Giuseppe Verdi und das Risorgimento


Akademische Arbeit, 2012

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Der politische Hintergrund und wichtige Ereignisse des Risorgimento

Die Rolle des Musiktheaters

Mazzinis Musik-Konzept

Das Risorgimento in Giuseppe Verdis La battaglia di Legnano

Schluss

Einleitung

“Just as politics can be analysed as a cultural and symbolic enterprise (that is, as theatre in the broadest sense), so too can theatre or opera [...] be analysed as political.”1

Um diese These Philip Gossetts zu bestätigen, soll im Rahmen dieser Arbeit der Zusammenhang zwischen dem Musiktheater und der nationalen Einigungsbewegung in Italien im 19. Jahrhundert dargestellt werden.

Nach einer kurzen Zusammenfassung des historischen Hintergrunds des Risorgimento werde ich auf die politische und gesellschaftliche Rolle des Opernbetriebs in diesem Zusammenhang und Giuseppe Mazzinis Vorstellung einer neuen Musik eingehen. Abschließend soll die Umsetzung eines nationalistischen Opernkonzepts anhand von Giuseppe Verdis La battaglia di Legnano gezeigt werden.

Der politische Hintergrund und wichtige Ereignisse des R isorgimento

Nachdem Napoleon Bonaparte durch die anderen europäischen Großmächte in der Schlacht von Waterloo besiegt wurde und damit auch die französische Hegemonie auf dem italienischen Festland endete, wurde das Gebiet Italiens auf dem Wiener Kongress von 1814/ 15 im Zuge der Restauration in acht Staaten aufgeteilt, wobei im Norden Österreich-Ungarn und im Süden Spanien als Besatzungsmacht eingesetzt wurde.2

Der Unmut über die Fremdherrschaft, der Wunsch nach einem parlamentarischen Verfassungsstaat als Möglichkeit zur politischen Partizipation, vor allem aber die Idee einer nationalen Einheit, die sich aus dem Bewusstsein eines gemeinsamen historischen Erbes im Römischen Imperium ableiten ließ, führten zur Entstehung einer politischen und sozialen Bewegung, deren gemeinsames Ziel, trotz unterschiedlicher Vorstellungen verschiedener Gruppierungen, wie dies konkret erreicht werden sollte, die Schaffung eines unabhängigen, vereinigten und souveränen Staates Italien war. Die damit in Zusammenhang stehendenden Entwicklungen, Ideen und Ereignisse in der Zeit von 1815 bis zum Erreichen der Einheit durch den Anschluss Roms an das Königreich Italien 1870 werden unter dem Begriff des Risorgimento (der zu Deutsch „Wiederauferstehung“ bedeutet und auf den Titel einer 1847 von Cesare Balbo [1789-1835] und Camillo Cavour [1810-1861] gegründeten Zeitschrift zurückgeht3 zusammengefasst. Vorangetrieben und unterstützt wurde diese Bewegung hauptsächlich durch Vertreter des Bürgertums und Teile des Adels Da die alten monarchistischen Herrscher den Widerstand zu unterdrücken versuchten, musste er sich zunächst über Geheimbünde organisieren.

Zu ersten bedeutenderen Aufständen kam es 1820 und 1821 in Neapel und Piemont sowie, als Folge der französischen Julirevolution, 1831 in Mittelitalien und im Kirchenstaat. Sie alle wurden mit Hilfe Österreich-Ungarns niedergeschlagen, woraufhin die Repression in ganz Italien weiter zunahm.

1832 gründete der aus Genua stammende, im Exil lebende Intellektuelle Giuseppe Mazzini (1805-1872) den Geheimbund La giovvine Italia als „Bruderschaft der Italiener, die an das Gesetz des Fortschritts und der Pflicht glauben, und die sich dem Ziel verschreiben, Italien als eine Nation von Freien und Gleichen zu errichten: eine einige, unabhängige und souveräne Nation“.4

Seine Absicht war die Bündelung aller revolutionären Kräfte im in einer einzigen Partei, um auf diese Weise erfolgreich eine Revolution in ganz Italien organisieren zu können.

Zwar kam es bereits ab 1833 zu Aufstanden durch Sympathisanten, eine tatsächliche Vertreibung der Besatzer gelang ihnen jedoch erst 1848, als es nicht nur an verschieden Orten in Italien, sondern in ganz Europa zu Ausschreitungen kam.

Bei fünftägigen Straßenschlachten (cinque giornate genannt) in Mailand wurden die österreichischen Truppen unter Führung Graf Radetzkys aus der Stadt vertrieben. Im Februar 1849 wurde in Rom eine Republik unter Leitung Mazzinis, der nach Italien zurückkehrte, ausgerufen. Der Papst war bereits zuvor nach Gaeta geflohen Bis Juli 1849 verteidigten die Revolutionäre, angeführt durch Giuseppe Garibaldi (1807-1882), die Stadt, ehe sie durch ein französisches Korps besiegt wurden. Auch im übrigen Italien kam es zur gewaltsamen Wiederherstellung der früheren Ordnung. Diese Entwicklung stärkte die Moderati, die keine republikanische Verfassung, sondern eine konstitutionelle Monarchie unter dem piemontesischen König Vittorio Emanuele II. forderten. Durch liberale Reformen und geschickte Außenpolitik gelang seinem Minister Camillo Cavour schließlich 1861 die Gründung des Königreichs Italien, welches 1866 Venedig erhielt und durch die Einnahme Roms 1870 vervollständigt wurde. Damit war formal das Ziel des Nationalstaates erreicht, auch wenn vor allem die ökonomischen Unterschiede zwischen dem Norden und Süden des Landes bis heute immer wieder zu innenpolitischen Kontroversen über die tatsächliche Einheit des Staates führen.

