aspekt „Risiko und Gefahr“ sehr wichtig ist, ist unbestritten, inwiefern sich das auf die Attraktivität der beiden Wassersportarten auswirken wird, wird sich zeigen.

3.3.1 Sicherheit und Verletzungsrisiken bei Windsurfern

In einer Untersuchung, an der 103 Windsurfer beteiligt waren, darunter 61 Profi- sportler (PS) und 42 Freizeitsurfer (FS), wurden 133 Verletzungen (19 FS und 114 PS) ermittelt. Lediglich 37,2% der Freizeitsportler und 7,8% der Profisportler waren zum Zeitpunkt der Befragung unverletzt. Von den professionellen Sportlern verletz- ten sich 64,1% zweimal, bei den Freizeitsportlern lag der Wert nur bei 7,2%. Für den Profisportler lag das Verletzungsrisiko somit bei 0,25 Verletzungen pro Jahr und für den Freizeitsportler bei 0,05 Verletzungen pro Jahr. Bezogen auf 1000 Surfstun- den verletzte sich der Profisportler 1,25-mal und der Freizeitsportler 1,4-mal. Dar- über hinaus ergab die Untersuchung von Raabe, dass nur einer von Probanden Schutzkleidung in Form eines Helms und einer Prallweste verwendet hat (Raabe, 2011).

Zieh t man die Studie Sportverletzung Sportschaden (Petersen, Rau, Hansen, Zan- top & Stein, 2003) hinzu, dann ereigneten sich die meisten Unfälle bei einer Wind- stärke von 20 -25 Knoten nach etwa 2 Stunden Surfdauer. In den meisten Fällen liegen Fahrfehler als Ursache für Verletzungen vor. Manöver mit dem größten Ver- letzungsrisiko sind gefährliche Manöver wie Front- oder Backloops. Von 327 Stu- dienteilnehmern gaben 46 unterschätzte Wetterbedingungen als Ursache an und in nur zehn Fällen versagte das Material, was zu einem Sturz mit Verletzung führte. Etwa die Hälfte der Verletzungen traten beim Surfen in der Welle auf (vgl. Petersen, Rau, Hansen, Zantop & Stein, 2003)

3.3.2 Sicherheit und Verletzungsrisiken bei Kitesurfern

Das Kitesurfen zeigt eine andere Art des Verletzungspotenzials als das Windsurfen. Vor allem gefährlich sind die Leinen, die eine Reißfestigkeit von 400 kg aufweisen, hinzu kommen enorme Kräfte, die beispielsweise beim Loopen 12 freigesetzt wer- den können, dadurch können Sportler mit hohem Druck auf die Wasseroberfläche auftreffen. Kristen/Körner belegten in einer Studie, dass die meisten Verletzungen durch ungeübtes Hantieren mit den Leinen entstanden, dazu kamen harte Landun- gen auf dem Wasser und an Land sowie hohe und ruckartige Zugbelastungen des Kites (vgl. Kristen, K./Körner, K., 2001).

Bisher ermittelte Verletzungsraten beschreiben ein Verletzungsrisiko von 4 bis 7 Verletzungen pro 1000 Stunden Kitesurfen. 29 % der Kiter verletzten sich bei einem Sturz aufs Land, 23 % bei einem Sturz aufs Wasser, ebenfalls 23 % bei der Kollision mit Gegenständen. Bei Flachwasserspots reicht die Wassertiefe oftmals nicht aus, um einen Sturz abzufangen, 20 % der Sportler verletzten sich bei einem solchen Sturz und nur 4 % beim Greifen in die Leinen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Verletzungsursachen beim Kitesurfen (Zitzmann, 2005)

Ein Indiz für die Schwere von Verletzungen sind die Behandlungsdauer und die da- mit verbundene Sportabstinenz. Zieht man die Studien von Zitzmann (2005) und Kwiatkowski (2009) hinzu, lässt sich herausstellen, dass die größte Zahl der Verlet- zungen mit 34 % nicht behandlungsbedürftig sind, 24 % durch Laien versorgt wer- den konnten, 28 % eine ambulante Versorgung benötigten, 8 % stationär aufge- nommen werden mussten und 5 % eine Operation benötigten (vgl. Kwiatkowski, 2009).

