Anthropologie bei Thomas Hobbes


Seminararbeit, 1999

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


I. Inhaltsverzeichnis

II. Einleitung

III. Zur Methode des Thomas Hobbes

IV. Die theoretische Anthropologie
1. Fragmente einer physiologischen Theorie
2. Theorie der Sinneswahrnehmung (sensio)
a) Empfindung und Vorstellung
b) Denken, Erfahrung und Klugheit
c) Vernunft und Sprache

V. Die praktische Anthropologie
1. Theorie der Handlungsmotivation
2. Konzeption der Handlungsrationalität
3. Theorie der Leidenschaften (affectus)
4. Hobbes Machtdefinition

VI. Résumé
Vom summum malum zum summum maximum

VII. Literaturverzeichnis

II. Einleitung

Hobbes selbst hat den Ausdruck Anthropologie – die Wissenschaft vom Menschen - nicht benutzt. Obwohl er den Ausdruck als solchen nicht kannte, verbreitete Hobbes doch die Idee dieser neuen Wissenschaft, die an die Stelle der Metaphysik tritt. Die Anthropologie ist die Voraussetzung für die Philosophie des Thomas Hobbes. Seine Zeitgenossen, etwa Descartes, stellten die Rechte der Metaphysik nicht in Frage. Hobbes bestreitet aber diese Rechte im Namen einer Wissenschaft, die aus dem Wesen eine Zusammenstellung von Bewegungen macht. Aus diesem Mechanismus zieht Hobbes radikale Konsequenzen. Dies läßt folgende Frage aufkommen: Kann der Reduktionismus auf mechanische Abläufe das Entstehen eines Staates ausreichend erklären?

Am Anfang des Kapitel XLVI des Leviathan gibt er eine Definition von dem, was er unter Philosophie des Menschen oder Anthropologie versteht:

Unter Philosophie versteht man das Wissen, das erworben wird, indem man von der Art der Entstehung eines Dinges auf seine Eigenschaften oder von den Eigenschaften auf einen möglichen Weg seiner Entstehung schließt, um zu ermöglichen, insofern es Stoff und menschliche Kraft erlauben, solche Wirkungen zu erzeugen, die das menschliche Leben fordert.“[1]

(Leviathan, Kapitel XLVI, S. 507)

Auch die Wissenschaft ist ein Artefakt des menschlichen Geistes, und nur als solches kann sie alle anderen Kunsterzeugnisse erklären – vor allem soziale Konventionen und politische Einrichtungen. Der Mensch würde unerklärlich bleiben, wenn er eine bloße Gegebenheit der Natur wäre.

Die Eigentümlichkeit von Hobbes war es, aus der Anthropologie die allgemeine Voraussetzung seiner politischen Philosophie gemacht zu haben. Auf die Weise wollte er der politischen Wissenschaft eine feste Grundlage geben. Untersucht man die Anthropologie, so stellt man fest, daß Hobbes eine ganze Reihe von Themen entwickelt, die keine direkte Beziehung zu seiner politischen Theorie haben. So stellt er Fragen hinsichtlich des Traums, der Erinnerung, der Phantasmen, des Großmuts, der Reue usw. So läßt sich sagen, seine Anthropologie sei unmittelbar philosophisch und nicht politisch. In der Anthropologie gibt es also Voraussetzungen, die dazu dienen, die politische Philosophie zu begründen.[2]

III. Zur Methode des Thomas Hobbes

Hobbes entwickelt eine neue Wissenschaft – die Methode - als Gegenbegriff zur Natur, um Wissen methodisch zu produzieren. Mit Hilfe der Methode erreicht der Mensch Ziele oder stellt Erwägungen an hinsichtlich irgendwelcher Dinge. Die Natur wird in der Methode nicht völlig eliminiert; sie tritt nur in ihrer Bedeutung zurück. In der Methode findet Hobbes auch die Lösung der Frage, wie man zur Unterscheidung von dem, was hier und jetzt für wahr befunden wurde, zu dem gelangt, was zu allen Zeiten und an allen Orten wahr ist.[3]

Im Folgenden wird auf die theoretischen sowie praktischen Aspekte der Anthropologie Thomas Hobbes eingegangen. Vor allem wird bei der praktischen Anthropologie das Augenmerk auf die Hobbessche Definition von Macht gelegt, da dies unmittelbar auf das von Hobbes so bezeichnete maximum bonum überleitet, den großen Leviathan Staat. Es sollen die Grundsätze aufgezeigt werden, auf denen Hobbes seinen Vertragsstaat begründet. Charakteristisch dabei ist, daß sich Hobbes erstens gegen die aristotelische These von der politischen Natur des Menschen stellt und zweitens alles als einen Mechanismus versteht: Die Welt, die in ihr lebenden Tiere und Pflanzen, der Mensch, die von ihm geschaffenen Sozialformen und staatliche Ordnungen.

