Eine empirische Überprüfung der säkularen Trends des Welt-Systems nach Immanuel Wallerstein


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. IMMANUEL WALLERSTEIN
2.1. WELT-SYSTEM-THEORIE
2.2. ZENTRALSTAATEN, SEMIPERIPHERIE UND PERIPHERIE-GEBIETE

3. SÄKULARE TRENDS
3.1. DER ERSTE SÄKULARE TREND: DER ANSTIEG DES PROZENTUALEN ANTEILS DER LÖHNE AN DEN PRODUKTIONSKOSTEN
3.2. DER ZWEITE SÄKULARE TREND: STEIGENDE KOSTEN FÜR ROHSTOFFE UND DEN UMWELTSCHUTZ
3.3. DER DRITTE SÄKULARE TREND: DIE STEIGENDE STEUERRATE

4. ÜBERGANG IN EIN NEUES WELT-SYSTEM

5. EMPIRISCHE ÜBERPRÜFUNG SÄKULARER TRENDS
5.1. URBANISIERUNG
5.2. DER STEIGENDE ANTEIL DER LÖHNE AN DEN PRODUKTIONSKOSTEN
5.3. ZUSAMMENFASSUNG

6. GESAMTEINSCHÄTZUNG, SCHLUSSFOLGERUNG UND AUSBLICK

ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Geographische Verteilung der Nennungen von Arbeiterunruhen in der Automobilindustrie, 1930-1996 (Silver, 2005, S. 66)

Abbildung 2: Hochpunkte der Arbeiterunruhe in der Weltautomobilindustrie, 10930-1996 (Silver, 2005, S. 67)

1. Einleitung

Das Ende des Kapitalismus wird kommen.

Dessen war sich schon Karl Marx sicher. Immer wieder finden sich Prophezeiungen über das Ende des Kapitalismus1. Doch stimmt diese Behauptung wirklich? Ist das Ende des Kapitalismus unausweichlich? Der 200. Geburtstag von Karl Marx in diesem Jahr ist ein guter Anlass, um diese These auf den Prüfstand zu stellen. Angelehnt an Marx argumentiert auch Immanuel Wallerstein, dass sich das moderne Welt-System in der Krise befindet. Im Folgenden soll diese bevorstehende Krise anhand der von Immanuel Wallerstein darlegten säkularen Trends des Welt-Systems untersucht werden. Dazu wird zuerst Immanuel Wallerstein und seine Welt-System-Analyse vorgestellt, um anschließend die säkularen Trends des Welt-Systems zu erläutern. Anschließend sollen einige dieser Trends empirisch überprüft werden. Zum Schluss gibt die Arbeit eine Gesamteinschätzung von Wallersteins These, sowie einen Ausblick auf die Anwendbarkeit seiner Trends auf aktuelle Entwicklungen im Welt-System.

2. Immanuel Wallerstein

Immanuel Wallerstein, geboren 1930 in New York, ist Afrikanist und Sozialwissenschaftler und seit 1976 Professor für Soziologie an der State University of New York in Binghampton. Schon in den 1950er Jahren hatte Wallerstein das Gefühl, die Überwindung des Eurozentrismus wird das Wichtigste Ereignis im zwanzigstens Jahrhundert sein. Schon immer interessiert an Afrika, stellte sich Wallerstein die Frage, wie man die Analyse der Geschichte des modernen Welt-Systems gestalten könnte. Er kam zu dem Schluss: Nicht nur die empirische Analyse der zeitgenössischen Realität ist von Bedeutung, sondern auch die Werkzeuge dieser Analyse. So entwickelte er seit den 1970er Jahren seine Perspektive der Welt-System-Analyse. Hierfür nahm er zwei grundlegende Änderungen vor: Zuerst änderte er die Analyseeinheit. Es sollten nicht die Staatsgrenzen, sondern das Welt-System als Einheit betrachtet werden. Zweitens hob er für seine Analysen die Grenzen zwischen den sozialwissenschaftlichen Disziplinen auf. Diese beiden Schritte ermöglichten eine Neuinterpretation des vorhandenem Material und brachten neue Daten hervor. Es erschloss sich ein neuer Weg, die soziale Realität zu betrachten.

Dieser Weg klärt, wie historische Entscheidungen unser bestehendes Welt-System konstruiert haben und wie diese bevorstehenden Entscheidungen ein Nachfolgesystem in der Zukunft gestalten können2.

