Zur anthropologischen Bedeutung des Lachens


Magisterarbeit, 2002

61 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Das Motiv der vorliegenden Untersuchung

2. Plessner: Lachen als Ausdruck eines Mangels
2.1. Die Theorie des Lachens in ihrem Zusammenhang
2.2. Die Ausdrucksform des Lachens
2.3. Die Anlässe des Lachens
2.4. Der Zusammenhang zwischen Anlässen des Lachens und der Ausdrucksform des Lachens
2.5. Mensch und Tier im Vergleich in bezug auf das Lachen
2.6. Auswertung der Plessnerschen Theorie des Lachens
2.6.1. Wertvolle Erkenntnisse
2.6.2. Unschlüssigkeiten und Lücken in Plessners Theorie des Lachens
2.6.2.1. Ist die Psyche des Tieres für den Menschen zugänglich?
2.6.2.2. Sprachliche Doppeldeutigkeiten
2.6.2.3. Fehlende Rückschlüsse von der Form des Lachens auf seine Funktion
2.6.2.4. Prinzipielle oder relative Grenzen menschlichen Verhaltens
2.6.2.5. Von Plessner selbst eingestandene Grenzen seiner Untersuchung

3. Worauf verweist Kränkung durch spöttisches Lachen?
3.1. Verletzung durch Spott
3.2. Reaktive und objektive Haltung gegenüber der Verletzung

4. Bergson: Lachen als eine „soziale Geste“ bei „Versteifung des Charakters“
4.1. Die wesentlichen Thesen von Bergson zum Thema „Lachen“
4.2. Auswertung der Bergsonschen Theorie des Lachens
4.3. Die Grenzen der Theorie des Lachens von Bergson
4.3.1. Die Kritik von Plessner und Heinrich an Bergson
4.3.2. André Glucksmann: Gibt es Gelächter, so gibt es auch Dummheit
4.3.2.1. Ist Minderwertigkeit komisch?
4.3.2.2. Zur Relevanz von Gluckmanns Kritik an Bergson

5. Lachen in vorbereiteten Situationen
5.1. Die Beliebigkeit des Spottziels
5.2. Identifikation des/der Lachenden mit dem/der Ausgelachten
5.3. Katharsis im Theater
5.4. Benjamin: Ausbruch von Massenpsychosen in kollektives Gelächter beim Filmpublikum
6. Lachen als Therapeutikum
6.1. Die Wahrheit in der Binsenweisheit „Lachen ist gesund“
6.2. Lachen als Körperertüchtigung
6.3. Lachen in der empirischen Forschung der Psychologie

7. Humor als die Fähigkeit zur eingeschränkten Steuerung des Lachens

8. Lachen in der Gemeinschaft
8.1. „Lach-Tabus“
8.2. Lachen über grauenvolle Dinge
8.3. Lachen und Heiterkeit
8.4. Galgenhumor: Das letzte Auftrumpfen des Todgeweihten
8.5. Das subversive Lachen oder das Ventil, das zu früh geöffnet wird
8.6. Gibt es einen gesellschaftlichen Trend zur Ausbreitung des Lachens?
8.7. Ausblick: Glück durch Lachen als Gesellschaftsutopie?

9. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Das Motiv der vorliegenden Untersuchung

Lachen wird oftmals als eine Lebensbewältigungsstrategie dargestellt, also als ein Mittel, mit Hilfe dessen man die Höhen und Tiefen des Lebensweges besser bewältigen kann. „Strategie“ ist hier im Sinne von „absichtlich gefasster Plan“ und nicht im Sinne von „Strategie der Natur“ zu verstehen. So fasst beispielsweise der Linguist Matthias Perner, der sich intensiv mit der Struktur von Witzen auseinandergesetzt hat, seine bisherige Lebenserfahrung hinsichtlich von Witzen und Lachen sowie seine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema folgendermaßen zusammen:

In [der Vergangenheit] ist mir (...) aufgefallen, dass eine gewisse humoristische Grundhaltung der Lebensbewältigung recht förderlich sein kann. (...) Letztendlich scheint mir, dass [das] Lachen doch immer noch die beste Möglichkeit ist, dem Leben die Zähne zu zeigen. (Website von Matthias Perner)1

Diese Formulierung Perners drückt aus, was viele Menschen wohl auch so empfinden. Mit dem Lachen kann man der Unbill des Lebens trotzen, so lautet die vorherrschende Meinung. Das Lachen allerdings als Lebensbewältigungsstrategie aufzufassen, heißt, einen wesentlichen Aspekt des Lachens zu übersehen. Lachen ist planlos, denn das Lachen bricht spontan aus, ist also eruptiv und erst nach dem Ausbruch überhaupt - geringfügig - steuerbar. Eine Lebensbewältigungsstrategie ist aber ein Handlungsplan.

