Gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Prokrastination und Prüfungsangst?


Hausarbeit, 2017

25 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

1 Prüfungsangst als gesellschaftlich akzeptiertes Phänomen

2 Prüfungsangst – was ist das?
2.1 Definition des Begriffs „Prüfungsangst“
2.2 Geschichtlicher Hintergrund in Bezug auf die Erforschung von Prüfungsangst
2.3 Merkmale von Prüfungsangst – Welche Symptome können auftreten?
2.4 Ursachen und Auswirkungen

3 Vorstellung des theoretischen Rahmens des Zusammenhangs von Prüfungsangst und Prokrastination
3.1 Kurze Erläuterung des Begriffs „Prokrastination“

4 Aktueller Forschungsstand

5 Hypothese
5.1 Vorstellungen des Fragebogens und der Kernvariablen Prokrastination und Prüfungsangst

6 Operationalisierung
6.1 Individuelle Betrachtung der Kernvariablen zur Überblicksgenerierung
6.2 Testen der Zusammenhänge der Kernvariablen
6.3 Hinzuziehen der biographischen Variablen Geschlecht und Alter sowie der studienbezogenen Variable Fachsemester

7 Eingehen auf den Zusammenhang von Alter und Prüfungsangst

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

10 Abbildungsverzeichnis

11 Anhang

1 Prüfungsangst als gesellschaftlich akzeptiertes Phänomen

„Jetzt zeige ich mal wie gut ich bin! – An Prüfungen wachsen statt Prüfungsangst haben“ (Studentenwerk Erlangen-Nürnberg 2017). So lautet der Titel eines Workshops des Studentenwerks Erlangen Nürnberg, der sich konkret mit Studierenden beschäftigt, die unter Prüfungsangst leiden. Innerhalb dieses Arbeitskreises wird auf verschiedene Gesichtspunkte eingegangen, die Ursache dieser Angst sein könnten. Die Teilnehmer sollen sich intensiv mit ihrer eigenen Lebensweise, ihren Motivationen, Studienfertigkeiten und psychischen Faktoren auseinander setzen, die zur Prüfungsangst beitragen könnten, um anschließend genau zu analysieren, wie sie ihre Situation verbessern können, um die Prüfungsangst zu überwinden (Studentenwerk Erlangen-Nürnberg 2017).

Angebote dieser Art sind heutzutage keine Seltenheit. Viele Universitäten und Hochschulen bieten Kurse oder Workshops an, die sich aktiv mit den Faktoren der Prüfungsangst auseinandersetzen. Das Servicecenter der Fakultät der Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld entwickelte beispielsweise einen Leitfaden, indem sämtliche W-Fragen in Bezug auf Prüfungsangst geklärt werden. Neben einer Definition darüber, was man unter Prüfungsangst überhaupt versteht, findet man dort Informationen zu Ursachen, Umgangsweisen und außerdem Webseiten mit weiterführenden Informationen. Am Ende des Leitfadens ist eine Checkliste angeführt, die betroffenen Personen helfen soll, in Zukunft besser mit ihrer eigenen Angst umzugehen und diese richtig einzuschätzen (Fakultät für Erziehungswissenschaft). Neben eben genannten Beispielen gibt es noch viele weitere Universitäten, die alle ähnliche Angebote anbieten.

In einem Beitrag im Sammelband „Interesse und Lernmotivation – Untersuchungen zu Entwicklung, Förderung und Wirkung“ (Schiefele 2000) behaupten die Autoren Andreas Helmke und Friedrich-Wilhelm Schrader, dass „Angst, speziell Leistungsangst […] häufig dazu führen [könnte], dass die Auseinandersetzung mit Problemen ganz oder gar zumindest so lange wie möglich vermieden wird“ (Helmke und Schrader 2000, S. 208). Sie stellen also eine Verbindung zwischen Prokrastination und Prüfungsangst her, indem sie vermuten, dass das Aufschieben von Lerntätigkeiten eine Folge der generellen Angst vor der Prüfung ausdrückt (Helmke und Schrader 2000).

Die folgende Arbeit soll prüfen, ob und inwiefern diese Vermutung zutrifft und zudem noch weitere Faktoren genauer beleuchten, um eventuell eine konkrete Aussage treffen zu können, ob das Phänomen der Prüfungsangst alle Studenten gleichermaßen betreffen kann, oder speziell auf gesonderte Gruppen von Studenten zutrifft.

