Herstellung von Bergkäse in Österreich

Geschichtlicher Werdegang von Bergkäse in einer sich wandelnden Almwirtschaft


Hausarbeit, 2018

49 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Bezug zum Thema
1.2 Forschungsfrage
1.3 Methodischer Zugang

2. Hauptteil
2.1 Kultur- und Entstehungsgeschichte des Käses
2.1.1 Käse – ein Zufallsprodukt
2.1.2 Käse – ein sehr wertvolles Nahrungsmittel
2.1.3 Einzug der Technisierung der Käseherstellung
2.1.4 Regionale Entwicklung des Käses
2.2 Entwicklung der Almwirtschaft in Österreich
2.2.1 Bereits die Kelten und Römer betrieben Almwirtschaft
2.2.2 Almwirtschaft im Mittelalter
2.2.3 Höhenflucht durch Klimaverschlechterung und Industrialisierung
2.2.4 Ökonomische Funktion der Almwirtschaft – aktuelle Zahlen
2.3 Bergkäseproduktion auf der Alm
2.3.1 Beispielbetriebe für Bergkäseproduktion in Tirol
2.3.2 Sechs Schritte zur Herstellung von Bergkäse
2.4 Gesundheitlicher Mehrwert von Bergkäse
2.4.1 Beta-Carotin
2.4.2 Fett und Fettsäuremuster
2.4.3 Omega-3-Fettsäuren
2.4.4 Mineralstoffe und Kalzium
2.4.5 Geschmacksbildung

3. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3 Käseverbrauch in Österreich http://www.marktmeinungmensch.at/studien/protected/study_files/698/, Download am [4.9.2018]

Abbildung 5 Milchkannentransport durch das Seilbahnsystem, Foto S. Eichinger

Abbildung 7 Felsenkeller der Käserei P. mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Käselaibe, Foto S. Eichinger

Abbildung 8 Traditioneller Kupferkessel auf der H. Alm, Foto S. Eichinger

Abbildung 9 Käsebruch in Pressformen auf der H. Alm, Foto S. Eichinger

Abbildung 11 Farbvergleich: industriell hergestellte Butter (li. i. Bild); extensiv produzierte Almbutter (re. i. Bild), https://derstandard.at/2000073352576/Echt-fett-Warum-Butter-nicht-gleich-Butter-ist, Download am [4.9.2018]

1. Einleitung

1.1 Bezug zum Thema

Bereits mit 15 Jahren beschloss ich aus freien Stücken, einen Sommer auf der Alm zu verbringen, um neben dem täglichen Melken der Kühe auch eine erste praktische Einführung in die Grundlagen der Almsennerei zu erlangen. Als ich elf Jahre später im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit im Institut für Fort- und Weiterbildung der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik dazu angehalten wurde, die Leitung des Hochschullehrgangs Käsesommelier/-sommelière an landwirtschaftlichen Schulen zu übernehmen, stand eines für mich sofort fest: Auch ich möchte die Ausbildung zur Käsesommelière abschließen und nochmals – auf überwiegend theoretischer Ebene – in die faszinierende Welt des Käsens auf der Alm eintauchen.

1.2 Forschungsfrage

Die Rahmenbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft Österreichs sind ständigen Veränderungen unterworfen und stellen unsere Bäuerinnen und Bauern vor zahlreiche Herausforderungen: Klimawandel, schwankende Produktpreise und globalisierte Märkte verschärfen die Bedingungen. Es wird zunehmend schwerer, gesunde Lebensmittel zu produzieren, Landschaften verantwortungsbewusst zu gestalten und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Almwirtschaft Österreichs beruht größtenteils auf einer extensiv geführten Landwirtschaft, diese ist – im Gegensatz zur intensiven Landwirtschaft – gekennzeichnet durch einen, im Verhältnis zur Fläche, geringen Kapital- und Arbeitseinsatz zum Beispiel in Form von Düngemittel, Pestiziden und Maschinen. Die pflanzlichen Erträge pro Flächeneinheit sind in der extensiven Landwirtschaft somit auch geringer als in der intensiven Landwirtschaft.1

Die Bergkäseherstellung auf Österreichs Almen passiert größtenteils noch fernab von intensiv genützter Landwirtschaft und Produktionsmaximierung, nichtdestotrotz ist auch die Almwirtschaft von ständigen Veränderungen und damit verbundenen Herausforderungen betroffen. In dieser vorliegenden Facharbeit soll erläutert werden, ob und inwieweit die Produktion von extensiv hergestelltem Bergkäse durch die voranschreitende Intensivierung der Landwirtschaft beeinflusst wird und welche Auswirkungen auf Mensch und Natur damit einhergehen.

1.3 Methodischer Zugang

Um die Forschungsfrage zu beantworten, ist eine umfassende Kenntnis des Fachgebiets notwendig. Für das Kennenlernen des Forschungsgebiets sowie dessen Grundlagen, stütze ich mich primär auf eine fundierte Literaturrecherche. Zur besseren Veranschaulichung der aktuellen Bergkäseproduktion sowie der möglichen Einflussfaktoren durch eine Intensivierung der Landwirtschaft, ziehe ich weiters drei problemzentrierte Leitfadeninterviews der qualitativen Sozialforschung heran. Diese wurden am 11. Juli 2018 im Zuge von Betriebs- und Almkäsereibesichtigungen im Rahmen des Programms des 3. Blocks des Lehrgangs Käsesommelier/-sommelière in verschiedenen Gegenden Tirols durchgeführt. Im Mittelpunkt der Interviews stehen die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Reflexionen der Befragten hinsichtlich der eigenen Bergkäseherstellung unter Berücksichtigung einer sich wandelnden Almwirtschaft – vielen Dank an dieser Stelle an H. S., H. G. und M. B. für die Bereitschaft und die interessanten Einblicke! Die Interviews wurden mit Hilfe des Programms F5 transkribiert und anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring 2015 analysiert. Die verschriftlichten Interviews können gesammelt im Anhang der vorliegenden Facharbeit nachgelesen werden.

2. Hauptteil

Zuerst soll veranschaulicht werden, wie und aus welchen Gründen die erste Produktion von Käse zustande kam und wie sich die Bekanntheit des Nahrungsmittels stetig gesteigert hat. Weiters werden klimatische und kulturelle Eigenheiten diverser Regionen und deren Auswirkungen auf die regionale Entwicklung der Käsekultur beleuchtet. Im Anschluss wird die Entwicklung der Almwirtschaft in Österreich und die Produktion von extensiv hergestelltem Bergkäse aufgezeigt, um abschließend noch auf wichtige gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe, welche mit dem Verzehr von Almprodukten in Zusammenhang gebracht werden können, einzugehen.

2.1 Kultur- und Entstehungsgeschichte des Käses

2.1.1 Käse – ein Zufallsprodukt

Wann und wie der erste Käse entstanden ist, wird wahrscheinlich für immer ungewiss bleiben. Es gibt jedoch eine Vielzahl an Legenden, welche sich um das beliebte Nahrungsmittel ranken. Schon zwischen 10.000 und 5.000 v. Chr., mit dem Domestizieren von bis dahin wildlebenden Tieren, beginnt die Entstehungsgeschichte des Käses. Man geht davon aus, dass die ersten Käse, die der Mensch zu sich nahm, vermutlich Sauermilchkäse waren und durch Zufall entstanden sind. Man entdeckte, dass Milch bei bestimmten Temperaturen, zum Beispiel am Lagerfeuer, oder durch das Einlagern von überschüssiger Milch in Tontöpfen, nach einer gewissen Zeit gerinnt und die Molke sich vom Bruch trennt. Weiters fand man heraus, dass der Bruch dann trocken wird, wenn man ihn zum Abtropfen in geflochtene Körbe gibt.2

Auch die Entdeckung des Labs war wahrscheinlich eher von zufälliger Natur. Die üblichen Trinkbehälter für unterwegs waren oft Beutel, gefertigt aus den Mägen von Kälbern, Lämmern und Zicklein. In diesen Hautbeutel gerann durch Einfluss von Temperatur und durch das permanente Schütteln auf den Pferde- und Kamelrücken die Milch, indem der eiweiß- und fetthaltige Teil von der Molke getrennt wurde.3

Eine weitere Überlieferung geht davon aus, dass bereits in der Steinzeit durch Zufall erste Erfahrungen mit Labkäse gemacht wurden. Jäger sollen in dieser Zeit gallertartige Klumpen in den Mägen der soeben erlegten jungen Beutetiere vorgefunden haben. Man geht davon aus, dass diese Klumpen aus der kurz zuvor getrunkenen Muttermilch entstanden und für die Menschen dieser Zeit einen echten Gaumenschmaus darstellten.4

In der Antike hingegen soll Käse wiederum durch das Vollbringen von Tieropfern entstanden sein. Von den Anwesenden dieses Brauches wurde verlangt, die Säure aus dem Labmagen des Lammes zu trinken. Waren zu viele Personen bei der Opfergabe anwesend, musste die Säure mit frisch gemolkener Milch verdünnt werden. Durch das Gerinnen und Eindicken der Milch entstand Käse. Als man feststellte, dass dieses Milchprodukt länger aufbewahrt werden konnte als Milch, begann man überschüssige Milch zu Käse zu verarbeiten. Käse war aber nicht nur länger haltbar, er hatte einen angenehmen Geschmack und war eine ideale Wegzehrung für Hirten, Reisende und alle, die einen längeren Weg zurückzulegen hatten.5

2.1.2 Käse – ein sehr wertvolles Nahrungsmittel

Käse stellte ein immer wichtiger werdendes Nahrungsmittel dar und veranlasste eine intensivere Milchproduktion. Die ersten Käsesorten wurden zu dieser Zeit aus der Milch von Ziegen und Schafen erzeugt, da diese Tiere bereits vor den Rindern vom Menschen gezüchtet und genutzt wurden. Erst später verwendete man Kuhmilch für die Herstellung von Käse und konnte damit einen neutraleren Geschmack erzielen.6

Auch im alten Rom stellte Käse ein sehr wichtiges Nahrungsmittel dar. Vor allem Hartkäse war sehr beliebt und wurde aufgrund seiner langen Haltbarkeit den Römern auf ihren europaweiten Feldzügen als Wegzehrung mitgegeben. Somit wurde die Kunst der Käseherstellung auch in die von ihnen eroberten Länder verbreitet.7

Der Zerfall des Römischen Reichs und das Eindringen der Barbaren bedeutete beinahe das Aus für die Käseproduktion. Nur in Klöstern und abgeschiedenen Bergdörfern wurde weiterhin Käse produziert. So beschäftigten sich im Mittelalter vor allem Klöster der Zisterzienser und Benediktiner mit der Herstellung und Haltbarmachung von Käse und sammelten dafür die Rezepte von Bauersleuten, um sie zu verschriftlichen und zu verbessern. Es ist kein Zufall, dass bereits in Schriftstücken aus dem Mittelalter einige der bekanntesten Käsesorten erwähnt werden und sich das Handwerk des Käsers/der Käserin bzw. des Senners/der Sennerin in diesem Zeitalter langsam etablierte. Im späten Mittelalter florierte durch das stetige Wachsen der Städte auch der Käsehandel.8

Auch in Österreich spielten Klöster seit jeher eine wesentliche Rolle für die Etablierung auf Aufrechterhaltung der Käsekultur. So wurde 1200 im Benediktinerkloster Admont, in der heutigen Steiermark, Käse als Zahlungsmittel verwendet. Aus dem Jahresverbrauch an Käse pro Person lässt sich schließen, dass Käse ein sehr beliebtes Nahrungsmittel war – ein Mönch konsumierte in etwa 35 kg Käse pro Jahr!9 Um diesen enormen Käsekonsum besser zu veranschaulichen: der Pro-Kopf-Verbrauch der ÖsterreicherInnen betrug im Jahre 2016 23 kg, somit lässt sich in den vergangenen Jahren ein deutlicher und kontinuierlich wachsender Käsekonsum in Österreich feststellen, wie auch die Statistik der Statistik Austria und des AMA-Marketing deutlich macht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Käseverbrauch in Österreich

2.1.3 Einzug der Technisierung der Käseherstellung

Verschiedene Chemiker wie Louis Pasteur und Justus Liebig legten im 19. Jahrhundert den Grundstein für die Technisierung des Käsehandwerks. Sie befassten sich mit der Wirkung von Mikroorganismen und enträtselten im Labor die Geheimnisse rund um Reifung, Geschmack und Aroma von Käse. Weiters fand Louis Pasteur bei seinen Forschungen heraus, dass Mikroorganismen nicht nur bei der Käsereifung eine bedeutende Rolle spielen, sondern dass diese bei Erhitzung auch zerstört werden können, um den Käse länger haltbar zu machen. Diese Grundlagenforschung sowie die Züchtung von Kühen mit immer höherer Milchleistung führten in weiterer Folge zur Industrialisierung der Käsereiwirtschaft. Es gelang fortan, Käse im größeren Stil und mit immer gleichen Qualitätsergebnissen zu produzieren.10

2.1.4 Regionale Entwicklung des Käses

Die Herstellung des Käses wurde ursprünglich im familiären Rahmen vorgenommen und war eng verwoben mit klimatischen und kulturellen Eigenheiten des Landes. Im Süden wurden zum Beispiel kühle Keller und Höhlen als Reifungsstätten herangezogen. Die Bakterien und Edelschimmel in diesen Höhlen ließen die Urformen der Käsesorten wie Roquefort, Gorgonzola und Parmesan entstehen. In Gegenden, wo keine Höhlen zur Verfügung standen, konservierte man den Käse mit Salz – es entstand dadurch zum Beispiel der ungereifte Feta konserviert in Salzlake. In Frankreich entwickelten sich über die Jahre hinweg, kleine, wasserhältige Weichschimmelkäse mit weißem Edelschimmel oder Rotkultur wie Brie, Camembert oder Romadour.11

In den Alpen hingegen musste die Tagesmilchmenge sofort zur Käseverarbeitung herangezogen werden, da die Milch schwer ins Tal befördert werden konnte. Die SennerInnen pressten den Käsebruch in Ringformen aus Holz, welche je nach Menge im Durchmesser verstellbar waren, und produzierten so einen Großlochkäse, den ersten Ur-Schweizer. In Österreichs Bergregionen konnte sich anfangs speziell magerer Sauermilchkäse großer Beliebtheit erfreuen. Vor allem auch deswegen, weil Rahm dazumal noch von der Milch abgeschöpft wurde, um daraus Butter herzustellen. Als man aber erkannte, dass Hartkäse für die Wintermonate viel besser haltbar war, wurde dieser auf den Almen bevorzugt produziert und verspeist. Diverse Hartkäsesorten verdrängten in weiterer Folge auch den lange Zeit beliebtesten Käse, den Emmentaler, von Platz Nummer-eins. Bis heute noch werden würzige Hartkäsesorten wie Emmentaler und Bergkäse im hochalpinen Westen Österreichs, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg produziert, während sich der Osten Österreichs aufgrund seiner klimatischen und geografischen Gegebenheiten auf milde Schnitt- und Frischkäsesorten konzentriert.12

Interessanterweise musste der Käse im Norden, vor allem in den holländischen Niederungsgebieten, ähnlich wie in den Alpen hergestellt werden. Aufgrund des hohen Grundwasserstandes gab es keine Keller für den Reifungsprozess des Käses. Aus diesem Grund ähneln sich der Ur-Schweizer und der Ur-Holländer sehr.