Woher kommt aber dieser Irrtum? Bei der Erforschung des Themas Humor werden oft viele Dinge „zusammengeworfen“, die man bei näherer Betrachtung trennen müßte. Lachen wird als Lebensbewältigungsstrategie aufgefasst, weil man das Erzählen von Witzen sehr ähnlich wie das Lachen auffasst. Milo Dor und Reinhard Federmann bezeichnen beispielsweise den Witz als „geistige Waffe“. Vieles in dieser Welt ist merkwürdig, schrecklich, grauenvoll, eklig und abstoßend. Anstatt daran zu verzweifeln, trotzt man dem Unangenehmen und macht sich lieber darüber lustig. Sicherlich tritt beim Scherzenden als auch beim Lachenden ein bestimmter Erleichterungseffekt ein, doch ist der Erleichterungseffekt, den der Scherzende erzielt, ein ganz anderer als der vom Lachenden erzielte. Das Erzählen von Witzen kann Teil einer Lebensbewältigungsstrategie sein, weil dies absichtlich geschieht. Doch man kann diese Erkenntnis nicht auf das Lachen übertragen. Die Position, dass Lachen dazu dient, der Unbill des Lebens trotzen zu können, ist daher nicht haltbar.

Das ist nur ein Beispiel für die bisher unbefriedigende Erforschung des Themas Lachen, denn es gibt natürlich auch noch zahlreiche andere Meinungen und Theorien zum Thema „Lachen“. Ein Mangel an Literatur zu diesem Thema ist wirklich nicht zu beklagen. Doch entweder sind die Arbeiten nicht überzeugend, wie zum Beispiel die „Katastrophentheorie“ des Lachens von Klaus Heinrich, oder sie beziehen sich auf Teilaspekte des Themas und sind daher einseitig, wie die Positionen von Plessner und Bergson.

So entsteht der Anlaß für die vorliegende Magisterarbeit. Ich möchte eine Funktionsbestimmung des Lachens vornehmen, die geeigneter ist als die bisher veröffentlichten Theorien des Lachens. Doch diese Bestimmung soll immer vor dem Hintergrund der Frage erfolgen, was der Mensch seinem Wesen nach ist. Was sagt das Lachen über den Lachenden aus? Ist der Mensch, der viel lacht, beispielsweise ein besonders glücklicher Mensch und ist eine Gesellschaft, in der die Menschen viel lachen, eine besonders gut funktionierende Gesellschaft? Ist die vorwiegend lachende Menschheit eine Utopie?

Es wird sich zeigen, dass das Lachen kein Nischenthema ist, sondern dass durch die Behandlung des Themas „Lachen“ der Mensch am exemplarischen Fall eines seiner Eigenschaften wesensmäßig bestimmt werden kann. Denn wie Plessner schreibt, enthüllt sich in keiner anderen Äußerungsform als dem Lachen und Weinen „die geheime Komposition der menschlichen Natur unmittelbarer“ (Plessner 41).

Ich möchte in der vorliegenden Arbeit den zahlreichen Vorurteilen, was das Lachen sei, entgegentreten. Demgegenüber möchte ich eine ganz eigene Bestimmung des Lachens vorlegen, in der ich verschiedene Positionen zum Thema „Lachen“ interpretiere, einer Prüfung unterziehe, die mir geeignet erscheinenden Teile herausnehme, um sie dann - mit eigenen Ideen und Überlegungen angereichert - zu einer hoffentlich geschlossenen und überzeugenden Theorie des Lachens zusammenzuführen. Mit dieser Untersuchung über das Lachen möchte ich zu einer Klärung beitragen, was der Mensch seinem Wesen nach ist.

In Anbetracht dessen, dass es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine philosophische Abschlußarbeit handelt, werden sich möglicherweise die geneigten Leser und Leserinnen fragen, ob das Lachen ein philosophisches Thema ist.

Abgesehen davon, dass solche vorbildlichen Vertreter der philosophischen Zunft wie Henri Bergson, Hellmuth Plessner und Herrmann Schmitz sich dem Thema Lachen zuwandten, fällt es nicht schwer, auch drei sachliche Gründe zu nennen, warum Lachen ein philosophisches Thema ist:

1. Traditionsgemäß fasste und fasst es ein Teil der Philosophen und Philosophinnen als ihre Aufgabe auf, eine Beschreibung dessen zu liefern, was im menschlichen Bewußtsein vor sich geht. Da aber das Lachen bei aller Spontaneität und Unkontrollierbarkeit mit Vorgängen im Bewußtsein verknüpft ist, kann das Lachen auch aus dieser Perspektive beleuchtet werden.
2. Kant nannte als Ziel der Philosophie die Bestimmung des Menschen. Das Lachen zeigt aber beispielartig, was der Mensch seinem Wesen nach ist.
3. Die Philosophie hat aufgrund der vielen Untergebiete und Themenbereiche, die sie umfasst, im Vergleich zu allen anderen Wissenschaften am ehesten die Befähigung, Ergebnisse aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuführen. Daher werde ich mich in der vorliegenden Untersuchung auch auf medientheoretische und psychologische Untersuchungen beziehen. Störend an den mir bekannten Studien ist nämlich ihr jeweils einseitiger Zugang zum Thema. Es fehlt bisher eine Studie, bei der alle interessanten Aspekte, die das Lachen betreffen, zufriedenstellend berücksichtigt werden.