Die Rolle des Musiktheaters

Um zu verstehen, welche Bedeutung den Medien allgemein und in Italien im 19. Jahrhundert insbesondere dem Musikdrama bei der Entstehung einer Nation zukommen kann, ist es sinnvoll zunächst die Bedeutung des Begriffs der Nation selbst zu klären. Benedict Anderson definiert sie als vorgestellte politische Gemeinschafft, deren Mitglieder stets begrenzt sind und die sich durch Souveränität als Symbol ihrer Freiheit auszeichnet. Vorgestellt sei sie deshalb, weil ihre Mitglieder die Mehrheit der übrigen Angehörigen der Nation niemals kennenlernen würden, in ihren Köpfen aber dennoch die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiere.5

Begreift man das Konzept der Nation in diesem Sinne als konstruierte Vorstellung, so wird deutlich, dass diese nicht von Natur aus existiert, sondern sich erst durch entsprechende Verbreitung über geeignete Kanäle allmählich in den Köpfen der Bevölkerung festsetzt. Aus mehreren Gründen kann hierbei die Oper für Italien als besonders geeignet angesehen werden. So handelt es sich bei ihr um eine Gattung, die um 1600 in Florenz entstanden war und im 19.

Jahrhundert auch international als „typisches Produkt des modernen Italien“6 galt. Sie konnte also mit Recht als eine kulturelle Errungenschaft betrachtet werden, mit der sich dank ihres lokalen Ursprungs und ihres Ruhmes ein gewisser nationaler Stolz verbinden ließ. Zudem bot sie eine Lösung für ein zentrales Problem der Nationalbewegung: das Fehlen einer gemeinsamen Alltagssprache als Grundlage erfolgreicher Zusammenarbeit. Zwar existierte für formale Anlässe eine Hochsprache, diese wurde aber nur von der gebildeten Oberschicht beherrscht und sehr selten verwendet. Weil im Musikdrama der Text durch Musik vermittelt wird, konnte diese die Rolle einer italienischen Universaalsprache übernehmen, schon ehe der Schriftsteller Giuseppe Manzoni dieses Problem mit seinem Roman I promessi sposi in der Literatur löste. Zwar existierten auch in der Musik Elemente verschiedener Schulen, sie verschwanden aber dadurch immer mehr, dass erfolgreiche Opern überregional in ganz Italien aufgeführt wurden.7

Diese Gründe erklären die grundsätzliche Eignung des Musiktheaters als Medium zur Förderung von Nationalismus, nicht jedoch seine enorme Verbreitung und Beliebtheit. So gab es auf der Apennin-Halbinsel 1830 bereits 175 verschiedene Spielzeiten, zu denen 1840 ungefähr 50 weitere hinzukamen.8 Das hängt mit der traditionellen Rolle des Theaters zusammen, das schon seit der Barockzeit als prunkvolles Bauwerk vor allem die Macht und Größe der Herrscher repräsentierte. Zudem spiegelte die Architektur des Zuschauerraums die streng hierarchische Gesellschaftsordnung wider, da der Platz von dem aus der jeweilige Besucher eine Vorstellung verfolgen durfte, von dessen sozialem Status abhängig war. Nach der Restauration war dies besonders wichtig, um vor allem bei den oberen Bevölkerungsschichten das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die alte Ständeordnung der vornapoleonischen Zeit wieder eingeführt war. Daneben gab es noch weitere Gründe, weshalb die Theater für die Regierenden enorme Bedeutung hatten und durch großzügige Subventionen unterstützt wurden. Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Zitat des neapolitanischen Innenministers Giuseppe Zurlo:

„Theaters […] have now become a political and moral necessity that keeps the multitude from engaging in more pernicious gatherings, and in Naples in particular, the theater has for many years now brought our city the renown of a great metropolis and hence an important and profitable attraction for foreign visitors too”.9

[...]


1 Gossett 1990, S. 41

2 Für Informationen zum Risorgimento vgl. Sorrento 15.03.2011; Mondwurf 2002, S. 119–123; Ploetz 2005, S. 1012–1015

3 Vgl. Ploetz 2005, S. 1013f.

4 Sorrento 15.03.2011, S. 4

5 Vgl. Anderson 1996, S. 5ff.

6 Kapp 2001, S. 41

7 Vgl. Gossett 1990, S. 44

8 Vgl. Roccatagliati 2004, S. 16

9 Zitiert nach Davis 2006, S. 583

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Giuseppe Verdi und das Risorgimento
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Department Kunstwissenschaften)
Veranstaltung
Musik und Politik
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V497495
ISBN (eBook)
9783346018243
ISBN (Buch)
9783346018250
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Giuseppe Verdi Risorgimento Musiktheater
Arbeit zitieren
Moritz Fischer (Autor:in), 2012, Giuseppe Verdi und das Risorgimento, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/497495

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