Im Nordosten, in Preußen, hingegen, wo wiederum Keller zur Verfügung standen, entstanden weiche Käse, wie die Rotkultur-Ur-Tilsiter, die sogenannten „Stink-Käse“.13

2.2 Entwicklung der Almwirtschaft in Österreich

2.2.1 Bereits die Kelten und Römer betrieben Almwirtschaft

Aufgrund von wesentlich milderen klimatischen Bedingungen und versumpften, weglosen und vermurten Tälern wurden Almen bereits in den Jahrhunderten vor Christus wirtschaftlich genutzt und sogar – im Gegensatz zu heute – dauerbesiedelt.14

In den Hochlagen des Salzkammerguts wurden Almen bewirtschaftet und stehen im Zusammenhang mit den Anfängen des Bergbaubetriebs der Kelten am Hallstättersee. Zu dieser Zeit wurde in Österreich erstmals Salz in größeren Mengen erzeugt. 15 v. Chr. besetzten die Römer das keltische Alpenland – Berichte von römischen SchriftstellerInnen zufolge fanden diese eine blühende Almwirtschaft im Alpenraum vor. Bereits in dieser Zeit war es üblich, dass die ansässige Gebirgsbevölkerung Zins in Form von Käse und anderen Naturalien an die römische Herrschaft zu entrichten hatte.15

Auch noch Jahrhunderte nach der römischen Besatzungszeit blieben keltische oder römische Lehnwörter für Almen und Almgeräte in Verwendung. Als Beispiel dafür ist zum Beispiel aus dem Romanischen „senior“, der Älteste, der dem Almbetrieb vorstand, der deutsche „Senner“ geworden. Aus „capsa, lateinisch für rundliches Holzgefäß, wurde Käse und aus „cuppa“, lateinisch für Butterfass, wurde „Kübel“. In der Entwicklung der mit der alpinen Weidewirtschaft stark verwobenen saisonal bewohnten Almsiedlungen zeigt sich eine Kontinuität und Fortentwicklung des Althergebrachten über Jahrhunderte.16

2.2.2 Almwirtschaft im Mittelalter

Ab dem 12. Jahrhundert nach Christus entstand die uns auch heute noch bekannte Form der Almwirtschaft. Aufgrund von Bevölkerungswachstum und einem günstigem Klima wurden immer höhere Lagen der Alpen besiedelt. Die Besiedlungsdichte in den Ostalpen nahm sogar so rasch zu, dass teilweise sogar Wälder gerodet wurden, um Waldalmen errichten zu können.17 Zu dieser Zeit wurden auch Almen in Lehen gegeben – entweder an eine Einzelperson, teilweise auch an mehrere Bauern und Bäuerinnen gleichzeitig – die ersten Gemeinschaftsalmen waren entstanden. Diese von den LehnsherrInnen an die Bauersleute „verliehenen“ Almen wurden auch als „Schwaigen“ bezeichnet. Im Ennstal in der Steiermark gab es zum Beispiel in jener Zeit fast 500 solcher Schwaigen, die an ihre Grundherrschaft Käse und Butterschmalz „zinsen“ mussten. So mussten damals pro Jahr für eine Kuh 50 und für ein Schaf zehn kleine Käselaibe von einem halben bis einem Kilo abgeliefert werden.18

Das Nutzbarmachen der Talböden stellte sich weiterhin als sehr schwierig heraus, anders als auf Almen in höheren Lagen, wo man offensichtlich viel schneller zur landwirtschaftlichen Nutzung kam. Die Bewirtschaftung der Almen und Schwaigen blühte somit regelrecht auf und bis ins späte Mittelalter wurden aus diesem Grund immer wieder neue Waldzonen gerodet. Als sich jedoch die Eisenindustrie langsam zu entwickeln begann, fand ein Umdenken statt. Es wurde sehr viel Holzkohle gebraucht, die WaldbesitzerInnen erzielten erstmals bedeutende Holzerlöse, woraufhin die Wichtigkeit der Erhaltung des Waldes in den Vordergrund rückte.19

2.2.3 Höhenflucht durch Klimaverschlechterung und Industrialisierung

Die Blütezeit der Almwirtschaft erlitt durch eine markante Klimaverschlechterung ab 1550 einen starken Einbruch. Bis zum Jahr 1870 waren Alm- und Bergbauern und -bäuerinnen während der niederschlagsreichen Sommermonate gebeutelt von Schlechtwetterperioden, Schneefällen und Frost. Dies hatte nicht nur verspätete Almauftriebe oder vorzeitige Almabtriebe sowie Missernten im Tal zur Folge, in den Hochlagen der Kalkalpen gingen damit ganze Vegetationsveränderungen, Bodenschwund und langsames Absterben des Baumbestands an der Waldgrenze einher. In die Klimageschichte ging allen voran das überaus kalte Jahr 1816 als „Jahr ohne Sommer“ ein – die Temperaturen waren so niedrig, dass die Bäume an der Waldgrenze nicht weiterwuchsen und im Nachhinein keine Baumringe festgestellt werden konnten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte die fortschreitende Verkarstung und Wasserarmut schließlich zeitverzögert zur Verödung und Aufgabe vieler Hochalmen in den nördlichen Kalkalpen.20

Während der großen Industrialisierungswelle zwischen 1840 und 1910 geriet das Bergbauerngebiet erneut in eine Krise und Bäuerinnen und Bauern hatten Müh und Not ihre landwirtschaftlichen Betriebe aufrecht zu erhalten. Durch die Revolution von 1848 und der damit einhergehenden Bauernbefreiung mussten die nunmehr freien Bäuerinnen und Bauern einerseits sehr hohe Ablösezahlungen an ihre früheren GrundherrInnen leisten, zum anderen waren sie fortan auch verpflichtet, wie alle anderen BürgerInnen auch, erstmals Steuern abzuliefern. Durch den nun verpflichteten Militärdienst wurden den landwirtschaftlichen Betrieben obendrein wichtige Arbeitskräfte entzogen. Die finanzielle Unsicherheit, der Arbeitskräftemangel und der in den 1850-er Jahren eingeführte Freihandel, welcher dazu führte, dass die Agrarpreise weniger Einnahmen erzielten, trugen dazu bei, dass viele Höfe – oft zu extrem niedrigen Preisen – verkauft werden mussten. Wald- und GroßgrundbesitzerInnen, welche zu dieser Zeit sehr daran interessiert waren, neue Ländereien für die Holzkohlegewinnung zu erwerben, konnten sich über sehr preiswerte Grundstücke freuen.21

Diese Entwicklung der Bergbauerngebiete Österreichs, auch bekannt unter dem Begriff „Bauernlegen“, betraf nicht alle Regionen gleichermaßen. Im östlichen Bereich herrschte das Freistiftrecht, somit konnte die Herrschaft die Höfe nach Belieben „abstiften“, das heißt den Bauern und Bäuerinnen das Nutzungsrecht entziehen. Darüber hinaus war im Osten vor allem auch Adel und Großkapital daran interessiert, große, geschlossene Forstbetriebe, unter anderem für die Jagd, zu erwerben und nützen. So wurden alleine in der Steiermark zwischen 1860 und 1890 circa 50.000 Bauernhöfe aufgegeben und verkauft.22

Im westlichen Teil Österreichs hingegen blieb der Einfluss von ortsfremden und kapitalkräftigen KaufinteressentInnen gering. Das für den Bestand der Bauernhöfe günstige Erbrecht hatte somit zu einer recht stabilen Situation der Bäuerinnen und Bauern geführt und wird eigentlich erst in der Gegenwart durch den Fremdenverkehr allmählich erschüttert. Wurden in jenen Gebieten trotzdem Höfe aufgegeben, kauften die LandwirtInnen aus der Nachbarschaft Grund und Boden wieder auf – es gab kaum nichtbäuerliche Personen, die am Grunderwerb interessiert waren. Aus diesem Grund weist der Westen Österreichs – natürlich auch wegen des höheren Gebirgsanteiles – noch bis heute einen höheren Anteil an Almen am gesamten landwirtschaftlichen Nutzungsland auf.23

2.2.4 Ökonomische Funktion der Almwirtschaft – aktuelle Zahlen

Wie die soeben angeführten geschichtlichen Ereignisse zeigen, hat sich die reelle Anzahl der bewirtschafteten Almen in Österreich stark reduziert. Im Jahr 2014 wurden österreichweit circa 8.300 Almen mit einer Futterfläche von insgesamt 338.000 ha bewirtschaftet. 25.800 landwirtschaftliche Betriebe sömmerten ihr Vieh von jährlich ca. 315.000 Rinder, 122.000 Schafe und Ziegen und 9.000 Pferde auf den Almen und produzierten wertvolle Nahrungsmittel.24

Grundsätzlich ist eine Nutzung der Alm im Vergleich zur Landwirtschaft im Tal vom Verzicht auf die Produktionsmaximierung geprägt. Dies begründet sich zum Teil durch traditionsbewusste Selbstbeschränkung, landeskulturelle Ziele und beschränkende Vorschriften. Der Verzicht auf Produktionsmaximierung zieht jedoch jene positiven Effekte nach sich, durch die sich die Almwirtschaft deutlich von der Landwirtschaft im Tal unterscheidet:

- Tiergesundheit
- hohe Produktwertigkeit
- hohe soziale Verträglichkeit der Wirtschaftsweise
- zahlreiche, auch monetäre Effekte auf andere Sektoren (z.B.: Tourismus, Gesundheit, Kulturlandschaftserhaltung,…)

Und trotz bedingter Wettbewerbsfähigkeit in der modernen Wirtschaftswelt, sind die Produktionszahlen des Alpenraums beachtlich, vor allem wenn man die kurze Produktionszeit von nur etwa 100 Weidetagen pro Jahr beachtet.25

In den östlichen Almregionen, wo die Fleischproduktion im Vordergrund steht, wurden im Jahr 2014 ca. 6.500 Tonnen Fleisch produziert. Auf den Almen, welche sich großteils im Westen befinden, werden jährlich circa 66.000 Tonnen Milch erzeugt, wovon 13.000 Tonnen für die Verarbeitung zu Käse, Butter oder sonstige Milchprodukte weiterverarbeitet und direkt vermarktet werden. Der Großteil dieser Almmilch, 53.000 Tonnen, wird ins Tal geliefert und dort weiterverarbeitet. Insgesamt werden in Österreich rund 52.000 Milchkühe gealpt.26

2.3 Bergkäseproduktion auf der Alm

Auf den Almsennereien Vorarlbergs und Tirols, vor allem im Bregenzer Wald, im Zillertal und in den Kitzbüheler Alpen, wird die Bergkäseherstellung schon seit jeher praktiziert. Nur in einigen Teilen Tirols wurde neben Bergkäse auch noch Sauermilchkäse, in Tirol auch Graukäse genannt, erzeugt. In den übrigen Almgebieten Österreichs wurde die Almmilch ausschließlich zu Magerkäse verarbeitet. Heutzutage findet man noch eine ähnliche geografische Aufteilung hinsichtlich der Bergkäseherstellung in Österreich.27

Um im Folgenden die Bergkäseherstellung auf der Alm besser veranschaulichen zu können, werden an dieser Stelle die drei InterviewpartnerInnen und ihre landwirtschaftlichen Betriebe näher vorgestellt:

2.3.1 Beispielbetriebe für Bergkäseproduktion in Tirol

Den ersten Einblick in eine Almsennerei gewährte uns Käsemeister H. S. Er arbeitet bereits seit 25 Jahren in der Milchwirtschaft und ist nun schon den siebenten Sommer auf der H. Alm im Brixental tätig. In der Almsennerei wird überwiegend Hartkäse und eine kleinere Menge an Camembert und Graukäse hergestellt, insgesamt werden je nach Saison zwischen sieben und zehn Käsesorten produziert. Zwei Melkmitarbeiter kümmern sich im Sommer vom 20. Mai bis zum 20. September um insgesamt 160 Kühe. Der Käsemeister selbst und ein weiterer Mitarbeiter kümmern sich täglich um die Verarbeitung der frischen Milch, während zwei weitere Angestellte in der Ausschank den Verkauf der Käseprodukte und Getränke an Wanderer und TouristInnen über haben.28

Die Sennerei H. in Niederndorferberg an der deutsch-österreichischen Grenze wurde bereits 1937 gegründet und stellt ausschließlich Bio-Käse aus frischer Rohmilch her. Täglich werden rund 5.000 Liter Rohmilch von 38 MilchlieferantInnen zu Bergkäse, Emmentaler und Almbauernkäse verarbeitet. H. G. betreibt nicht nur die Sennerei, er ist mitunter auch Obmann der 2002 gegründeten Genossenschaft Bioalpine Gen, welche unter der Marke „BIO vom BERG“ über 150 verschiedene regionale Bio-Produkte von 50 Tiroler Bio-Bergbäuerinnen und -bauern vertreibt.29

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Milchkannentransport durch das Seilbahnsystem

Das besondere an der Sennerei H. ist nicht nur die reine Rohmilchverarbeitung sondern auch die Milchanlieferung. Da die Höfe dazumals komplett unerschlossen waren und die Milch noch mit einer sogenannten „Buckelkraxe“ transportiert werden musste, baute man eine Doppelumlaufbahn für den Milchtransport. Zwei Drittel der Milch werden heute noch über ein Seilbahnsystem, bestehend aus acht Seilbahnen und den dazugehörenden Gondeln, zur Sennerei transportiert.

Transportiert wird die Milch noch in den guten alten Milchkannen, welche durch unterschiedliche Nummerierungen den jeweiligen Bäuerinnen und Bauern zugeordnet werden können.30

Weiters zeichnet sich die Sennerei H. durch seine Vorreiterrolle hinsichtlich der Umstellung auf biologische Landwirtschaft aus: Während die Nachkriegsjahre für die Hartkäsereiwirtschaft sehr gewinnbringend waren und viel Aufschwung versprachen, war es in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts plötzlich viel schwieriger, sich mit einer kleineren Betriebsgröße über Wasser zu halten. So wurde 1990 der einstimmige Beschluss gefasst, den gesamten Betrieb mit damals noch 43 Bäuerinnen und Bauern auf biologische Wirtschaftsweise umzustellen. Der Schritt war sehr mutig, da es zu diesem Zeitpunkt in ganz Tirol lediglich 27 Bio-Betriebe gab und somit der Markt für biologische Lebensmittel erst wenig bis noch gar nicht erschlossen war. Einige Jahre später wurde zur Sennerei ein Käsegeschäft dazu gebaut, um ein direktes Schaufenster nach außen und einen Verkaufsort für den Käse anbieten zu können. Anfangs noch belächelt, stellt sich diese Verkaufsmöglichkeit mittlerweile – auch durch den Standortsvorteil an der deutschen Grenze – als ideal heraus und der Großteil des Käses wird direkt vor Ort verkauft.31

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 Felsenkeller der Käserei P. mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Käselaibe

Sehr beeindruckend war auch der Besuch des 2015 in Betrieb genommenen Felsenkellers der Käserei P. in Niederndorf/Sebi. M. B., Tochter des Firmenchefs H. P., gewährte einen exklusiven Einblick in den enormen Felsenkeller, welcher nun die Möglichkeit bietet, verstärkt länger gereiften Käse zu produzieren und insgesamt für sage und schreibe 60.000 Käselaibe Platz bietet. Die Lagerung im Felsenkeller passiert bei einer konstanten Temperatur von 12°C und 95% Luftfeuchtigkeit. Insgesamt wird Hartkäse dort bis zu 12 Monate lang gelagert. Die Käserei P. beschäftigt insgesamt 30 MitarbeiterInnen und produziert jährlich rund 1.000 Tonnen Käse. Die Heumilch für die Käseherstellung wird von insgesamt 110 Bäuerinnen und Bauern bezogen, wobei 70% der Milch aus biologischer Landwirtschaft und die restlichen 30% Milch aus konventioneller Landwirtschaft kommen.32

Es stellt sich nun die Frage, was diese drei Tiroler Vorzeigebetriebe hinsichtlich ihrer Bergkäseproduktion gemeinsam haben und was den extensiv produzierten Bergkäse im Vergleich zu Käse aus konventioneller Herstellung im Tal so besonders macht.

