Der Akteurcharakter der Europäischen Union bei den TTIP-Verhandlungen

Eine Analyse anhand des akteurzentrierten Institutionalismus


Akademische Arbeit, 2016

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der akteuzentrierte Institutionalismus
2.1. Grundannahmen der akteurzentrierten Institutionalismus
2.2. Der Akteur im akteurzentrierten Institutionalismus
2.2.1 Der kollektive Akteur
2.2.2 Der korporative Akteur

3. Die empirische Sichtweise auf die TTIP-Verhandlungen
3.1. Inhaltlicher Überblick über die TTIP-Verhandlungen
3.2. Die Verhandlungen der Kommi ssion

4. Der Akteurcharakter der Europäischen Union in den TTIP-Verhandlungen
4.1. Die Verteilung der Handlungsressourcen
4.2. Die Festlegung der handlungsbestimmenden Präferenzen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis
6.1. Buchquellen
6.2. Internetquellen
6.3. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Europäische Union (EU) befindet sich momentan auf dem Prüfstand. Eine Flücht­lingskrise, eine sogenannte Eurokriese und Identitätskrise stellen die EU vor bisher un­bekannte Probleme. Die politische Integration scheint eher Rückwärts zu steuern als eine Tiefere Kooperation zwischen den Ländern entstehen zu lassen. Nicht selten ist bereits vom Scheitern des Projekts Europäische Union und dessen Ende die Rede. Etwas mil­dere Stimmen sprechen von einer Sinnkrise. Ob die EU ein Gebilde mit 28 Staaten ist die jeweils ihr eigenes nationales Süppchen kochen, oder ob sie auf supranationaler Ebene grundlegende Entscheidungen treffen kann, ist aktuell kaum zu beantworten.

Mitten in dieser schwierigen Phase führt die Europäische Gemeinschaft Verhandlungen mit den USA, um das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen, genannt TTIP (transatlentic Trad and Investment Partnership). Wenn die Verhandlungen erfolg­reich abgeschlossen werden, würde damit das größte Freihandelsabkommen der Welt entstehen. Man kann also von einem Großprojekt der angeblich scheiternden EU spre­chen. Die Handlungsfähigkeit und das Auftreten als eine Einheit könnten für die supra­nationale Organisation wieder einen sinnstiftenden Impuls darstellen. Es ist folglich von Interesse, wie sich die Europäische Union in den TTIP-Verhandlungen mit den Verei­nigten Staaten von Amerika präsentiert.

In dieser Arbeit soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob die EU in den Verhandlungen zum Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, mit Namen als kol­lektiver oder korporativer Akteur im Sinne des akteurzentrierten Institutionalismus auf­tritt.

Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits angedeutet, handelt es sich bei dem Abkom­men um ein äußerst bedeutendes und umfangreiches Unterfangen. Wenn alle EU-Mit- glieder hauptsächlich intergouvernemental handeln würden, wären derartige Verhand­lungen unmöglich zu führen. Es müssten die Präferenzen von insgesamt 29 Verhand­lungspartnern gehört, diskutiert und zusammengebracht werden. Bei derartigen Voraus­setzungen wären die Verhandlungen wohl nach kurzer Zeit wieder eingestellt worden. Die Vermutung liegt folglich nahe, dass die EU als ein korporativer Akteur auftritt, der unabhängig von den Partikularinteressen der einzelnen Mitglieder agiert.

Der akteurzentrierte Institutionalismus nach Renate Mayntz und Fritz Scharpf soll als Grundlage dienen. Ihr Buch „Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung“ sowie das von Scharpf verfasste Buch „Interaktionsformen Akteurzentrierter Institutio- nalismus in der Politikforschung“ sind die wichtigsten Quellen. Zunächst wird der all­gemeine theoretische Rahmen und die Grundannahmen der Theorie vorgestellt um im Anschluss genauer zu definieren, nach welchen Kriterien der Ansatz die einzelnen Typen von Akteuren unterscheidet. Im zweiten Schritt wird das Abkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ vorgestellt. Darauf folgend wird vorgestellt, wie die Verhandlungen zum Abkommen in der Empirie ablaufen. Für diesen Teil der Arbeit ist das Mandat der EU-Mitgliedstaaten zentral, sowie die Information die vom Bundesmi­nisterium für Wirtschaft und Energie Online zur verfügung gestellt werden. Im dritten und letzten Schritt werden Theorie und Empirie zusammengeführt. Dabei wird disku­tiert, welche beobachteten Verhandlungselemente auf welchen Akteurcharakter hindeu­ten um abschließend eine Gesamtbewertung abzugeben.