Der US-amerikanische Unfallforscher Jossi dokumentiert seit dem Jahr 2000 Kite- unfälle und zählt in dem Zeitraum von 2000 - 2011 96 Todesfälle, bei denen zu 50 % gefährliche Sturmböen der Auslöser waren (vgl. Zitzmann, 2017). Andere Stu- dien belegen über 200 Personen, die durch das Kitesurfen gestorben sind und etwa 5000, die den Sport aufgrund von Verletzungen aufgegeben haben. Dies lässt sich jedoch an keiner Studie eindeutig belegen und kann an dieser Stelle nur als Indiz dafür dienen, dass die Dunkelziffer höher liegt als die bekannten 96 Todesfälle.

Der wohl größte Unterschied in der Art der Verletzungen ist, dass kaum eine Ver- letzung beim Windsurfen zum Tod führt. Es gibt mehrere Quellen, die unterschied- liche Zahlen (zwischen 96 und 200) belegen für Kitesurfer, deren Unfall zum Tod führte, es finden sich im Netz aber kaum Berichte über die Zahl tödlich verunglückter Windsurfer. In der Verletzungshäufigkeit liegt das Kitesurfen mit vier bis sieben Ver- letzungen deutlich über dem Verletzungsmittelwert von Windsurfern mit 1,25 Ver- letzungen pro 1000 Surfstunden. Der Unterschied in der Verletzungshäufigkeit ist bei Profisportlern beider Sportarten zwar geringer, jedoch zeigt sich, dass gerade Einsteiger im Kitesurfen durch Leichtsinn und eine Unterschätzung der Situation deutlich schneller verletzt werden als Windsurfer.

[...]


1 Das Angleiten bezeichnet den Moment in dem der Windsurfer aus der Verdrängerfahrt in eine Gleitfahrt übergeht

2 Das Starten des Kites aus dem Wasser

3 Innenschlauch der Tube aus Latex o.ä. welcher die Luft hält

4 Ein Foil funktioniert wie der Flügel eines Flugzeugs und wird anstelle einer Finne unter das Surf- board geschraubt. Ist die Geschwindigkeit hoch genug, sorgt es für einen Auftrieb, der das Board aus dem Wasser hebt und damit ein Gefühl des „Schwebens“ vermittelt. (vgl. Meyer)

5 Struts sind die Quertubes, die dafür sorgen, dass der Kite „der Segelfläche“ Profil gibt.

6 4 Knoten entsprechen einem Beaufort. Die Beaufortskala geht von 0 (Windstille) bis 12 (Orkan)

7 Starkwindmanöver, um während der Gleitfahrt ohne Verlust der Geschwindigkeit eine Wendung durchzuführen bei der das Heck durch den Wind dreht

8 Der Windsurfer startet aus dem Wasser ohne sein Segel an einer Schot empor zu ziehen

9 Lenkmatte mit meist 2 oder 3 Leinen und einer Controllbar. Dient zum Erlernen der Kitesteuerung bei geringem Risikopotenzial.

10 Der Kiter lässt sich auf dem Bauch liegend übers Wasser ziehen. Alle Kurse sind möglich. Somit kann z.B. ein verlorenes Board – auch in Luv – per Bodydrag erreicht werden.

11 Der Surfschüler wird mit einem Board ausgestattet und versucht die ersten Meter zu fahren.

12 Der Kite fliegt einen Looping und erhält dadurch einen enorm starken Zug nach vorne (vgl. kite- coach (2017))

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Wird Kitesurfen das Windsurfen verdrängen? Eine sport- und sozialwissenschaftliche Analyse
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Autor
Jahr
2017
Seiten
84
Katalognummer
V498007
ISBN (eBook)
9783346044105
ISBN (Buch)
9783346044112
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kitesurfen, windsurfen, analyse
Arbeit zitieren
Jan Stern (Autor:in), 2017, Wird Kitesurfen das Windsurfen verdrängen? Eine sport- und sozialwissenschaftliche Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498007

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