2.3.2 Sechs Schritte zur Herstellung von Bergkäse

2.3.2.1 Milchgerinnung durch Zugabe von Lab

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 Traditioneller Kupferkessel auf der H. Alm

Der erste Schritt bei allen Verfahren der Käseherstellung ist die Milchgerinnung bzw. Dicklegung der Milch mit Milchsäurebakterien und/oder Lab. Wie zu anfangs schon erläutert, entdeckte man schon in der Steinzeit den Unterschied zwischen Sauermilch- und Labkäse. Demnach wird der Milch für die Bergkäseherstellung – im Gegensatz zur Frischkäse- und Sauermilchkäseherstellung, welche nur mit Milchsäurebakterien funktioniert – zusätzlich Lab und ggfs. auch Milchsäurebakterien zugesetzt. Über eine Zentrifuge wird die frische Heumilch in den Käsekessel gepumpt und dort unter ständigem Rühren langsam auf 31°C erwärmt. Stimmt die Temperatur, werden Milchsäurebakterien hinzugegeben, nach einiger Zeit kommt das Lab hinzu, welches die festen Inhaltsstoffe, Eiweiß und Fett, von der Flüssigkeit, der Molke, trennt. Labenzyme sind Eiweiß spaltende Enzyme, die in der Magenschleimhaut von Wiederkäuern gebildet werden und die Eiweißstoffe Chymosin und Pepsin enthalten.33 Das Lab kann entweder aus Kälbermägen gewonnen werden, oder man verwendet mikrobielles oder pflanzliches Labferment, um die Süßgerinnung von pasteurisierter oder roher Milch zu erreichen.34

Dazumal wurde das Lab in Sennereien noch selber hergestellt: Man verwendete einen jungen circa drei Monate alten Magen eines Kalbes und weichte diesen für einige Zeit in säuerliche Molke ein. Umso jünger das Kalb war und je weniger anderes Futter als Milch es zu sich genommen hatte, desto besser war die Labqualität. Im Anschluss wurde der Magen geräuchert, fein zerhackt und mit Salz und Gewürzen in einem zugedeckten Behälter für fünf Tage lang vergoren. Anschließend drehte man die Masse zu einer Wurst, von der in weiterer Folge abgeschnitten wurde. Heutzutage stellen auch sehr traditionsbewusste Almen ihr Lab nicht mehr selbst her. Die H. Alm, die Sennerei H. sowie die Käserei P. beziehen ihr Lab für die Käseproduktion von dem österreichischen Laberzeuger Hundsbichler. Das Naturlab wird dort in pulverisierter Form verkauft und ist besonders für sehr lang reifende Käsesorten geeignet. Ein hochwertiges Lab erkennt man im Übrigen daran, dass ein Teil mindestens 6.000 Teile frischer Milch bei 35° C in 40 Minuten zum Gerinnen bringt.35

2.3.2.2 Käsebruchbearbeitung

Nachdem das Lab offensichtlich gewirkt und sich eine Gallerte gebildet hat, wird diese mit einer im Kessel rotierenden „Käseharfe“, ein Einsatz mit langen, feinen aneinander liegenden Messern, immer und immer wieder geschnitten, bis die eingedickte Masse, der Bruch, die gewünschte Körnung erreicht. Grundsätzlich gilt die Faustregel – je fester der Käse werden soll, desto kleiner müssen die Körner sein. Beim Bergkäse sind die Körner in etwa weizenkorngroß. Im Gegensatz zur Käseherstellung in großen Erzeugergenossenschaften, ist bei Rohmilchkäseherstellung Fingerspitzengefühl gefragt, da die Milch jeden Tag anders sein kann. Das kann mit wechselndem Wetter oder unterschiedlichen Weideplätzen der Kühe zusammenhängen.36

Eine weitere Besonderheit, welche vor allem bei der Herstellung von Hartkäse berücksichtigt werden muss, ist das Nachwärmen des Bruch-Molke-Gemisches auf ca. 55°C. Dieses Nachwärmen wird auch „Brennen“ genannt und bewirkt, dass aus dem Bruch erneut Molke austritt und somit insgesamt ein festerer Käse entsteht.37

2.3.2.3 Formen und Pressen

Wird das Bruch-Molke-Gemisch im Anschluss in Wendeformen mit wenig Molke gefüllt und nicht gepresst, so entstehen Käsesorten mit einer Bruch- oder Schlitzlochung. Bei leichtem Pressen entsteht zum Beispiel ein Tilsiter, ein Schnittkäse mit Rotkultur gereift. Dieser Käse weist ebenso die charakteristische Bruchlochung auf und wird auch in Almsennereien, zum Beispiel von der Sennerei H. unter den Namen „Almbauernkäse“, hergestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 Käsebruch in Pressformen auf der H. Alm

Beim Bergkäse hingegen wird der Bruch in Pressformen mit Molke gefüllt und danach mitunter bis zu 24 Stunden gepresst, damit ein geschlossener Käseteig entsteht.38

2.3.2.4 Salzzugabe

Grundsätzlich hat das Salzen von Käse vier wichtige Funktionen:

- Förderung des Molkeaustritts und Härtung des Käses
- Aktivierung der Haut- und Rindenbildung durch Wasserentzug
- Regulierung der Mikroorganismenflora
- Beeinflussung der Reifung, des Geschmacks und der Haltbarkeit

Die Salzzugabe kann auch auf mehrere Arten erfolgen:

- Gleich zur Käsereimilch – dies kommt aber eher selten vor.
- Zum Käsebruch, kurz vor dem Abfüllen des Bruchs – wird nur bei kleinen Produktionsmengen angewendet, da damit ein höherer Salzverbrauch einhergeht.
- Trockensalzen: das regelmäßige Einreiben des Käses mit Salz führt zu einer stärkeren Rindenbildung. Diese Methode kommt durch den hohen Arbeitsaufwand nur bei kleinen Produktionsmengen, zum Beispiel auf den Alm-Sennereien zum Einsatz.39 Zur Veranschaulichung des Arbeitsaufwandes: Ein würziger Bergkäse mit 10-monatiger Reifung wird im Keller 88 Mal in die Hand genommen. Wenn jeden Tag 15 bis 18 Laibe 30 bis 70 Kilo schwere Laibe hinzukommen, bedeutet dies einiges an Stemmarbeit für die Sennerei-MitarbeiterInnen.40
- Insgesamt die häufigste Methode ist das Salzbad: Die Salzaufnahme erfolgt durch Osmose, das heißt, Salz dringt in den Käse ein, während dabei Molke abgegeben wird.
- Käse, zum Beispiel Feta, kann auch in einer Salzlake abgepackt werden.41

Bergkäse wird vor der eigentlichen Käsereifung normalerweise ein bis vier Tage in ein Salzbad gegeben. Diese Dauer bemisst sich aus Stückgröße, Wassergehalt im Käse, Temperatur und Salzkonzentration des Salzbades sowie gewünschtem Salzgehalt im Käse. Ein Parmesan wird demnach sogar drei bis fünf Wochen ins Salzbad gegeben, um den typisch würzig-kräftigen Geschmack zu erhalten. Nach dem Salzbad werden die Bergkäselaibe wöchentlich mit Salz eingerieben, gewendet und gepflegt.42

2.3.2.5 Käsereifung

Nach dem Salzbad werden die Käserohlinge nun, ihren Gegebenheiten entsprechend, in einen Reifekeller gebracht. Bei der Käsereifung kommt es zu biochemischen Vorgängen, welche durch physikalische und mikrobiologische Prozesse gesteuert werden und zu einem Abbau des Milcheiweißes, auch Kasein genannt, führt. Aus dem geschmacksneutralen Kasein entsteht der für die jeweilige Käsesorte typische aromatische, würzige Geschmack.

Für die Reifung verantwortlich sind Lab und Bakterienkulturen. Im Falle des Bergkäses handelt es sich um die Kultur Brevibacterium Linens. Genauso wichtig für den Reifungsprozess sind auch die Reifungsräume sowie die dort vorherrschende Temperatur.43

H. G. ist sich sicher, dass er theoretisch seinen Bergkäse und seinen Emmentaler mit dem exakt gleichen Käsevorgang produzieren könnte – den Unterschied macht aber vor allem die Reifung aus: Während der Bergkäse in einem kalten Keller für mindestens drei Monate gelagert wird und als sogenannter „Rindenreifer“ über die Rinde, durch Einreiben mit Salz und Rotkulturen, Geschmack aufnimmt, ist der Emmentaler ein Hartkäse mit Propionsäuregärung. Die Emmentalerlaibe werden demnach sechs bis acht Wochen lang in einem warmen Keller bei 21°C bis 22°C und einer Luftfeuchtigkeit von 77% bis 78% gelagert. In dieser Phase bilden sich durch die Bakterientätigkeit Gasblasen aus CO2 und lassen die großen Löcher im Emmentaler entstehen. Durch Abklopfen erkennt ein/e gute/r KäserIn, wie weit die Reifung des Emmentalers bereits vorangeschritten ist.

Besonders hervorheben möchte G., dass es sich bei einem traditionell hergestellten Emmentalerlaib um ein Lebensmittel handelt, welches zu 100% aus Rohmilch hergestellt wird. Die bis zu acht Wochen andauernde Lagerung in einem 21°C warmen Keller bedeutet extrem hohe Anforderungen sowohl an die Qualität der Rohmilch als auch an die Arbeit der Sennerei-MitarbeiterInnen. Würde es, zum Beispiel durch fehlerhaftes Arbeiten, zu einer Fehlgärung kommen, wäre die gesamte betroffene Käseproduktion unbrauchbar.44

Die Bergkäselaibe werden hingegen bei einer niedrigeren Temperatur – im Felsenkeller der Käserei P. herrschen konstante 12°C – gelagert, damit keine Nachgärung zustande kommt.

2.3.2.6 Konservierung und Lagerung

Bei der Produktion von gereiftem Käse sind diverse Konservierungsstoffe grundsätzlich zugelassen. Die Zusatzstoffe Lysozym und Nisin werden eingesetzt, um eine Fehlgärung bei der Reifung zu verhindern. Der antibiotisch wirkende Konservierungsstoff Natamycin wird als Oberflächenbehandlungsmittel gegen Hefen und Schimmelpilze verwendet und sollte nicht in den Körper gelangen. Das Gesetz erlaubt deswegen lediglich den Einsatz an der Oberfläche des Käses und schreibt vor, dass im Käseteig, 5 mm unter der Oberfläche, kein Natamycin mehr vorhanden sein darf. Für den Einsatz dieser Zusatzstoffe gibt es zulässige Höchstmengen, weiters müssen die damit behandelten Käse gekennzeichnet sein. Qualitätsbewusste KäseerzeugerInnen, wie unter anderem auch die drei für diese Facharbeit interviewten Beispielbetriebe, verzichten auf den Einsatz von Konservierungsstoffen.

Die Lagerung des Käses erfolgt in Kühlräumen bei 4°C bis 6°C.45

2.4 Gesundheitlicher Mehrwert von Bergkäse

Die gesundheitlichen Auswirkungen von Almprodukten sind, aufgrund von bisher noch fehlenden wissenschaftlichen Langzeitstudien, leider erst ansatzweise erforscht. Die bisher einzige Möglichkeit, die gesundheitliche Wertigkeit von Almerzeugnissen darzustellen, ist die Verknüpfung von einerseits Untersuchungen hinsichtlich der Inhaltsstoffe von Almprodukten mit andererseits den einzelnen Inhaltsstoffen in Bezug auf die Gesundheit.46

Im Vergleich zu Nahrungsmitteln aus intensiver Landwirtschaft weisen extensiv produzierte Almprodukte etliche gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe auf, wobei grundsätzlich zu beachten gilt, dass Almprodukte per se nicht gesund sind und in Maßen konsumiert werden sollten. Abhängig vom Grad an gesunden Inhaltsstoffen sind vielmehr der Kraftfuttereinsatz in der Fütterung sowie die Biodiversität auf den Almen. Das heißt – zum Beispiel – je weniger Kraftfutteranteil in der Ration der Tiernahrung vorhanden ist, desto höher ist der Anteil der gesunden Inhaltsstoffe.47

Im Folgenden werden alle gesunden Inhaltsstoffe, welche vor allem ein extensiv produzierter Bergkäse auf natürliche Art und Weise aufweist, genauer beleuchtet.

2.4.1 Beta-Carotin

Bergkäse sowie Almmilchprodukte allgemein punkten vor allem durch den besonders hohen Anteil an Beta-Carotin. Es handelt sich dabei um einen natürlichen Fettbegleitstoff, den man an seiner leicht orangeroten Farbe erkennt. Beta-Carotin weist ein sehr breites Wirkungsspektrum auf: Es dient unter anderem als Vorstufe für Vitamin-A, fängt durch seine antioxidativen Eigenschaften freie Radikale im Körper ab und kann somit Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen.48

Es besteht natürlich ein Unterschied zwischen natürlichem und synthetisch hergestelltem Beta-Carotin. Während natürlichem Beta-Carotin, so wie es auch in Bergkäse vorkommt, bis dato keine negativen Eigenschaften nachgewiesen werden konnten, ist künstlich hergestelltes Beta-Carotin bereits stark in Verruf geraten. Im Rahmen von zwei placebokontrollierten Studien in Finnland und den USA verabreichte man 29.000 und 18.000 rauchenden Männern über fünf bzw. vier Jahre hinweg täglich 15 bis 30 mg synthetisches Beta-Carotin. Die Studien, welche zum Ziel hatten, das Risiko für Lungenkrebs zu senken, waren nicht erfolgreich. Die Teilnehmer erkrankten um 18 bzw. 28% mehr an Lungenkrebs und die Zahl der Todesfälle erhöhte sich um knappe 25%, weswegen im Übrigen die Studie in den USA sofort abgebrochen werden musste.49

Man geht davon aus, dass eine Menge von über 20 mg synthetischem Beta-Carotin pro Tag das Lungenkrebsrisiko von starken RaucherInnen erhöhen kann. Laut Österreichischem Lebensmittelbuch ist jedoch ein Zusatz von Beta-Carotin (E 160a) für Schnittkäse und gereifte Weichkäse bis zu 25mg/kg Käse erlaubt. Wenn man bedenkt, dass der Tagesbedarf lediglich bei 6 mg liegt und synthetisches Beta-Carotin nicht nur in vielen Lebensmitteln sondern auch in Medikamenten als Farb- und Vitaminzusatz beigemengt wird, handelt es sich dabei um eine sehr hohe zugelassene Menge.