2.1. Welt-System-Theorie

Was kann nach Wallerstein unter dem Welt-System verstanden werden? Wallerstein definiert das Welt-System als

„ein soziales System, das Grenzen, Strukturen, Mitgliedsgruppen, Legitimationsgesetze und Kohärenz hat. Es besteht aus widerstreitenden Kräften, die es durch Spannung zusammenhalten und auseinanderzerren, da jede Gruppe fortwährend danach strebt, es zu ihrem Vorteil umzugestalten. Es hat Merkmale eines Organismus, insofern es eine Lebenszeit hat, während der sich seine Merkmale in manchen Aspekten verändern und in anderen stabil bleiben. Seine Strukturen lassen sich nach der inneren Logik seiner Wirkungsweise als zu verschiedenen Zeiten stark oder schwach definiert.“ (Wallerstein, Das moderne Weltsystem, S. 517)

Charakteristisch für ein Welt-System sei, dass das Leben in seinem Inneren weitgehend eigenständig ist und die Kräfte für seine Entwicklung zum größten Teil aus seinem Inneren kommen3. Als einzige wirkliche Systeme sieht Wallerstein die relativ kleinen, sehr autonomen Subsistenzwirtschaften, die nicht Teil eines Systems sind, sowie die Welt-Systeme. Letztere sind durch ihre Größe gekennzeichnet, vor allem dadurch, dass sie auf der umfassenden Arbeitsteilung beruhen.

Des Weiteren lassen sich laut Wallerstein diese Welt-Systeme in zwei Kategorien differenzieren: Zum einen in Weltreiche, die nur ein einziges politisches System besitzen oder in Systeme, die ein solches allumfassendes politisches System nicht besitzen. Letzteres System betitelt Wallerstein als Weltwirtschaft4.

Eine Besonderheit der Weltwirtschaft sieht Wallerstein in der Form der Wirtschaftsorganisation. Der hier vorherrschende Kapitalismus hat aus der Vielartigkeit der politischen Systeme in der Weltwirtschaft stark profitiert. Denn für Wallerstein beruht der Kapitalismus eben nicht auf der Nicht-Einmischung des Staates in ökonomische Belange. Sondern er beruht auf der ständigen Absorption der ökonomischen Verluste durch politische Gebilde, während der zeitgleichen Verteilung von ökonomischen Gewinnen an private Besitzer5.

Wallerstein glaubt: Es ist für den Kapitalismus wichtig ist, dass die Wirtschaftsfaktoren in einem Gebiet wirksam sind, welches ein politisches System völlig kontrollieren kann. Dieser Umstand gibt den Kapitalisten eine strukturell begründete Handlungsfreiheit. Diese hat zur Folge, dass die stetige wirtschaftliche Ausdehnung des Welt-Systems möglich ist, obwohl die Verteilung der Gewinne sehr einseitig ist. Ein alternatives Welt-System, in dem das Verteilungssystem verändert werden und trotzdem ein hohes Produktionsniveau aufrechterhalten werden könnte, würde eine Reintegration der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsebene bedeuten. Diese sozialistische Weltregierung stellt eine dritte mögliche Form des Welt-Systems da. Diese Form des Welt-Systems ist zurzeit weder existent noch war sie im 16 Jahrhundert vorstellbar 6.

Die schon erwähnte Arbeitsteilung im Welt-System ist nicht nur funktional verteilt, sondern auch geographisch. Die Verteilung der ökonomischen Aufgaben im Welt-System erfolgt nicht gleichmäßig. Dieser Umstand ist zum einen eine Folge ökologischer und geographischer Gegebenheiten, doch dient er vor allem der sozialen Organisation der Arbeit. Es legitimiert und vergrößert die Fähigkeit einer Gruppe innerhalb des Systems, die Arbeit der anderen auszubeuten7.

2.2. Zentralstaaten, Semiperipherie und Peripherie-Gebiete

Geht es um die Einteilung der Weltwirtschaften, kann man laut Wallerstein drei verschiedene Bereiche ausmachen. Sie bestehen aus Zentralstaaten, Semiperipherie und Peripherie-Gebieten. Letztere werden nicht als Staaten bezeichnet, denn für die Peripherie-Gebiete ist es charakteristisch, dass ihre Staaten schwach sind. Diese Schwäche kann von einem geringen Grad an Autonomie bis hin zu der Nichtexistenz des Staates reichen8.