2. Plessner: Lachen als Ausdruck eines Mangels

In seiner umfassenden Studie Lachen und Weinen versucht Plessner, auf die folgenden drei Fragen zu Lachen und Weinen Antworten zu finden: 1. Welche Ausdrucksformen haben das Lachen und das Weinen? 2. Aus welchen Anlässen wird gelacht bzw. geweint? 3. Was ist der Zusammenhang zwischen den Anlässen für das Lachen und dem Ausdruck des Lachens bzw. was ist der Zusammenhang zwischen den Anlässen für das Weinen und dem Ausdruck des Weinens?

Für die vorliegende Studie interessiert das Thema „Weinen“ nicht weiter; es sei nur kurz angedeutet, warum Plessner Lachen und Weinen gemeinsam abhandelt. Lachen und Weinen haben die Gemeinsamkeit, dass es Reaktionen auf eigentlich von der Person unbeantwortbare Situationen sind und in der dann der Körper anstelle der ganzen Person reagiert. Das Thema „Weinen“ wird in der folgenden Rekonstruktion der Theorie Plessners nicht berücksichtigt.

2.1. Die Theorie des Lachens in ihrem Zusammenhang

Plessner bettet seine Analyse von Weinen und Lachen in seine „Theorie der menschlichen Natur“ ein. Um seine Theorie des Lachens verstehen zu können, muß man daher seine Theorie der menschlichen Natur kennen. Darum möchte ich im Folgenden Plessners Theorie der menschlichen Natur grob skizzieren.

Plessner schreibt von der „exzentrischen Position“ des Menschen, denn der Mensch „ ist immer zugleich Leib (...) und hat diesen Leib als seinen Körper“ (Plessner 43). Das ist die Doppeldeutigkeit der Existenz des Menschen, die darin besteht, dass er sich als Teil dieser Welt wahrnimmt, weil er ein Leib ist und zugleich ein Verhältnis zu seinem Leib aufbauen kann, weil er einen Leib hat. Die Person kann sich zu seinem Körper in Verhältnis setzen. Der Körper wird weitgehend von der Person beherrscht.

Wenn der Mensch sich selbstdiszipliniert benimmt, zeigt er sich damit auf der Höhe seiner Möglichkeiten:

Sprechen und Handeln zeigen den Menschen in seiner Beherrschung auf der ihm gegebenen Höhe freier Verfügungsgewalt durch Vernunft. Verliert er hier die Beherrschung, so sinkt er unter sein Niveau. (Plessner 41)

Beim Lachen verliert der Mensch die Beherrschung. Weil aber der Körper durch das Lachen die Antwort auf eine Situation übernimmt, bleibt der Mensch Person. Bei anderen Vorgängen, bei denen der Mensch die Beherrschung über sich verliert, beispielsweise solchen reflektorischen Vorgängen wie Erröten, Erbleichen oder Erbrechen, findet sogar eine „Störung der personalen Existenz“ (Plessner 42) statt.

Normalerweise benutzt der Mensch seinen Körper als Werkzeug zur Kommunikation:

Für gewöhnlich, in eindeutigen Situationen die sich eindeutig beantworten und meistern lassen, antwortet der Mensch als Person und bedient sich dazu seines Leibes: als Sprachwerkzeug, als Greif- Stoß-, Stütz- und Tragorgan, als Bewegungsmittel, als Signalisierungsmittel, als Resonanzboden seiner Emotionen. Er beherrscht den Leib, er lernt ihn beherrschen. (Plessner 42)

Die Beherrschung des Körpers ist eine Notwendigkeit, weil der Mensch nur dadurch handlungsfähig ist, indem er seine Körperaktivitäten durch sich als Person koordiniert. Wenn der Mensch z. B. greift, dann ist er zum einen der Körper, der sich bewegt, als auch jene Instanz, die diese Bewegung koordiniert. Plessner spricht hier von einer Doppelrolle des Menschen, die dieser von Geburt an hat:

Ein Mensch ist immer zugleich Leib (Kopf, Rumpf, Extremitäten mit allem, was darin ist) - auch wenn er von seiner irgendwie „darin“ seienden unsterblichen Seele überzeugt ist - und hat diesen Leib als diesen Körper. (Plessner 43)

Anhand der Formulierungen der Alltagssprache zeigt sich diese Doppeldeutigkeit der menschlichen Existenz. Einen Körper zu haben, heißt, seinen Körper als Werkzeug zu benutzen. Hier könnte man, um Plessners These zu illustrieren, ein Beispiel anführen. Wenn z. B. jemand sagt: „Ich habe meinen Arm bei der Gartenarbeit verletzt“, wird die Instrumentenhaftigkeit des Körpers deutlich. Wenn andererseits ein Mensch von sich als Person spricht, dann meint er selbstverständlich auch seinen Körper. Das zeigt sich, wenn z. B. jemand sagt, dass er in den Supermarkt ging und nicht sagt, dass er im Supermarkt war, denn durch die erstere Formulierung wird der körperliche Vorgang akzentuiert.

Das „Ich“ ist die Mitte des Bewußtseins und auch die Mitte des eigenen Körpers. Plessner ist dazu in der Lage, dieses „Ich“ auch räumlich zu lokalisieren, denn es befindet sich „hinter den Augen und Ohren“ (Plessner 44).