Extensiv produzierter Bergkäse hingegen hat keine Farbzusätze nötig, die Natur sorgt bereits für ein sattes Gelb, bedingt durch ein natürliches und gesundes Beta-Carotin, welches die Tiere auf der Weide und im Heu auf natürliche Art und Weise zu sich nehmen.50

2.4.2 Fett und Fettsäuremuster

Bergkäse kann auch hinsichtlich „guter“ Fette und Fettsäuremuster besonders punkten. Bis vor einigen Jahren galt in der Ernährungsmedizin, dass der Gesundheitsgrad eines Lebensmittels mit seinem Fettanteil einhergeht. So wurden zum Bespiel bei koronaren Herzerkrankungen, erhöhtem Cholesterinspiegel, Diabetes Typ 2 etc. vorwiegend fettärmere Käse empfohlen, ohne dabei auf die Qualität des Fettes zu achten. Das gängigste Beispiel dafür ist wahrscheinlich der Ersatz von Butter durch Margarine. Folglich sind die ÖsterreicherInnen übergewichtig wie nie zuvor, natürlich ist dies auch mitverschuldet durch einen sich ändernden Lebensstil: 40% der 18- bis 64-Jährigen haben Übergewicht, davon leiden wiederrum 12% an Adipositas. Beteiligt an diesen bedenklichen Zahlen ist die Tatsache, dass in Österreich viel zu viele gesättigte Fettsäuren konsumiert werden.51

Heute wird im Bereich der ernährungsmedizinischen Therapie zunehmend das sogenannte Fettsäuremuster, also die Zusammenstellung der einzelnen Fettsäuren in einem Lebensmittel, in Betracht gezogen. Dabei ist zu beachten: Je höher der Anteil an gesättigten Fettsäuren, desto ungünstiger die Stoffwechselwirkung im Körper. Dies liegt daran, da der Körper gesättigte Fettsäuren vorwiegend für den Aufbau von Fettpölsterchen an Hüften, Bauch oder eben in den Gefäßen, wo sie zur „Gefäßverkalkung“ beitragen, heranzieht. Dabei könnte auf die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren sogar verzichtet werden, da der Körper diese in ausreichender Menge sogar selber bilden kann. Leider sieht unsere heutige Ernährungsweise anders aus: der empfohlene Fettanteil von 30 bis 35% wird mit 40% und mehr überschritten und größtenteils mit gesättigten Fettsäuren abgedeckt. Dies führt dazu, dass eine endogene Synthese, also ein Aufbau von gesättigten Fettsäuren im Körper, gar nicht mehr zustande kommt. Im Gegenteil: Die gesättigten Fettsäuren gelangen direkt ins Fettgewebe und in die Leber und führen zu Übergewicht und ernährungsabhängigen Krankheiten.52

Genau hier kommen wieder Almprodukte ins Spiel. Qualitativ hochwertige Almprodukte weisen im Vergleich zu intensiv erzeugten Lebensmitteln einen deutlich geringeren Anteil an gesättigten Fettsäuren auf. Dies lässt sich laut H. G. vor allem durch die gesunde Lebensweise der Tiere auf der Alm erklären:

„Darum hat die Almmilch – und das ist nachgewiesen – am meisten von diesen wertvollen Fettsäuren und das hängt mit der Bewegung [der Tiere] im freien Gelände und natürlich auch mit dem kräuterreichen Futter auf den Almwiesen zusammen. Bei der Weide merkt man, je extensiver die Wiesen werden, desto mehr nimmt der Kräuteranteil zu. Das steigert zwar nicht die Milchleistung, aber die Qualität der Milch ungemein.“53

Wie kann man nun als KonsumentIn qualitativ hochwertige Almprodukte erkennen? Vor allem die Konsistenz gibt Auskunft über einen geringen Anteil an gesättigten Fettsäuren: Produkte, welche reich an gesättigten Fettsäuren sind, sind hart, während Produkte, die wenig gesättigte Fettsäuren aufweisen, viel weicher sind. Als Beispiel dafür kann wieder die Butter genannt werden: Industriell hergestellte Butter splittert, während Almbutter, sogar frisch aus dem Kühlschrank entnommen, sich gut streichen lässt. Da es, produktionstechnisch bedingt, auch weiche Streichfette aus Nichtalmproduktion im Handel gibt, empfiehlt es sich, nicht nur einen Blick auf die Farbe und Konsistenz, sondern auch auf die Herkunft zu werfen. Ein natürliches Orangegelb, kombiniert mit streichfähiger Konsistenz und einer Almregion als Erzeugungsort, dienen als drei einfache Merkmale, um hochwertige Almbutter zu erkennen.54

Im Übrigen lässt sich auch bei extensiv hergestelltem Bergkäse im Sommer eine weichere Struktur als im Winter erkennen – H. G. spannt deswegen ein sogenanntes „Korsett“ rund um seine frisch gepressten Käselaibe:

„Das Korsett, welches rund um den Käselaib gespannt wird, brauchen wir nur im Sommer. Im Sommer, wenn das Fettsäuremuster anders ist, als im Winter, also, wenn die Fettsäuren langkettiger werden, mit Omega-3-Fettsäuren, Linolsäuren usw. und dann wird der Käse so weich, dass er den eigenen Druck nicht standhält. In den Wintermonaten können wir uns das sparen. Je länger wir in die Winterzeit kommen, desto mehr bauen sich Mineralstoffe im Heu ab, auch das Karotin verflüchtigt sich im Heu. Wenn dann die Kuh wieder auf die Weide geht, dann ändert sich das innerhalb von drei bis vier Tagen. Am Milchfett erkennt man diese Veränderung am schnellsten. Am dritten Tag erkennt man das vor allem auch am Butterfass. Dann fällt die Butter schon anders hinunter, die Butter ist sofort streichfähiger – durch die mehrfach ungesättigten Fettsäuren – und auch gelber – das lässt sich erklären durch das Karotin.“55

2.4.3 Omega-3-Fettsäuren

Omega-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren und aufgrund ihrer positiven Eigenschaften bereits seit Jahren bekannt. Vor allem Kleinkinder und Säuglinge haben einen erhöhten Bedarf an Omega-3-Fettsäuren, da diese zur Gehirnentwicklung und Bildung von Nervenzellen positiv beitragen. Aber auch für Erwachsene sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren ein Gewinn. So geht man bei entzündlichen Krankheiten wie zum Beispiel Rheuma, Morbus Crohn und multipler Sklerose von einem günstigen Effekt aus. Almmilchprodukte, allen voran ein gut gereifter Bergkäse, enthalten zahlreiche Omega-3-Fettsäuren, unter anderem die zweifach ungesättigte Linolsäure und die dreifach ungesättigte α-Linolensäure.56

2.4.4 Mineralstoffe und Kalzium

Kalzium zählt laut dem aktuellen Österreichischen Ernährungsbericht zu jenen Mineralstoffen, welche in der Risikogruppe für einen Mangel eine Rolle spielen. Bergkäse kann hier einen wichtigen Beitrag leisten: Der Verzehr von nur dreieinhalb Scheiben eines Bergkäses reicht aus, um den Tages-Kalziumbedarf eines Erwachsenen zu decken. Hier ist zwar anzumerken, dass Käse aus konventioneller Milchproduktion im Tal ähnliche Kalzium-Mengen aufweist, dieser jedoch nicht mit den zusätzlichen gesunden Begleitstoffen sowie dem günstigen Fettsäuremuster mithalten kann.57

2.4.5 Geschmacksbildung

Bergkäse verfügt nicht nur eine Menge von positiven Inhaltsstoffen, durch seine Aromenvielfalt wird darüber hinaus auch das persönliche Geschmacksempfinden geschult, da der Körper aus den verschiedenen Komponenten immer wieder neue Geschmacksnuancen für sich kombinieren kann. Synthetisch hergestellte Lebensmittel hingegen kommen mit einigen wenigen Komponenten aus und können sogar zur Degeneration des Geschmacksempfindens führen. Ein echtes Erdbeerjoghurt kann zwar nie so „erdbeerig“ schmecken wie ein aromatisiertes Erdbeerjoghurt, es schult jedoch mit seinen knapp 300 Komponenten das persönliche Geschmacksempfinden enorm.

Ein auf der Alm hergestellter Bergkäse schmeckt demnach intensiver als ein Bergkäse, welcher von großen Erzeugergenossenschaften produziert wurde, und wirkt sich positiv auf das persönliche Geschmacksempfinden aus.

3. Zusammenfassung und Ausblick

Über die Jahre hinweg, bereits in den Jahrhunderten vor Christus bis in unsere heutige Zeit, hat sich die Almwirtschaft und die damit einhergehende Bergkäseherstellung mit einigen Höhen und Tiefen einem stetigen Wandel unterzogen. Seit jeher gilt jedoch für AlmbewirtschafterInnen das Gleiche: Verzicht auf Produktionsmaximierung, hohe Kosten und ein riesiger Arbeitsaufwand für alle Mitwirkenden. Dieser Einsatz leistet jedoch einen großen Beitrag für Mensch und Natur und spiegelt sich in Tiergesundheit, hoher sozialer Verträglichkeit der Wirtschaftsweise, enormer Produktwertigkeit und zahlreichen monetären Effekten auf andere Sektoren wieder.

Um das Beispiel der hohen Produktwertigkeit aufzugreifen: Weltweit werden heutzutage zwar rund 6.000 verschiedene Käsesorten produziert und alleine das flächenmäßig begrenzte Österreich weist eine Vielfalt von 400 unterschiedlichen Käsesorten auf, jedoch ist Käse nicht gleich Käse! Als KonsumentIn setzt man nicht nur gesundheitsbedingt, sondern auch auf soziokultureller Ebene ein großes Zeichen, indem man extensiv produzierte Almprodukte, wie zum Beispiel Bergkäse, bevorzugt.

Auf der Alm hergestellte Nahrungsmittel weisen im Vergleich zu Nahrungsmittel aus intensiver Landwirtschaft etliche gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe auf und punkten mit einer überdurchschnittlich hohen Aromenvielfalt, welche das persönliche Geschmacksempfinden trainiert. Darüber hinaus leistet man als KonsumentIn dieser Naturprodukte auch einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft Alm und fördert gleichzeitig die Aufrechterhaltung der Arten- und Lebensraumvielfalt, welche in Österreichs Almgegenden noch flächendeckend vorgefunden werden kann.

Um auf die Forschungsfrage und die Auswirkungen der Intensivierung der Landwirtschaft auf die Bergkäseherstellung auf der Alm zurückzukommen: Auf Österreichs Almen wird Bergkäse – trotz höherem Arbeitsaufwand und niedrigeren Erträgen als im Tal – erfreulicherweise noch weitgehend extensiv produziert. Noch! Die Entscheidung und Bereitschaft, dies auch weiterhin zu tun, liegt jedoch nicht nur bei den Bäuerinnen und Bauern – das Konsumverhalten der ÖsterreicherInnen, der Handel selbst und schlussendlich auch die Politik sind immer wieder aufs Neue gefordert und können bzw. müssen ebenso zur Erhaltung dieser alten Kulturlandschaft und der damit einhergehenden Produktion von Naturprodukten beitragen.

Ich erachte es als unerlässlich, Aus- und Weiterbildungsangebote, welche die Käsekultur in Österreich fördern und voranbringen, auszubauen. Der Verein Käsesommelier Österreich beispielsweise zählt über 170 Mitglieder und agiert als Plattform für die gesamte Käsereiwirtschaft sowie für deren Partner in Gastronomie, Handel, Tourismus- und Gastgewerbeschulen. Zusammenschlüsse und Netzwerke wie diese haben es unter anderem möglich gemacht, auch das agrarische Schulwesen als potenzielle Zielgruppe zu gewinnen: Seit 2016 wird an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik erstmals der Hochschullehrgang Käsesommelier/ Käsesommelière an Schulen angeboten – bis dato wurde dieser von der PH Burgenland abgehalten und war lediglich für Lehrkräfte an Tourismusschulen geöffnet. Nun haben auch Lehrkräfte an landwirtschaftlichen mittleren und höheren Schulen erstmals die Möglichkeit, die Befähigungsprüfung zum Käsesommelier an Schulen bzw. zur Käsesommelière an Schulen abzulegen und das erworbene Wissen als MultiplikatorInnen an ihre SchülerInnen im Rahmen der Ausbildung zum Käsekenner bzw. zur Käsekennerin weiterzugeben. Wenn man bedenkt, dass an vielen dieser Schulstandorte schon seit jeher Milch zu Käse verarbeitet wird und somit bereits sehr viel Wissen rund um Käse vorhanden ist, war dies nicht nur ein logischer sondern rückschauend ein längst überfälliger Schritt zur Förderung der Käsekultur in Österreich.

Genau diese MultiplikatorInnen braucht es, um die Konsumentenschaft nachhaltig zu sensibilisieren und insgesamt mehr Wertschätzung für Naturprodukte wie Bergkäse zu erzielen. Und irgendwann wird die Entscheidung im Supermarkt vor dem Kühlregal bei der Wahl zwischen einem Bergkäse à € 21,90/kg aus biologischer Landwirtschaft oder einem bereits praktisch verpackten Käseaufschnitt für verlockende € 6,70/kg keine Schwierige mehr sein.

Literaturverzeichnis

Agrarmarkt Austria (2008): Käse. Eine kulinarische Reise durch die Welt des Käses. Wien: Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH.

Agrarmarkt Austria (2017): Alles über Käse – Wissenswertes und Tipps für Käsegenießer. Wien: Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH.

Almwirtschaft Österreich; Ländliches Fortbildungsinstitut Österreich (2015): Almwirtschaftliches Basiswissen. Von der Bedeutung der Almen. Wien: G&L Werbe und Verlags GmbH.

Bracharz, Kurt; Mairitsch, Florian; Schwarzenbacher, Mike (2014): Von der Alp auf den Teller. Käsekultur in Vorarlberg. Hörbranz: Rupp AG.

Dünser, Klaus; Engstler, Christa; Ponier, Wolfgang (2016): Von Bauern und Sennen und dem echten Schnifner Käs‘ und wie man damit besonders gut kocht. Schnifis: Sennerei Schnifis.

Engelmann, Brigitte; Holler, Peter (2008): Das Feinschmecker Handbuch Käse. Slovenia: Tandem Verlag GmbH.

Guatteri, Fabio (2006): Käse. Genuss und Vielfalt aus Europa. Klagenfurt: Neuer Kaiser Verlag.

Kirchner, Jürgen; Kriegner, Andrea (2007): Die Käsekenner. Linz: Trauner Verlag.

Senft, Hilde; Senft, Willi (1986): Unsere Almen. Erleben, verstehen, bewahren. Graz: Leopold Stocker Verlag.

Internetquellen

Bio vom Berg: http://www.biovomberg.at/ueber-uns/, Download am [4.9.2018]

Eurostat Statistics Explained: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Glossary:Extensive_farming/de,Download am [6.10.2018]

Käserei P.: http://www.kaeserei.at/de/partner/587/praesentation/unsere-kaeserei, Download am [4.9.2018]

Planet Wissen (2018): https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/kaese/index.html, Download am [29.08.2018].

