Gerard van Honthorst. Der liederliche Student


Hausarbeit, 2014

17 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Bildbeschreibung

3. Caravaggismus

4. Ikonographie und Forschungsgeschichte
4.1. Verlorener Sohn
4.2. Motiv der Kupplerin
4.3. Laster-Ikonographie
4.4. Vanitas-Stillleben

5. Das Epigramm und die Illustration

6. Das Motiv des Wickelkindes und des faulen Studenten – Cornelius

7. Licht und Schatten als Gestaltungsmittel

8. Genremalerei und gattungshierarchische Theorien

9. Fazit

1. Einleitung

Gerard von Honthorst, auch „Gherardo delle Notti“ genannt, war einer von den sogenannten Utrechter Caravaggisten, also den Nachfolgern Caravaggios in Holland. Den Beinamen bekam er aufgrund seiner dramatisch und artifiziell beleuchteten Gemälde in Hell-Dunkel Malerei - Historienbilder aber auch holländische „Nachtstücke“.1 Eines von letzteren ist Der liederliche Student. In dieser Arbeit wird gezeigt, warum das Gemälde als Beispiel für eine moralisch-lehrreich dargestellte fröhliche Gesellschaft eines Wegbereiters des holländischen Caravaggismus angesehen werden kann. Hierbei wird vom Bild und seiner Beschreibung ausgegangen, des Weiteren werden kompositorische sowie ikonographische Inhalte berücksichtigt, analysiert und auf die Epoche bezogen. Erläuterungen zu den bildspezifischen Themen – wie dem Epigramm oder der Illustration – gehen tiefer in die Bildanalyse und erschließen das Gemälde auch anhand seines kulturhistorischen Hintergrundes. Die Einordnung in die Genremalerei schließt die Hausarbeit ab und gibt einen Ausblick in die gattungshierarchische Diskussion und einen Exkurs in die Gattungstheorie.

2. Bildbeschreibung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Gerard van Honthorst, Der liederliche Student, 1625, Ö l auf Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek München

Das Genre-Gemälde „Der liederliche Student“ oder auch “Student unter Huren“ von Gerrit van Honthorst entstand im Jahr 1625 und zeigt eine fröhlich feiernde, abendliche Gesellschaft um einen parallel zum Bild angeordneten Tisch sitzend, beim Essen, Trinken und Musizieren. Die Maße sind 130x 195 cm.

Die Signatur des Künstlers befindet sich auf der rechten Seite des aufgeschlagenen Buches.

Insgesamt sind im Bild – das heute in der Alten Pinakothek in München zu sehen ist - fünf Personen dargestellt, die in zwei Gruppen unterteilt werden können. Im Vordergrund, und rund um den Tisch herum angeordnet - sitzend bzw. stehend - sehen wir den Studenten und zwei junge Frauen. Sie alle sind bunt und pompös bekleidet und tragen gefiederte Barette, der Student hat ein am Gürtel befestigtes Schwert.

Er sitzt dem Betrachter abgewandt und blickt mit weit ausgestrecktem Arm in seinen Krug, um zu prüfen, ob sich noch ein Rest darin befindet. Dieses Motiv wird auch mit dem holländischen Wort „kannekijker“ bezeichnet.2

Der Tisch ist auf der linken Seite mit einigen Studienutensilien, wie z.B. einem Globus und einigen Büchern, ausgestattet. Hierbei fällt ein besonderes Augenmerk auf das durch die Kerze hell erleuchtete aufgeschlagene Buch, auf dessen linker Seite ein Epigramm, auf der rechten eine Illustration abgebildet ist. Auf dem Tisch finden sich zudem Teller mit Speisen, Spielkarten, Würfel sowie ein Stundenglas.

Die junge, Laute spielende Dame im Mittelpunkt trägt eine Bluse, deren rechter Ärmel dergestalt an ihrer Schulter herabfällt, dass ihre Brust nahezu entblößt ist. Sie ist hell erleuchtet von der einzigen Lichtquelle im Bild, einer Kerze, die mittig links auf dem Tisch aufgestellt ist. Interessant ist hierbei, dass die Kerzenspitze vom Krug des Studenten verdeckt wird, sie wird hierdurch zur indirekten Lichtquelle.

Links im Bild sieht man eine weitere junge Frau, die ihre linke Hand auf der Schulter des Studenten ruhen lässt, mit ihrer rechten zeigt sie in Richtung einer alten Frau mit Turban – die im linken oberen Bildteil zu erkennen ist- , eine Kupplerin, die ein in Tücher gewickeltes Neugeborenes im Arm trägt und scheinbar auf die fröhliche Gesellschaft zuschreitet.

