Von der absoluten zur relativen Zeit. Die Bedeutung von Einsteins Relativitätstheorie für die philosophische Zeitvorstellung


Hausarbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Von der absoluten zur relativen Zeit
2.1 Absolute Zeit nach Newton
2.2 Relative Zeit nach Einstein

3. Philosophische Implikationen der Relativitätstheorie
3.1 Aristoteles‘ Präsentismus
3.2 Augustinus von Hippos Blockzeit
3.3 Immanuel Kants transzendentale Ästhetik

4. Schlussbetrachtung

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Was ist Zeit? Wenn mich jemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht mehr.“1

So geht es wahrscheinlich den meisten Menschen, obwohl die Zeit uns allgegenwärtig ist, fällt es schwer sie in Worte zu fassen. Der Mensch ist durch natürliche Umstände schon immer direkt mit der Zeit konfrontiert, ohne diese wirklich zu verstehen. Der Wechsel von Tag und Nacht, genauso wie das Verstreichen der Jahreszeiten oder die Bewegung des Zeigers einer Uhr, helfen uns das abstrakte Phänomen im Alltag greifbar zu machen. Doch sie können lediglich als Hilfsmittel der Veranschaulichung angesehen werden und nicht als Lösung der Frage nach dem Wesen der Zeit. In der Geschichte der Philosophie haben es sich zahlreiche einflussreiche Denker zur Aufgabe gemacht, eine Lösung auf genau diese Frage zu finden. Antike Philosophen wie Heraklit, Platon und Aristoteles genauso wie Denker der jüngeren Vergangenheit wie Kant, Heidegger und Bergson trugen alle einen Teil zu unserer Vorstellung von Zeit bei. Doch erlitten alle diese Theorien einen schweren Schlag als Einstein durch seine Relativitätstheorie die Annahmen über das Wesen der Zeit, die für Jahrhunderte als selbstverständlich angesehen wurden, neu hinterfragte. Im Folgenden sollen die Auswirkungen von Einsteins Entdeckung auf die Philosophie der Zeit beleuchtet werden. Hierzu ist jedoch vorerst eine genaue Betrachtung des Wandels von einer absoluten Zeitvorstellung- zu einer, durch die Relativitätstheorie geforderten, relativen Zeitvorstellung nötig. Im Zuge dessen werden die elementaren Aussagen von Newtons und Einsteins Zeitauffassungen verglichen, um das „Vorher“ und „Nachher“ dieses Wandels besser zu verstehen. Auf dieser Basis können dann als ausgewählte Beispiele Aristoteles’ Präsentismus, Augustinus’ Blockzeit und Kants Theorie der transzendentalen Ästhetik vor dem Hintergrund der Relativitätstheorie betrachtet werden. Da alle diese Theorien unter Annahme einer absoluten Zeit entstanden sind, soll untersucht werden inwiefern sie sich mit den Bedingungen der relativen Zeit vereinen lassen.

2. Von der absoluten zur relativen Zeit

Der Wandel des Zeitbegriffs von einer absoluten zu einer relativen Zeitvorstellung spielte sich vor allem in der Physik ab. Daher soll eine triviale Zusammenfassung der physikalischen Aspekte dieses Wandels der Betrachtung der philosophischen Konsequenzen vorangestellt werden.

2.1 Absolute Zeit nach Newton

Newton formuliert in seinem Hauptwerk Philosophia naturalis principia mathematica die These der absoluten Zeit, die die folgenden 200 Jahre die Vorstellung der Welt prägen sollte. „Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig, und ohne Beziehung auf irgendeinen äußern Gegenstand.“2 Es handelt sich bei der absoluten Zeit also um etwas Substantialistisches, d.h., sie existiert unabhängig von anderen Dingen und kann als etwas selbständig Seiendes angesehen werden. Diese absolute Zeit unterscheidet sich klar von der von uns gemessenen Zeit, die Newton als relative Zeit bezeichnet. Die relative „scheinbare und gewöhnliche Zeit ist ein fühlbares und äußerliches, entweder genaues oder ungleiches, Maß der Dauer, dessen man sich gewöhnlich statt der wahren Zeit bedient, wie Stunde, Tag, Monat, Jahr.“3 Mit anderen Worten ist die relative Zeit im Vergleich zur absoluten Zeit immer abhängig von einem „Maß der Dauer“. Hierbei kann es sich um jede Form einer wiederkehrenden Bewegung handeln. Naheliegend ist natürlich die Rotation der Erde um sich selbst sowie um die Sonne in Tagen und Jahren zu messen, das jedoch immer wieder leichte Abweichungen aufweist. Newton hält es sogar für möglich, dass gar keine perfekte „gleichförmige Bewegung existiere, durch welche die Zeit genau gemessen werden kann, (denn) alle Bewegungen können beschleunigt oder verzögert werden“4. Die Annahme von einer absoluten Zeit und zudem einem absoluten Raum, der genau wie die absolute Zeit unabhängig von allen in ihm stattfindenden physikalischen Vorgängen ist, sind die Grundlage auf der Newton seine Gesetze zur Gravitation und der klassischen Mechanik aufbaute. Alle Bewegungen finden demnach relativ zum absoluten Raum statt. Daraus ergibt sich, dass diese Gesetze auch für ein Bezugsystem zutreffen, wenn dieses System sich geradlinig bewegt. Beispiele hierfür sind das Sonnensystem oder das innere eines

Raumschiffs. Man kann diese physikalisch als ruhend ansehen. Zusammenfassend kann man Newtons Vorstellung von Zeit folgende Charakteristika zuweisen:

- Es gibt nur eine universelle Zeit.
- Sie verläuft für alle Bezugssysteme gleichmäßig.
- Sie existiert unabhängig von anderen Dingen.