Anhang

Interview Nr. 1

Interviewerin:

Ich darf Sie bitten, sich kurz vorzustellen. #00:00:12-6#

Befragter:

Mein Name ist S. H., ich bin jetzt den siebten Sommer hier oben und käse bereits seit 25 Jahren bzw. in der Milchwirtschaft tätig. Zuerst mehr Weichkäse und frische Palette und in den letzten Sommer überwiegend Hartkäse und ein bisschen Schnittkäse und Camembert und Graukäse, ungefähr zwischen sieben und zehn Sorten je nach Zeit und Saison. #00:00:52-3#

Interviewerin:

Nur im Sommer? #00:00:54-2#

Befragter:

Ja, nur im Sommer - vom 20. Mai bis ungefähr 20. September. Wenn die Kühe wieder daheim sind, dann geht die Milch wieder zur Tirol Milch. #00:01:05-2#

Interviewerin:

Hast du die Kühe von verschiedenen Bauern? #00:01:09-8#

Befragter:

Es sind 18 verschiedene Bauern. Insgesamt 160 Kühe. #00:01:16-5#

Interviewerin:

Gibt es Mitarbeiter. #00:01:19-7#

Befragter:

In der Käserei arbeitet ein Mitarbeiter und beim Melken sind es zwei, in der Ausschank sind es ebenso zwei. #00:01:29-2#

Interviewerin:

Die Intensivierung der Landwirtschaft bringt viele Vorteile, aber auch Nachteile mit sich. Was fällt Ihnen diesbezüglich zu Ihrem Betrieb ein? Welche Entwicklungen können Sie beobachten. #00:01:49-6#

Befragter:

Bei uns ist es immer wichtig, dass wir Kühe haben, die im mittleren Leistungsbereich sind, weil eine 10 Tausend Liter Kuh kann man nicht auf die Alm schicken. Unsere sind bei der Hälfte - 5 bis 6 Tausend Liter Jahresleistung und das passt noch. Wenn immer mehr Druck herrscht, dass sie (die Bauern) Hochleistungstiere haben, dann ist das natürlich auch schwierig. #00:02:25-1#

Interviewerin:

Aus welchem Grund besteht eine Schwierigkeit? Geben die Kühe zu viel Milch? #00:02:30-9#

Befragter:

Eine Hochleistungskuh ist darauf ausgerichtet, dass sie nicht das Gras sucht, sondern den Totalmix vorgesetzt bekommt. Sie kann nicht herumgehen, hat nicht die Zeit und darf keine Energie verschwenden, weil 10 bis 12 Tausend Liter Milch ist eine unnatürliche Summe. Das kannst du heute nur mit einem gut ausgewogenen Mix machen. Musst aber auch mit dementsprechend gutem Futter und Kraftfutter ergänzen. Die haben alle meistens schon einen Totalmix. Hier ist es so, dass wir praktisch überwiegend Weidehaltung - das heißt, das Heu, das sie bekommen ist nicht der Rede wert, sondern es ist in erster Linie Weide. Eben eine Kuh, die zu viel Milch gibt, die bringst du hier oben (auf der Alm) um. Erstens hat sie die Füße dafür nicht, weil sie sonst nie aus dem Stall herauskommt und außerdem bringt die Kuh die Energie, welche sie reinbringt nicht raus. Nach 14 Tagen, drei Wochen, kollabiert der Stoffwechsel, weil meistens werden sie zu lange gemolken, weil sie auch darauf gedrillt sind, dass sie alles in Milch wieder umsetzen. Es geht zwar die Milch ein bisschen zurück, aber vor allem die Kuh kollabiert vom Stoffwechsel her. #00:03:55-9#

Interviewerin:

Wie sehen Sie diese Tendenzen für die Zukunft? Wird es in Zukunft noch Kühe auf der Alm geben und wird immer mehr umgestellt auf Hochleistungskühe? #00:04:03-9#

Befragter:

Das übertriebene Hochleistungsding wird bei uns (in Tirol) eher weniger sein, es gibt zwar schon intensivere Betriebe, aber es ist mittlerweile bereits wieder rückläufiger. Nicht mehr alle gehen auf Hochleistung. Es gibt bestimmte Bereite, die auf Hochleistung setzen und andere, die auf mittlere Leistung gehen. #00:04:27-2#

Interviewerin:

Es ist abgesichert - das heißt, sie werden Ihre Kühe immer beziehen können? #00:04:29-3#

Befragter:

Das ist eine andere Frage, wie es in zehn Jahre ausschaut. #00:04:39-7#

Interviewerin:

Das hängt wahrscheinlich auch mit den EU-Förderungen zusammen. Ist es wichtig für die landwirtschaftlichen Betriebe, dass dieses System weiterhin bestehen bleibt? #00:04:48-5#

Befragter:

Ja, es ist sicher auch eine Frage von Förderungen, aber es ist natürlich auch eine Frage von der Einstellung der Bauern, weil es schon die Problematik für die Bauern immer wieder - sie wollen auf der einen Seite einen höheren Milchpreis, aber dann produzieren sie wieder genau die gleiche Silomilch, jedoch viel zu teuer. Silomilch industriell produziert macht keinen Unterschied, ob diese im Brixental oder in Norddeutschland oder in Holland oder in Polen produziert wird - es ist Industriemilch. Der einzige Unterschied, den wir haben, ist Heumilch, solofreie Milch, Biomilch aus Weidehaltung, aber nicht, wenn man auf intensiv geht. Und wenn dann die Bauern glauben, dass sie für Bergmilch, die genauso industriell hergestellt wird, mehr Geld bekommen. #00:05:50-1#

Interviewerin:

Wenn man sich jetzt die großen Betriebe im Tal anschaut, die auch Bergkäse herstellen, verwenden diese auch Industriemilch? #00:05:59-3#

Befragter:

Man darf nicht vergessen, dass es sehr viele Käse gibt, die dem Bergkäse ähnlich aber keine klassischen Bergkäse sind. Tirol Milch produziert zum Teil Bergkäse mit Rohmilch und Heumilch, aber sie macht auch sehr viele dem Bergkäse ähnliche Käse, die eben suggerieren, dass es sich dabei um Bergkäse handelt. Wo es sich aber um pasteurisierte Milch und zentrifugal entkeimte Milch handelt. #00:06:23-8#

Interviewerin:

Wird der Kunde somit irregeführt? #00:06:28-3#

Befragter:

Das kann man nicht so sagen, da dieser Käse auch nicht als Bergkäse bezeichnet wird. Die Käse laufen unter moderne Namen, es handelt sich nicht mehr um Rohmilchkäse, mikrofiltrierte Milch. Man muss nur darauf achten, bei welchen Käse noch vermerkt ist, dass dieser aus Rohmilch hergestellt wurde. #00:06:56-4#

Interviewerin:

Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Käse, welcher von der Hand auf der Alm aus Heumilch und Rohmilch hergestellt wird, beim Kunden besser ankommt? Dass der Markt immer größer wird dafür? #00:07:15-8#

Befragter:

Zumindest haben wir einen ausreichend großen Markt, dass wir den Käse eigentlich ohne Probleme verkaufen. Wir produzieren eigentlich eine Riesenmenge Käse für eine Alm, aber dadurch, dass hier bei uns sehr viel über die Direktvermarktung läuft, hier oben wie auch unten im Käsekeller, verkaufen wir ihn sehr leicht. #00:07:42-2#

Interviewerin:

Brauchen Sie keinen Handel dazu? #00:07:44-3#

Befragter:

Fast nicht. Also es gehen schon ein paar Kilo über die SPAR und das eine oder andere Kilo über das Almprojekt Agrarmarketing, aber das hält sich noch sehr in Grenzen, weil es da auch immer das Problem der Zentralbelieferung gibt. Jede Woche beliefert man zu einem bestimmten Termin die Zentrale, da sind unsere Bauern noch nicht so weit. Was den Verkauf betrifft, sind unsere Bauern noch nicht so gut. #00:08:36-0#

Interviewerin:

Sind die Bauern noch nicht so involviert in die Direktvermarktung? #00:08:36-6#

Befragter:

Die Bauern beschäftigen sich mehr mit den Förderungen, als mit der Direktvermarktung. Momentan verlassen sich noch sehr viele darauf und sind zu wenig innovativ. Wenn man schaut, was in andere Regionen österreichweit, aber auch in Tirol, passiert. #00:09:04-1#

Interviewerin:

Da braucht es mehr Menschen, die Mut und Initiative beweisen, so wie Sie. #00:09:08-6#

Befragter:

Ja, aber es ist auch irgendwo sehr anstrengend, wenn du mit jemanden zusammenarbeiten musst. #00:09:25-7#

Interviewerin:

Aber es freut mich zu hören, dass die Intensivierung der Landwirtschaft bei Ihrem Betrieb keine negativen Folgen hat. #00:09:44-6#

Befragter:

Ja, wir haben noch eher kleinere Betriebe, da werden aber noch viele aufhören. Es verwundert, dass einige überhaupt noch dabei sind, obwohl sie nur fünf, sechs Kühe haben und dies nur im Nebenerwerb machen. Oft ist dies auch eine Generationenfrage. #00:10:11-3#

Interviewerin:

Das war nun eh schon alles von meiner Seite. Vielen Dank für den Einblick. #00:10:12-1#

Interview Nr. 2a

Befragter:

Die Käserei H. wurde vor 81 Jahren gebaut, damals schon mit der Zielsetzung, in diesem Berggebiet eine Käserei zu bauen und Käse zu vermarkten. Die Zielsetzung war damals ähnlich wie heute, nur hat sich hier ein bisschen etwas geändert. Wir haben in H. zurzeit noch 38 Milchlieferanten. Die Milchanlieferung übers Jahr verteilt beträgt 1,9 Millionen Liter. Was in H, eine Besonderheit ist, ist die reine Rohmilchverarbeitung, wir haben hier nicht einmal einen Pasteur zur Verfügung. Das ist eine große Herausforderung, aber natürlich auch die Urmutter von besonderen Käsespezialitäten. Auch die Butter ist eine reine Rohrahmbutter. Da wir eigentlich noch ein Milchsystem im Griff, wo wir von der Verarbeitung der Felder, über Tierhaltung, über Produktion bis hin zum Verkauf alles in der kleinen Räumlichkeit beisammen haben. Ich werde dies noch genauer erläutern. #00:01:16-9#

Ich beginne beim Milchtransport. In H. werden heute noch zwei Drittel der Milchanlieferung direkt mit der Seilbahn hier angeliefert. Es ist ein ganzes Seilbahnsystem. So wird die Milch angeliefert und kommt in die Räumlichkeiten der Verarbeitung. Und dies passiert täglich zwei Mal. Die Milch ist nie älter als 12 Stunden, dann ist sie in der Verarbeitung. Dies kann heute niemand mehr bieten, außer eine kleine Alm vielleicht, sonst schafft man das nicht. Das System der Seilbahnen hat einen gewaltigen Nachteil, es ist extrem teuer, hat aber auch zwei riesige Vorteile. Die Milch kommt unmittelbar frisch nach dem Melken zum Betrieb und der zweite gewaltige Vorteil ist ein umweltschonender Faktor. Der Milchtransport ist nahezu energieneutral. Es handelt sich um eine Doppelumlaufbahn. Bei der Bilanz aus dem Jahre 2017 sind € 13,- Stromverbrauch herausgekommen. Die Bahn braucht nur zum Starten und zum Bremsen Strom, weil ansonsten zieht die Gondel die andere Gondel mit der Ware hoch. Rein theoretisch könnte man sogar Strom rückgewinnen. Dies würde sich aber nicht rechnen, da nicht genügend Strom produziert wird. #00:03:13-1#

Interviewerin: Was macht das System so teuer? #00:03:15-1#

Der Arbeitsaufwand und die Erhaltungskosten der Seilbahn. Wir haben nur zwei Seilbahnwärter, die sind auch Bauern und die kümmern sich um Seilbahnen. Pflege, luftfahrtbehördliche Genehmigungen. #00:03:31-5#

Interviewerin: Wie lange hält so ein Seil? #00:03:36-7#

Befragter: Schon ca. 30 Jahre. Das ist noch überschaubar. Man braucht eine luftfahrtbehördliche Genehmigung, man würde heute so eine Seilbahn nicht mehr bauen, aber diese Seilbahn ist älter als die Bundesstraße. Heute traut man sich nicht mehr über eine Bundesstraße drüber bauen, man hat die Bundesstraße darunter gebaut. Die Seilbahn wurde eigentlich gebaut, weil früher die Höfe unerschlossen waren und die Milch mit der „Buckelkraxe“ transportiert werden musste. Wir haben diese Seilbahn erhalten, weil wir so den Vorteil haben, eine frische Milch geliefert zu bekommen. Das wollen wir auch, soweit es uns gelingt, aufrecht zu erhalten. Wie ich Obmann (von Bio vom Berg) wurde, gab es noch 13 Seilbahnen in Betrieb. Heute gibt es nur mehr acht Seilbahnen. Die am weitesten entfernte Milch fährt mit drei unterschiedlichen Seilbahnen, bis sie hier ankommt. Da steht ein ganzes System dahinter. Es muss auch relativ pünktlich funktionieren, da die Käser hier die Milch übernehmen, um sie zu verarbeiten. Früher hat man oben die Höfe mit dem Material beschickt, welches sie benötigt haben. Es gab auch immer wieder sonstige Gegebenheiten - im Jahre 1958 gab es einen ganz strengen Winter, oben war eine Frau dabei, zu entbinden, es gab Komplikationen und sie wollten die Frau ins Krankenhaus bringen. Somit gab es nur die Möglichkeit, die Frau mit der Seilbahn zu transportieren, sie musste sogar noch in eine andere Seilbahn umgeladen werden. Sie hat dann tatsächlich im Beisein des Arztes während des Runterfahrens entbunden. Das Traurige darin ist jedoch, dass der Sohn wenige Tage danach verstorben ist. Nun wieder zurück wieder zur Sennerei.. #00:08:07-4#

Interviewerin: Wär lädt die Milch zusammen? #00:08:12-4#

Befragter: Der einzelne Bauer ist, bis zur Milchstation, wo die Seilbahn steht, verantwortlich, dass er zu einer bestimmten Uhrzeit seine eigene Milch auflädt. Das muss ja funktionieren, da die Seilbahnen minutengenau fahren, sonst entsteht ein Stau. Wenn eine Gondel wegfährt, kommt bereits die nächste und so weiter. Und die Nebenbahnen müssen natürlich auch wieder pünktlich fahren. Das muss einwandfrei funktionieren. #00:09:04-9#

Interviewerin: Wie werden Kannen zu den Milchstationen transportiert? #00:09:05-5#

Befragter: Entweder man befindet sich unmittelbar neben der Station, oder sonst wird das Stück mit dem Traktor gefahren. Früher wurde die Kanne getragen. Dann geht die Kanne auf die Bahn über. Wird hierher transportiert, die Kannen werden übernommen, auch gereinigt und zurückgeschickt. Die Kannen müssen gereinigt werden, sonst würden Qualitätsprobleme - speziell im Sommer bei der Hitze - eintreten. #00:09:55-1#