Im Folgenden wird erläutert, warum Der liederliche Student als Beispiel für eine moralisch- lehrreich dargestellte fröhliche Gesellschaft eines Wegbereiters des holländischen Caravaggismus angesehen werden kann.

3. Caravaggismus

Viele holländische Künstler des 17.Jahrhunderts verbrachten einige Jahre ihrer Lebens- und Schaffenszeit in Italien, um sich dort weiterzubilden bzw. die dortigen Meister zu studieren. Genauso wie viele andere tat dies auch van Honthorst, er brach zwischen 1610 und 1615 nach Italien auf, 1620 kehrte er nach Holland zurück.3 Während seines Aufenthalts in Italien nahm sich von Honthorst ein Beispiel an Caravaggio und benutzte fortan in vielen seiner Bilder die für Caravaggio so charakteristische Lichtführung, das Spiel mit Kontrasten und Hell und Dunkel. Die holländischen Nacheiferer Caravaggios – darunter auch Honthorst – bedienten sich auch bezüglich der Darstellungsweise des Bildpersonals beim alten Meister. Die Personen werden meist als Halbfiguren dargestellt, was einen Effekt der Nähe erzeugt. Des Weiteren sind die Menschen reliefartig ins Bild gesetzt, eng zusammen gedrängt und teilweise auch ungeordnet abgebildet. Der Hintergrund ist dunkel und neutral gehalten.4 Die Verwendung einer Kerze als Lichtquelle, wie man sie im Liederlichen Student aber auch in anderen Gemälden van Honthorst‘ findet, stellt einen Unterscheid zu Caravaggios oft undefinierbarer Lichtquelle dar. Dieses Phänomen lässt sich dadurch erklären, dass van Honthorst durch die holländische Tradition des Nachtstücks geprägt war.5 Oft jedoch erscheint die Lichtquelle im Werk Honthorst‘ verdeckt. Im „Liederlichen Student“ wird die Kerzenspitze von dem Repoussoir-Motiv6, also dem Krug, verdeckt und gewinnt somit den Charakter einer indirekten Lichtquelle. Die häufig verwendete Kerzenbeleuchtung wurde zum Markenzeichen des Künstlers.7 Aber auch die häufige Darstellung von Gesellschaften, die sich mit Essen, Trinken und Musizieren vergnügen – also die Verwendung von Charakteristika des holländischen Nachtstücks – brachten Honthorst zu seinem Spitznamen: „Gherardo della Notte“.8

Abb. 2 Gerard van Honthorst, Der liederliche Student, 1625, Ö l auf Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek München | Detail: Verdeckte Lichtquelle bzw. Repoussoir-Motiv

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Ikonographie und Forschungsgeschichte

4.1. Verlorener Sohn

In der frühen Forschung wird angenommen, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um eine Darstellung des „verlorenen Sohnes“ - also das ins Bilde Bringen einer Bibelstelle - handelt. Diese Ikonographie taucht im 16. und 17. Jahrhundert nicht selten auf. Der Trend der Forschung geht deswegen sehr lange in die Richtung dieser Interpretation.9 Judson versucht als erster, das Epigramm zu entziffern und zu entschlüsseln, um es für eine Interpretation zu nutzen:

„However, the inscription on the painting, the image on the book and the details all suggest that the picture is a complicated allegory concerned with scholarship, love and vanitas.” 10

Hier findet sich also schon ein erster Ansatz, das Bild aufgrund seiner Alleinstellungsmerkmale in einem anderen Licht zu sehen. Doch erst später findet Dekiert den Schlüssel der Interpretation und legt dar, weswegen es sich bei dem Gemälde nicht um einen Verlorenen Sohn handeln kann.11 Bevor genauer auf die heutige Deutung des Liederlichen Studenten eingegangen wird, folgt eine Klärung der allgemeinen Ikonographie und deren Ausprägung im vorliegenden Werk.

4.2. Motiv der Kupplerin

Auch das Motiv der Kupplerin taucht im 17. Jahrhundert sehr häufig auf. Sie findet ihren Platz in Bordellszenen und wirkt als Vermittlerin der käuflichen Liebe.12

Sie steht auch meist im Kontrast zu den jungen Damen des Bordells.13 Doch besitzt die alte Kupplerin in dem vorliegenden Werk eine erweiterte Funktion: Zusätzlich zu den oben genannten Eigenschaften und Deutungen trägt sie ein Kind im Arm. Die Erklärung für diesen Sachverhalt erfolgt im Abschnitt über das Motiv des Wickelkindes.