Gottfried Wilhelm Leibniz’ Kritik an der absoluten Zeit

Obwohl Newtons Vorstellung von Zeit und Raum bis zu der Entwicklung des Konzepts der dynamischen Raumzeit durch Albert Einstein als allgemeingültig galt, äußerte Leibniz schon zu Newtons Lebzeiten Kritik an dessen Arbeit. „Leibniz hatte im Gegensatz zu Newton die (...) Vision von einem Universum als Netzwerk von Beziehungen, die ihrerseits erst Raum und Zeit definieren. Dementsprechend lehnte er die Existenz eines absoluten Raumes und einer absoluten Zeit ab.“5 Besonders Newtons These der substantialistischen Zeit widerspricht sich mit Leibniz‘ Vorstellung, in der Zeit und Raum lediglich Beziehungen zwischen Gegenständen bilden und unabhängig von diesen nicht existiert. Leibniz wirft Newton vor, dass seine substantialistische These nicht erklären könne was die Zeit, die unabhängig von anderen Dingen existiert, ist. Newton selbst erklärte Raum und Zeit als Organe Gottes, was Ausdruck seiner religiösen Überzeugung war. Heute vermutet man dahinter auch die Absicht, dem Verdacht der Gotteslästerung entgegenzuwirken. Denn absolut konnten nur Gott und seine Organe sein, nicht aber die von ihm geschaffenen Dinge. Diese Begründung ist offensichtlich nicht wissenschaftlich fundiert und Leibniz‘ Kritik daher gerechtfertigt.

2.2 Relative Zeit nach Einstein

Isaac Newton hat mit drei einfachen Gesetzen zur Bewegung von Körpern und den Kräften, die auf sie einwirken, die Basis für die klassische Mechanik der Physik gelegt. Zusätzlich gibt sein Gravitationsgesetz eine sehr gute Beschreibung der Schwerkraft und ermöglicht eine relativ genaue Berechnung von Planeten- und Satellitenbahnen in unserem Sonnensystem. Newtons Gravitationsgesetze sagen jedoch nichts darüber aus, wie schnell sich Gravitationskräfte im Raum zwischen Körpern ausbreiten. Es scheint wohl eine augenblickliche Übertragung der Kraft gegeben zu sein. Diese Erklärung hielt bereits Newton selbst für unbefriedigend. Hätte er deshalb konsequent eine höchste Geschwindigkeit in der Natur gefordert, dann wäre es ihm mathematisch durchaus möglich gewesen die Anfangsgründe der speziellen Relativitätstheorie zu entwickeln, die seine Zweifel an der instantanen Übertragung der Gravitationskraft bestätigt hätte.

Wäre Newton diese Entdeckung damals schon gelungen, dann hätte dies die Entwicklung der Menschheit um Jahrhunderte nach vome geworfen und die Welt heute wäre eine andere. Doch erst 200 Jahre später traten im Zusammenhang mit Erkenntnissen zur Ausbreitung des Lichts erste ernsthafte Widersprüche innerhalb der newtonschen Physik auf, aus denen sich dann Einsteins Relativitätstheorie entwickelte.

Im Folgenden sollen die für die relative Zeitvorstellung relevanten Auszüge aus Einsteins Entdeckung aufgeführt werden. Die Annahme, dass die Lichtgeschwindigkeit mit ca. 300.000 km/s die absolut höchste Geschwindigkeit ist, bildet die Grundlage der Relativitätstheorie. Ein Lichtstrahl, der von einer bewegten Quelle ausgesandt wird, ist für einen relativ zu diesem ruhenden Betrachter genauso schnell wie für jemanden, der sich mit der Lichtquelle bewegt. Der bewegte Beobachter wird, genau wie der ruhende Beobachter, feststellen, dass das Licht sich mit ca. 300.000 km/s von ihm entfernt. Die Geschwindigkeit des Lichts addiert6 sich also nicht, wie man es intuitiv erwartet hätte, zu der Geschwindigkeit der Quelle hinzu, sondern beträgt immer den gleichen Wert (vgl. Abb.l).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie schon gezeigt besagt Newtons Theorie, dass es eine einzige universelle Zeit gibt.

[...]


1 Augustinus, Aurelius: Confessiones. Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf/Zürich, 2004, S. 14

2 Newton, Sir Isaac: Mathematische Prinzipien der Naturlehre. Mit Bemerkungen und Erläuterungen. Hrsg. von Wolfers, Jakob Philipp, Berlin, 1872, S.25

3 Ebd., S.25

4 Ebd., S.27

5 Smolin, Lee: Im Universum der Zeit. Dt. Verlagsanstalt, München, 2014, S.31

6 Bzw. es subtrahiert sich nicht, wenn das Licht entgegen der Bewegungsrichtung ausgesandt wird.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Von der absoluten zur relativen Zeit. Die Bedeutung von Einsteins Relativitätstheorie für die philosophische Zeitvorstellung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V497637
ISBN (eBook)
9783346012449
ISBN (Buch)
9783346012456
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einstein, Zeit, Newton, absolute Zeit, relative Zeit, Zeitbegriffe, philosophische Zeit, Was ist Zeit?
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Von der absoluten zur relativen Zeit. Die Bedeutung von Einsteins Relativitätstheorie für die philosophische Zeitvorstellung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/497637

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