Befragter: Was aus H. ein Unikat macht: die Nachkriegsjahre waren für die Hartkäsereiwirtschaft eine goldene Zeit. In den 70er und 80er Jahren war es nicht mehr so einfach, mit so einer Betriebsgröße zu überleben und man hat dann in H. in 1990 den einstimmigen Beschluss gefasst, dass man das gesamte Einzugsgebiet auf biologische Wirtschaftsweise umzustellen. Heumilch hatten wir immer schon bereits seit der Gründung. Diesen Schritt zu wagen, war für diese Zeit, sehr mutig. Wir haben damals mit 43 Bauern die gesamte Umstellung vorgenommen und in ganz Tirol gab es zu dem Zeitpunkt 27 Biobetriebe gegeben. Bei der ersten Tiroler Bioversammlung hatten wir mit H. eine Zweidrittel Mehrheit. Und die älteren Bauern hat sich zu dieser Zeit etwas schwer getan, zum Beispiel mit den Kontrollen. Es war zu dieser Zeit wirklich ein riesiger Schritt. Der Markt war auch noch nicht gegeben. Aber wir haben bereits eine betriebswirtschaftliche Überlegung, welche dahinterstand. Wir haben gesagt, dass wenn wir in dieser Größenordnung überleben möchten, dann müssen wir ein besonderes Produkt herstellen und dies auch dementsprechend untermauern. Die ersten Jahre waren bestimmt nicht sehr einfach für uns, weil es noch keinen Biomarkt gab. „Ja! Natürlich“ und Co sind erst sieben Jahre später auf den Markt gekommen. Wir haben dann gestartet, indem wir in Deutschland den Naturkost-Fachhandel beliefert haben und zögerlich auch in Österreich begonnen haben, die Produkte zu vermarkten. Zu dieser Zeit gab es auch noch keine Bio-Förderung. Wir wollten es einfach versuchen, und sollten wir etwas verdienen, würden wir ohnehin mehr Milchpreis von der Genossenschaft bekommen. Im ersten Jahr war dann ein Protagonist von der AMA da, die Preisführung war noch amtlich geregelt - es gab einen Großhandels- und einen Kleinhandelspreis und so weiter. Aufgrund der hohen Exportzahlen des Hartkäses, war der Emmentaler ein Zulagenbezieher und dafür hat man Rahm abgeschöpft. Wie ich dann den ersten Preisantrag an den Milchwirtschaftsfond gestellt habe, wo festgehalten war, dass wir nun für den Käse mehr Geld verlangen müssen und dass wir uns nicht an das Preisband der paritätischen Kommission halten können. Die haben mich für verrückt erklärt und wollten mich für Wucher verklagen, weil Bio keine andere Wirtschaftsweise ist, bzw. diese nicht nachgewiesen war. Das ist heute unvorstellbar. Mit der Mithilfe von anderen Personen ist es im Endeffekt aber gelungen, den Preis zu bekommen und wir haben begonnen zu vermarkten. Im ersten Jahr hätten wir auch einen kleinen Gewinn erzielt, jedoch wurde am Ende des Jahres gegengerechnet, was wir mit der Bioproduktion mehr verdient haben, wurde uns von der Exportsubvention wieder abgezogen. Mit dem Landwirtschaftsminister Fischler wurde es besser. Und wir haben weiterhin probiert an der biologischen Seite weiterzuarbeiten und weiterzuentwickeln und es ist uns bis jetzt ganz gut gelungen. Wir haben zwischenzeitlich, vor drei Jahren haben wir neue Reiferäumlichkeiten gebaut, weil wir mehr Käse, nicht nur den Emmentaler, produzieren. Wir haben 2002 die gesamte Energieversorgung auf Holzhackgut umgestellt, mit dem Ziel, dass wir den Bauern das Holzhackgut abkaufen und nicht das Öl der Ölscheichs beziehen. Ende der 90er haben wir ein Käsegeschäft dazu gebaut. Das wurde damals massiv belächelt. Wir haben es gebaut, damit H. ein Schaufenster nach außen hat, damit wir präsentieren können, was wir tun und machen. Es hat sich mittlerweile bewährt - wir verkaufen den Großteil des Käses direkt hier vor Ort. Wir haben sicherlich auch den Standortsvorteil, dass wir bis nach München ein großes Einzugsgebiet haben, und speziell auf der deutschen Seite haben wir Stammkunden, die wöchentlich herkommen und für einen ganzen Häuserblock einkaufen. Am Anfang hatten wir während der Sommermonate für ein paar Stunden aufgesperrt, mittlerweile habe ich fünf Verkäuferinnen angestellt, zwei auf Teilzeit beschäftigt. Damit wir alles bewältigen können. Bei schönen Ausflugswetter im Herbst kommen sehr viele Personen. Grundbedingung ist natürlich, dass das Produkt top ist und auch eine Geschichte erzählen kann. Und man braucht natürlich auch gute Leute zum Verkaufen. Eigentlich sind die Räumlichkeiten mittlerweile schon alle zu klein, welche wir damals gebaut haben. #00:16:21-5#

Befragter: Jetzt werden wir den Betrieb besichtigen. Gibt es Fragen? #00:16:35-6#

Interviewerin: Wie viele Milchlieferanten gibt es? #00:16:48-0#

Befragter: Es gibt 38 aktive Milchlieferanten, wobei nicht alle das gesamt Jahr durchgehend liefern. Manche haben selber eine Alm und liefern nur im Sommer, manche verarbeiten die Milch am Hochleger auch selbst, ein paar andere Bauern sind in einem anderen Einzugsgebiet. #00:17:29-8#

Interviewerin: Wie groß ist Ihr Einzugsgebiet? #00:17:34-9#

Befragter: Wir sind alle hier im Umkreis. 1937 wurde die Käserei gebaut, und zwar dorthin, wo man die Milch am besten hin transportierten konnte. Man musste herausfinden, wie das zu bewerkstelligen war. Die Möglichkeiten waren die Milch mit einem Pferdefuhrwerk zu transportieren oder mit der „Buckelkraxe“ zu tragen oder eine Seilbahn zu bauen. Nur 500 Meter entfernt liegt die deutsche Grenze, was historisch gesehen auch eine Abgrenzung bedeutete und ansonsten geht es in alle Himmelsrichtungen. Wenn man zu Fuß eine Stunde geht, kommt man ans Ende des Einzugsgebietes. #00:18:50-0#

Befragter: Jetzt besichtigen wir die Innenräume. Hier sehen Sie die Doppelumlaufbahn und die dazugehörigen Kannen. Die Kannen haben Nummern und diese Nummern sind einem Bauern zugeordnet. Ein großer Bauer hat zum Beispiel vier Kannen und ein Kleiner nur eine. Und dann wird hier die Milch übernommen mit einem System, welches man sonst auch am Tankwagen findet. Die Milch wird heraus gesaugt, Temperatur, Uhrzeit und Nummer der Kanne werden registriert und dann werden hier auch die amtlichen Milchproben gezogen und Keimzahl, Zellzahl, Fett und Eiweiß werden erfasst und im Labor untersucht. Hier macht der Chefkäser monatlich auch Gärproben. #00:20:24-3#

Befragter: Jetzt begehen wir den Betrieb, in etwa so wie der Milchweg ist. Wir sind bereits richtig gestartet. Dann kommt die Abendmilch gleich in den nächsten Tank. #00:21:01-8#

Hier sehen Sie den Bergkäse oder den Almbauernkäse. Almbauernkäse ist ein Schnittkäse nach Tilsiter Art mit Rotkultur. Traditionsgemäß sind wir immer ein Hartkäsereibetrieb gewesen. Das österreichische Lebensmittelbuch kennt 700 bis 800 verschiedene Käsesorten. Die Käse ähneln sich sehr, ich werde dies nun anhand der Hartkäse genauer erklären, aus den Kellern können Sie das dann riechen. Wenn man einen Hartkäse produziert, dann hat der immer eine hohe Brenntemperatur und der Käse hat einen niedrigeren Wassergehalt von ca. 30%. Ein Weichkäse kann bereits bis zu 70% Wassergehalt haben und eine viel niedrigere Brenntemperatur. Ich könnte rein theoretisch einen Emmentaler und einen Bergkäse mit dem gleichen Käsevorgang hier her innen machen, der Unterschied liegt in der Reifung. Der Emmentaler ist ein Propionsäurevergärer, er wird sechs bis acht Wochen in einem warmen Keller bei 21° bis 22° gelagert und macht dann die Propionsäurevergärung, also passiert eine Reifung von innen nach außen. Der Bergkäse wird ganz gleich vom Bruch gemacht, der kommt in einen kalten Keller und ist ein Rindenreifer und nimmt über die Rotschmiere Geschmack auf, darum ist der Bergkäse immer intensiver. Der Emmentaler ist immer ein - ich möchte nicht sagen geschmacksleerer Käse - aber er ist viel milder und viel runder in der Sache. Der Bergkäse nimmt mit zunehmenden Alter über die Rotschmiere mehr Geschmack auf und wird immer intensiver. Und so ähnlich ist es auch bei den Schnittkäsen. Gepresste Schnittkäse, Schnittkäse mit Bruchlochung, aber der große Unterschied - sie haben eine Brenntemperatur von ca. 40°C - liegt meistens in der Reifung. Es gibt Schnittkäse, die sind foliengereift, rotschmiergereift usw. und durch die Reifung - außer bei der Pressung - entsteht ein viel größerer Unterschied als durch die Produktion. In der Produktion - zurückkommend auf die Hartkäseherstellung - muss der Käser darauf achten, was er danach machen will. Bei Propionsäurevergärung muss die Temperaturführung bzw. die Bakterienstämmeführung dahin führen, dass die Bakterien dies auch lieben. Und wenn ich einen anderen Käse mache, z.B. einen Bergkäse muss man da stabiler sein, der Käse sollte keine Nachgärung haben, sondern der Käse muss stabil umschlossen bleiben. Das muss alles gesteuert werden. Ich bin ein Bauer, ich bin kein gelernter Käser, aber wenn ich kein Bauer geworden wäre, wäre ich Käser geworden. Das ist ein faszinierender Job für mich. Man muss die Bakterienkulturen so behandeln, dass letztendlich der Käsevorgang abgeschlossen ist und die Käsemasse so passt, dass man hinterher nach acht Wochen bis 15 Wochen, oder nach einen halben Jahr oder einem ganzen Jahr - je nach Käsesorte - das gewünschte Ergebnis hat. Gerade bei den Hartkäsen ist das schwierig. Ich habe nicht nur schöne Zeiten erlebt, wenn man dann nach drei bis vier Monaten draufkommt, dass da was nicht gepasst hat und der Käse ist nicht auf Zack, dann nimmt den niemand ab. Und dann merkt man, dass die gesamte Produktion von einem halben Jahr in Mitleidenschaft gezogen ist. Da kommt dann ein gutes Handwerk dabei heraus. #00:26:13-9#

Befragter: Hier hinten - wie schon gesagt, wir haben nicht einmal einen Pasteur. Hier steht ein Wärmeplattentauscher, der wird zum Kühlen der Molke verwendet. Biosüßmolke ist zurzeit ein gefragtes Produkt für die Babynahrung. In meiner Jugend haben alle Bauern mit der Molke die Schweine gefüttert, zwischenzeitlich wurde die Molke nahezu zu einem Entsorgungsproblem, heutzutage kann man diese Molke vermarkten. #00:27:41-4#

Befragter: Hier haben wir ein Holzbutterfass stehen. Ich glaube es gibt nur zwei Holzbutterfässer in Österreich, welche auch eine EU-Zulassungsnummer besitzen. Eines von diesen Unikaten ist eben dieses. Es wollte uns schon mal abspenstig gemacht werden. Und der damalige Chefkäser, Käseweltmeister, hat sich mit Händen und Füßen gewehrt. Zuerst hat er eine Ausnahmegenehmigung bekommen und nach zwei oder drei Jahren haben sie ihm eine dauerhafte Ausnahmegenehmigung gegeben. Er hat es tatsächlich durchbekommen. Für die Butter fahren wirklich sehr viele Leute nach Hatzenstädt, das ist eine Sensation! #00:28:55-5#

Befragter: Hier wird der Emmentaler ausgeheizt. Hier findet die Propionsäurevergärung statt. Es hat hier 21°C bei einer Luftfeuchtigkeit von 77% bis 78% und hier bleibt der Emmentaler im Sommer sechs Wochen, im Winter knapp über acht Wochen her innen. Das hängt mit dem Fettsäuremuster vom Milchfett zusammen. Die Sommermilch hat viel längere Fettsäuremuster als der Winterkäse, und damit braucht er da ein bisschen weniger lange. Durch die Lochbildung entsteht ein osmotischer Druck und der Käse - wie man sieht - wölbt sich immer mehr nach außen. Ein guter Käser kennt dann beim Abklopfen, wie weit der Reifung beim Käse bereits vorangeschritten ist. Man muss sich jetzt vorstellen, dass es sich dabei um ein Rohmilchprodukt handelt, 21°C und wir behalten es ganze acht Wochen auf. Das bedeutet extrem viele Anforderungen an die Rohmilch aber auch an die Käser. Das ist sensationell. Es muss extrem sauber gearbeitet werden, sonst funktioniert das nicht. #00:30:27-3#

Interviewerin: Und wenn es z.B. zu einer Fehlgärung kommt? Dann schmeißt man den Käse weg? #00:30:34-9#

Befragter: Ja, der Käse muss dann weggeschmissen werden. Wenn der wirklich hier her innen eine Fehlgärung aufweist - das sehen Sie dann auch außen, dass Käse z.B. eine Rissbildung machen, speziell im Sommer, das macht nicht so viel. Wenn der Emmentaler einen Hemmstoff in sich trägt, dann wird der Emmentaler in der Presse schon rausgeworfen, so eine kompakte Presse gibt es gar nicht, diesen Emmentaler kann man dann nicht bändigen. Die beste Hemmstoffprobe ist es, einen Emmentalerkäse zu produzieren. Einen Bergkäse oder Schnittkäse könnte man bei einer Probe noch „durchschwindeln“ - bei leichten Hemmstoffen - aber den Emmentaler mit Sicherheit nicht, weil der in der Vergärung nicht zu bändigen wäre. Extrem widerspenstig. #00:31:39-5#

Interviewerin: Wenn man Hemmstoffe drinnen hätte, würden die Kulturen ja gar nicht aktiv werden. #00:31:40-8#

Befragter: Darum kann man sagen, dass es so eine geringe Hemmstoffverschleppung wie bei diesen Käse gar nicht gibt. Bei diesem Käse fällt das auf. Gott sei musste ich das in meiner 30-jährigen Tätigkeit bloß einmal erleben. Der Käse wird groß wie ein Ballon und hört nicht mehr auf zu gären. Den bekommt man auch im Nachhinein nicht mehr hin. #00:32:53-6#

