Die Rolle der Außenwelt in Giovanni Vergas I Malavoglia


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Der Autor
1.2 Historischer Kontext
1.3 Literarischer Kontext
1.4 Der Roman

2. Hauptteil
2.1. Außenwelt und Innere Welt
2.2. Nicht gewollter Kontakt mit der Außenwelt
2.3. Gewollter Kontakt mit der Aussenwelt
2.4. Die Bedeutung der verschiedenen Ebenen

3. Resümee

4. Literatur

1. Einleitung:

1.1 Der Autor:

Am 02.09.1840 wird Verga als Sohn kleinadeliger Grundbesitzer in Catania (Sizilien) geboren. Als er 14 wird, wird er zum ersten Mal aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, da die Familie auf der Flucht vor einer Cholera-Epidemie umziehen muss.

Vergas literarische Begabung zeigt sich schon früh. Trotzdem beginnt er, auf Wunsch des Vaters mit 18 Jahren ein Studium der Rechtswissenschaften. Dieses beendet er allerdings schon nach zwei Jahren, um sich ganz dem Ziel zu widmen, Schriftsteller zu werden. 1864 stirbt Vergas Vater. Ein Jahr später verlässt der junge Verga Sizilien und geht nach Florenz, später nach Mailand. Das inspirierende Gesellschaftsleben und der Kontakt mit anderen Schriftstellern und Musikern führen bei Verga zu einer absoluten Begeisterung für die Großstadt. Eine Begeisterung, welche allerdings nicht anhält. Der geringe Erfolg seiner Romane machen Verga unzufrieden, er findet einfach nicht zu seinem wahren Stil.

Dies gelingt ihm erst in der Rückbesinnung auf die Themen seiner Kindheit und Jugend, inspiriert durch die Lektüre französischer Naturalisten. Verga beginnt in seinen Romanen das Leben und den Alltag der sizilianischen Unterschicht zu thematisieren. Sein Ton wird indessen immer düsterer. Nach dem Tode seiner Schwester Rosa 1877 und dem Tod der Mutter 1878 scheint Verga in seinen Themen zu resignieren. Zentraler Punkt wird für ihn die Heiligkeit der Familie, welche allerdings in seinen Werken keinen Bestand vor dem Schicksal hat.

1893 verlässt Verga Mailand und kehrt zurück in seine sizilianische Heimat. Mailand ist für ihn uninteressant geworden, da sich das kulturelle Leben Italiens immer mehr nach Rom verlagert und darüber hinaus auch sein Erfolg deutlich nachlässt.

Mit seiner Rückkehr nach Sizilien lässt Vergas Kreativität allmählich nach. Die vorherrschende literarische Strömung bewegt sich wieder in Richtung Romantik, naturalistische Werke finden wenig Anklang. Erst im Laufe des Ersten Weltkrieges entsteht durch die Leiden der Bevölkerung wieder ein größeres Interesse für die Leiden von Vergas Charakteren. Für Verga persönlich kommt diese Entwicklung etwas spät. Er stirbt 1922 in seiner Heimat in Catania.

1.2. Historischer Kontext:

Im Jahre 1861 wurde Vittorio Emmanuele II., seit 1849 König von Sardinien, zum König des vereinigten Italiens ausgerufen. Damit war die lange Arbeit des „Risorgimento“ faktisch erreicht. Allerdings ergaben sich mit der Einigung neue große Probleme. Das starke wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle Italiens war schon damals extrem deutlich. Der Norden entwickelte sich schnell und kapitalistisch, konnte die gerade entstehende Industrialisierung voll nutzen und verlor so nicht den Anschluss an den Rest Europas. Der Süden dagegen war agrarisch geprägt, seine Entwicklung stagnierte. Somit ergab sich eine Dominanz des Nordens. Gleichzeitig gab es extreme Konflikte mit dem Vatikan, welcher sich von der Masse und dem Machtpotential eines geeinigten Italiens bedroht fühlte. Seinen Höhepunkt erreichten die Konflikte mit der Kirche mit der vorübergehenden Exkommunikation des italienischen Königs.

Diese Probleme führten vor allem im Süden zu einer großen Unzufriedenheit, die in starke Kritik am „Risorgimento“ und unter anderem in eine partielle Verelendung der Landbevölkerung sowie ein Erstarken der Mafia mündete.

Diese Spaltung des Landes führte auch auf literarischer Ebene zu einer Spaltung.

1.3. Literarischer Kontext:

Die intellektuelle Schicht Siziliens versuchte auf ihre Art und Weise auf die Ungerechtigkeiten, welche sie empfand, aufmerksam zu machen.

So nutzten die Schriftsteller ihre Literatur, um auf das Elend ihrer süditalienischen Landsleute aufmerksam zu machen. Folge dessen war Mitte des 19. Jahrhunderts eine Abkehr von der Periode der Romantik hin zu einer neuen Richtung, dem Naturalismus. Dieser entwickelte sich in Italien zum „Verismo“.