Demgegenüber gibt es eine zweite Lage des Menschen in seiner Umwelt:

Hier steht mein Leib qua meines Gesichtsfeldes oder Tastfeldes, meiner Bewegungs-, Spannungs- und Viszeralempfindungen in der gleichen Linie mit den anderen körperlichen Dingen, welche im Horizont meiner Wahrnehmung auftreten. (Plessner 44)

Die Lage meiner selbst in dem Raum der Dinge ist mit der „Binnenlange meiner selbst in meinem Körper“ (Plessner 44) verschränkt. „Sie lassen sich zwar in der Betrachtung für sich charakterisieren, aber nicht voneinander trennen“ (Plessner 44).

Doch trotzdem handelt es sich bei diesen beiden Lagen um „zwei sich ausschließende Ordnungen“ (Plessner 44), denn in der einen Lage nimmt der Mensch sich als Mittelpunkt wahr, in der anderen Lage als eines von vielen Gegenständen im Raum.

So folgert Plessner, dass in „dieser Situation (...) sich die menschliche Stellung als eine exzentrische2 zu erkennen“ (Plessner 45) gibt. Die exzentrische Position charakterisiert Plessner folgendermaßen:

Wie sich mir Welt und eigener Körper nur offenbaren und von mir beherrschen lassen, sofern sie in Beziehung zu mir als Ichzentrum treten, behalten sie auf der anderen Seite ihr Übergewicht über die Gebundenheit in dieser Perspektive als eine gegen mich einbeziehende Ordnung. (Plessner 45)

Der Mensch kann sich nicht für eine dieser beiden gegensätzlichen Perspektiven entscheiden, sondern er muß zu diesen beiden Perspektiven ein Verhältnis finden. Denn er „ist weder allein Leib noch hat er allein Leib (Körper)“ (Plessner 45).

Das geht solange gut, solange der Mensch auf „gewohnte Ziele“ fixiert ist. „In ungewohnten Situationen dagegen stößt er auf Schwierigkeiten“ (Plessner 45).

In solchen Situationen weiß der Mensch keine Antwort. Er überläßt sich in manchen Situationen der Reaktion seines Körpers, der zu lachen beginnt. Beim Lachen wird also das sonst homogene Verhältnis zwischen Person und Körper desorganisiert. Obwohl die Person sich aufgibt, kann sie sich doch paradoxerweise als Person behaupten. In der Aufgabe der Kontrolle über seinen Körper gerät die Person ins Hintertreffen; doch nach außen hin hat sich der Mensch durch sein Lachen als Person behauptet, weil er als Reaktion auf eine Situation nicht geschwiegen hat, was einer Kapitulation gleichgekommen wäre.

2.2. Die Ausdrucksform des Lachens

Das Lachen des Menschen ist eruptiv, also „vulkanartig“ und zwangsmäßig. Plessner spricht daher beim Lachen nicht nur von einer Ausdrucks-, sondern von einer „Ausbruchsweise“ (Plessner 15). Äußerlich betrachtet zeigt der Mensch beim Lachen „Laute des Kicherns oder Jaulens und Heulens, Breitziehen der Mundpartie, Verengung der Lidspalte, Tränenfluß“ (Plessner 27). Die äußere Form des Lachens erinnert an die Gebärdensprache, also an wortlose (nicht stimmlose), pantomimische Kommunikation. Das Lachen ist jedoch weder zu den Gebärden, noch zur „künstlichen“ Mimik und auch nicht zur Sprache zu zählen, weil es nicht intentional ist. Die Gebärden sind eine Körpersprache und wer eine Gebärde zeigt, der will dem anderen etwas mitteilen. Die Konvention bestimmt, welcher Gebärde welcher Sinn zukommt. Diese Konvention ist entstanden, indem eine emotional-expressive Mimik zu einer Geste stilisiert wurde.

Warum ist aber das Lachen keine Geste? Diese Meinung kann nämlich schnell entstehen, wenn man vom Lächeln, was sicherlich eine Ausdrucksgeste sein kann, auf das Lachen schließt. Plessner führt vier Gründe an, warum Lachen keine Geste ist:

1. Lachen ist zwangsmäßig.
2. Lachen ist rein expressiv-reaktiv.
3. Dem Lachenden ist keine Zeichenfunktion seines Lachens bewußt.3
4. Lachen ist bei „allen Völkern und zu allen Zeiten“ (Plessner 59) verbreitet.

Die allgemeine Erfahrung wird wohl die ersten drei Punkte bestätigen. Doch das vierte Argument ist meines Erachtens nicht haltbar. Abgesehen vom Problem der Nachprüfbarkeit dieser Aussage (Woher hat Plessner seine Information? Welcher Wissenschaftler kann wirklich so einen großen Überblick über alle Kulturen dieser Erde zu allen Zeiten haben?), ist die Schlußfolgerung Plessners falsch. Ich verstehe Plessners Argument folgendermaßen: Wenn die Menschen über verschiedene Sprachen verfügen, wäre es nur natürlich, wenn sie auch über verschiedene Gebärdensprachen verfügen würden.