2. Der akteurzentrierte Institutionalismus

Der Institutionalismus findet sich seit jeher in den Sozialwissenschaften wieder. Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts rückte die Institution wieder ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses.1

In dieser Zeit entstand auch der akteurzentrierte Institutionalismus. Entwickelt wurde dieser von Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf am Max-Planck-Institut für Gesell­schaftsforschung. Das Institut verfolgt das Ziel, das Zusammenwirken zwischen politi­scher Steuerung und der gesellschaftlichen Selbstorganisation zu erforschen. Um das zu verwirklichen wurde als theoretisches Instrumentarium der akteurzentrierte Institutiona- lismus entwickelt und später von Fritz Scharpf noch weiter ausgearbeitet. Es ist zu be­achten, dass es sich nicht um eine vollständige ausgearbeitet Theorie handelt, die es er­möglicht Entscheidungserwartungen zu formulieren. Der akteurzentrierte Institutionalis- mus ist eine Forschungsheuristik die als Orientierung bei der Untersuchung von Policy- Entscheidungen dient.2

2.1 Grundannahmen des akteurzentrierten Institutionalismus

Der akteurzentrierte Institutionalismus, wie ihn Mayntz und Scharpf entwickelten, fußt auf einer Ausprägung des Neo-Institutionalismus, der mit dem Begriff der „Institution“ die zentralen politischen Einrichtungen meint. Diese Definition wurde von den beiden Autoren etwas abgeändert. Ihnen zufolge meint eine Institution formelle und informelle Regelungssysteme, welche die einzelnen Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Akteure strukturieren. Auch soziale Normen finden hier Beachtung.3

Die Subjektsqualität, die den Akteuren von den Autoren zugeschrieben wird unterschei­det den Ansatz von anderen, wie beispielsweise der neoklassischen Ökonomie oder der neorealistischen Theorie, die davon ausgehen, dass alle Akteure dieselben Interessen und Ziele haben. Hier wird dem Umstand Rechnung getragen, dass alle Akteure unterschied­lich auf äußere Einwirkungen reagieren. Der eine Akteur lässt sich von einem aggressi­ven Verhandlungsstil des Gegenübers einschüchtern, während der andere gereizt reagiert und daraufhin weitere Kommunikation verweigert. Dies veranschaulicht die Bedeutung persönlicher Merkmale.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterscheidung zwischen dem Handeln der Akteure und dem institutionellen Kontext, in dessen Rahmen eine politische Entscheidung ge­troffen wird. Den Institutionen wird auch Einfluss auf die innere Strukturiertheit, die Wahrnehmungen und Präferenzen der Akteure zugeschreiben. Daraus lässt sich schluss­folgern, dass der Ansatz die Informationen über den institutionellen Rahmen von Akt­euren nutzt, um so ihre Beweggründe und Wahrnehmung zu erkennen.4

In der Darstellung der Grundzüge des akteurzentrierten Institutionalismus lassen sich drei zentrale Elemente herauslesen: Akteure, Akteurkonstellationen und Interaktionsfor­men. Auf jedes dieser Elemente hat der institutionelle Kontext Einfluss.

Für diese Arbeit ist der Akteur wichtig. Im weiteren Verlauf werden seine möglichen Eigenschaften genauer beleuchtet.