2 Prüfungsangst – was ist das?

Prüfungsangst in ein Gefühl, genauer gesagt eine Form von Angst. Den Angstbegriff kann man unterteilen in verschiedene Arten, wie zum Beispiel die Angst vor Tierarten, bestimmten Plätzen, körperlicher Versehrtheit oder Ereignissen. Zu letzterem zählt auch die Examensangst, wobei das Besondere daran ist, dass diese vor allem in Leistungssituationen auftritt. Davon gibt es eine Reihe unterschiedlicher Fälle, die meist im schulischen, akademischen oder beruflichen Sektor angesiedelt sind. Außerhalb dieses Bereichs gibt es natürlich weitere Felder, in denen Prüfungsangst auftreten kann. Auch im Alltag begegnen wir Situationen, in denen wir gefordert werden, sei es nun innerhalb eine Vereins, einer Musikgruppe, oder der Fahrschulprüfung, um nur einige zu nennen (Weiß 1989). In dieser Arbeit geht es jedoch vor allem um Prüfungsangst im Zusammenhang mit Studierenden, weshalb oben Genanntes nicht näher erläutert wird.

2.1 Definition des Begriffs „Prüfungsangst“

In aktuellen Büchern gibt es eine Vielzahl von Definitionen zum Begriff der Prüfungsangst. So lautet eine Definition wie folgt:

„Test anxiety is a complex multidimensional construct involving cognitive, affective, psychological, and behavioral reactions to evaluative situations“ (Hong 1998, S. 51).

Weitere Definitionsversuche klingen ähnlich, sie unterstreichen lediglich manche Faktoren mehr als andere. So liegt der Fokus bei einigen vor allem auf der kritischen Selbstwahrnehmung, während andere eher äußere latente Größen betonen und sich nicht ausschließlich auf „erlernte Verhaltensweisen, Gefühle, physiologische Reaktionen und interpretierende Kognitionen“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 6) beschränken.

2.2 Geschichtlicher Hintergrund in Bezug auf die Erforschung von Prüfungsangst

Prüfungsangst ist keine neumodische Erfindung des 21. Jahrhunderts, sie wurde lediglich häufiger thematisiert und gewann somit an Relevanz innerhalb der Sozialwissenschaft. Bereits 1933 schrieb Dr. Johannes Neumann in seinem Buch darüber, was die Gründe von „Examensangst“ (Neumann 1933, S. 26) sind und wie man diese clustern könnte. So beschreibt er die unterschiedlichen Formen der Angst, die Typen der betroffenen Personen, Ursachen sowie Lösungswege aus der Angst heraus. Er erläutert: „[ v ] ersagen d e s Gedächtnis ist eine nicht minder stark vorkommende Form der kalten Angst. Man ‚will‘ ja, ja man ‚paukt‘ um so [sic!] mehr, jedoch ‚es geht nichts rein‘“ (Neumann 1933, S. 27). Damit will er ausdrücken, dass Examensangst nicht immer offen gezeigt wird, sondern sich durch Verhaltensweisen äußert, welche es dem Prüfling unmöglich machen, furchtlos durch die Prüfungssituation zu gelangen. Hierzu nennt er des Weiteren noch die „Flucht in die Krankheit“ (Neumann 1933, S. 26). Das soll heißen, dass es Menschen gibt, die sich einbilden, physisch krank zu sein um somit die Prüfung nicht antreten zu müssen. Jedoch ist ihnen nicht klar, dass die Angst vor der tatsächlichen Prüfungssituation Ursache für ihr körperliches Befinden ist. (Neumann 1933) Herr Dr. Neumann war wahrscheinlich der Vorreiter für alle Forschungsarbeiten und Bücher, die seither zum Thema Prüfungsangst verfasst worden sind. Da seine Monographie jedoch nie ins Englische übersetzt wurde, konnte diese auch nicht international bekannt werden. Erst in den 1950er Jahren gewann die Thematik an Relevanz, wodurch zu der Zeit auch die ersten methodisch schlüssigen Arbeiten veröffentlicht wurden, die sich hauptsächlich „aus persönlichkeits-, differentialpsychologischer oder sozialpsychologischer Perspektive“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 3) an das Thema wagten und somit ein Modell entstehen konnte, welches versucht, die Prüfungsangst zu erklären. Genannt wurde es das „Interferenzmodell“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 20). Die Grundaussage des Modells lautet, dass Betroffene, die unter Prüfungsangst leiden, den Lernstoff zwar beherrschen, in Prüfungssituationen jedoch einen sogenannten Blackout aufgrund ihrer Versagensängste erleiden, wodurch der Großteil des Wissens nicht mehr abrufbar ist. Diese Theorie findet in der empirischen Sozialforschung Zuspruch, zumal sämtliche Studien durchgeführt wurden, die die Theorie immer wieder bestätigen. (Fehm und Fydrich 2011)