Doch nur weil die „Wortsprache“ auf eine bestimmte Nutzerschaft begrenzt ist, muß das nicht unbedingt bedeuten, dass auch die Gebärdensprache auf eine bestimmte Gruppe von Menschen beschränkt ist und dass eine andere Gruppe für den gleichen Satz eine andere Geste verwendet. Die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Gesten international zu verständigen, ist doch die besondere Eigenschaft der Gebärdensprache, so dass man von einem „Gebärdenesperanto“ sprechen könnte. Der Punkt ist, dass die Gebärden nicht die Sprache, sondern den Sinn von Sprache ersetzen. Natürlich gibt es in bezug auf die Bedeutung von Gebärden gelegentlich Unterschiede, wie z. B. das Nasenreiben bei den Eskimos, das mit dem Küssen in Deutschland vergleichbar ist. Doch im Großen und Ganzen sind die Gebärden im Gegensatz zur Wortsprache international einsetzbar.

Plessners Meinung indes, dass Lachen nicht der Gebärdensprache angehört, ist zuzustimmen, weil tatsächlich die Zwanghaftigkeit des Lachens nicht mit der Intentionalität von Sprache und Gebärde verträglich ist.

Der Gebärdensprache stellt Plessner die „Ausdrucksgebärde“ gegenüber, die er als „unmittelbar, unwillkürlich und an kein Zusammensein mit anderen verbunden, d. h. ohne hinweisenden Charakter“ (Plessner 61) beschreibt.

Obschon aus natürlicher Mimik Gebärdensprache werden kann und daher der Übergang der beiden Ausdrucksformen fließend ist, so sind doch natürliche Mimik und Gebärdensprache wesentlich verschieden:

Wenn die Geste etwas ausdrückt, indem der Mensch mit ihr etwas meint, so hat der mimische Ausdruck (gleich dem physiognomischen) eine Bedeutung, indem sich in ihm eine Erregung (ein Zustand oder eine Aufwallung des Inneren) spiegelnd äußert. (Plessner 61)

Ein weiterer Unterschied zwischen natürlicher Mimik und Gebärde ist, dass die Gebärde ersetzbar ist, die Mimik nicht. Die natürliche Mimik sei nämlich „von der Einheit des expressiven Ganzen unablösbar“ (Plessner 62).

In der Mimik drückt sich die Gemütsbewegung aus:

Unvertretbarkeit, Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit geben Lachen und Weinen den Charakter echter Ausdrucksgebärden. Ihre ursprüngliche Verbundenheit mit Gemütsbewegungen - lassen wir zunächst dahingestellt, mit welchen - drängt sich unserem Auge und Ohr mit unwiderstehlicher Gewalt auf. (Plessner 63)

Wenn sich aber die ursprüngliche Verbindung von Ausdrucks und Gemütsbewegungen sich Auge und Ohr mit so einer unwiderstehlichen Gewalt aufdrängt, ist es um so erstaunlicher, dass Plessner auf Seite 31 genau das Gegenteil behauptet und von der Undurchschaubarkeit des Lachens schreibt:

Während Zorn oder Freude, Liebe und Haß, Mitleid und Neid usw. am Körper eine symbolische Ausprägung gewinnen, welche den Affekt in der Ausdrucksbewegung erscheinen läßt, bleibt die Äußerungsform des Lachens und Weinens undurchsichtig und bei aller Modulationsfähigkeit in ihrem Ablauf festgelegt. Von dieser Seite aus gehört sie in den Kreis der Vorgänge des Errötens, Erblassens, Erbrechens, Hustens, Niesens und anderer, den willkürlichen Einflüssen weitgehend entzogener vegetativer Prozesse. (Plessner 31)

Wenn das Lachen undurchschaubar ist, dann drückt sich in der Mimik eben nicht die zu Grunde liegende Gemütsbewegung aus. Aber das ist nicht der einzige immanente Widerspruch im Text Lachen und Weinen von Helmut Plessner.

2.3. Die Anlässe des Lachens

Aus welchen Anlässen wird überhaupt gelacht? Denn nicht immer muß der Auslöser des Lachens ein Witz oder Situationskomik sein. Plessner unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Lachanlässen, nämlich dem Kitzel, dem Spiel, dem Komischen, dem Witz, Verlegenheit und Verzweiflung. Plessner filtert das Gemeinsame aller Lachanlässe heraus:

Nur solche Grenzlagen reizen zum Lachen, die, ohne bedrohend zu sein, durch ihre Nichtbeantwortbarkeit es dem Menschen zugleich verwehren, ihrer Herr zu werden und mit ihnen etwas anzufangen. (Plessner 121)

Die Unbeantwortbarkeit einer Situation und die fehlende unmittelbare Existenzbedrohung sind aber nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen, damit eine Situation zum Lachen reizt. Zusätzlich muß eine Situation eine Bindung auf den Menschen ausüben. Wenn der Mensch nicht durch die Situation sich gebunden fühlen würde, dann wäre es für ihn leicht, sich von der Situation zu lösen. Die Ablösung, die im Lachen sich anzeigt, geschieht gegen einen Widerstand. Im Lachen quittiert der Mensch die Situation, das heißt, er bestätigt sie und durchbricht sie zugleich:

Nur dieser Widerstand erklärt die Spannung, die sich im Lachen löst, und er wiederum ist auf die Bindung bezogen, welche die Situation auf den Menschen ausübt. Sie hält ihn fest und verwehrt ihm zugleich jede Möglichkeit der Anknüpfung. (Plessner 122)

Abstoßung und Anziehung sind auf die gleiche Eigenschaft der Situation bezogen. Sonst wäre das Lachen zufällig, wenn es sich an unterschiedlichen Eigenschaften der Situation festmachen ließe.