Befragter: Das Korsett, welches rund um den Käselaib gespannt wird, brauchen wir nur im Sommer. Im Sommer, wenn das Fettsäuremuster anders ist, als im Winter, also, wenn die Fettsäuren langkettiger werden, mit Omega-3-Fettsäuren, Linolsäuren usw. und dann wird der Käse so weich, dass er den eigenen Druck nicht standhält. In den Wintermonaten können wir uns das sparen. Je länger wir in die Winterzeit kommen, desto mehr bauen sich Mineralstoffe im Heu ab, auch das Karotin verflüchtigt sich im Heu. Wenn dann die Kuh wieder auf die Weide geht, dann ändert sich das innerhalb von drei bis vier Tagen. Am Milchfett erkennt man diese Veränderung am schnellsten. Am dritten Tag erkennt man das vor allem auch am Butterfass. Dann fällt die Butter schon anders hinunter, die Butter ist sofort streichfähiger - durch die mehrfach ungesättigten Fettsäuren - und auch gelber - das lässt sich erklären durch das Karotin. Die Kuhmilch hat ungefähr zwischen 4% und 4,2% Fett. Man sagt, dass man beim biologischen Anbau mit dem Fett ein bisschen darunter liegt, da die Kuh nicht so massiv ausgefüttert wird. Dieser Anteil von 4% Fett besteht wieder aus 400 verschiedene Fettsäuren. Wir haben bereits Milchuntersuchungen gemacht und es gibt auch offizielle Studien von der Heumilch oder auch in der Schweiz oder in Deutschland, ganz unabhängig voneinander - je natürlicher das Grundfutter ist, desto mehr nehmen die ungesättigten Fettsäuren zu. Je weiter ich davon wegkomme - durch mehr Kraftfutterzugabe - desto mehr wirke ich dem entgegen. Für einen guten Käse ist das wesentliche Ausgangsprodukt die Milch. Und die Milch ist immer das hochwertigste Drüsensekret der Säugetiere. Für dieses Drüsensekret ist es entscheidend, was die Kuh frisst. Ich wage es - mit meiner 30-jährigen Erfahrung - zu behaupten, dass die Kuh ganz viel Grundfutter benötigt. Kraftfutter braucht die Kuh weniger. Das ist gegenläufig mit der heutigen Spitzenzucht. Hochleistung lässt sich nur mit Kraftfutter erzeugen. Und vom Grundfutter sollen die Kühe möglichst das natürlichste Grundfutter bekommen. Wenn die Kuh auf die Weide geht und viel Bewegung hat, und nicht im Laufstall auf den Spalten steht, dabei handelt es sich um keine Bewegung, die Kuh braucht Bewegung auf der Alm oder im freien Gelände und muss ein bisschen „kraxeln“. Ist auch gegenläufig - als ich in die Landwirtschaftsschule ging, haben wir gelernt, dass die Kuh draußen Energie verbraucht, was nicht gut ist. Dabei ist nur ein fitter Körper in der Lage ein gutes Drüsensekret zu produzieren. Je fitter der Muskel, desto hochwertiger das Drüsensekret. Ein Mensch, der einen Marathon laufen möchte, hockt sich nicht zwei Jahre zum Ofen und rastet sich aus, weil er einen Marathon läuft, sondern er macht ein Trainingsprogramm, damit er seinen Marathon gut schafft. Darum hat die Almmilch - und das ist nachgewiesen - am meisten von diesen wertvollen Fettsäuren und das hängt mit der Bewegung im freien Gelände und natürlich auch mit dem kräuterreichen Futter auf den Almwiesen zusammen. Bei der Weide merkt man, je extensiver die Wiesen werden, desto mehr nimmt der Kräuteranteil zu. Das steigert zwar nicht die Milchleistung, aber die Qualität der Milch ungemein. Und heutzutage, wo wir in Mitteleuropa ohnehin viel zu viel Milch produzieren, verstehe ich es nicht, dass wir nicht mehr in die Qualitätsproduktion investieren, als in die Massenproduktion. Aber ja, wir sind in diesem System Täter und Opfer zugleich - der Bauer muss viel Milch haben, weil der Milchpreis ohnehin schon schlecht ist. Um nochmal zur Wichtigkeit des Grundfutters zurückzukommen. Es ist grundsätzlich viel komplizierter als bei uns Menschen, da die Kühe Wiederkäuer sind. Die Kuh reagiert deshalb viel sensibler, wenn sie fremde Futtermittel bekommt. Ich möchte die Silomilch nicht schlecht machen, aber man stelle sich vor, wenn eine Frau ihr Baby stillt, und die geht zum Arzt und lässt sich beraten, was sie essen soll, weil das Kind Blähungen hat, dann wird der Arzt niemals empfehlen, dass sie viel Sauerkraut essen soll. Die Wahl der guten Dinge ist in der Einfachheit erklärt und nicht in der Kompliziertheit. Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, dann weiß man, wo die Vorteile liegen. Ich habe nichts gegen die Silomilch, aber eine Heumilch oder speziell die Weidemilch hat Vorteile. Und die Kuh regiert viel extremer - man stelle sich vor, die arme Kuh soll 12.000 Liter Milch geben und für einen Liter Milch muss sie 600 Liter Blut durch das Euter pumpen und braucht hochtechnisches Futtermittel, weil mit dem Grundfutter können sie viel weniger Milch geben. Das Argument „Das frisst die Kuh eh gerne!“ - meine Kinder haben auch gerne Schokolade gegessen, aber ich habe ihnen nicht gesagt, sie sollen vermehrt Schokolade essen, weil ich weiß, dass das nicht gut für sie ist. Bei Kühen geht es plötzlich um die Hochleistung. Hochleistungszucht ist in Wahrheit zu vergleichen mit Doping im Hochleistungssport. Es ist widersinnig so eine Leistung zu erbringen. Und eine Leitung abseits der 10.000 Liter ist für den Organismus der Kuh nicht verträglich, wenn ich den natürlichen Kreislauf berücksichtige. #00:40:58-6#

Befragter: So ein Emmentalerlaib wiegt ca. 70 kg und man braucht ca. 900 Liter Milch für einen Emmentalerlaib. Darum muss letztendlich der Käse auch einen Wert haben. Wenn ich die Propionsäure künstlich dem Käse zusetze, ist es ganz wichtig, dass man eine gewisse Käsemasse hat. Es gibt auch kleiner Blöcke, die werden aber dann in der Folie gereift. Wenn man eine Rindenreifung erzielen möchte, braucht man diese Größe. Ein naturgereifter Emmentaler hat immer eine Größe von 60 kg aufwärts. #00:42:24-9#

Befragter: Hier sieht man die Käselaibe nach der Erhitzung. Beim Hineingehen riecht man schon den sehr intensiven Geruch. Beim Emmentaler ist Schimmel auf der Rindenoberfläche kein Problem. Höhlengereifte Emmentaler haben teilweise sehr viel Schimmelbefall, werden so ein Jahr lang gelagert und sind im Endeffekt die besten Spezialitäten. Beim Bergkäse hingegen wäre Fremdschimmelbefall ein großes Problem. Als letzten Raum haben wir noch den Lagerraum mit den Bergkäselaiben mit Rotkultur gereift. Man muss vorsichtig sein mit den pathogenen Keimen und sollte deswegen nichts berühren. #00:49:04-7#

Interview Nr. 2b

Interviewerin: Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach die Intensivierung der Landwirtschaft auf die Käseherstellung, vor allem die Bergkäseherstellung hier in Tirol? #00:00:13-0#

Befragter: Die Intensivierung der Landwirtschaft ist eigentlich ein ganz großes Problem. Insgesamt. Das kann man nicht nur über die Naturkäseherstellung sagen, sondern auch für unsere Lebensgrundlagen feststellen. Aber für die Naturkäseerzeugung ist eine zu intensive Landwirtschaft absolut nicht günstig, sondern ganz im Gegenteil eher ein einschränkender Faktor. In der Landwirtschaft liegen unsere Lebensgrundlagen beheimatet und unsere Lebensgrundlagen sollte man nicht zu Tode reiten. Daran hängt ein gesunder Boden, ein gesundes Grundwasser und auf das sollte man insgesamt viel mehr Augenmerk legen. Wenn ich jetzt Konsument wäre, würde ich von der Landwirtschaft verlangen, dass hochwertigste Nahrungsmittel erzeugt werden und nicht - so wie es jetzt der Fall ist - die billigsten. Und die Intensivierung der Landwirtschaft hat natürlich sehr viele, insgesamt auch sehr negative Auswirkungen. Lebensmittel haben vom inneren Wert her nicht mehr jene Wertigkeit, welche sie haben könnten. Die Wissenschaft warnt davor, dass die Biodiversität eigentlich stark verloren geht, das Artensterben nimmt zu. Das geht gleich schnell, wie auch die Bauern in Mitteleuropa weniger werden. Gerade im Alpenbogen ist das überhaupt kein Ziel. Der Alpenbogen muss auf seine natürlichen Ressourcen bauen und nicht die von der intensiven Landwirtschaft abkupfern, sondern wirklich mit seinen natürlichen Ressourcen hochwertige Produkte herstellen und diesen Erholungsraum und Erlebnisraum auch weiterhin sichern. Das braucht eine behutsame Landwirtschaft. Für die Viehhaltung heißt das, dass man mehr Bauern braucht und nicht weniger. #00:02:25-1#

Interviewerin: Es braucht auch eine Konsumentenschaft, die dies wertschätzt, aber auch einen Handel, der mitmacht. #00:02:24-2#

Befragter: Das stimmt absolut. Das ist ein gesellschaftspolitisches Problem. Es geht insgesamt nicht um ein paar Bauern mehr oder weniger, sondern ich denke es ist für die Gesellschaft und auch besonders für die Personen, die im Alpenraum leben, unheimlich wichtig, dass man den Alpenraum nachhaltig sicherstellt. Ich will nicht sagen extensive, aber einen standortangepasste Landwirtschaft ist unheimlich wichtig, weil wir müssen in dieser Region diese wertvollen Flächen, wie Almwiesen,… gehören zu unserem Lebensraum massiv dazu und sind ganz wichtig und die kann ich mit der intensiven Landwirtschaft nicht mitführen. Heutzutage ist es so, dass auch im Alpenbogen die extensiveren Flächen aus der Produktion kommen - das sieht man auf den Almen und auch auf den Bergmähdern - und die Gunstlagen, also die Talschaften, extrem intensivieren. Man müsste wieder vermehrt dezentral arbeiten, so würden wir dem Ziel wieder näher kommen. #00:03:48-9#

Befragter: Die jungen Bauern werden dahingeführt, dass, wenn man mitkommen willst, auch in Zukunft, braucht man eine gewisse Effizienzsteigerung. Und Effizienz und Effektivität ist für mich nicht das Gleiche. Ich kann auch ganz effizient etwas Unvernünftiges machen. Effizienzsteigerung in einem gewissen Ausmaß ist sehr gut, aber Effizienzsteigerung, welche die natürlichen Ressourcen der Individuen übersteigt, ist nicht gut. Zum Beispiel betreffend der Kuh, das betrifft aber auch die Wiesen usw. #00:04:37-3#

Interviewerin: Also lieber ein kleines Stück von einem hochwertigen Käse mit mehr Omega-3-Fettsäuren als ein richtig großes Stück industriell hergestellten Käse. #00:04:48-2#

Befragter: In diesem System sind wir alle zugleich Täter und Opfer. Wir alle. Die Bauern und die Konsumenten usw. Das ist unumstritten, dass die Gesellschaft einen nachhaltigeren Lebensstil pflegen muss bzw. sollte. Von daher ist es beim Käse ähnlich wie beim Fleisch. Es ist besser, weniger Fleisch zu essen, dafür aber wertvolleres Fleisch. Beim Käse ist es gleich, bei einem guten Rotwein ist es genauso, ich trinke lieber ein gutes Glas Rotwein, als einen Kübel Fusel. Es ist wichtig, das zu erkennen. Das ist schon ein Stückweit auch wieder die Selbstfindung der Gesellschaft. Es gibt schon eine Bewegung - wie ich in die Landwirtschaftsschule gegangen bin, war gerade die Hochblüte, wo man die Hühner in die Käfige gesperrt hat usw. Man hat uns in dieser Zeit vor allem Effizienz beigebracht, weil die Energie, welche das Huhn frisst, kann man dann in Eier und Fleisch umlegen und nicht durch das Herumlaufen des Huhnes „verschwenden“. Ähnliches haben wir auch hinsichtlich der Kuh gelernt und das war für uns auch rechnerisch auf der Tafel nachvollziehbar. Wir haben die Effizienz gesteigert, aber die Effektivität aus den Augen verloren. Es ist jedoch beides wichtig. Effizienzsteigerung sollte schlussendlich dazu führen, dass effektiv das Richtige dabei herauskommt. Effizienzsteigerung alleine ist nicht sinnvoll. Dies hat man in der Landwirtschaft lange Jahre leider komplett außer Acht gelassen. #00:06:26-1#

Interviewerin: Es scheint aber, als wäre man jetzt wieder auf einem besseren Weg - zumindest im Kleinen. #00:06:26-7#

Befragter: Im Kleinen sind die ersten Ansatzpunkte da. Obwohl mir bereitet schon Sorge - wenn man jetzt ehrlich ist - in Summe in Europa oder auch weltweit, gehen wir in eine ganz andere Richtung. Darum sind die kleinen Initiativen ja auch so unheimlich wichtig. #00:06:47-8#

Interviewerin: Gut, dass Sie auch schon so früh diesen Weg bestritten haben und als gutes Vorbild vorangegangen sind. #00:06:54-0#

Befragter: Ich habe ja auch so meine Erfahrungen gemacht und wurde geprägt vor allem durch meinen Großvater. #00:07:02-9#

Interviewerin: Er hat Sie geprägt, ein nachhaltigeres Leben zu führen? #00:07:04-2#

Befragter: Ja, massiv! #00:07:04-2#

Interviewerin: Wie hat er das gemacht? #00:07:04-2#

Befragter: Ich denke, er hat eine Wertvorstellung gehabt. Er war ein Mensch, der zwei Weltkriege überlebt hat, der vier Währungsreformen erlebt hat. Oftmals herrschte große Verbitterung und in dieser Zeit wurde dann einfach ganz selbstverständlich auf eine gewisse Nachhaltigkeit gesetzt. Er hat dies im Speziellen gemacht. Er hat mich auch dazu gebracht, gewisse Dinge kritisch zu hinterfragen. Das macht die Dinge zwar nicht einfacher, aber doch relativ oft klarer. In der Landwirtschaftsschule hatten wir einen unheimlich guten Tierzuchtlehrer und dann habe ich erzählt, dass die Käser in unserer Gegend hier alle sagen, dass der Käse nicht mehr so lange haltbar ist wie früher und dies trotz technologischem Fortschritt. Wir haben uns in der Schule gefragt, woran das liegen könnte und haben problemlösungsorientiert darüber nachgedacht. Dann hieß es, dass die Bauern ja nun Kunstdünger verwenden, Stickstoff ist in weitester Form wiederum Eiweiß und eine Mechanisierung findet auch statt durch das Mähen und in der Grundfutterration ist deswegen ein gewisser Eiweißüberschuss und diesen muss man wieder mit Energie ausgleichen und dann stimmt das wieder. Das hat alles ganz vernünftig geklungen und war auch an der Tafel rechnerisch absolut nachvollziehbar. Als ich nach Hause kam, habe ich diese neuen Erkenntnisse den umliegenden Bauern erzählt: man müsste eigentlich ein paar Kilo Getreide zu füttern, um das ganze Missverhältnis auszugleichen. Nach einem halben bis dreiviertel Jahr hatten die Bauern den Eindruck, dass sich die Situation eher verschlechterte anstatt verbesserte. Jede Kraftfuttergabe verursacht im Wiederkäuermagen eine Übersäuerung des Pansen. Dies hatten wir natürlich komplett außer Acht gelassen. Rechnerisch kam man da schon hin und die entstandene Lücke wurde wieder gefüllt. Faktum ist jedoch, dass man schauen muss, dass man ausgewogenes Grundfutter zufügt und die Leistungskurve der Kuh so ist, dass das funktioniert. Aber diese Dinge sind sehr oft gegenläufig und es ist nicht leicht, den richtigen Punkt zu finden. Vor allem weil jeder Bauernhof anders ist. Wenn ich jetzt im hintersten Ötztal auf 1500 Meter Seehöhe eine Landwirtschaft habe, dann habe ich dort eine andere Grundfutterzusammensetzung und -ausstattung. Bzw. wenn eine Kuh auf die Alm gehen muss, brauche ich auch eine andere Kuh, als eine Kuh, die nicht auf die Alm geht. Darum sage ich immer, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb als solcher ein eigener Organismus. Die Urväter des biologischen Landbaus haben ja Recht behalten - der Bauernhof ist dann klug und sinnvoll, wenn er mit einem Low-Input-System betrieben werden kann - das heißt, dass die Lebensmittel, die an diesem Standort angebaut werden können, den Betrieb zu einer standortangepassten Milchproduktion zwingen. #00:10:26-4#

