Die Moschee als Kulturort in Deutschland


Forschungsarbeit, 2018

28 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Moscheen in Deutschland
2.1 Geschichte der Moscheen in Deutschland
2.2 Kulturelle Angebote der Moscheen im westlichen Ruhrgebiet
2.2.1 Kulturelle Angebote der Moscheen in Mülheim a.d.R
2.2.2 Kulturelle Angebote der Moscheen in Duisburg
2.2.3 Kulturelle Angebote der Moscheen in Oberhausen

3. Die Moschee als Kulturort
3.1 Definition Kulturort
3.1.1. Die Pflege der äußeren Natur
3.1.2 Die Pflege der inneren Kultur
3.1.3 Kultur als Zuschreibung eines Sinns
3.1.4 Kultur als Merkmal einer Gruppe
3.2 Die Moschee als Kulturort
3.2.1 Die Moschee als von Menschen konstruierte Umwelt
3.2.2 Die Moschee als Ort der Kultiviertheit
3.2.3 Die Moschee als Ort mit zugeschriebenem Sinn
3.2.4 Die Moschee als ein für eine Kultur typischer Ort

4. Umfrage
4.1. Hypothesen
4.1.1 In einer Moschee findet Kultivierung statt
4.1.2 Der Moschee können durch verschiedene Akteure unterschiedliche Bedeutungen zu-geschrieben werden
4.1.3 Die Moschee ist ein Symbol für die Kultur der Muslime
4.1.4 Kulturelle Angebote im Umkreis der Probanden haben einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Moschee als Kulturort
4.1.5 Die Religiosität der Probanden hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Moschee als Kulturort
4.2 Aufbau und Struktur des Fragebogens
4.3 Durchführung

5. Ergebnisse

6. Diskussion
6.1 Empfinden die Probanden die Moschee als einen Ort, an dem der Geist kultiviert wird?
6.2 Werden der Moschee unterschiedliche Nutzen von verschiedenen Akteuren zugesprochen?
6.3 Wird die Moschee als ein Ort empfunden, welcher typisch für die muslimische Kultur ist?
6.4 Haben kulturelle Angebote von Moscheen im Umkreis der Probanden Einfluss auf ihre Wahrnehmung?
6.5 Hat die Religiosität einen Einfluss darauf, ob Probanden die Moschee als Kulturort einschätzen?

7. Fazit

I. Literaturverzeichnis:

II. Anhang

1. Einleitung

Diese Seminararbeit trägt den Titel „Die Moschee als Kulturort“. Ziel der Arbeit soll es sein, herauszufinden, ob es sich bei einer Moschee auch tatsächlich um einen Kulturort handelt. Wenn man sich für das Thema interessiert und sich die Literatur und Forschungsbeiträge dazu anschaut, fällt auf, dass es zwar Erhebungen und Untersuchungen zur Akzeptanz von Moscheen, zu Kulturangeboten und Kulturorten gibt, es finden sich aber noch keine Forschungsarbeiten zu dem Thema, ob eine Moschee als ein Ort charakterisiert werden kann, an dem Kultur stattfindet und ob dies auch von der Umwelt so empfunden wird. Zum einen soll diese Frage in Form einer Literaturrecherche beantwortet werden, zum anderen wird eine Umfrage vorgestellt, in der Probanden Fragen zu ebendiesem Thema beantwortet haben.

Im ersten Teil der Arbeit soll zuerst ein kurzer Überblick über die Moscheen in Deutschland gegeben werden, beginnend mit ihrer Geschichte. Anschließend werden die kulturellen Angebote von Moscheen im westlichen Ruhrgebiet vorgestellt.

Wenn man Kulturorte untersuchen möchte, ist es zunächst nötig, sich dem Begriff der Kultur zu nähern, was im zweiten Teil der Arbeit geschehen soll. In Kapitel drei wird deshalb der Ausdruck Kultur unter vier Gesichtspunkten definiert. Mithilfe dieser Definition soll erläutert werden, ob es sich bei einer Moschee um einen Kulturort handeln kann oder nicht.