Abb. 3 Gerard van Honthorst, Der liederliche Student, 1625, Ö l auf Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek München | Detail: Kupplerin mit Kind im Arm

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.3. Laster-Ikonographie

Die „Lasterikonographie“ geht auf das 16. Jahrhundert zurück und gibt eine moralisierende Lesart vor.14 Die Nacht wird als Zeit der Ausschweifung und Verschwendung charakterisiert und Gemälde, die dieser Ikonographie entsprechen werden mit reichlich Lasterpersonal – also z.B. Prostituierten, Freiern und Kupplerinnen – ausgestattet. Auch die Kerze kann als Hinweis auf Prostitution gesehen werden, sie ist das Attribut der Kurtisane und hat außerdem eine phallische Bedeutung. Durch die Wahl der Kerze als Beleuchtung wird also bewusst auf den erotischen Gehalt der Szene hingewiesen.15

Auch andere Elemente – zum Beispiel die Laute – stehen im Bild für Lasterhaftigkeit. Sie wurde traditionell mit der Liebe in Verbindung gebracht und entwickelte sich zum bevorzugten Instrument für Bordellszenen, da sie als Mittel zur Verführung gesehen werden kann.16 Auch verwendet Honthorst das Motiv des kannekijkers, das „schon im 16.Jahrhundert die Gula personifizierte.“17 Der Student blickt in den Krug, um zu sehen, ob sich noch ein Rest darin befindet.18 Darüber hinaus führt der Student ein Schwert mit sich. Auch dieses Motiv verweist auf ein Laster, das aus der Trunksucht heraus entstehen kann: Den Zorn.19

4.4. Vanitas-Stillleben

Das am linken Bildrand auf dem Tisch befindliche Inventar weist eindeutig auf eine Vanitas-Ikonographie hin. Am eindeutigsten ist hier das Stundenglas: es steht für die Vergänglichkeit der Zeit.20 Des Weiteren deuten die Spielkarten und Würfel auf das Glückspiel hin und symboli­­­­­­­­sieren Schicksal und Risikobereitschaft.21 Bergström unterteilt die Objekte der Vanitas-Ikonographie in Gruppen, die erste Gruppe umfasst die Symbole der weltlichen Existenz, wie zum Beispiel Bücher, wissenschaftliche Instrumente und dergleichen. Diese Elemente findet man im Gemälde „Der liederliche Student“ im linken Teil. Aber auch die Spielkarten und Musik Instrumente – beides auch im Gemälde vorhanden – gehören dieser Gruppe an. Auch die zweite von Bergström definierte Gruppe ist im Bild anzufinden: Sie repräsentiert die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und tritt durch das Stundenglas in Erscheinung. 22

Abb. 4 Gerard van Honthorst, Der liederliche Student, 1625, Ö l auf Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek München | Detail: Stundenglas, Spielkarten, Würfel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Das Epigramm und die Illustration

Dadurch, dass das Epigramm dem Betrachter bewusst dargeboten wird, kann man davon ausgehen, dass es für das Verständnis des Dargestellten von zentraler Bedeutung ist. Verfasst wurde es vom Dichter Caspar von Baerle, dessen Name in latinisierter Form in Bild gesetzt wurde. Die Forschung ging lange von einem nicht veröffentlichten Gedicht aus, heute ist jedoch bekannt, dass das im Bild gezeigte Epigramm in dem 1628 erschienenen „Poemata“ von Caspar van Baerle publiziert wurde.23

[...]


1 SLATKES 1996.

2 DEKIERT 2000, S. 147.

3 BLANKERT 1986, S.30­­­­.

4 BLANKERT 1986, S. 22ff.

5 NEUMEISTER 2003, S. 163 f.

6 Gegenstand im Vordergrund eines Bildes zur Steigerung der Tiefenwirkung, vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Repoussoir

7 BLANKERT 1986, S.288f.

8 Ebd.­­­

9 JUDSON 1999 , S.221.

10 Ebd.

11 DEKIERT 2000. S.147ff.

12 POESCHEL 2007, S. 399.

13 NEUMEISTER 2003, S.171.

14 Ebd., S. 163.

15 Ebd., S.169ff.

16 BLANKERT 1986, S.168.

17 Ebd.

18 DEKIERT 2000 , S.148.

19 NEUMEISTER 2003, S. 175.

20 MAURICE 1972, S. 219.

21 POESCHEL 2007, S. 394.

22 BERGSTRÖM 1983, S. 154.

23 DEKIERT 2000, S.150.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Gerard van Honthorst. Der liederliche Student
Hochschule
Universität Augsburg  (Lehrstuhl für Kunstgeschichte /Bildwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar Genremalerei
Note
1,3
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V494149
ISBN (eBook)
9783668998483
ISBN (Buch)
9783668998490
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Honthorst, van Honthorst, Gerard van Honthorst, Der liederliche Student, Genremalerei, Kunstgeschichte, Kupplerin, Vanitas, Verlorener Sohn, Caravaggismus, Caravaggisten, Gattungstheorie
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Gerard van Honthorst. Der liederliche Student, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/494149

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