In den 1960er Jahren wurden die Ängste dann genauer definiert. Man gliederte Ängste in „State- und Trait-Angst“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 3). Unter der sogenannten State-anxiety versteht man die tatsächliche Angst, beziehungsweise die Angstreaktion einer Person, die subjektive Gefühle und Besorgnisse verursacht und damit je nach Situation das Empfinden des jeweiligen Individuums beeinflusst. Im Gegensatz dazu beschreibt die Trait-Angst nicht situationsspezifische Auswirkungen, sondern die generelle Ängstlichkeit einer Person, welche durch externe Reize, auch Stressore genannt, hervortritt. Beides zusammen beeinflusst letztendlich das Verhalten der jeweiligen Person im Allgemeinen und natürlich situationsbedingt. (Cortina 1998) Des Weiteren unterschied man die beiden Begriffe „worry und emotionality“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 3) als zwei Bestandteile des Reaktionsschemata der Individuen. Entwickelt wurde diese Differenzierung von R. M. Liebert & L. E. Morris im Jahr 1967. Unter „worry“, versteht man alle besorgniserregenden Faktoren, sprich jegliche Gedanken in Bezug auf ein bevorstehendes Versagen in einer Prüfung und die Folgen dessen sowie sämtliche gesellschaftliche Vergleiche und das Messen mit Erfolgen nahestehender Personen, die ähnliche Prüfungen absolvieren müssen wie man selbst. Mit „emotionality“ sind dagegen äußere und körperlich spürbare Faktoren gemeint, die auf Ängste und Nervosität hinweisen. So zählen etwa schwitzige Hände oder zittrige Finger als Ausdruck von Aufgeregtheit und zählen somit zum Begriff der „emotionality“ (Cortina 1998).

In den 1970er Jahren wurde das Interferenzmodell erweitert und diesbezüglich vor allem Techniken zur Verbesserung der Prüfungsangst angewendet, welche die individuelle Aufmerksamkeit einer Person in Bezug auf die anstehende Prüfungssituation schulen sollte, damit der Prüfling nicht mehr Gefahr läuft einen Blackout zu bekommen (Fehm und Fydrich 2011).

Zu Beginn der 1980er Jahre gewann ein zweites Modell an Bedeutung. Das sogenannte „Defizitmodell“ (Fehm und Fydrich 2011, S. 21). Im Gegensatz zum Interferenzmodell unterstellt es den Prüflingen bereits in der Lernphase Defizite in Bezug auf deren Intellekt und Studieneignung. Das bedeutet, dass der Lernstoff entweder nicht richtig eingeprägt werden kann, oder betroffene Personen das Lernen an sich nicht gelernt haben und somit nicht den Wissenstand erreichen, der zum Bestehen einer Prüfung nötig ist. Die Angst resultiert folglich aus der Gewissheit zu viele Wissenslücken aufzuweisen, wodurch die Leistung des Betroffenen zusätzlich eingeschränkt wird. (Fehm und Fydrich 2011) Weiterführende Modelle, vor allem in Hinblick auf Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit sowie sämtliche Informationsverarbeitungstheorien folgten, wodurch das Spektrum der Thematik Prüfungsangst seither weiter ausgebaut werden konnte. Obwohl bis heute einige sinnvolle Ansätze und Theorien entwickelt wurden, gibt es bis heute kaum Forschungen innerhalb der Psychotherapie und der klinischen Psychologie, die dazu beitragen könnten, Menschen von ihrer Angst zu befreien. (Fehm und Fydrich 2011)