Um dieses Ergebnis zu überprüfen, beschäftigt sich der dritte Teil dieser Arbeit mit einer empirischen Erhebung, in der ermittelt werden soll, ob die Probanden eine Moschee für einen Kulturort halten. Dazu werden auf Grundlage der in Kapitel drei entworfenen Definition von Kultur Hypothesen gebildet, mit deren Hilfe ein standardisierter Fragebogen entworfen wird. Neben den Hypothesen werden auch der Aufbau, die Struktur und die Durchführung dieses Fragebogens erläutert. Im darauffolgenden Kapitel werden dann die Ergebnisse vorgestellt. Bei der Diskussion der Ergebnisse sollen auch Beziehungen zwischen den Variablen hergestellt werden, um eventuelle Anhaltspunkte darüber zu bekommen, warum ein Mensch eine Moschee als Kulturort betrachten könnte.

Im Fazit soll abschließend eine Bilanz gezogen werden, ob die Forschungsfrage mit Hilfe dieser Arbeit beantwortet werden konnte.

2. Moscheen in Deutschland

Bevor sich die Arbeit mit der Frage beschäftigt, ob die Moschee ein Kulturort sei, soll hier zunächst grundlegend über Moscheen in Deutschland gesprochen werden. Warum gibt es sie hier überhaupt, wo doch die Mehrheit der Deutschen dem Christentum angehört und die muslimische und islamische Kultur ihre Wurzeln ganz woanders hat? Deshalb folgt nun ein Kapitel über das Phänomen Moschee in Deutschland, beginnend mit ihrer Geschichte und ihrer heutigen Erscheinung.

2.1 Geschichte der Moscheen in Deutschland

Der Islam stellt in Deutschland keineswegs ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit dar. Vielmehr spielte er in Deutschland und seinen Nachbarländern schon in der Vergangenheit eine bedeutende Rolle, „beispielsweise durch politische Ereignisse wie die osmanische Belagerung Wiens 1683, die Rezeption beliebter kultureller Formen, angefangen von der „Türkenmode“ um 1700 bis hin zur Lektüre von Tausendundeiner Nacht (…)“ (Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, S.9-10). Im Jahre 1731 gelangte eine Gruppe von ca. zwanzig tatarischen Kriegsgefangenen aus den Russisch-Türkischen Kriegen nach Preußen. Sie waren ein Geschenk des Herzogs von Kurland an König Friedrich Wilhelm I. Ihnen wurde zunächst ein Zimmer zum Beten zur Verfügung gestellt, was vermutlich den ersten muslimischen Gebetsraum in der Geschichte Deutschlands darstellt (vgl. ebd., S.12).

Die ersten moscheeartigen Bauten in Deutschland entstanden zum Ende des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel im Schwetzinger Schlosspark in Baden-Württemberg, wobei sie nicht den echten Moscheen zugeordnet werden können. Ihr inneres diente nicht der Ausübung religiöser Bräuche, hier sollten sich Besucher geistig-seelisch inspirieren lassen. Ein weiteres Beispiel für einen orientalisch inspirierten Baustil ist das zwischen 1841 und 1843 in Potsdam erbaute Wasserpumpwerk. Dort ist im Inneren des Gebäudes eine Dampfmaschine untergebracht, der Schornstein ist in das Minarett eingebaut. Das moscheeähnliche Gebäude hat also weder eine religiöse Funktion, noch dient es der geistig-seelischen Inspiration, zeigt aber die Attraktivität der Moschee als Architekturform (vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, S.16-18). Für die Bevölkerung des neunzehnten Jahrhunderts galt sowohl die exotische und orientalische Form als auch der Genuss exotischer Dinge wie Kleidung oder Essen als Möglichkeit, Status und Reichtum zu demonstrieren. Diese „Türkenmode“ ist beispielhaft für die klischeehafte Wahrnehmung des Orients zu dieser Zeit (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2016, S.183).

Der erste Moscheebau, der auch aus religiöser Sicht als solcher genutzt wurde, war eine 1915 in Wünsdorf bei Berlin erbaute Moschee. Sie diente vor allem den Kriegsgefangenen aus dem ersten Weltkrieg, aber auch Muslime aus Berlin und Umgebung fanden sich hier zum Beten ein. Da die Moschee lediglich eine Holzkonstruktion war, musste sie kurz nach Kriegsende wieder abgerissen werden (vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, S.20). Die älteste bis heute genutzte Moschee ist die Wilmersdorfer Moschee, welche von 1923 bis 1925 in Berlin-Wilmersdorf erbaut wurde (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2016, S.183). Nach dem zweiten Weltkrieg wurden mitunter in Hamburg oder Aachen neue Moscheen erbaut, welche meist privat finanziert wurden. (vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, S.30).

Zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders in den sechziger Jahren wurden unter anderem Gastarbeiter aus der Türkei und Nordafrika angeworben. Wie der Name vermuten lässt, war ihr Aufenthalt als vorübergehend geplant, wenn auch viele Arbeitsmigranten in Deutschland blieben und ihre Familie nachkommen ließen. Viele Arbeiter konnten ihre Religion in Räumen ausüben, die von Fabriken und Firmen gestellt wurden. Die ersten Initiativen zur Bereitstellung von Moscheeräumen, zum Gebet aber vor allem auch als sozialer Treffpunkt, gingen auf äußerst engagierte Laien zurück. So entwickelten sich zahlreiche „Hinterhofmoscheen“, welche sich äußerlich kaum von einem normalen Wohnhaus unterschieden. Dass auf auffällige Moscheebauten verzichtet wurde, war nicht zuletzt auch eine Kostenfrage (vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, S.25). Auch heute finden sich in Deutschland mehr Gebetsräume als repräsentative Moscheebauten mit Minarett und Kuppeldach. In ihrer Funktion als Gebetsraum unterscheiden sie sich deshalb aber nicht.

In den achtziger Jahren organisierten sich die Muslime in Deutschland vermehrt in überregionalen Organisationen, was letztlich auch dazu führte dass mehr neue Moscheen gebaut wurden (vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie 2009, 31). 2009 gab es in Deutschland schätzungsweise 2600 muslimische Gebetsräume und 206 Moscheen mit Minaretten, 120 Moscheen befanden sich zu dieser Zeit noch im Bau (vgl. STATISTA 2017, o.S). Es gibt keine offiziellen Angaben zur aktuellen Anzahl von Moscheen in Deutschland, da sich Schätzungen auf die Mitgliederlisten aus den Dachverbänden der Moscheen oder auf das Internetportal der Moscheesuche stützen. Allerdings sind nicht alle Moscheen auch in diesen Dachverbänden organisiert. Eine genaue Aussage über die Anzahl der Moscheen in Deutschland kann deshalb an dieser Stelle nicht gegeben werden (vgl. Knoblauch/Knuth 2016, S.1-3).

2.2 Kulturelle Angebote der Moscheen im westlichen Ruhrgebiet

Wie im vorherigen Kapitel bereits beschrieben, gibt es in Deutschland geschätzt 3000 Moscheen und Gebetsräume, dieses Kapitel soll sich mit ihren kulturellen Angeboten befassen. Hier alle Moscheen Deutschlands zu untersuchen wäre zu umfangreich. Deshalb beschränkt sich die Arbeit vor allem auf Moscheen im westlichen Ruhrgebiet, das heißt in Mülheim a.d.R., Duisburg und Oberhausen. Da es keine offiziellen Zahlen über Moscheen und Gebetsräume im westlichen Ruhrgebiet gibt, stütze ich meine Recherchen auf die Website „Moscheesuche“. Hier können sich Moscheen und Gebetsräume eintragen lassen, da dies aber nicht verbindlich ist, besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit (vgl. Knoblauch/Knuth 2016, S.1-2).

Für Nicht-Muslime stellt eine Moschee wahrscheinlich in erster Linie ein Gebetshaus dar, mit dem sie wenige Berührungspunkte haben. Deshalb bieten einige Moscheen und ihre muslimischen Gemeinden vielfältige kulturelle Angebote an, um sich der übrigen Bevölkerung zu öffnen und mit ihr in Kommunikation zu treten. Solche Angebote bieten eine Chance, in der Öffentlichkeit als Kulturort wahrgenommen zu werden. Die folgenden Kapitel sollen diese Angebote zusammenfassen.

2.2.1 Kulturelle Angebote der Moscheen in Mülheim a.d.R.

In Mülheim a.d.R. gibt es sieben Moscheen und Gebetsräume (vgl. Krüper o.J., o.S.), einige von ihnen setzen auf interkulturellen und interreligiösen Dialog. Allen voran die Hamza Moschee: Sie nahm im letzten Jahr am Tag der offenen Moschee teil, den auch die Bürgermeisterin sowie andere Politiker der Stadt besuchten. Dabei konnte das Gebetshaus besichtigt werden (vgl. Leyendecker 2016, o.S.). Diese Moschee beteiligte sich auch bis zum Jahr 2013 an interreligiösen Frauentreffen, in denen die Rolle der Frauen in den Religionen diskutiert werden konnte (vgl. Klimek 2013, o.S.).