Da mir in dieser Arbeit kein Platz für eine umfassende Analyse bzw. Erklärung des Unterschieds zwischen Naturalismus im Allgemeinen und des italienischen Verismo im Besonderen bleibt, möchte ich mich an dieser Stelle sehr kurz fassen.

Der Naturalismus nimmt die Gesellschaft in den Fokus, welche er, wie der Name bereits andeutet, möglichst klar und deskriptiv wiedergibt. Der naturalistisch schreibende Autor nimmt sich mit seinen Kommentaren zum Geschehen nahezu völlig zurück, er schreibt völlig wertfrei, ohne zu Urteilen. Häufiges Motiv des Naturalismus ist der Kampf des Menschen ums Überleben in einer Gesellschaft.

Der Verismo, als Abwandlung des Naturalismus, ist Resultat der historischen Umstände Italiens. Geprägt von süditalienischen Autoren und der desaströsen Situation Süditaliens, haftet dem Verismo eine Art Resignation an. Der veristische Autor sieht den Kampf ums Überleben oder für das persönliche Glück als sinnlos an.[1]

1.4 Der Roman:

Ganz in diesem Prinzip des Verismo entsprechend schreibt Verga. Er veröffentlicht „I Malavoglia“ im Jahre 1881. Zweifelsfrei ist „I Malavoglia“ eines der größten Werke des sizilianischen Autors. Es ist Teil seines unvollendeten Zyklus der „Vinti“, ein Projekt, in dem Verga, von unten beginnend, durch alle Gesellschaftsschichten den darwinistischen Kampf ums Leben darstellen will.[2]

Zweifelsfrei hat er mit „I Malavoglia“ eine, wenngleich dramatische, Ode an die Familie und das ländliche Idyll geschaffen. Das ländliche Idyll als Gegensatz zur städtischen Zivilisation. Verga beschreibt in seinem Roman das Leben und den Niedergang einer Fischerfamilie in einem kleinen sizilianischen Küstenort. Diese Familie, die Malavoglia stehen exemplarisch für jede Familie Süditaliens, die unter den historischen und wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Periode leidet. Getroffen von verschiedensten Schicksalsschlägen, wie Tod, Krankheit, materiellem Verlust, sozialem Abstieg und anderem lässt sich ihr Niedergang nicht aufhalten.

Verga schafft mit diesem Roman eine klare Grenze zu seinem bisherigen Werk. Seine Erzähl- bzw. Personentechnik macht einen gewaltigen Sprung, eine gewaltige Entwicklung. Haben seine bisherigen Werke selten mehr als ein Dutzend Charaktere, steigt deren Zahl in „I Malavoglia“ auf ca. 50. Ebenso fällt es in „I Malavoglia“ sehr schwer zwischen Haupt- und Nebenpersonen zu unterscheiden. Auch unterlässt es Verga seine Figuren deskriptiv einzuführen, d.h. er gibt dem Leser kein „physisch-moralisches Porträt“ der Personen, jeweils bei deren erstem Auftritt vor. Darüber hinaus werden dem Leser 40 der Charaktere auf den ersten 20 von 220 Seiten nahezu beiläufig „hingeworfen“.[3]

Verga tut dies allerdings natürlich nicht ohne Intention. Er möchte dem Leser eine sofortige Identifikation mit den Romanfiguren ermöglichen. Verga selbst erklärt diese Umstrukturierung im Aufbau des Romans in einem Brief, welchen er, unmittelbar nach Erscheinen des Romans, an einen seiner Freunde schreibt:

„Io mi son messo in pieno, e fin dal principio, in mezzo ai miei personaggi e ci ho condotto il lettore, come ei li avesse tutti conosciuti diggià, e più vissuto con loro e in quell’ambiente sempre. Parmi questo il mondo migliore per darci completa l’illusione della realtà: [...]certamente non mi dissimulavo che una certa confusione non dovesse farsi nella mente del lettore alle prime pagine; però man mano che i miei attori si fossero affermati colla loro azione essi avrebbero aquistato maggior rilievo, si sarebbero fatti conoscere più intimamente e senza artificio, come persone vive, il libro tutto ci avrebbe guadagnato nell’impronta di cosa avvenuta.”[4]

Hier weist der Autor selbst auf ein Problem hin, mit welchem man als Leser lange zu kämpfen hat: Das Gefühl des Chaos, bedingt durch die vielen, unübersichtlich eingeführten Personen. Verstärkt wird dieser Eindruck des Unübersichtlichen noch durch Vergas Position als Autor und Erzähler der Geschichte. Das heißt in dem vorliegenden Fall, dass die Erzählperspektive geradezu „reihum geht“, nicht klassischerweise auf den Autor und/oder auf die Hauptpersonen beschränkt ist, sondern offensichtlich ohne System zwischen beliebigen Protagonisten wechselt. Oft ist auch gar nicht deutlich erkennbar wer die Geschichte gerade wiedergibt. Dieser Eindruck wird durch bestimmte erzählerische Mittel verstärkt, wie zum Beispiel die Rotation deskriptiver Satzelemente zwischen dem Erzähler, einzelnen Protagonisten und der Allgemeinheit der Romancharaktere.