So spannt sich ein weiter Bogen von Lachanlässen, der von der Freude bis hin zur Verzweiflung reicht. Am Scheitel dieses Bogens befinden sich das Komische oder das Witzige.

Das Lachen entfaltet sich beim Witz voll. Dennoch dürfen die anderen Sorten der Lachanlässe nicht in diesem Sinn interpretiert werden. So entsteht die Heiterkeit, die das Lachen über Komisches und Witziges begleitet, nicht auch beim Lachen über andere Anlässe, obwohl das Lachen dann eine affektive Tönung der Heiterkeit erhält. Hiermit graduiert Plessner die Heiterkeit in eine wirkliche Heiterkeit und in die affektive Tönung der Heiterkeit. Der Zuschauer oder der Zuhörer des Witzes ist unbeteiligt, so dass das Lachen einen heiteren Zug erhält. Der heitere Zug bereitet den Boden für die Gewalt der Ausdrucksreaktion.

Doch in jedem Fall wird das Lachen als lustvoll empfunden, weil sich eine Spannung entlädt:

Lustvoll ist es als Entladung einer Spannung, die im Überschwang der Freude dem Bewegungsdrang, im Kitzel der sinnlichen Erregungsambivalenz, im Spiel dem Zwischenzustand zwischen Freiheit und Bindung, bei Komik und Witz der doppelsinnigen Transparenz der Erscheinung (und damit der Zumutung an unsere Fassungskraft), in Verlegenheit und Verzweiflung schließlich der Überkreuzung zwischen Überblick und Ohnmacht entspringt. (Plessner 124)

Das Lachen ist lustvoll, weil man die körperliche Kontrolle aufgibt und sich dem Automatismus des Lachens hingibt. Denn sonst ist Körperkontrolle mit viel Kraft und Aufwand verbunden. Lustvoll ist aber das Lachen auch, weil es die einzige sinnvolle Antwort auf eine eigentlich unbeantwortbare Situation ist.

Plessner schlägt vor, die verschiedenen Anlässe des Lachens nicht unter systematischen Gesichtspunkten zu betrachten. Doch gemeinsam ist den Anlässen des Lachens, dass durch die Distanz zum Gegenstand die Heiterkeit, die Freiheit, die Fülle und die Tiefe zunimmt und durch Nähe zum Gegenstand die Heiterkeit nachläßt. Eine affektive Beteiligung stellt die Eindeutigkeit des Lachens in Frage, denn aus großer Freude heraus kann man auch weinen. Es gibt viele Gefühle, die bei einem starken Aufkommen sich in Lachen entladen können.

Die Anlässe des Lachens werden nur an der Peripherie des Bewußtseins wahrgenommen. Die Lachanlässe sind auf der Ebene des sinnlichen Empfindens, der Sensation, der Anschauung und Phantasie, der Auffassung und des Denkens. Somit haftet allem Lachen etwas Oberflächliches an. Der Mensch antwortet im Lachen, ohne sich selbst in die Antwort mit einzubeziehen. „Im Lachen wird [der Mensch] gewissermaßen anonym - ein Grund für die ansteckende Kraft, die ihm innewohnt.“ (Plessner 125)

2.4. Der Zusammenhang zwischen Anlässen des Lachens und der Ausdrucksform des Lachens

Nach der Beschreibung der Ausdrucksform des Lachens und der Analyse der Anlässe des Lachens stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Anlaß und Ausdrucksform. Wieso veranlaßt eine „Unterbindung des Verhaltens durch unausgleichbare Mehrsinnigkeit der Anknüpfungspunkte“ (Plessner 156) den Menschen ausgerechnet zum Lachen und nicht zu einer anderen Ausdrucksform wie z. B. zum Weinen?

Der spezielle Ablauf des Lachvorgangs, also sein rascher Anstieg vor dem Ausbruch, hängt mit der Plötzlichkeit des Anlasses zusammen. Der Mensch entfaltet sein Lachen nicht und läßt es auch nicht verklingen, weil „Labilität und Plötzlichkeit“ zum Anlaß des Lachens dazugehören (Plessner 158). Dadurch wird die Ähnlichkeit vom Lachen mit Schreck- und Schockreaktionen deutlich.

Es zeigt sich also, dass sich „Verbindungen zwischen dem auslösenden Moment (...) und der physischen Äußerungsart“ ziehen läßt (Plessner 160). Doch anders als bei den Gebärden ist das Lachen nicht durch den Sinn des Anlasses geprägt, denn das Lachen erhält seine Prägung „durch einen der Herrschaft der Person entzogenen Automatismus“ (Plessner 160).