2.2.2 Kulturelle Angebote der Moscheen in Duisburg

Duisburg hat die größte muslimische Gemeinde der drei untersuchten Städte, hier sind neununddreißig Moscheen und Gebetshäuser eingetragen (vgl. Krüper o.J., o.S.). Davon haben sich immerhin sechzehn am letzten Tag der offenen Moschee beteiligt, sodass Besucher einen Einblick in die Moscheen und Gebetsräume werfen konnten. Die älteste islamische Gemeinde in Duisburg hat die Merkez Moschee, die dem türkischen Dachverband Ditib angehört. Ihre eigens errichtete Begegnungsstätte setzt sich für Integration und Chancengleichheit von Menschen mit Migrationshintergrund ein. Sie kooperieren mit der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Oberhausen/Mülheim sowie zahlreichen Kirchen, um den interreligiösen Dialog voranzubringen. Sie bietet auch ein umfassendes Bildungsprogramm an, in dessen Rahmen Vorträge zu Themen wie allgemeine Einführungen in den Islam, Frauen im Islam, Bildung im Islam und viele mehr angeboten werden (vgl. Ditib Duisburg Merkez Moschee o.J., o.S.).

2.2.3 Kulturelle Angebote der Moscheen in Oberhausen

In Oberhausen gibt es 15 eingetragene Moscheen. Auch hier beteiligen sich die vier Moscheen, die dem Dachverband Ditib angehören, am Tag der offenen Moschee am dritten Oktober. Auf der Homepage des Ditib Oberhausen sind außerdem alle für die nächsten Monate eingetragenen Veranstaltungen und Feiertage eingetragen, allerdings ohne weitere Informationen oder Einladungen auszusprechen (vgl. Ditib Oberhausen o.J., o.S.).

Weitere Informationen über kulturelle Angebote von Moscheen oder Gebetshäusern im westlichen Ruhrgebiet sind kaum zu finden. Die Moscheen besitzen in den seltensten Fällen eine Internetseite, häufig sind die Internetauftritte in sozialen Netzwerken ausschließlich in türkischer oder arabischer Sprache verfasst. Neben den Angeboten zum Tag der offenen Moschee finden sich nur in wenigen Fällen Artikel in Tageszeitungen. Es ist für interessierte Besucher, die abseits der Gebetszeiten einen Blick in diese Moscheen werfen wollen oder an kulturellen oder interkulturellen Angeboten teilnehmen möchten zum Teil schwierig, sich darüber zu informieren. Am besten sei hier die Merkez Moschee zu bewerten, die am meisten Informationen über ihre Angebote preisgibt.

3. Die Moschee als Kulturort

In den vorausgehenden Kapiteln wurden sowohl die Geschichte der Moscheen in Deutschland beschrieben, als auch Auszüge der kulturellen Angebote dieser im westlichen Ruhrgebiet vorgestellt. Um Moscheen als Kulturorte einzuordnen, muss an dieser Stelle zuerst geklärt werden, was Kultur überhaupt bedeutet. Erst durch diese Definition kann bestimmt werden, inwieweit die Moschee als Ort auch mit Kultur in Verbindung gebracht werden kann.

3.1 Definition Kulturort

Das folgende Kapitel soll sich deshalb mit einer Definition des Begriffs Kultur beschäftigen. In der Literatur finden sich viele Werke, die sich mit dem Phänomen Kultur befassen und es zu definieren versuchen. Trotzdem gibt es nicht den einen Kulturbegriff, der universell verwendet werden kann. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei Kultur um ein Konzept handelt, welches sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft mit ganz unterschiedlichen Intentionen verwendet wird (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner S.9). Ziel dieses Kapitels kann es deshalb nicht sein, eine exakte Definition des Kulturbegriffs vorzustellen, welche allumfassend gelten kann. Vielmehr soll hier eine Arbeitsdefinition gefunden werden, mit deren Hilfe die Moschee als Kulturort eingestuft werden kann. Dabei stütze ich mich auf die Definitionen aus Wörterbüchern und Lexika sowie auf die vier Verwendungsweisen von Kultur nach Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner (2016) und Hansen (2003). An dieser Stelle können ihre Theorien nicht in Gänze dargestellt werden, eher sollen markante Ansätze vorgestellt werden um eine Arbeitsdefinition für Kultur zu entwerfen.