IV. Die theoretische Anthropologie

1. Fragmente einer physiologischen Theorie

Hobbes legt keine umfassende Theorie des menschlichen Körpers vor. Er beschränkt sich in der Physiologie auf die Gegenstandsbereiche Ernährung, Kreislauf und Herzaktion. Es handelt sich dabei um eine zeitgenössische mechanistische Physiologie, die den Menschen unter dem Modell der Maschine konzipiert. Organe und Körperteile werden z. B. in der Einleitung des Leviathan verglichen mit den Teilen des mechanischen Uhrwerks.

2. Theorie der Sinneswahrnehmung (sensio)

Hobbes´ Theorie der Sinneswahrnehmung[4] hält sich ganz im Rahmen des mechanistischen Grundsatzes. Hobbes begreift subjektive Vorstellung als Bewegung der inneren Teile. Aus der Beschreibung einer Bewegungskette tritt klar die Mechanik des Prozesses hervor. Daraus ergibt sich jedoch folgendes Problem: Hobbes´ Modell erklärt zwar, warum Bewegungen im Sinnesapparat erzeugt werden. Warum jedoch wird dieser materielle Prozeß als Duft, Ton, Farbe etc. empfunden ?

Der zentrale Begriff der Naturphilosophie Thomas Hobbes´ ist „Bewegung“. Hobbes ist der Ansicht, alle inneren Zustände, Tätigkeiten und Ereignisse lassen sich auf innere Bewegungen reduzieren. Im folgenden wird auf diese „inneren Bewegungen“ genauer eingegangen.

a) Empfindung und Vorstellung

Empfindungen werden nach Hobbes´ Vorstellung von einem Druck, d. h. von Wahrnehmungen verursacht, den externe Körper auf die menschlichen Sinnesorgane ausüben. Dieser Druck entsteht aufgrund von Bewegung des externen Körpers und diese Bewegung endet nicht am Ort des Sinnesorgans. Es setzt sich fort über Membrane und Nerven bis zum Herzen oder Gehirn, erzeugt dort einen Gegendruck und eine Gegenbewegung. Diese Gegenbewegungen stellen jene inneren Zustände dar, die gewöhnlich als Einbildungen oder Vorstellungen bezeichnet werden. Hier läßt sich die Frage stellen: Ist es richtig, die Sprache des Bewußtseins auf eine Sprache der Körper und ihrer Bewegungen zu reduzieren?

b) Denken, Erfahrung und Klugheit

Denken gliedert sich bei Hobbes in eine geordnete und eine ungeordnete Gedankenfolge. Während die ungeordnete Gedankenfolge örtlich oder zeitlich zusammenhängend wahrgenommene Vorstellungen lediglich assoziativ verbindet, ist die geordnete Gedankenfolge affektiv verursacht und durch das Verlangen nach einem Gegenstand auf ein konkretes Ziel gerichtet. Erfahrung verbindet als Erinnerung an frühere Ereignisfolgen „Bekanntes mit Bekanntem“, sie ist die Wiederholung von Sinneswahrnehmungen und Erlebnissen. Aufgrund der früheren Ereignisfolgen erwarten wir, daß nach Eintreten eines Ereignisses ein bestimmtes folgt. Solche Erfahrungen können auch in die Zukunft vorausschauend verwendet werden, was Hobbes als praktischen Verstand oder Klugheit bezeichnet. Hobbes spricht auch den Tieren das Vermögen Klugheit zu, wissenschaftliche Rationalität aber, die ihren Ursprung im Studieren und Lernen hat, besitzt nur der Mensch. Der Mensch erfährt sich nicht mehr eingebunden in Natur, sondern tritt herstellend aus Naturbindungen heraus. Natur bildet – als Erfahrung – nur noch das Material für die Methode, während der Mensch die Produktion von Wissen über alle Natur hinaus allein leistet.

[...]


[1] Thomas Hobbes: Genaue Fußnote

[2] Julien Freund: Anthropologische Voraussetzungen zur Theorie des Politischen bei Thomas Hobbes, in Udo Bermbach und Klaus-M. Kodalle (Hrsg.): Furcht und Freiheit: Leviathan – Diskussion 300 Jahre nach Thomas Hobbes. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1982. S. 107-128.

[3] Ulrich Weiss: Das philosophische System von Thomas Hobbes. Stuttgart-Bad Cannstatt: Friedrich Frommann Verlag, 1980.

[4] Christine Chwaszcza: Anthropologie und Moralphilosophie im ersten Teil des Leviathan, in: Kersting, Wolfgang (Hrsg.): Thomas Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates (= KLASSIKER AUSLEGEN; Bd. 5). Berlin: Akademie Verlag, 1996, S. 83–106.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Anthropologie bei Thomas Hobbes
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,3
Autor
Jahr
1999
Seiten
14
Katalognummer
V49667
ISBN (eBook)
9783638460538
ISBN (Buch)
9783638773089
Dateigröße
580 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anthropologie, Thomas, Hobbes
Arbeit zitieren
Stefan Meingast (Autor:in), 1999, Anthropologie bei Thomas Hobbes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49667

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