Zuerst könnten die Semiperipherie-Gebiete wie eine Restkategorie wirken. Sie sind jedoch ein notwendiges Strukturelement. Diese Bereiche leiten den politischen Druck ab, der sich zwischen den Zentralstaaten und den Peripherie-Gebieten entwickeln kann.

Die vorhandene Teilung des Welt-Systems bringt ebenfalls eine Hierarchie der Aufgaben mit sich. In den höherrangigen Gebieten werden Aufgaben erledigt, die ein höheres Niveau an Ausbildung und größere Kapitalisierung erfordern. Laut Wallerstein liegt es daran , „da eine kapitalistische Weltwirtschaft im wesentlichen akkumuliertes Kapital, inklusive menschliches Kapital, höher belohnt als rohe Arbeitskraft […]“ (Wallerstein, 1986, S. 521). Deshalb hat die ungünstige geographische Verteilung der anspruchsvollen Tätigkeiten die Tendenz, sich selbst zu erhalten. Diese Tendenz wird vom Markt eher verstärkt als unterminiert. Ein fehlender politischer Mechanismus für die Weltwirtschaft verhindert eine gleichmäßigere Lohnverteilung.

Durch diese ungleichmäßige Lohnverteilung und deren Unausweichlichkeit wird die ökonomische und soziale Kluft zwischen den Gebieten des Welt-Systems vor allem durch den Fortschritt vergrößert. Dieser Entwicklungsprozess ermöglicht durch technologische Fortschritte eine Ausweitung der Grenzen der Weltwirtschaft. So können trotz schlechter werdender Lohnverteilung einzelne Gebiete des Welt-Systems ihre strukturelle Rolle in der Weltwirtschaft verbessern. Die Verteilung verschiedener Gebiete können sich im Laufe der Jahrhunderte verändern. So kann ein Zentralstaat zur Semiperipherie, ebenso wie ein Peripherie-Gebiet zur Semiperipherie werden kann 9.

3. Säkulare Trends

In dieser Hausarbeit soll betrachtet werden, wie die laut Wallerstein das Ende des Kapitalismus in den nächsten Jahren unausweichlich ist.

Wallerstein ist der Auffassung, säkulare Trends könnten der Akkumulation von Kapital eine Grenze setzt. Dieser Umstand setzt den Kapitalismus unter starken Druck, da die Akkumulation von Kapital laut Wallerstein das Hauptmerkmal des Kapitalismus ist10 11.

3.1. Der erste säkulare Trend: Der Anstieg des prozentualen Anteils der Löhne an den Produktionskosten

Doch warum steigt der Anteil der Löhne an den Produktionskosten?

Der Grund dafür ist das veränderte Kräfteverhältnis zwischen den Arbeitnehmern in einer bestimmten Zone in der Weltwirtschaft und Arbeitgebern. Zwischen diesen beiden Gruppen herrscht ein intensiver politischer Wettbewerb. Dieser Klassenkampf bewirkt die Auswirkungen auf die Löhne und nicht, wie man annehmen könnte, der Markt. Wiederrum hat dieses veränderbare politische Kräfteverhältnis eine Funktion für die jeweilige Seite. Für die Arbeiter unterstützt diese Funktion die Wirksamkeit der jeweiligen politischen Organisationen. Für die Unternehmer können auf die Lohnsteigerungen reagieren, indem sie ihre Produktionsstandorte verlagern.

So konnten die Arbeiter an jedem Ort und in jeder Branche sich gewerkschaftlich organisieren und so eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern bewirken12. Es lässt sich festhalten, dass sich die Arbeiterklasse durch die langfristige Demokratisierung der politischen Mechanismen eine kontinuierlich stärkere politische Macht erarbeitet hat und so höhere Löhne durchsetzen. Dies hatte den steigen Anteil des prozentualen Anteils der Löhne an den Produktionskosten zur Folge13.

Um dieser gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiter zu entgehen, verlagern die Kapitalisten ihre Produktion in andere Regionen der Weltwirtschaft. Hier suchen sie vor allem nach Regionen, in denen aufgrund fehlender Macht der Arbeiter die Durchschnittslöhne niedriger sind. Diese Verlagerung ist nur unter der Berücksichtigung des Qualifikationsniveaus der angestrebten Region möglich. Niedrigere Löhne lassen sich hier durchsetzen, da es sich meist um neu rekrutierte Migranten aus ländlichen Gebieten handelt. Meist befinden sie sich zum ersten Mal auf dem industriellen Arbeitsmarkt. Sie akzeptieren ein niedriges Lohnniveau, da ihr neues Nettoeinkommen trotzdem noch über dem liegt, was sie mit ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit erwirtschaftet hätten. Zum anderen sind diese Migranten oft gesellschaftlich entwurzelt und treten deshalb gar nicht oder nur mangelnd für ihre Interessen ein. Diese Faktoren verringern sich im Laufe des Zeit und nach einigen Jahrzehnten werden auch diese Arbeiter Druck auf das Lohnniveau ausüben.