3.1.1 Die Pflege der äußeren Natur

Schon in der römischen Antike hatten die Menschen eine Vorstellung von dem Begriff Kultur. Sie verstanden sie als „umfassende Lebensgestaltung und –pflege im Umgang mit innerer und äußerer Natur“ (Klein 2016, S.278). Die äußere Natur spiegelt sich in dem Begriff „agricultura“ wieder und meint die Gestaltung und Formung der Umwelt (vgl. Klein 2016, S.278). Diese Formung kann sich zum Beispiel in der Landwirtschaft ausdrücken (Monokultur) aber auch in der Medizin (Bakterienkultur). Hier wird das Ergebnis einer anbauenden und pflegerischen Arbeit durch den Menschen sichtbar. Denn genau das liegt dem Wort Kultur schon per Bedeutung inne: Das Substantiv Kultur entstammt dem lateinischen Verb colo, welches so viel wie pflegen, bebauen und bestellen meint (vgl. Hansen 2003, S.12-14). So kann der Ausdruck auch als Gegenbegriff zu Natur verstanden werden und eine „zweite Natur des Menschen“ beschreiben (vgl. Plessner 1975, zitiert nach Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner, S.16).

3.1.2 Die Pflege der inneren Kultur

Gegenüber der agricultura prägte Cicero in der römischen Antike den Begriff der „cultura animi“, welcher auf die Kultivierung des Geistes und der Seele abzielt. Demnach sei der Mensch ein Wesen, welches seinen Charakter formen und bilden sollte (vgl. Klein 2016, S.278). Auch Hansen beschreibt diesen Gebrauch des Kulturbegriffs, welcher eine Form von Lebensart bezeichnet und in der deutschen Sprache auch mit dem Begriff der Kultiviertheit bezeichnet wird. Darunter fällt auch die Auseinandersetzung mit künstlerischer und kreativer Arbeit. Sowohl die Produzenten solcher Arbeit als auch die Rezipienten benötigen eine nicht jedem gegebene Eigenschaft wie Sensibilität oder Kunstsinn (Hansen 2003, S.11-12). Kultiviertheit ist demnach ein soziales Sonderrecht, durch welches eine Abgrenzung erfolgen kann (vgl. Klein 2016, S.278). Dieser Gebrauch des Kulturbegriffs ist nicht nur beschreibend, sondern auch wertend (vgl. Hansen 2003, S.13).

3.1.3 Kultur als Zuschreibung eines Sinns

Dieses Verständnis von Kultur ist vor allem bedeutungsorientiert. Soziale Phänomene haben immer einen Sinn. Er kann ihnen entweder durch Akteure zugeschrieben werden und wäre damit subjektiv, oder er kann den symbolischen Ordnungen inhärent sein, sodass „er als verobjektivierter Sinn gewissermaßen hinter dem Rücken der Akteure“ existiert (Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2009, S.18). Der Sinn sozialer Phänomene kann in Interaktionen und Kommunikationen zwischen Individuen, aber auch im Kollektiv oder der Praxis von Gemeinschaften liegen (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2016, S.18). Ein weiterer Aspekt dieser Zuschreibung ist auch die Frage nach der Generalisierung des Sinns sozialer Phänomene. Lässt sich von der Handlung eines einzelnen auf die Gesamtheit einer Kultur schließen? Sicherlich finden sich innerhalb von Kulturen oder Subkulturen Muster, welche milieutypisch sind. Jedoch droht hier die Gefahr der sogenannten „downwards conflation“, in der sich die Kultur als ein in sich widerspruchsfreies Konstrukt der Handlungen für soziale Phänomene darstellt (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2016, S.19-20).