Die Intention des Autors scheint hierbei eine völlige Verschmelzung seiner Person mit den Protagonisten des Romans zu sein, „ Io mi son messo in pieno, e fin dal principio, in mezzo ai miei personaggi e ci ho condotto il lettore, come ei li avesse tutti conosciuti diggià, e più vissuto con loro e in quell’ambiente sempre.“[5] um die Position des Erzählers der Position der Stimme des Volkes, der „vox polpoli“ anzugleichen. Dadurch wird der Eindruck erweckt, die Weiderholungen seien ein natürliches Resultat der Rede- und Denkweise der armen Landbevölkerung Aci Trezzas.[6]

2. Hauptteil:

2.1 Außenwelt und Innere Welt:

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der Rolle der Außenwelt in Vergas „I Malavoglia“ beschäftigen. Als erstes möchte ich klarstellen, was ich bei dieser Analyse als Außenwelt betrachte und wozu ich diese Außenwelt in Relation setze.

Ich nehme als Außenwelt die, im Roman hauptsächlich indirekt in Erscheinung tretende, fiktive Welt an, welche „Aci Trezza“, den Handlungs- und somit auch Heimatort der Familie Malavoglia umgibt. Zusätzlich fasse ich „Elemente“ wie zum Beispiel Personen oder Ereignisse mit unter den Begriff Außenwelt, welche nicht in das geschlossene System „Aci Trezza“ gehören.

Diese Außenwelt setze ich in Beziehung zur in sich geschlossenen Welt Aci Trezzas. Verga hat hier, meiner Meinung nach, eine etwas morbide Idealisierung eines im Untergang befindlichen ländlichen Idylls umgesetzt. Da es ihm selber, als Adligem, an direktem Verständnis für das alltägliche Leben und die Sorgen der einfachen Leute fehlt, erscheint „I Malavoglia“ relativ reduziert. Verga scheint eine Art morbides Interesse für diese kleine, dem Untergang geweihte Agrarwelt zu haben. Sie wird extrem stilisiert hin zu einem Ideal, welches nicht realistisch ist. Allerdings scheint diese in sich geschlossene Welt nur noch eine leere Hülle zu sein, welche nichts mehr zu bieten hat. Exemplarisch dafür ist, dass die Aufwertung dieser Welt zum Großteil durch Sprichwörter erfolgt und nicht etwa durch fundierte Fakten, welche eine logistische Aufwertung bedeuten. Die Aufgabe, den Roman mit Sprichwörtern zu spicken, kommt unter anderem Padron `Ntoni zu. So wird er unter anderem mit folgendem Abschnitt eingeführt: „Padron ’Ntoni sapeva anche certi motti e proverbi che aveva sentito dagli antichi: « Perché il motto degli antichi main mentì» - «Senza pilota barca non cammina» - «per far da papa bisogna saper da far da sagrestano» - oppure - «Fa’ il mestiere che sai, che se non arrichisci camperai» -«Contèntati di quel che t’ha fatto tuo padre; se non altro non sarai un birbante» ed altre sentenze giudiziose.“[7]

[...]


[1] vgl.: KAPP, Volker, Hrsg.; Italienische Literaturgeschichte; Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, 1994, S. 290f.

[2] vgl.: Kapp, Volker,(Hrsg.), „Italienische Literaturgeschichte“, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar, 1994, S. 292

[3] vergl.: HEMPEL, Wido: I Malavoglia und die Wiederholung als erzählerisches Kunstmittel, Böhlau Verlag, Köln, Graz, 1959, S. 125f

[4] HEMPEL, Wido: I Malavoglia und die Wiederholung als erzählerisches Kunstmittel, Böhlau Verlag, Köln, Graz, 1959, S. 127

[5] HEMPEL, ebd

[6] vgl.: HEMPEL, Wido: I Malavoglia und die Wiederholung als erzählerisches Kunstmittel, Böhlau Verlag, Köln, Graz, 1959, S. 143f

[7] VERGA, Giovanni: I Malavoglia, Armando Curcio Editore, Roma, 1989, S. 8

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Außenwelt in Giovanni Vergas I Malavoglia
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Vorlesungsseminar: Manzoni und Verga
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V49692
ISBN (eBook)
9783638460743
ISBN (Buch)
9783638660464
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Außenwelt, Giovanni, Vergas, Malavoglia, Vorlesungsseminar, Manzoni, Verga
Arbeit zitieren
Tobias Reff (Autor:in), 2005, Die Rolle der Außenwelt in Giovanni Vergas I Malavoglia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49692

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