Plessners Untersuchung kommt an eine Grenze, hinter der man mit einer philosophischen Methodik nicht mehr weiter kommt. Zu erklären, wie der „Umschlag von der personalen Existenz in und mit einem Leib zur Existenz als Körper“ sich mittels physiologischer Mechanismen vollzieht, soll Aufgabe der Physiologie sein (Plessner 161).

Doch die Ausführungen Plessners zu der Fragestellung, wie Anlaß und Form des Lachens zusammenhängen, müssen enttäuschen, sobald Plessner behauptet, dass „die körperlichen Auslösungsursachen und Mechanismen für Lachen und Weinen variieren können“ und das in Zusammenhang mit untypischen Anlässen für Lachen wie Erschöpfung bringt (Plessner 163). Denn wenn diese Behauptung darauf hinauslaufen sollte, dass das Lachen ein völlig austauschbarer Prozess ist und der Anlaß für Lachen beliebig variieren kann, dann übersieht Plessner, wie eng Anlaß und Form des Lachens verbunden sind. Alleine dass das Lachen dem Zittern ähnelt und es wirkt, als ob etwas dabei abgeschüttelt wird, läßt von der Form auf den Anlaß und die Funktion des Lachens schließen. Dazu später mehr.

2.5. Mensch und Tier im Vergleich in Bezug auf das Lachen

Dieses Untergebiet des Thema „Lachen“ soll nur kurz behandelt werden, weil die Ausführungen Plessners dazu nicht überzeugen können.4 Die Analyse des Lachens zeigt, so Plessner, dass der Mensch vom Tier verschieden ist. Weil nämlich auch Tiere, zumindest Primaten, einen dem Lachen vergleichbaren Ausdruck zeigen, könnte man allerdings annehmen, dass auch (manche) Tiere lachen und weinen können. Dieser Eindruck ist aber nach der Ansicht von Plessner falsch, weil nur die Menschen „wissen, dass sie lachen und weinen“ (Plessner 28). Der Mensch kann sein äußerlich sichtbares Verhalten deuten und ihm einen Sinn „im Haushalt seines Lebens“ (Plessner 15) zuerkennen. Diese Deutungsmöglichkeit ist wiederum konstitutiv für sein Verhalten. Das kann zum Beispiel zur Unterdrückung von Lachimpulsen führen.

Das, was vordergründig beim Tier wie Lachen aussieht, ist in Wirklichkeit gar kein Lachen. Das Lachen des Tieres hat einen anderen Hintergrund, denn das Tier nimmt zwar auch die Doppelrolle zwischen Körper-Haben und Körper-Sein ein, ohne sich jedoch darüber bewußt zu sein.5

2.6. Auswertung der Plessnerschen Theorie des Lachens

2.6.1. Wertvolle Erkenntnisse

Plessner stellt den Menschen als ein Mängelwesen dar. Der Lachende ist mit „seinem Latein am Ende“. Er weiß nicht weiter, will vielleicht auch nicht mehr weiter wissen. Daher überläßt er sich dem Körper und beginnt zu lachen. Der Körper „übernimmt das Kommando“ und zugleich wird dadurch die Situation bewältigt. Der Mensch wird als jemand dargestellt, der gelegentlich in Schwierigkeiten gelangt, wenn er eine Situation nicht beantworten kann. In solchen Situationen rettet der Körper die Person vor einer peinlichen Kapitulation, die dann vorliegen würde, wenn der Mensch schweigen oder nicht reagieren würde.

Solange der Mensch in einer geordneten Umgebung lebt, in der alles seinen Sinn hat, in der sich nichts widerspricht, in der alle Aussagen eindeutig zu verstehen sind, so ist er einigermaßen dazu in der Lage, auf die Situationen, denen er begegnet, adäquat zu reagieren. Doch sobald eine Situation oder eine Aussage doppeldeutig ist, sobald irgendetwas absurd oder paradox erscheint, so gerät der Mensch in eine Notlage. Der Mensch scheint mit Chaos und Unlogik nur schwer umgehen zu können, denn sonst würde er nicht in so unartikulierter Weise wie durch Lachen auf ambivalente Situationen reagieren.

2.6.2. Unschlüssigkeiten und Lücken in Plessners Theorie des Lachens

Obwohl ich die Theorie des Lachens von Plessner im Großen und Ganzen nachvollziehbar und gelungen finde, so habe ich - abgesehen von den bereits in den vorigen Kapiteln vorgebrachten Einwänden, die Einzelpunkte betrafen - fünf weitere Einwände gegen Plessners Theorie des Lachens.