Die Verlagerung von Produktionen ist jedoch nur so lange möglich, wie es noch neu zu erschließende Regionen im Welt-System gibt. Dafür muss noch ausgedehntes ländliches Gebiet existieren, in dem das Lohnniveau noch niedrig genug ist14.

3.2. Der zweite säkulare Trend: Steigende Kosten für Rohstoffe und den Umweltschutz

Steigende Kosten für Rohstoffe erklären sich daraus, dass nicht nur der Kauf, sondern auch die Verarbeitung mit berechnet werden muss. Bei der Verarbeitung der Rohstoffe entstehen oft giftige und belastende Abfälle, für dessen Entsorgung ebenfalls Kosten entstehen. Da die Profitrate möglichst hoch ausfallen soll, wird versucht, diese Kosten zu externalisieren. Bei dieser Art der Kostenreduzierung fallen oftmals durch Verschmutzung der Umwelt Kosten für den Staat – der diese wiederum auf den Steuerzahler umlegt - an15 16. Eine weitere Art der Externalisierung ist die Nutzung von Rohstoffen, ohne für ihre Erneuerung zu sorgen. So kann ein Unternehmen seine Kosten deutlich reduzieren. Das Problem bei dieser Rohstoffnutzung liegt darin, dass sie nur so lange funktioniert, wie es noch ungenutzte Gebiete im Welt-System gibt, wo diese Abfälle entsorgt werden können17.

Aufgrund der wachsenden Folgen dieser Abfallbeseitigung und des immer stärker sichtbar werdenden Klimawandels wachsen die sozialen Bewegungen mit Forderungen nach verbessertem Umweltschutz. Das moderne Welt-System ist an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr genug öffentliche Flächen für die Müllentsorgung gibt. Durch die Bevölkerungsexplosion beginnen viele organische Güter knapp zu werden – erneuerbare Ressourcen stehen daher im öffentlichen Interesse18. Wallerstein fordert von den Staaten, die Internalisierung von sämtlichen Kosten zu verlangen. Dadurch würde sich jedoch der Druck auf die Profitrate noch weiter verstärken. Eine Lösung für das Problem sieht Wallerstein nicht19.

[...]


1 Hannoversche Allgemeine (2018). „Das Ende des Kapitalismus wird kommen“. Zugriff am 05.09.2018 unter http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Piketty-Das-Ende-des-Kapitalismus-wird-kommen

2 Yale University (2018). Immanuel Wallerstein. Zugriff am 01.09.2018 unter https://sociology.yale.edu/people/immanuel-wallerstein

3 Wallerstein, Immanuel Maurice. (1986). Das moderne Weltsystem. Frankfurt a.M.: Syndikat. S. 517

5 Wallerstein, 1986, S. 518f.

6 Wallerstein, 1986, S. 519

7 Wallerstein, 1986, S. 519

9 Wallerstein, 1986, S. 521

10 Wallerstein, Absturz oder Sinkflug des Adlers, S. 58

11 Wallerstein, Das moderne Weltsystem, S. 519

12 Wallerstein, 2004, S. 58f.

13 Wallerstein, 2004, S. 59

14 Wallerstein, 2004, S. 59

15 Wallerstein, 2004, S. 60f.

16 Wallerstein, Immanuel Maurice. Stirbt der Kapitalismus ? (2014). Frankfurt [u.a.]: Campus-Verl, S. 32

17 Wallerstein, 2004, S. 61

18 Wallerstein, 2014, S. 33

19 Wallerstein, 2004, S. 61

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Eine empirische Überprüfung der säkularen Trends des Welt-Systems nach Immanuel Wallerstein
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V497703
ISBN (eBook)
9783346017093
ISBN (Buch)
9783346017109
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Immanuel wallerstein, Weltsystemtheorie, Säkulere Trends, Welt System
Arbeit zitieren
Cara Barkhausen (Autor:in), 2018, Eine empirische Überprüfung der säkularen Trends des Welt-Systems nach Immanuel Wallerstein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/497703

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