2.2 Der Akteur im akteurzentrierten Institutionalismus

Als Akteure im Sinne des akteurzentrierten Institutionalismus sind nicht einzelne Indi­viduen zu betrachten. Der Fokus liegt auf Personengruppen, welche als eine Einheit an­gesehen werden.5

Eine Unterscheidung dieser Akteure findet in Hinblick auf ihre Komplexität und innere Kohäsion statt. Hier finden auch Einzelpersonen Beachtung. Sie werden als Bestandteil der komplexen Akteure betrachtet. Der institutionelle Handlungskontext, in dem sich die jeweilige Einzelperson bewegt, wird von dem übergeordneten Akteur vorgegeben. Es ergeben sich zwei mögliche Betrachtungsweisen. Zum einen kann man die innere Struk­tur des Akteurs betrachten, also eine innere Ansicht, und zum anderen kann der Akteur als Ganzes von außen betrachtet werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Interaktion innerhalb des Akteurs dessen Handlungen nach außen erzeugt.6

Ein komplexer Akteur kann durch die Beschreibung seiner Fähigkeiten, Wahrnehmun­gen und Präferenzen charakterisiert werden. Fähigkeiten meinen Handlungsressourcen, die der Akteur zur Verfügung hat. Das können neben Charaktermerkmalen wie Intelli­genz und körperlicher Stärke auch Geld, Militärmacht oder umfangreicher Informations­zugang sein. Für die Policy-Forschung ist aber besonders die institutionelle Stärke von Bedeutung. Damit ist beispielsweise die Kompetenzzuweisung durch ein Regelungssys­tem, der Umfang der Partizipationsmöglichkeiten, Vetorechte oder alleinige Entschei­dungsbefugnis gemeint. Die jeweilige Wahrnehmung ist ein erwachsenes Strukturie­rungssystem von Personen. Meist ist dies ein stabiles Konstrukt, welches nur durch Ler­nen oder Überzeugung veränderbar ist. Sie haben großen Einfluss auf die Interpretation von Situationen und somit, zusammen mit den Präferenzen des Akteurs, auch auf den Entscheidungsfindungsprozess. Zusammengefasst werden Wahrnehmung und Präferen­zen als Handlungsorientierungen bezeichnet.7

Als Minimalanforderung, um das akteurtheoretische Konzept anwenden zu können setzt Scharpf voraus, dass das gesetzte Ziel auf einen Output ausgerichtet ist, das heißt es muss etwas schaffen wollen und darf nicht ausschließlich aus Tauschhandlungen bestehen. Über diese Anforderung hinaus kann der Grad der Integration innerhalb eines Akteurs jedoch stark variieren. Es wird demnach weiter Differenziert.8 Die beiden zentralsten Akteurstypen sind der kollektive und der korporative Akteur. Diese werden in den fol­genden Kapiteln geschildert.

2.2.1 Der kollektive Akteur

Bei dieser Form wird anhand zweier Dimensionen Unterschieden. Zunächst wird be­trachtet wie die Handlungsressourcen (Möglichkeiten und Mittel um jeweilige Aktion auszuführen) innerhalb verteilt sind. Es ist zu prüfen ob diese in der Hand einzelner In­dividuen sind oder ob sie dem Akteur als Ganzes zur Verfügung stehen. Zweitens muss man die Festlegung der handlungsbestimmenden Präferenzen betrachten. Konkret muss untersucht werden, ob die Ziele von jedem Mitglied individuell formuliert werden oder ob dies auf der kollektiven Ebene geschieht. Auf Grund dieser Teilung lässt sich ein Gitternetz mit vier Untertypen spannen.9

[...]


1 Mayntz, Renate; Scharpf, Fritz (1995): Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frank­furt/Main; New York: Campus Verlag, 43-47.

2 Treib, Oliver (2015): Akteurzentrierter Institutionalismus, in: Wenzelburger, Georg; Zohlnhöfer Reimut (Hrsg.): Handbuch Policy-Forschung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 277-278

3 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 77

4 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 76

5 Ebd. S 95

6 Ebd. S 97

7 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 86

8 Ebd., 101

9 Ebd., 101-104

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Akteurcharakter der Europäischen Union bei den TTIP-Verhandlungen
Untertitel
Eine Analyse anhand des akteurzentrierten Institutionalismus
Hochschule
Universität Passau  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Politische Ökonommie der EU
Note
1
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V495337
ISBN (eBook)
9783346009241
ISBN (Buch)
9783346009258
Sprache
Deutsch
Schlagworte
akteurzentrierter Institutionalismus, EU, TTIP, Akteurcharakter
Arbeit zitieren
Vanessa Peter (Autor:in), 2016, Der Akteurcharakter der Europäischen Union bei den TTIP-Verhandlungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/495337

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