3.1.4 Kultur als Merkmal einer Gruppe

Kultur kann aber nicht nur die Arbeit des Menschen an seiner Umwelt oder seinem Geist meinen, sondern auch Merkmale eines Kollektivs beschreiben. So beschreibt Köck Kultur als „Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft, eines Volkes“ (Köck 2015, S.26). Auch Hansen fasst unter Kultur unter anderem Brauchtum, Sitte oder Religion eines Volkes zusammen. Sie stellen Eigenarten, Besonderheiten und Gewohnheiten des Volkes dar, welche besonders auffällig sind (vgl. Hansen 2003, S.13). Eine ähnliche Auffassung stellen Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner (2016) mit dem Begriff von „Kultur als Form sozialer Schließung“ vor. Dabei stehen Praktiken, Institutionen und Perspektiven im Vordergrund, welche von einer Gemeinschaft geteilt werden und sie beschreiben können. Dabei kann sich eine Region, Nation oder Ethnie kulturell von der anderen Abgrenzen: „Die eigene Kultur bestimmt sich dann im Vergleich mit anderen über eine Form des Gedächtnisses, das bestimmte Entwicklungen als „Tradition“ erinnert und damit von anderen unterscheidet“ (Luhmann 1995, zitiert nach Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2016, S.22). Diese Verwendung des Kulturbegriffs ist primär wertneutral. Bezeichnet man als Gemeinschaft aber nicht nur eine fremde Kultur, sondern eine Subkultur, bekommt dieser Kulturbegriff eine wertende Komponente. Unter Subkultur versteht man die Verhaltensweisen und Ansichten eines gesonderten Milieus wie zum Beispiel die Jugendkultur (vgl. Hansen 2003, S.13).

Zusammengefasst kann als Kultur definiert werden, was…

…von Menschen durch ihre Tätigkeit hervorgebracht wird

…der Kultivierung des Geistes dient

…Sinn oder Bedeutung eines sozialen Phänomens ist

…für eine Gruppierung oder Gemeinschaft typisch oder besonders ist.

3.2 Die Moschee als Kulturort

Ziel dieses Kapitels soll es sein, festzustellen, ob es sich bei einer Moschee um einen Ort handelt, an dem Kultur stattfindet. Dafür werden die zuvor herausgearbeiteten Eigenschaften von Kultur konkret auf das Beispiel der Moschee angewendet.

3.2.1 Die Moschee als von Menschen konstruierte Umwelt

Leicht kann man hier belegen, dass es sich bei einer Moschee oder einem Gebetsraum um eine von Menschen konstruierte Umwelt handelt. Sowohl ein typischer Kuppelbau mit Minarett als auch ein unscheinbarer Gebetsraum in einer Hinterhofmoschee sind von Menschen hervorgebrachte Gebilde, welche mit Sinn und Bedeutung versehen wurden (vgl. Schmidt-Lux/Wohlrab-Sahr/Leistner 2009, S.176). Welcher Sinn und welche Bedeutung das sein können, sollen im späteren Verlauf des Kapitels näher beschrieben werden.

3.2.2 Die Moschee als Ort der Kultiviertheit

Kann eine Moschee der Pflege innerer Natur dienen? Für religiöse Muslime hat die Moschee sicherlich einen Einfluss auf ihre innere Natur, hier können sie sich mit ihrer Religion und den damit verbundenen Wert- und Lebensvorstellungen auseinandersetzen. Aber auch für Muslime, die nicht in einer Moschee beten oder ihre Religion nicht aktiv praktizieren können Moscheen und Gebetsräume ein Ort der Pflege innerer Natur werden. Hier treffen sie sich mit Menschen aus demselben Kulturkreis, tauschen sich über Literatur oder Musik aus. Aber auch für Menschen aus einer fremden Kultur kann die Moschee oder ein Gebetsraum ein Ort sein, an welchem sie ihren Geist bilden. So ziehen große Moscheebauten Touristen an, die sich für die Architektur, die künstlerische Ausgestaltung der Innenräume oder die fremde Religion interessieren und ihren Horizont erweitern wollen. So kann eine Moschee auch abseits der praktizierten Religion durchaus ein Ort sein, an dem Kultur konsumiert und rezipiert wird. Des Weiteren können Moscheen eine Bildungsfunktion haben, hier können Mitglieder der Gemeinde im Bereich der Religion oder der Sprache weitergebildet werden. Darüber hinaus kann eine Moschee auch Ort von interkultureller oder interreligiöser Bildung für Muslime und Nichtmuslimen werden, ein Beispiel dafür wäre die bereits erwähnte Begegnungsstätte der Merkez Moschee in Duisburg.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Moschee als Kulturort in Deutschland
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,3
Jahr
2018
Seiten
28
Katalognummer
V496161
ISBN (eBook)
9783346007490
ISBN (Buch)
9783346007506
Sprache
Deutsch
Schlagworte
moschee, kulturort, deutschland
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Die Moschee als Kulturort in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/496161

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