2.3 Merkmale von Prüfungsangst – Welche Symptome können auftreten?

Ängste entstehen im Kopf. Schon vor der Prüfung malt sich der Studierende aus, wie die Prüfungssituation ablaufen könnte und vor allem – welche Faktoren zu einem Misserfolg beitragen könnten. Da das Unterbewusstsein eines Menschen nicht zwischen Realität und Fantasie unterscheiden kann, stellt sich der Körper auf bevorstehende Stresssituation ein, was dazu führt, dass tatsächlich Stresshormone produziert werden. Dadurch verstärken sich bestimmte Körperfunktionen, es kommt zu einer steigenden Herzfrequenz, der Atem wird schneller und der Blutdruck steigt. Die Körperspannung verstärkt sich und die Leber produziert vermehrt Glucose, um Gehirn und Muskeln zusätzlich auf Hochleistung zu bringen. In anderen Körperregionen verlangsamen sich die Vorgänge, so beispielsweise im Magen-Darm-Trakt sowie die Harnfunktion. Grundsätzlich ist dieser Stress hilfreich, um in Situationen, die das Individuum für gefährlich hält, zu reagieren, beziehungsweise einen klaren Kopf zu bewahren. In Prüfungssituationen werden eben diese Symptome meist als negativ und somit leistungsmindernd aufgefasst beziehungsweise empfunden. (Weiß 1989) Oft droht der Person ein Zustand, in dem der Stress und die Angst anhalten und im Falle der Prüfungsangst Blackouts und unklares Denken die Folge sind. (Mortan und Mortan 2013)

2.4 Ursachen und Auswirkungen

Als Schlüsselsatz zu dieser Thematik passt ein Zitat der Autoren Dr. R. Merkle und Dr. D. Wolf:

„Viele Menschen denken, vor einer Prüfung müsse man einfach Angst haben. Sie sehen die bevorstehende Prüfung als Ursache ihrer Angst. […] Dem ist jedoch, Gott sei Dank, nicht so. […] Wenn es aber […] auch keine Frage der Veranlagung ist, was versetzt uns dann in Panik?“ (Wolf und Merkle 1989, S. 14)

Dr. Johannes Neumann stellte in den 1930er Jahren bereits einige Ursachen vor, die die Prüfungsangst begünstigen könnten. Damals kam er zum Ergebnis, dass das Elternhaus und dadurch die Erziehung maßgeblich zur psychischen Entwicklung und Stabilität des Kindes beiträgt, was letztendlich darüber entscheidet, ob betreffendes Kind eine Examensneurose ausbildet oder nicht. (Neumann 1933) Spätere Forschungen bezüglich dessen weisen ähnliche Ergebnisse auf. Das Elternhaus prägt die Charakterzüge der Kinder, die darin aufwachsen. Eltern, die ihre Erziehungsaufgabe hauptsächlich darin sehen, ihren Kindern mittels Verboten und Regeln den Unterschied zwischen Richtig und Falsch beizubringen tendieren häufig dazu, emotionalen Belangen ihrer Nachkommen nicht genügend Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, da sie vermehrt auf Regelverstöße und Misserfolge ihrer Kinder reagieren als positive Resonanz auszustrahlen, wenn diese etwas gut gemacht haben. Dadurch prägen sich die Kinder ein, „jede Leistungssituation als eine persönliche Bedrohung [wahrzunehmen], bei der sie befürchten, schlecht abzuschneiden und damit in der Gunst anderer (ursprünglich ihrer Eltern) zu sinken“ (Wolf und Merkle 1989, S. 19).

Außerdem sind Kinder leichter anfällig für Prüfungsangst, wenn deren Eltern ebenfalls ängstliche Persönlichkeiten sind. So schauen sich die Sprösslinge die Verhaltensweisen ihrer Erziehungsberechtigten ab und wachsen oft zu ebenso unsicheren Menschen heran, denen es nachher schwerfällt, dieses Verhaltensmuster abzulegen. (Wolf und Merkle 1989)

Neben den Erfahrungen durch die eigenen Eltern sind aber auch persönlich erlebte Prüfungssituationen relevant auf die Entwicklung. Falls man also selbst oft negative Erlebnisse vor oder während einer Prüfungssituation durchlebt hat, ist es wahrscheinlicher auch zukünftig eine mehr oder weniger ausgeprägte Angst vor ähnlichen Situationen zu entwickeln. (Wolf und Merkle 1989)

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Prokrastination und Prüfungsangst?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Soziologie (Department Sozialwissenschaften und Philosophie))
Veranstaltung
Sekundäranalyse
Note
3,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V495178
ISBN (eBook)
9783346040442
Sprache
Deutsch
Schlagworte
SPSS, Prokrastination, Prüfungsangst, Zusammenhang
Arbeit zitieren
Anna Butzbacher (Autor:in), 2017, Gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Prokrastination und Prüfungsangst?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/495178

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