Interviewerin: Wie nennen sich die Urgroßväter der biologischen Landwirtschaft? #00:10:28-1#

Befragter: Das war ein gewisser Herr Steiner aus der Schweiz und Herr Müller-Rusch. Wenn die heute sehen würden, was auch in der biologischen Landwirtschaft möglich ist, wären sie erstaunt. Besonders die Frau Müller hat sich sehr um die bäuerlichen Familien gekümmert, Stichwort Kreislaufwirtschaft. Von Steiner kam der Ansatzpunkt - zu einer Zeit, wo zum ersten Mal die industriellen Revolutionen über die Landwirtschaft geschwappt sind, wo plötzlich Getreide von Übersee gekommen ist und unsere Produktpreise oftmals in die Höhe schnellten - einer unabhängigen Landwirtschaft, um dem entgegen zu steuern. Nicht eine Landwirtschaft, welche von der Agroindustrie abhängig ist und deswegen in Notzeiten nicht produzieren kann. Wenn wir die Landwirtschaft in Mitteleuropa oder in Europa insgesamt sehen, sind wir der größte Lebensmittelproduzent weltweit und zugleich der größte Futtermittelimporteur. Und wenn Europa den Soja aus Südamerika nicht bekommt - oder noch besorgniserregender - zurzeit auch aus Afrika, dann haben wir ein riesengroßes Problem. Und wenn ich heute von Ernährungssouveränität spreche, dann liegen wir meilenweit davon entfernt, da die Bauern ja nicht einmal mehr souveräne Bauernhöfe haben. Unsere Kühe, die 10.000 Liter Milch geben und unsere Schweineställe mit 20.000 Schweine oder unsere Hühnerställe mit Hunderttausende Legehühner und Masthühner würden ohne Soja kollabieren - da fragt man sich, wo das hinführt. #00:12:25-2#

Interviewerin: So müssten die EU-Förderungen ja genauso kritisch hinterfragt werden, da sie ja auch abhängig machen. #00:12:25-2#

Befragter: Deutschland kämpft ja aktuell mit der Nitratrichtlinie der EU und jetzt hat interessanterweise der Oberste Gerichtshof festgestellt, dass genau jene landwirtschaftlichen Betriebe, welche am meisten Förderungen für den Stallbau bezogen hatten, die größten Nitratwertüberschreitungen aufweisen. Das ist ein sehr heikles Thema, auch wenn man das bei den Bauern anspricht, dann heißt es „du bist nur gegen die Bauern“, aber Fakt ist, dass diese Ställe mit EU- und Landesmittel gefördert wurden und heute hat man Nitratwertüberschreitungen. Das ist aber nicht nur nach Bayern oder generell Deutschland schauen, das ist in Holland nicht anders. Da frage ich mich, wo die Vernunft einer gemeinwohldienenden Landwirtschaft ist. Insgesamt wurde da sehr kurzfristig gedacht. #00:14:38-4#

Interviewerin: Vielen Dank für das Interview!

Interview 3a

Befragte: Wir sind sehr darauf aus, dass wir das erhalten. Wir sind gut aufgestellt in diesem Gebiet - es handelt sich hierbei um ein Siloverzichtsgebiet. Und wir haben hier sehr viel Heumilch. Es ist ganz wichtig, dass man mit einem Heumilchprodukt nicht schleudert, dass man kein Billigprodukt hergibt und so kann man die Landwirte unterstützen, damit sie nicht aufhören. Bei uns in der Gegend ist es eigentlich großteils so, dass die Bauern einen anderen Beruf haben. Das ist für sie also ein Nebenberuf - ein sehr zeitaufwändiger Nebenberuf. Und da muss man die Bauern unterstützen - es ist eine harte Arbeit bei uns im Berggebiet, da muss man auch schauen, dass sie das wieder rausbekommen und damit sie mit ihrer Arbeit nicht aufhören. Das ist ganz wichtig auch für die Politik, dass sie da mithilft. Ich sage so, dass jeder Kleine, ob das jetzt ein Bauer oder Metzger ist oder ein Bäcker oder eine Molkerei ist, die aufhört, da fängt keiner mehr an, weil die Großen überhand nehmen. Aber die Konsumenten wollen das. #00:01:07-8#

Interviewerin: Sie wollen wenig zahlen. #00:01:07-8#

Befragte: Ich glaube, dass die Umkehr schon da ist und dass sie die Produkte schon sehr schätzen, weil es schon so wenige Fachgeschäfte gibt. Aber es ist schade, wenn es das nicht mehr gibt, dann stirbt das auch. #00:01:23-0#

Interviewerin: Also würden Sie bestätigen, dass die Intensivierung der Landwirtschaft mehr Probleme als Vorteile für die Käseherstellung bringt? #00:01:28-2#

Befragte: Ja. Es ist nicht so, dass man sagen kann: Je größer der Bauer, desto mehr hat er in der Tasche, das ist nicht so, das ist ein Wunschdenken, welches stark verbreitet wurde. So haben sich alle in Unkosten gestürzt und Laufställe gebaut usw. Aber das ist nicht der Sinn und Zweck. Man muss ein Naturprodukt, das dem Konsumenten wieder als Nahrung dient, produzieren und welches natürlich auch schmeckt. Und das kann man nicht erzeugen mit Zusatzstoffe, sodass das Produkt immer gleich ausschaut und immer gleich schmeckt. Da hat man irgendwann genug davon. #00:02:02-4#

Interviewerin: Im Sommer schmeckt der Käse anders als im Winter. #00:02:05-6#

Befragte: Im Sommer hat er ganz eine andere Farbe als im Winter. Aber das ist das Problem, dass viele Konsumenten das gar nicht verstehen, weil sie nichts anderes mehr kennen. Und das ist ganz wichtig, dass man da wieder einen Schritt zurück macht. Ich finde das total wichtig. Wir sind sehr enttäuscht von jedem Landwirt, der aufhört. #00:02:27-6#

Interviewerin: Fördern Sie somit auch den Biobauern, indem Sie mehr zahlen für den Liter Milch als dem konventionellen Bauern? Gibt es eine gesetzliche Regelung? #00:02:32-0#

Befragte: Den Milchpreis macht meistens der Handel, weil wenn genug Angebot da ist, geht der Preis runter. Herrscht ein Mangel, geht der Preis eher rauf. Wir haben einen kleinen Vorteil in der Heumilchwirtschaft, weil es nur 3% gibt. Aber es gibt auch hier schon ein Annähern - der Handel will immer ein bisschen etwas von den guten Produkten haben, aber das Umfangreiche sind die anderen Produkte, mit denen der Handel seinen Hauptgewinn macht. Man ist also immer ein bisschen ein Zugpferd auf Werbung. #00:03:14-4#

Interviewerin: Es kann ja noch mehr werden - ich denke mir, wenn ein Familienbetrieb, so wie Sie einen darstellen, so viel Geld in die Hand nimmt und so etwas Großes und Umfangreiches auf die Beine stellt und Käse erzeugt, aus insgesamt 70% Biomilch, dann ist das doch ein großes Zeichen. #00:03:28-6#

Befragte: Aber man muss immer etwas dazu tun. Wir machen sehr viel Aufklärungsarbeit bei den Konsumenten. Das merken wir auch im Laden unten, dass das wirklich funktioniert. Man kann nicht nur werben und darüber sprechen, man muss das auch leben! Das, was wir produzieren, da müssen wir zu 100% dahinter stehen. Und das können wir Gott sei Dank von uns sagen. Wir produzieren ein Produkt, welches auch wir selbst sehr gerne essen und dann verkauft man das auch viel lieber. Und da geht es jeder Verkäuferin gleich - man bietet lieber ein Produkt an, welches man selbst gerne hat. #00:04:08-5#

Interviewerin: Was ist Ihre Strategie, um z.B. im Laden zu sensibilisieren und aufzuklären? #00:04:19-2# #00:04:20-4#

Befragte: Erstens machen wir sehr viele Führungen. Das Problem hierbei ist, dass das nicht jedem liegt. Stichwort Fachkräftemangel. Wir haben zehn Verkäuferinnen in unserem Laden und wenn da drei dabei sind, die das gut können, dann ist das super. Wenn man keine hat, dann ist das negativ. Und ich glaube, dass die Konsumenten, wenn sie probieren, dann kaufen sie auch, weil sie das Gute im Produkt schmecken. Und das ist normalerweise die beste Werbung. Für meinen Vater waren der Schutz der Natur und Naturprodukte schon immer ein großes Anliegen und so auch unser Laden - wir haben ausschließlich Dinge im Verkauf, welche der Gesundheit gut tun, man findet keine Süßigkeiten oder solche Sachen. Wir haben auch ein bisschen Wurst und „Bocksl“ usw., das sind alles Produkte von kleinen Betrieben, die wir erhalten möchten. #00:05:32-1#

Interviewerin: Gehört da „Bio vom Berg“ auch dazu? #00:05:32-7#

Befragte: Ja, genau, „Bio vom Berg“ ist ein Partner. Aber auch kleine Metzgereien zum Beispiel. #00:05:40-5#

Interviewerin: Aufklärung ist wirklich der Schlüssel. Ein gutes Beispiel dafür ist auch unser Lehrgang Käsesommelier an Schulen, da die Lehrkräfte ihr Wissen an den Schulen wieder weitergeben können. #00:05:44-2#

Befragte: Ja, das ist wirklich ganz wichtig! Und wenn man sieht, dass zum Beispiel ein Produkt sehr gut ankommt, dann muss das für den Bauern ja auch gut sein. Da kann er dann stolz darauf sein. Da müssen wir wieder hinkommen. Dass wir eine Gemeinschaft sind und nicht gegeneinander arbeiten und was den Handel betrifft, wäre es natürlich erstrebenswert, dass wir den auch dazubekommen, aber das ist wahrscheinlich das schwierigste, glaube ich. #00:06:17-6#

Interviewerin: Das Problem liegt einfach in der Abhängigkeit zum Handel. #00:06:24-6#

Interviewerin: Vielen Dank! #00:06:24-6#

Interview 3b

Befragte: Früher hat man Bergkäse nur aus Heumilch produzieren können. Heute ist die Industrie schon so weit, dass man aus Silomilch einen Hartkäse produzieren kann, ohne dass der anfängt zu gehen oder Risse zu bekommen. Und das finde ich schlimm, weil das ist nur mit Zusatzstoffe möglich. Wenn man schaut, wie viele Allergien und Krankheiten hinzugekommen sind im Vergleich zu vor 40 Jahren, kann es nichts anderes sein, als diese Zusatzstoffe, die wir überall drinnen haben. Und das finde ich ganz schlimm. Daher soll man einen Schritt zurück machen - es ist sinnvoller, weniger zu produzieren, aber das was man produziert soll hochwertig sein. Die Kraftfutter-Milch ist nicht das, was wir brauchen - wir brauchen die Milch vom grünen Gras, mit dem Chlorophyll, was drinnen ist. Das ist das, was uns wichtig ist. #00:01:02-2#

Interviewerin: Dankeschön! #00:01:02-2#

Befragte: Bitte!

[...]


1 vgl. Eurostat Statistics Explained: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Glossary:Extensive_farming/de, Download am [6.10.2018]

2 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 8f

3 vgl. Engelmann, Holler 2008, S. 11f

4 vgl. Planet Wissen (2018): https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/kaese/index.html, Download am [29.08.2018]

5 vgl. Guatteri 2006, S. 7

6 vgl. Guatteri 2006, S. 6f

7 vgl. Planet Wissen 2018

8 vgl. Guatteri 2006, S. 9

9 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 11

10 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 10

11 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 10

12 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 11

13 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 10

14 vgl. Senft, Senft 1986, S. 23

15 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 39f

16 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 40

17 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 41

18 vgl. Senft, Senft 1986, S. 24

19 vgl. Senft, Senft 1986, S. 24f

20 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 41

21 vgl. Senft, Senft 1986, S. 26

22 vgl. Senft, Senft 1986, S. 27

23 vgl. ebd.

24 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 43

25 vgl. ebd.

26 vgl. ebd.

27 vgl. Senft, Senft 1986, S. 72f

28 vgl. Interview Nr. 1, #00:00:52-3# - #00:01:29-2#

29 vgl. Bio vom Berg: http://www.biovomberg.at/ueber-uns/, Download am [4.9.2018]

30 vgl. Interview Nr. 2a, #00:01:16-9# - #00:08:07-4#

31 vgl. Interview Nr. 2a, #00:16:21-5#

32 vgl. Käserei: http://www.kaeserei.at/de/partner/587/praesentation/unsere-kaeserei, Download am [4.9.2018]

33 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 24

34 vgl. Agrarmarkt Austria 2017, S. 7

35 vgl. Senft, Senft 1986, S. 73

36 vgl. Dünser, Engstler, Ponier 2016, S. 134

37 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 28

38 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 28

39 vgl. ebd.

40 vgl. Dünser, Engstler, Ponier 2016, S. 134

41 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 28

42 vgl. ebd.

43 vgl. ebd.

44 vgl. Interview Nr. 2a, #00:26:13-9#, 00:31:39-5#

45 vgl. Kirchner, Krieger 2007, S. 29

46 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 52

47 vgl. ebd.

48 vgl. ebd.

49 vgl. Almwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 52f

50 vgl. ebd.

51 vgl. Alwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 53

52 vgl. ebd.

53 Interview Nr. 2a, #00:40:58-6#

54 vgl. Alwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 53

55 Interview Nr. 2a, #00:49:04-7#

56 vgl. Alwirtschaft Österreich, LFI Österreich 2015, S. 54

57 vgl. ebd

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Herstellung von Bergkäse in Österreich
Untertitel
Geschichtlicher Werdegang von Bergkäse in einer sich wandelnden Almwirtschaft
Hochschule
Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
49
Katalognummer
V496146
ISBN (eBook)
9783346031075
ISBN (Buch)
9783346031082
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bergkäse, Almwirtschaft
Arbeit zitieren
Sarah Eichinger (Autor:in), 2018, Herstellung von Bergkäse in Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/496146

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