2.6.2.1. Ist die Psyche des Tieres für den Menschen zugänglich?

Plessner widerstreitet einer Position, nach der das Tier im Lachen menschenähnlich wird. Die Richtung der Angleichung wird verkehrt, wenn in dem Roman Der Name der Rose der Mönch Jorge von Burgos behauptet: „Das Lachen dagegen schüttelt den Körper, entstellt die Gesichtszüge und macht die Menschen den Affen gleich.“ (Eco 168)

Doch ob nun der Mensch beim Lachen zum Tier wird oder ob das Tier sich dem Menschen im Lachen annähert, so bleibt doch jegliche Aussage, die eine Ähnlichkeit zwischen Mensch und Tier behauptet, gewagt, weil man durch die Verhaltensbeobachtungen nicht in die „Tiefe“ des beobachteten Lebewesens vordringen kann - es sei denn, bei dem beobachteten Lebewesen handelt es sich um einen Menschen. Während man Zugang zur Psyche anderer Menschen hat, weil man sie nicht nur beobachten, sondern auch mit ihnen kommunizieren kann, so fehlt dem Menschen der Zugang zum Tier völlig. Die Rückschlüsse, die der Mensch vom Verhalten des Tieres auf das Innenleben des Tieres macht, können nicht durch die Tiere bestätigt oder widerlegt werden, weil der Mensch nicht tiefgreifend mit den Tieren kommunizieren kann. Woher weiß also Plessner, dass bestimmte Tiere, die aussehen, als ob sie lachen, etwas ganz anderes dabei fühlen oder denken als der Mensch?

Bei der Bestimmung des Menschen braucht kein Kontrast zu anderen Lebewesen hergestellt zu werden, weil man das Wesen des Menschen für sich alleine bestimmen kann. Die Tiere brauchen daher in anthropologischen Betrachtungen nicht berücksichtigt zu werden.

2.6.2.2. Sprachliche Doppeldeutigkeiten

In Plessners Text Lachen und Weinen sind mehrfach einander sich widersprechende Aussagen zu finden. Während es einerseits heißt, dass nicht „mein Körper, sondern ich (...) aus einem Grunde `über etwas´“ lache und weine (Plessner 33), so heißt es andererseits, dass der Mensch, in dem er lacht, „seinen Körper sich selbst“ überläßt, der dann „für ihn die Antwort“ übernimmt (Plessner 153).

[...]


1 Alle Zitate wurden der neuen Rechtschreibung angepaßt.

2 „Exzentrisch“ bedeutet laut Duden wörtlich übersetzt „außerhalb des Mittelpunkts liegend“. Für mein Verständnis bezieht sich daher die Bezeichnung „exzentrisch“ nur auf die Perspektive des Menschen auf sich als ein Teil der Welt, nämlich dann, wenn er die Welt von der Peripherie aus betrachtet und nicht mehr sich als Mittelpunkt wahrnimmt. Damit wird aber der eigentliche Konflikt zwischen Körper-Haben und Körper-Sein, also der Doppelrolle des Menschen, nicht adäquat ausgedrückt. Plessner meint indes, dass der Begriff „exzentrisch“ eben nicht einseitig sei, weil er sich bei seiner Verwendung nicht „auf die Außen - oder auf die Innenseite des Zweiseitenmodells des Menschen“ (Plessner 47) schlage. Plessner benutzt den Begriff „exzentrisch“, weil jener in diesem Zusammenhang neu und daher noch nicht vorbelastet sei. Das Wort „exzentrisch“ bewirkt in diesem Zusammenhang trotzdem deplatzierte Assoziationen, weil normalerweise „spleeniges“ und außergewöhnliches Verhalten als „exzentrisch“ bezeichnet wird. „Exzentrisch“ im Plessnerschen Sinne ist aber die Position jedes Menschen.

3 Das heißt aber nicht, dass das Lachen keine Zeichenfunktion innehaben kann. Siehe dazu das Kapitel 4. 1., in der die Theorie des Lachens von Bergson vorgestellt wird.

4 Dazu mehr im nächsten Kapitel.

5 Auch Elias Canetti ist der Überzeugung, dass das Lachen den Menschen vom Tier unterscheidet, weil das Lachen eine Kompensation für eine im Evolutionsprozess verlorene Eigenschaft des Menschen ist. Anstatt wie das Tier die Beute zu fressen, lacht der Mensch über die potentielle Beute: „Ein Mensch, der fällt, erinnert an ein Tier, auf das man aus war und das man selber zu Fall gebracht hat. Jeder Sturz, der Lachen erregt, erinnert an die Hilflosigkeit des Gestürzten; man könnte es, wenn man wollte, als Beute behandeln. Man würde nicht lachen, wenn man in der Reihe der geschilderten Vorgänge weitergehen und sich´s wirklich einverleiben würde. Man lacht, anstatt es zu essen.“ (Canetti 248) Problematisch an dieser Ansicht ist, dass sie sich alleine auf Slapstickkomik bezieht, was man anhand des von Canetti gewählten Beispiels erkennen kann. Sieht man auch in dem Spottopfer eines politischen Witz eine potentielle Beute?

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Zur anthropologischen Bedeutung des Lachens
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Philosophie)
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
61
Katalognummer
V496033
ISBN (eBook)
9783346001542
ISBN (Buch)
9783346001559
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lachen, Humor
Arbeit zitieren
Markus Hieber (Autor:in), 2002, Zur anthropologischen Bedeutung des Lachens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/496033

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zur anthropologischen Bedeutung des Lachens



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden