Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten


Masterarbeit, 2019

154 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abstract Deutsch

Abstract English

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
1.2 Forschungsziel
1.3 Kontext des Forschungsfelds

2 Forschungsdesign
2.1 Begriffsdefinitionen
2.2 Forschungsschritt 1: Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte
2.3 Forschungsschritt 2: Potenzielle Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
2.4 Forschungsschritt 3: Thesen als Basis für eine repräsentative Studie
2.5 Forschungsschritt 4: Umsetzbarkeit und Verständlichkeit der Thesen

3 Ergebnisse im Überblick
3.1 Beantwortung der Forschungsfragen – ein erster Auszug
3.2 Limitationen

4 Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte
4.1 Faszination Hausärztin und Hausarzt
4.2 Datengenerierung
4.3 Analyse des Datensamples
4.4 Negative Einflussfaktoren
4.4.1 Unternehmensführung
4.4.2 Honorierung
4.4.3 Arbeitsbelastung
4.4.4 Tätigkeitsfeld

5 Potenzielle Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
5.1 Möglichkeiten im Bereich der Unternehmensführung
5.2 Möglichkeiten im Bereich der Honorierung
5.3 Möglichkeiten im Bereich der Arbeitsbelastung
5.4 Möglichkeiten im Bereich des Tätigkeitsfeldes
5.5 Kategorisierung der ausgearbeiteten Maßnahmen
5.5.1 Maßnahmen ohne Umsetzung
5.5.2 Maßnahmen in laufender Umsetzung
5.5.3 Potenzielle Maßnahmen für eine zukünftige Umsetzung
5.5.3.1 Keine Behandlung im Rahmen einer vorgelagerten Befragung
5.5.3.2 Erhebungen im Rahmen einer vorgelagerten Befragung

6 Thesen als Basis für eine repräsentative Studie
6.1 Erstellung des Interviewleitfadens
6.1.1 Informationsbedarf
6.1.2 Fragengenerierung
6.2 Durchführung der Interviews mit Hausärztinnen und Hausärzten
6.3 Ergebnisse der Interviews
6.3.1 Auswertung der Fragen 1 bis
6.3.1.1 Die Arbeitsbedingungen aus Sicht der befragten Hausärztinnen und Hausärzte (Frage 1)
6.3.1.2 Zusammenhang zwischen Leistungs- beziehungsweise Honorarkatalog und Arbeitsbedingungen (Frage 2)
6.3.1.3 Voraussetzungen für die Einführung eines Gatekeeper-Systems (Frage 3)
6.3.2 Auswertung der Fragen 4 bis
6.3.2.1 Einführung eines adaptierten Key-Account-Managements der Sozialversicherung (Frage 4)
6.3.2.2 Ablöse des chefärztlichen Bewilligungssystems durch Budgetvorgaben (Frage 5)
6.3.2.3 Etablierung einer Pay-for-performance-Honorierung (Frage 6)
6.3.2.4 Abrechenbarkeit zusätzlicher Leistungen (Frage 7)
6.3.2.5 Honorierung von Zusatzausbildungen (Frage 8)
6.3.2.6 Feedback der Sozialversicherung an Hausärztinnen/Hausärzte (Frage 9)
6.3.3 Allgemeine Erkenntnisse aus den Interviews
6.4 Beantwortung der Forschungsfragen
6.4.1 Umsetzung durch Sozialversicherung
6.4.2 Umsetzung durch Sozialversicherung in Abstimmung mit der Ärztekammer
6.4.3 Umsetzung unter Einbindung sonstiger Stakeholder

7 Das österreichische Gesundheitssystem
7.1 Die österreichische Sozialversicherung
7.1.1 Sozialversicherungsorganisationsreform
7.1.2 Aufgaben der sozialen Krankenversicherung
7.2 Ambulante Versorgung
7.2.1 Zusammenarbeit Sozialversicherung mit Hausärztin/Hausarzt
7.2.2 Die Rolle der Hausärztin/des Hausarztes
7.3 Gesundheitsreform
7.4 Österreich im internationalen Vergleich

8 Conclusio
8.1 Finanzielle Bewertung der Thesen
8.2 Methodendiskussion
8.3 Ausblick
8.3.1 Empfehlungen für die Wissenschaft (offener Forschungsbedarf)
8.3.2 Empfehlungen für die Sozialversicherung
8.3.3 Empfehlungen für die Ärztekammer

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang 1 Literatursuchtagebuch für Forschungsschritt

Anhang 2 Datensample - Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte

Anhang 3 Fragengenerierung

Anhang 4 Interviewleitfaden

Anhang 5 Interviewauswertung - Kategorien

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ergebnis der strukturierten Datengenerierung

Abbildung 2: Analyseprozess Fragen 1 bis 3

Abbildung 3: Struktur der österreichischen Sozialversicherung ab 01.10.2020

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anzahl Thesen nach Forschungsfrage und Quelle

Tabelle 2: Klassifizierung negativer Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten

Tabelle 3: Potenzielle Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Tabelle 4: Maßnahmen ohne Umsetzung

Tabelle 5: Maßnahmen in laufender Umsetzung

Tabelle 6: Potenzielle Maßnahmen - keine Behandlung im Rahmen einer vorgelagerten Befragung notwendig

Tabelle 7: Potenzielle Maßnahmen - Erhebungen im Rahmen einer vorgelagerten Befragung

Tabelle 8: Thesen - Umsetzung durch SV

Tabelle 9: Thesen - Umsetzung durch SV in Abstimmung mit der ÄK

Tabelle 10: Thesen - Umsetzung unter Einbindung sonstiger Stakeholder

Tabelle 11: Literatursuchtagebuch für Forschungsschritt

Tabelle 12: Datensample - Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte

Tabelle 13: Fragegenerierung - Matrix zu den Faustregeln der Fragenerstellung

Tabelle 14: Kategoriensystem für Auswertung nach Mayring

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Im Rahmen dieser Arbeit werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten behandelt. Diese wurden nach wissenschaftlichen Kriterien auf dem Level von Hypothesen verfasst, die zur Verifizierung/Falsifizierung eine weiterführende Studie bedürfen. Das heißt, die in dieser Arbeit verfassten Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen erheben ohne prüfende Studie keinen Anspruch auf Repräsentativität unter den österreichischen Hausärztinnen und Hausärzten.

Die Finanzierung der Arbeit erfolgte durch den Studienautor selbst, es wurden während der Erstellung der Arbeit keinerlei finanziellen Mittel von Dritten zur Verfügung gestellt. Ebenso handelt es sich um keine Auftragsarbeit, sondern um eine freie Themenwahl durch den Studienautor. Ein grundsätzlicher Interessenskonflikt kann darin gesehen werden, dass der Studienautor bei einem österreichischen Sozialversicherungsträger beschäftigt ist. Der Studienautor bestätigt allerdings, dass diese Arbeit völlig unabhängig von der beruflichen Tätigkeit angefertigt wurde. Weder wurden interne Informationen aus der beruflichen Tätigkeit für diese Arbeit verwendet, noch nahm der Arbeitgeber in irgendeiner Form Einfluss an der Arbeit. Ebenso werden dem Arbeitgeber keinerlei Informationen aus den Interviews mit Hausärztinnen und Hausärzten bereitgestellt, die über die Inhalte dieser Arbeit hinausgehen.

Abstract Deutsch

Die Stärkung der Primärversorgung steht auf der Agenda zahlreicher nationaler sowie auch internationaler Stakeholder der öffentlichen Gesundheitspolitik. Die Umsetzung des Vorhabens wird allerdings von einem zunehmenden Attraktivitätsverlust an der hausärztlichen Tätigkeit begleitet. Dieser lässt sich insbesondere mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzten, den Schlüsselfiguren in der Primärversorgung, erklären. Ziel dieser Arbeit war es daher, Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten aufzuzeigen, die es im Rahmen einer weiterführenden Studie auf Repräsentativität zu prüfen gilt. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf die Beziehung Hausärztin/Hausarzt und Sozialversicherung gelegt. Die Arbeit baut einerseits auf einer umfassenden Literaturerhebung sowie andererseits auf persönlichen Interviews mit niederösterreichischen Hausärztinnen und Hausärzten auf. Als Ergebnis der Arbeit liegen 64 formulierte Thesen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor, wobei eine Umsetzung auf unterschiedlichen Ebenen zu erfolgen hat und nicht bloß durch die Sozialversicherung bewerkstelligt werden kann. Die Thesen zeigen eine große Spannweite in ihrer inhaltlichen Ausprägung und verdeutlichen die vielfältigen sowie unterschiedlichen Bedürfnisse der Hausärztinnen und Hausärzte im Hinblick auf die individuellen Arbeitsbedingungen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit weiterführender Forschung sowie einer Förderung der Flexibilität in der institutionellen Zusammenarbeit mit Hausärztinnen und Hausärzten. Im Sinne des intendierten Ausbaus der Primärversorgung ergibt sich somit ein Auftrag an die betroffenen Stakeholder, vor allem Sozialversicherung und Ärztekammer, zur Forcierung weiterführender Forschung sowie darauf aufbauend einer Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten.

Key Words: Hausärztin, Hausarzt, Allgemeinmedizin, Primärversorgung, Arbeitsbedingungen, Sozialversicherung, Niederösterreich.

Abstract English

The strengthening of primary health care is located on the agenda of many national and international stakeholders of the public healthcare policy. However, this intention is accompanied with a loss of attractivity in the general medicine work. In particular, the current working conditions of general practitioners, who are the core of primary care, are causing the growing unattractiveness. For this reason, the aim of this pre-study is to point up possibilities for an improvement of the working conditions of general practitioners. An emphasis was put on the relationship between general practitioner and social insurance. In a next step, it is necessary to prove the possibilities on representativity as part of a further research study. On the one hand, this pre-study is based on an extensive literature review. On the other hand, seven personal interviews with general practitioners located in Lower Austria are conducted. As a result, this study includes 64 verbalized theses for improving the working conditions, whereby the implementation must happen on different levels and not only by the social insurance organisations. The theses show a large range in their content and emphasize the varied and different needs of general practitioners regarding their individual working conditions. Consequently, there exists a reinforced necessity for further research and for promoting the flexibility in the institutional cooperation with general practitioners. Regarding to the intended promotion of primary health care, affected stakeholders, especially the social insurance organisations and the Austrian Medical Chamber, are confronted with tasks to promote further research and following to implement measures to improve the working conditions of general practitioners.

Key Words: GP, general practitioner, general medicine, primary health care, working conditions, social insurance, Lower Austria.

1 Einleitung

Primärversorgung, beispielsweise durch Hausärztinnen und Hausärzte, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem. Insbesondere die Zunahme von chronischen Erkrankungen sowie Multimorbidität erfordern international eine Stärkung der Primärversorgung (Neumann, 2013, S. 10-11). In Österreich steht Primärversorgung in den letzten Jahren vermehrt im Fokus der Gesundheitspolitik. Unter anderem durch die Etablierung von Primärversorgungseinheiten soll der niedergelassene Sektor gestärkt werden. Dem entgegen steht ein vermeintliches Attraktivitätsproblem der Allgemeinmedizin unter Medizinerinnen und Medizinern. Die Ursachen dafür sind oftmals in zu negativ empfundenen Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzten zu finden (Kapitel 1.1). Zum derzeitigen Zeitpunkt liegen bereits mehrere österreichische Publikationen vor, die sich mit Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten befassen (Kapitel 4). Teilweise zeigen diese auch bereits Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf (Kapitel 5). Trotz dieser Werke fehlt bis dato noch eine, von den Gesamtvertragsparteien Ärztekammer (ÄK) und Sozialversicherung (SV) unabhängig durchgeführte, Studie, die eine repräsentative Bewertung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzte vornimmt. Mit dieser Arbeit wurde eine Vorstudie für eine mögliche anschließende Studie mit repräsentativem Charakter durchgeführt. Die Vorstudie baut dabei einerseits auf vorhandenen Publikationen auf und wurde andererseits durch Leitfadeninterviews mit niederösterreichischen Hausärztinnen und Hausärzten ergänzt.

Diese Arbeit wurde inhaltlich auf Basis der Anforderungen gemäß Leitfaden für Masterarbeiten und Masterprüfungen (IMC Fachhochschule Krems [IMC], 2018b) erstellt. Die formale Gestaltung erfolgte gemäß Leitfaden für die Gestaltung schriftlicher/wissenschaftlicher Arbeiten (IMC, 2018a). Die Gliederung der Arbeit nimmt auf die Ausführungen von Berger-Grabner (2013, S. 73-81) Bezug. Die Arbeit besteht dabei grundsätzlich aus den drei vorgesehenen Kernelementen Einleitung, Hauptteil und Schlussteil. Um der Leserin/dem Leser allerdings eine schlüssige, stringente sowie auch kritische Durchsicht der Arbeit zu ermöglichen, wurden die drei Kernelemente in ihrer Chronologie geringfügig adaptiert: Zu Beginn (Kapitel 1) werden die Ausgangslage und Problemstellung, das Forschungsziel sowie der Kontext, in dem das Forschungsziel eingebettet ist, vorgestellt. In Folge (Kapitel 2) wird der umgesetzte Forschungsablauf dargelegt sowie eine Einführung in für die Arbeit bedeutende Begrifflichkeiten geboten. Ein erster Einblick in die Forschungsergebnisse inklusive Limitationen (Ergebnisdiskussion) wurde chronologisch vorgereiht (Kapitel 3), damit die darin gezogenen Erkenntnisse im Zuge der weiteren Ausführungen zu den Forschungen (Kapitel 4 bis 6) von der Leserin/dem Leser plausibler sowie kritischer beleuchtet werden können. Theoretische Ausführungen zum österreichischen Gesundheitssystem wurden hingegen zurückgereiht (Kapitel 7), da diese voraussichtlich von vielen Leserinnen und Lesern lediglich als ergänzende Informationen benötigt werden. Zum Ende hin (Kapitel 8) werden eine kompakte Conclusio inklusive Methodendiskussion gezogen sowie Empfehlungen für die weitere Verwendung der Forschungserkenntnisse dargelegt.

1.1 Ausgangslage und Problemstellung

Im Jahr 2014 haben Bund, Länder und SV im Rahmen der Bundes-Zielsteuerungskommission (B-ZK) ein Konzept zur multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgung in Österreich („Das Team rund um den Hausarzt“) beschlossen. Gemäß internationalem Vorbild sieht das Konzept eine Stärkung der Primärversorgung in Österreich vor. Dabei geht es unter anderem um eine klare Abgrenzung zur zweiten beziehungsweise dritten Versorgungsebene (niedergelassene Fachärztinnen/Fachärzte sowie Spitalsambulanzen beziehungsweise akutstationäre Versorgung in Krankenanstalten), aber auch um eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit an sich. Explizit wird festgehalten, dass die Förderung der Primärversorgung auf bisherigen Strukturen, insbesondere der/dem wohnortnahen Hausärztin/Hausarzt, aufbaut und keine vollständige Systemrevolution darstellen soll (Bundesministerium für Gesundheit [BMG], 2014b, S. 1-7 \l 3079).

In den Jahren nach 2014 hat die Stärkung der Primärversorgung nicht an Aktualität verloren: Auch im aktuellen Zielsteuerungsvertrag auf Bundesebene (Gültigkeit von 2017 bis 2021), abgeschlossen wiederum zwischen Bund, Ländern und SV, nimmt die Primärversorgung eine wesentliche Rolle ein. Konkret lautet das erste definierte strategische Ziel im Zielsteuerungsvertrag „S1: Stärkung der ambulanten Versorgung bei gleichzeitiger Entlastung des akutstationären Bereichs und Optimierung des Ressourceneinsatzes“ (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz [BMASGK], 2018b, S. 10 \l 3079). Ein daraus abgeleitetes operatives Ziel umfasst den Auf- und Ausbau von Primärversorgungsmodellen. Neben den sogenannten Primärversorgungseinheiten, ausgestaltet in einem Zentrum oder einem Netzwerk, zählen auch Einzelpraxen, Gruppenpraxen sowie selbstständige Ambulatorien zur ambulanten Versorgung im extramuralen Bereich (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen [BMGF], 2017, S. 58-61). Zusätzlich zu den bisher bereits beschriebenen Intentionen wird Österreich im internationalen Vergleich Optimierungsbedarf im Bereich der Primärversorgung bescheinigt (London School of Economics and Political Science [LSE], 2017, S. 27 \l 3079).

Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) (BMGF, 2017, S. 36) wird auf ärztlicher Seite bei Primärversorgung insbesondere das Fachgebiet Allgemeinmedizin hervorgehoben. Im Jahr 2014 verfügten insgesamt 4.003 Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner über einen §2-Kassenvertrag. Davon war der Großteil in Einzelpraxen tätig und ein kleinerer Teil in insgesamt 177 allgemeinmedizinischen Gruppenpraxen (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger [HVB], 2019). Aus dem Vergleich zu den angestrebten 75 neuen Primärversorgungseinheiten im Jahr 2021 (BMASGK, 2018b, S. 10) lässt sich ableiten, dass auch in den nächsten Jahren noch ein Großteil der Primärversorgung in Einzel- und Gruppenpraxis passieren wird müssen.

Der Stärkung der Primärversorgung steht ein zunehmender Mangel an Interessentinnen und Interessenten an der allgemeinmedizinischen Tätigkeit im Hausärztin-/Hausarzt-Setting gegenüber. Dieser Trend ist nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern festzustellen. Neben Verteilungsproblemen liegt diesem Mangel auch ein Attraktivitätsproblem zu Grunde (Poggenburg, Avian, Siebenhofer-Kroitzsch, Berghold, & Jeitler, 2017, S. 7). Diese Erkenntnisse werden auch in einer aktuelleren Studie aus Wien skizziert, wobei hierbei zusätzlich auch das Fachgebiet Kinder- und Jugendheilkunde beleuchtet wurde (Böhler, Schulmann, & Leichsenring, 2018). Die mangelnde Anzahl an Interessenten für allgemeinmedizinische Kassenstellen könnte in Zukunft dahingehend brisant werden, dass innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre mehr als die Hälfe der rund 4.000 Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit §2-Kassenvertrag das Pensionsantrittsalter erreicht, weshalb bei Beibehaltung der aktuellen Versorgungsdichte zeitnahe ein hoher Nachbesetzungsbedarf vorliegt (HVB, 2017, S. 40). Stigler et al. (2017, S. 13-14) gehen aufgrund der bevorstehenden Pensionierungswelle von einem jährlichen Nachbesetzungsbedarf von 198 Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern aus. Sinabell (2016, S. 41-44) beziffert den jährlichen Bedarf noch ein wenig höher: 220,6 neue Kassenärztinnen und Kassenärzte jährlich im Fachgebiet Allgemeinmedizin. Beide Annahmen beziehen sich jeweils auf den jährlichen Durchschnittsbedarf in den nächsten zehn Jahren. Zusätzlich zu den bevorstehenden Pensionierungen wird mit einem steigenden Bedarf an medizinischen Fachkräften gerechnet. Im Bereich der Allgemeinmedizin, ohne Unterscheidung in intra- und extramuralen Bereich sowie Kassen- und Wahlbereich, wird mit einem Anstieg von 22 Prozent bis ins Jahr 2030 kalkuliert (Ausgangsjahr 2010). Bei dieser Bedarfsrechnung handelt es sich allerdings um Schätzungen, die etwaige künftige Änderungen in Versorgungsstrukturen im angewandten Rechenverfahren nicht beinhalten (können) (Gesundheit Österreich GmbH [GÖG], 2012). Als eine potenzielle Ursache für das mangelnde Interesse wird, sowohl von den beiden zu Beginn dieses Absatzes zitierten Studien, als auch von einem Vertreter der ÄK (Sinabell, 2016) sowie der SV (Kiesl, 2015), und überdies auch im Konzept „Das Team rund um den Hausarzt“ (BMG, 2014b, S. 5), die geringe Attraktivität im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen bezeichnet. Diese ist unter anderem auch mit überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten in Österreich tätiger Ärztinnen und Ärzte bedingt (Scharer & Freitag, 2015, S. 325). Die Arbeitszeit in der Primärversorgung setzt sich aus vielen unterschiedlichen Komponenten und Tätigkeiten zusammen, weshalb die Thematik einer selektiven Betrachtung im Rahmen der Versorgungsplanung bedarf (CITATION Got05 \l 3079).

Die dieser Arbeit zu Grunde liegende Problemstellung lässt sich abschließend wie folgt zusammenfassen: Die Stärkung der Primärversorgung (der Hausärztin/des Hausarztes) wurde von Bund, Ländern und SV als gemeinsames Ziel festgeschrieben, um das österreichische Gesundheitssystem positiv weiterzuentwickeln. Diesem Ziel steht derzeit ein – vermeintlich attraktivitätsbedingter – Mangel an interessierten Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern, die bereit sind, im Umfeld der ambulanten Versorgung tätig zu werden, gegenüber. Es bedarf daher Initiativen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzte führen und somit den Beruf „Hausärztin/Hausarzt“ – auch für derzeit nicht in diesem Bereich tätige Medizinerinnen und Mediziner – attraktiver gestalten.

1.2 Forschungsziel

Das übergeordnete Ziel dieser Forschungsarbeit ist, Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten aufzuzeigen, um das Tätigkeitsfeld attraktiver zu gestalten. Um eine möglichst realitätsnahe Beurteilung dieser Möglichkeiten vornehmen zu können, wird der Blickwinkel der Ärzteschaft eingenommen, indem direkt betroffene Ärztinnen und Ärzte zu diesen Möglichkeiten hinsichtlich tatsächlicher Beeinflussung der Attraktivität befragt werden. Die Entwicklung der Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen hat auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft aufzubauen und alternative (internationale) Systemmodelle als Chance zur Optimierung miteinzubeziehen.

Um einen Beitrag zur Erreichung des übergeordneten Forschungsziels zu erzielen, wurden für diese Arbeit, die eine Vorstudie für eine repräsentative Befragung von Hausärztinnen und Hausärzten darstellt, drei Forschungsfragen formuliert. Bezugnehmend auf den definierten Umfang der Forschungsfragen wird auf erläuternde Ausführungen unter Punkt 1.3 verwiesen.

1. Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für bereits praktizierende Hausärztinnen/Hausärzte, die von der Sozialversicherung selbstständig umgesetzt werden können, sollten im Rahmen einer repräsentativen Studie auf ihre Wirkung geprüft werden?
2. Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für bereits praktizierende Hausärztinnen/Hausärzte, die von der Sozialversicherung in Abstimmung mit der Ärztekammer umgesetzt werden können, sollten im Rahmen einer repräsentativen Studie auf ihre Wirkung geprüft werden?
3. Welche von Punkt 1 und 2 nicht umfassten Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für bereits praktizierende Hausärztinnen/Hausärzte, die von der Sozialversicherung allerdings nicht selbstständig umgesetzt werden können, sollten im Rahmen einer repräsentativen Studie auf ihre Wirkung geprüft werden?

Die entwickelten Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzte sind unter dem aktuellen Aspekt der bevorstehenden Strukturreform der Sozialversicherungsträger (SVT) zu behandeln (siehe dazu Ausführungen im Kapitel 7.1.1). Diese zielt primär auf eine Reduzierung der SVT sowie auf Effizienzsteigerungen und eine Harmonisierung des Leistungsangebots ab. Aufgrund der nicht vollständig abschätzbaren Folgen der Sozialversicherungsstrukturreform wird für diese Arbeit angenommen, dass die entwickelten Maßnahmen zu keinen überdurchschnittlichen Ausgabensteigerungen führen dürfen. Ebenso ist es kein Ziel dieser Arbeit, die SV in ihrer Funktion, die auch durch die Strukturreform hervorgehoben wird, zu benachteiligen. Bei etwaig von der SV gesetzten Maßnahmen (Forschungsfrage 1) wird in dieser Arbeit von einer allfällig notwendigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde ausgegangen. Forschungsfrage 3 umfasst einen äußert breiten Kontext, beispielsweise auch bauliche Maßnahmen betreffend Ordination oder Fragen der medizinischen Ausbildung, weshalb diese dahingehend einschränkend zu verstehen ist, dass sich die ausgearbeiteten Möglichkeiten auf das direkte Verhältnis zwischen Ärztin/Arzt und SV beziehen sollen (beispielsweise gesetzlich vorgesehene Bewilligungspflichten durch die SV). Ebenso wird im Zuge dieser Forschungsarbeit die ärztliche Tätigkeit an sich als Motivationsfaktor nicht in Frage gestellt, sondern rein das Umfeld, in welche die ärztliche Tätigkeit eingebettet ist, betrachtet.

Diese Arbeit ist dahingehend als neuartig und wissensschaffend einzustufen, als dass keine aktuelle Studie mit (nahezu) identem Forschungsziel vorliegt, somit eine bestehende Forschungslücke behandelt wird. Vergleichbare Studien der Johannes Kepler Universität (Kaiser, Dieplinger, & Serglhuber, 2015), der Medizinischen Universität Graz (Poggenburg et al., 2017) sowie des European Centre for Social Welfare Policy and Research (Böhler et al., 2018) befassen sich zwar mit ähnlicher Problemstellung, verfolgen allerdings grundsätzliche Erhebungen im Zusammenhang mit der Attraktivität in der ambulanten, niedergelassenen Versorgung. So weist keine der drei Studien konkrete Thesen/Handlungsempfehlungen auf, die hinsichtlich Akzeptanz unter der direkt betroffenen Ärzteschaft geprüft beziehungsweise für eine weiterführende Studie vorgeprüft wurden.

1.3 Kontext des Forschungsfelds

Das unter Kapitel 1.2 angeführte übergeordnete Forschungsziel ist nicht zielführend mittels einer einzigen Arbeit dieses Settings zu bearbeiten. Vielmehr wird von einem dreistufigen Forschungsaufbau ausgegangen:

Stufe A: Analyse von Problemfeldern, Bedürfnissen und Wünschen betreffend Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzte. Die Erhebung dieser Aspekte hat primär mittels narrativem Forschungsansatz zu erfolgen.

Stufe B: Zur Erhebung repräsentativer Aussagen (Stufe C) sind entsprechende Vorarbeiten, beispielsweise Kategorisierung der Ergebnisse der ersten Forschungsstufe sowie Entwicklung von Verbesserungsmöglichkeiten, nötig. Diese Vorarbeiten sind in Form einer Vorstudie durchzuführen, an deren Ende konkrete Möglichkeiten (Thesen), die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzte führen können, vorliegen.

Stufe C: Durchführung einer repräsentativen Studie zur Verifizierung konkreter Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (Thesen aus Stufe B). Die Ergebnisse dieser Studie können in Folge als Handlungsempfehlungen für die betroffenen Stakeholder (beispielsweise SV, ÄK, Bund, Länder) verstanden werden.

Diese Forschungsarbeit setzt ihren Schwerpunkt einerseits auf die zweite Forschungsstufe (Stufe B), da Stufe A mit mehreren aktuellen Studien bereits zu weiten Teilen erforscht ist und für Stufe C noch keine ausreichenden Vorarbeiten vorliegen. Andererseits wird insbesondere auf die Rolle der Sozialversicherung Bezug genommen, da die ambulante Versorgung primär in deren Zuständigkeitsbereich fällt. Unter diesem Aspekt wurden die Forschungsfragen im Kapitel 1.2 definiert. Im Bereich der SV erfolgt zudem eine Schwerpunktsetzung auf Niederösterreich (Niederösterreichischer Gesamtvertrag als Basis sowie Befragung niederösterreichischer Hausärztinnen und Hausärzte).

2 Forschungsdesign

Nachdem im vorherigen Kapitel die Ausgangslage respektive Problemstellung dieser Arbeit dargestellt sowie das Forschungsziel und die daraus abgeleiteten Forschungsfragen vorgestellt wurden, widmet sich dieses Kapitel dem zu Grunde liegenden Forschungsdesign. Zur Erreichung des Forschungsziels war ursprünglich ein vierstufiger Forschungsprozess, basierend auf vorhandener Literatur sowie empirischer Datenerhebung, vorgesehen, der im Rahmen der Arbeit auf einen dreistufigen Prozess abgeändert wurde. Die Änderung basierte aufgrund von während der Arbeit gewonnenen Erkenntnissen und führte zu keiner Beeinträchtigung der Ergebnisqualität. Der Forschungsablauf wird chronologisch in den Kapiteln 2.2 bis 2.5 beschrieben. Vorweg werden im Unterkapitel 2.1 für diese Arbeit wesentliche Begriffe definiert, um der Arbeit ein einheitliches Begriffsverständnis zu Grunde zu legen.

2.1 Begriffsdefinitionen

Ambulante Versorgung: Die ambulante Versorgung findet in Einzelpraxen, Gruppenpraxen, selbstständigen Ambulatorien (jeweils extramural) sowie Spitalsambulanzen (intramural) statt (siehe Kapitel 7.2) und ist vom stationären Bereich sowie vom Rehabilitationsbereich abzugrenzen (Hofmarcher, 2013, S. 206).

Niedergelassener Bereich: Ärztinnen und Ärzte, die in Einzel- oder Gruppenpraxen tätig sind, unabhängig davon, ob sie über einen Kassenvertrag verfügen oder nicht (BMASGK, 2018a, S. 179). Der niedergelassene Bereich ist somit als Teil der ambulanten Versorgung zu sehen.

Primärversorgung: „Die allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung. Sie berücksichtigt auch gesellschaftliche Bedingungen“ (§3 Z9 G-ZG1 ). Die Primärversorgung ist Teil der ambulanten Versorgung und abzugrenzen von der ambulanten Fachversorgung. Sie findet im niedergelassenen Bereich statt, wobei hierfür verschiedene Modelle – in der Regel Einzelpraxen, Gruppenpraxen oder Primärversorgungseinheiten – vorstellbar sind (BMASGK, 2018a, S. 58-61).

Die Hausärztin/Der Hausarzt: Der hausärztlichen Versorgung kommt ein hoher Stellenwert in der Gesundheitsversorgung zu, dies wurde bereits 1978 in der Deklaration zur Internationalen Konferenz zur primären Gesundheitsversorgung festgehalten (Fischer, Schauppenlehner, & Schmid, 2011, S. 470-473). Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin2 sind dabei als Kernakteure der Primärversorgung zu sehen (BMASGK, 2018a, S. 60). Die Versorgung der Versicherten hat grundsätzlich mittels Vertragsärztinnen und Vertragsärzten zu erfolgen (§338 Abs. 2 ASVG3 ), wobei die größte Versorgungswirksamkeit in der Praxis auf sogenannte §2-Vertragspartner zurückzuführen ist (HVB, 2017, S. 7). Ableitend aus diesen Erkenntnissen werden in dieser Arbeit unter dem Begriff Hausärztin/Hausarzt im niedergelassenen Bereich tätige Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit §2-Kassenvertrag4 verstanden.

Sozialversicherung (SV): Die österreichische Sozialversicherung (SV) besteht aus verschiedenen Versicherungsträgern sowie dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (HVB) (siehe Ausführungen in 7.1). Sofern im Zuge dieser Arbeit keine weiterführenden Angaben getätigt werden, ist unter dem Begriff Sozialversicherung die Organisation als Gesamtes, unabhängig der konkret betroffenen Institution oder Stelle, zu verstehen.

Bund: Analog der Begriffsdefinition Sozialversicherung sind, sofern im Zuge dieser Arbeit keine weiterführenden Angaben getätigt werden, unter dem Begriff Bund sämtliche Institutionen auf Bundesebene (beispielsweise Nationalrat, Bundesministerien oder sonstige Behörden) als Gesamtes zu verstehen.

Länder: Analog der Begriffsdefinition Sozialversicherung sind, sofern im Zuge dieser Arbeit keine weiterführenden Angaben getätigt werden, unter dem Begriff Länder sämtliche Institutionen auf Länderebene (beispielsweise Landtage oder Landesbehörden) als Gesamtes zu verstehen.

Ärztekammer (ÄK): Analog der Begriffsdefinition Sozialversicherung sind, sofern im Zuge dieser Arbeit keine weiterführenden Angaben getätigt werden, unter dem Begriff Ärztekammer (ÄK) die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) sowie die neun Landesärztekammern (LÄK) als Gesamtes zu verstehen.

Arbeitsbedingungen: Arbeit ist stets in einen gesellschaftlichen Rahmen eingebettet, der Einfluss auf die Arbeit beziehungsweise die damit zusammenhängenden Belastungen nimmt. Belastungen können hinsichtlich sozialer und organisatorischer Bedingungen, der ursächlichen Arbeitstätigkeit sowie arbeitsbedingter Abhängigkeiten und Unsicherheiten auftreten. Jedes Individuum kann dabei, trotz womöglich gleicher Ausgangslage, Arbeitsbelastungen unterschiedlich empfinden. Insbesondere ist auch der Dienstleistungssektor nicht standardisiert betrachtbar (Bobens, et al., 2011). Im Zusammenspiel mit dem definierten Forschungsziel (1.2) sind für diese Arbeit unter dem Begriff Arbeitsbedingungen also insbesondere jene Faktoren zu verstehen, die sich von außen hin auf die Tätigkeit von Hausärztinnen und Hausärzten auswirken. Darunter sind beispielsweise vorgegebene Rahmenbedingungen sowie verschiedene Interaktionen in der Zusammenarbeit von SV, ÄK, Bund und Länder sowie sonstigen Nahtstellen zu verstehen, nicht allerdings die ärztliche Tätigkeit an sich. Diese Einflussfaktoren können sich dabei in verschiedener Hinsicht (unter anderem motivierend, einschränkend, steuernd) auswirken.

2.2 Forschungsschritt 1: Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte

Die Basis für die Forschungsarbeit bilden bereits erforschte Problemfelder in den Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte. Zur Eruierung dieser wurde eine strukturierte Literaturrecherche durchgeführt. Um sicherzustellen, dass sich womöglich manifestierte Meinungen/Vorstellungen bereits praktizierender Hausärztinnen und Hausärzte nicht übermäßig einschränkend auf die weiteren Forschungen auswirken, wurden im Zuge der Literaturrecherche nicht nur Erkenntnisse der direkt betroffenen Zielgruppe (bereits praktizierende Hausärztinnen und Hausärzte) miteinbezogen, sondern auch „externe“ Quellen wie beispielsweise Allgemeinmedizinerinnen/Allgemeinmediziner in Ausbildung berücksichtigt. Der Schwerpunkt der Literaturrecherche wurde angesichts des Forschungsziels auf Österreich sowie Veröffentlichungen der letzten fünf Jahre (ab 2014) gelegt.

Die Literaturrecherche wurde im Zeitraum 02.11.2018 bis 06.11.2018 durchgeführt. Dafür wurden zunächst die wissenschaftlichen Datenbanken SpringerLink, ScienceDirect, Sage, Taylor&Francis und GoogleScholar systematisch durchsucht. Zur Suche wurden die Begriffe Hausarzt, Hausärztin, Hausärzten, Allgemeinmedizin, GP, general practitioner, niedergelassen, physician, general medicine, Arbeitsbedingungen, Attraktivität, Motivation, working conditions, attractivity, attractiveness, working, Österreich und Austria in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert, als Zeitraum wurde 2014 bis laufend (2018 oder 2019, je nach Datenbank) gewählt. Anhand von Titel und gegebenenfalls Abstract wurden die Suchergebnisse bewertet und für diese Arbeit ausgewählt beziehungsweise als nicht relevant in Bezug auf die Ausführungen im ersten Absatz dieses Kapitels eingestuft. In einem zweiten Schritt der Literaturrecherche wurden öffentlich zugängliche Publikationen von Stakeholdern des österreichischen Gesundheitssystems (beispielsweise HVB) gesichtet und bei Zutreffen der Voraussetzungen als relevante Literaturquelle ausgewählt. Die Literaturrecherche wurde von einem dritten Schritt abgerundet: Durchsicht der Literaturverzeichnisse der bisher als relevant identifizierten Literaturquellen sowie unstrukturierte Suche in sonstigen Datenquellen (beispielsweise bisherige Erhebungen im Zuge dieser Arbeit). Die einzelnen Rechercheschritte können Anhang 1 entnommen werden, die Ergebnisse der Datengenerierung dem Kapitel 4.2. Die gewonnenen Daten wurden in Folge nach unterschiedlichen Kriterien analysiert, um das Datensample beurteilen zu können (4.3). Die mit dem Datensample identifizierten negativen Einflussfaktoren wurden im Anschluss in Teilbereiche (nach eigener Einstufung) geclustert und für die weitere Verarbeitung aufbereitet (4.4).

2.3 Forschungsschritt 2: Potenzielle Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Für die mit Forschungsschritt 1 identifizierten negativen Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte (4.4) wurden mit dem zweiten Forschungsschritt Vorschläge entwickelt, die den negativen Einflussfaktoren entgegenwirken sollen. Dabei wurde einerseits auf die bereits unter Kapitel 4.4 behandelte Literatur zurückgegriffen. Andererseits wurde zielorientiert nationale sowie internationale Literatur bearbeitet, um Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu identifizieren. Bei Vorliegen von Forschungslücken beziehungsweise nicht ausreichend definierten Erkenntnissen in der Literatur, wurden für das österreichische Setting spezifische Lösungsvorschläge entwickelt, die es Rahmen des dritten Forschungsschritts zu konkretisieren galt. Die Ergebnisse des zweiten Forschungsschritts sind Kapitel 5 zu entnehmen.

2.4 Forschungsschritt 3: Thesen als Basis für eine repräsentative Studie

Die im Forschungsschritt 2 auf Grundlage der vorhandenen Literatur ausgearbeiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (Kapitel 5) wurden im Forschungsschritt 3 zu konkreten Thesen formuliert. Diese Thesen stellen die Basis für eine repräsentative Studie dar und sind somit für die Beantwortung der Forschungsfragen heranzuziehen. In die Formulierung der Thesen wurde die direkt betroffene Zielgruppe – bereits praktizierende niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit §2-Kassenvertrag (Hausärztinnen und Hausärzte) – miteinbezogen und betreffend der ausgearbeiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen befragt. Die Befragung inkludierte – aus ressourcentechnischen Gründen – allerdings nicht sämtliche ausgearbeiteten Maßnahmen, sondern war bedarfsorientiert gestaltet. Die am Ende dieses Forschungsschritts vorliegenden Thesen resultieren somit aus drei Teilbereichen:

1. Thesen auf ausschließlicher Basis der Befragung von Hausärztinnen und Hausärzten.
2. Thesen auf Basis einer Kombination aus der Befragung von Hausärztinnen und Hausärzten und der unter Kapitel 5 ausgearbeiteten Maßnahmen.
3. Thesen auf ausschließlicher Basis der in Kapitel 5 ausgearbeiteten Maßnahmen.

Als Grundlage für die Erstellung eines Interviewleitfadens wurde unter 6.1.1 zunächst der bestehende Informationsbedarf für die einzelnen potenziellen Maßnahmen gemäß 5.5.3.2 dargelegt. Ebenso wurde die Notwendigkeit für eine komplementierende Erhebung zu den Arbeitsbedingungen geortet. Der identifizierte Informationsbedarf gestaltete sich dabei in Ausmaß und Breite unterschiedlich je Maßnahme: In drei Fällen (M27, M55 und komplementierende Erhebung) war der Informationsbedarf weit gefasst, in drei Fällen (M10, M14 und M25) lag eine Eingrenzung vor und in drei Fällen (M28, M29 und M61) war bereits von einer engen Eingrenzung auszugehen. Darauf aufbauend wurde folgendes Interviewdesign definiert:

Die Befragung wurde im Schnittpunkt einer teilstrukturierten und stark strukturierten Form unter zu Hilfenahme eines Interviewleitfadens durchgeführt. Das Interview ist als nicht-standardisiert zu bezeichnen, da vorab von der Bildung von Antwortkategorien abgesehen wurde. Die Fragen wurden ausschließlich in offener Form gestellt, wobei die mögliche Antwortbreite je nach Informationsbedarf über die konkrete Fragestellung gesteuert ist. Von der Verwendung geschlossener Fragen wurde abgesehen, da die offenen Fragen zumindest noch zur ergänzenden Erforschung der Problemfelder herangezogen werden sollten, nicht bereits zur Prüfung der Hypothesen. Die Interviews wurden in persönlicher, mündlicher Form durchgeführt, da im Rahmen dieser qualitativen Erhebung nicht auf die persönliche Beziehung verzichtet werden sollte (Atteslander, 2010, S. 131-157). Die Auswertung der neun Informationsbereiche erfolgte mit zwei unterschiedlichen Methoden. Für die drei Fälle mit weit gefasstem Informationsbedarf (M27, M55 und komplementierende Erhebung) wurde eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) gewählt, da die Fragen möglichst offene Antworten zulassen sollten. Die weiteren sechs Fälle (M10, M14 und M25 sowie M28, M29 und M61) befanden sich an einem Schnittpunkt zwischen hypothesengenerierendem und hypothesenabarbeitendem Vorgehen. Einerseits konnte noch nicht von Hypothesen abarbeiten gesprochen werden, da noch keine finalen Hypothesen vorlagen. Andererseits lagen bereits fortgeschrittene Entwürfe der Thesen vor, sodass auch nicht von einem rein hypothesengenerierenden Vorgehen (wie bei den drei zuvor genannten Fällen) gesprochen werden konnte. Schlussendlich wurde im Sinne einer systematischen Aufarbeitung festgelegt, die Auswertung mittels der Methode der strukturgeleiteten Textanalyse (Auer-Voigtländer & Schmid, 2017) vorzunehmen. Dieses grundsätzlich für hypothesenabarbeitende Verfahren entwickelte Instrument ist für die Bearbeitung von qualitativem Datenmaterial geeignet und soll dieses insbesondere komprimieren und zusammenfassen. Aufgrund der Strukturierung und Formulierung der Fragen war davon auszugehen, dass dieses Instrument ausreichende Ergebnisse mit sich bringt. Die Durchführung der Befragung mittels sogenanntem Mixed-Method Forschungsansatz im parallelen Design – dabei werden zeitgleich qualitative und quantitative Forschungselemente eingesetzt (Roch, 2017) – wurde ebenso angedacht, schlussendlich allerdings als nicht adäquat eingestuft. Aufgrund des formulierten Informationsbedarfs bestand kein Bedarf, im Rahmen dieser Vorstudie bereits quantitative Forschungselemente in breiterem Ausmaß heranzuziehen.

Die Fragengenerierung nach den zuvor beschriebenen Kriterien ist Kapitel 6.1.2 zu entnehmen. Unter Punkt 6.2 wird über die sieben im Zeitraum 17.02.2019 bis 13.03.2019 durchgeführten Interviews mit Hausärztinnen und Hausärzten berichtet. Im Folgekapitel (6.3) werden die Ergebnisse der Interviews aufgearbeitet, ehe unter 6.4 mit den final formulierten Thesen die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt.

2.5 Forschungsschritt 4: Umsetzbarkeit und Verständlichkeit der Thesen

Im ursprünglichen Forschungskonzept sollten die Ergebnisse aus Forschungsschritt 3 in einem vierten und letzten Schritt mittels Kurzfragebogen noch ausgewählten Gesundheitsexpertinnen und Gesundheitsexperten (beispielsweise Vertreterinnen/Vertreter des HVB oder der ÄK) vorgelegt werden. Im Fokus sollten dabei die Fragen nach Umsetzbarkeit und Verständlichkeit der Thesen stehen. Keinesfalls sollte dieser Prozessschritt noch eine Abänderung der erstellten Thesen bewirken. Vielmehr war der Forschungsschritt 4 als Unterstützung für die weiterführende Forschung – Durchführung einer repräsentativen Studie – gedacht.

Die Erkenntnisse im Rahmen der vorherigen Forschungsschritte zeigten allerdings, dass dieser vierte Schritt nicht mehr indiziert erscheint, da er keinen effektiven Mehrwert für die Forschungsergebnisse vermuten lässt. Erstens ist eine Frage nach der Verständlichkeit der Thesen nur bedingt zielführend, da diese, ohne die Detailkenntnisse über die erarbeiteten Hintergründe, nicht optimal beantwortet werden kann. Die aus den Thesen resultierenden Fragen wiederum (in einer weiterführenden Studie), sind dann ohnehin einem Pretest zu unterziehen, in dem die Verständlichkeit überprüft wird (Berger-Grabner, 2013, S. 185-186). Zweitens wirkte auch eine Befragung nach der Umsetzbarkeit als nur bedingt zielführend. Dies deshalb, da die Umsetzbarkeit – auch wenn Gesetzesänderungen vorgenommen werden müssen – in allen aufgezeigten Konstellationen grundsätzlich gegeben scheint. Die Thesen basieren auf wissensbasierten Erkenntnissen, weshalb von der Umsetzbarkeit zunächst auszugehen ist. Die Befragung von einzelnen Expertinnen und Experten mit Naheverhältnis zu bestimmten Institutionen hätte daher viel eher dazu führen können, dass tendenziell Institutionsinteressen die Beantwortung beeinflussen, sodass kein Mehrwert für eine etwaige Folgestudie vorliegt.

3 Ergebnisse im Überblick

Als Forschungsziel dieser Arbeit wurde das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten definiert. Konkreter sollten, aufbauend auf vorliegenden Erkenntnissen der Literatur sowie ergänzenden Interviews mit Hausärztinnen und Hausärzten, diesbezügliche Thesen entwickelt werden, die im Rahmen einer nachfolgenden repräsentativen Studie auf ihre Gültigkeit geprüft werden können. Aufgrund der Breite der Thematik wurde zudem eine Schwerpunktsetzung auf den Bereich der Zusammenarbeit Hausärztin/Hausarzt und SV vorgenommen, wobei dabei wiederum ein verstärkter Fokus auf die Situation in Niederösterreich gerichtet ist. Im ersten Forschungsschritt (Kapitel 4) wurde eine umfassende Literaturanalyse über die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten durchgeführt. Im Fokus stand dabei die Identifikation von Ansatzpunkten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Aufgeteilt auf die potenziell negativen Einflussfaktoren Unternehmensführung, Honorierung, Arbeitsbelastung und Tätigkeitsfeld konnten 43 diesbezügliche Ansatzpunkte definiert werden. Im zweiten Forschungsschritt (Kapitel 5) galt es, darauf aufbauend aus der vorhandenen Literatur Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu filtern. Insgesamt lagen am Ende dieser Recherche 62 Maßnahmen vor. Von diesen befanden sich manche bereits in laufender Umsetzung (elf), andere wiederum standen nicht im Einklang mit dem Forschungsziel (sechs). Die verbleibenden 45 Maßnahmen bildeten die Ausgangsbasis für die Interviews mit den Hausärztinnen und Hausärzten sowie die anschließende Formulierung der Thesen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (Dritter Forschungsschritt – Kapitel 6).

3.1 Beantwortung der Forschungsfragen – ein erster Auszug

Die Beantwortung der drei Forschungsfragen (Kapitel 1.2) erfolgt mit insgesamt 64 Thesen betreffend Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten, die im Rahmen einer repräsentativen Studie auf ihre Wirkung zu prüfen sind. Davon können 20 Möglichkeiten von der Sozialversicherung selbstständig umgesetzt werden (Forschungsfrage 1), 24 Möglichkeiten von der Sozialversicherung in Abstimmung mit der Ärztekammer (Forschungsfrage 2) und 20 Möglichkeiten unter Einbindung sonstiger Stakeholder (Forschungsfrage 3). Umfang und Inhalt dieser Möglichkeiten sind stets unter Berücksichtigung der Arbeit zu Grunde liegenden Limitationen – Kapitel 3.2 – zu bewerten.

Tabelle 1: Anzahl Thesen nach Forschungsfrage und Quelle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung gemäß 6.4

Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass die 64 Thesen auf Basis unterschiedlicher Quellen entstanden sind: Fünf Thesen beruhen ausschließlich auf Basis der durchgeführten Interviews mit den Hausärztinnen sowie Hausärzten, 36 Thesen beruhen auf einer Kombination zwischen Interviews sowie Literaturerhebungen und 23 entspringen ausschließlich den Literaturerhebungen. In den folgenden Absätzen werden je Forschungsfrage zwei beliebig ausgewählte Thesen betreffend Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten vorgestellt. Alle 64 Thesen können in weiterer Folge dieser Arbeit aus den Kapiteln 6.4.1, 6.4.2 sowie 6.4.3 entnommen werden.

Forschungsfrage 1 – Umsetzung durch die Sozialversicherung:

Die Einführung eines adaptierten Key-Account-Managements der Sozialversicherung, das heißt jede Hausärztin/jeder Hausarzt erhält seitens der Sozialversicherung eine zentrale Ansprechpartnerin/einen zentralen Ansprechpartner für sämtliche Angelegenheiten zugewiesen, führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.1 / T1.03).

Die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, welche die Kommunikation zwischen Hausärztin/Hausarzt und Sozialversicherung unterstützt (beispielsweise bei Auffassungsdifferenzen, Feedbackgesprächen), führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.1 / T1.04).

Forschungsfrage 2 – Umsetzung durch die Sozialversicherung in Abstimmung mit der Ärztekammer:

Die Einführung von Modullösungen in Gesamtverträgen, das heißt Hausärztinnen/Hausärzte können zu bestimmten Bereichen ihre bevorzugte Vereinbarung frei wählen (Beispiel Bereich Verrechnung – Hausärztinnen/Hausärzte wählen zwischen Pauschal- oder Einzelleistungshonorierung), führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.2 / T2.02).

Eine vertraglich fixierte Honorierung von Tätigkeiten, die zur Durchführung an Ordinationspersonal delegiert wurden, führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.2 / T2.10).

Forschungsfrage 3 – Umsetzung unter Einbindung sonstiger Stakeholder:

Die Einführung eines auf Freiwilligkeit beruhenden Hausarzteinschreibemodells, bei dem Versicherte einer fixen Hausärztin/einem fixen Hausarzt zugeordnet sind, führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.3 / T3.09).

Die Abschaffung der Bewilligungspflicht für die Weiterverordnung von Medikamenten, die ursprünglich von Krankenanstalten verordnet wurden, führt zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten (6.4.3 / T3.14).

Während ein Teil der 64 Thesen aufeinander aufbaut beziehungsweise in der Zusammenschau als weitgehend konkludent erscheint, widersprechen sich andere Thesen zum Teil oder gänzlich. Beispielsweise beschreibt die These T2.08 eine Systemänderung in der Honorargestaltung in Richtung einer monetären Bewertung anhand der geleisteten Arbeitszeit, währenddessen These T2.09 eine Weiterentwicklung in Richtung Betreuungspauschalen je Patientin/Patient fordert. Diese konträre Formulierung ergibt sich anhand der vorliegenden Erkenntnisse und wurde deshalb bewusst getroffen. Da das Forschungsziel dieser Arbeit ein Aufzeigen von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist, leisten diese primären Abweichungen einen Beitrag zum Forschungserfolg. Dies verdeutlicht zudem die Notwendigkeit einer weiterführenden repräsentativen Studie, um valide sowie nachhaltige Erkenntnisse betreffend der Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten zu erlangen. Damit sind einerseits die Wissenschaft, andererseits aber auch Stakeholder wie die SV und die ÄK gefordert, um eine Umsetzung des notwendigen Forschungsbedarfs entsprechend voranzutreiben. Weiterführende Empfehlungen sind dem abschließenden Kapitel 8.3 zu entnehmen.

3.2 Limitationen

Die vorliegende Arbeit geht mit Limitationen einher, die bei der Interpretation der Ergebnisse jedenfalls zu berücksichtigen sind. Als erster Punkt sei diesbezüglich nochmals festgehalten, dass diese Arbeit keinen Anspruch auf Repräsentativität unter allen österreichischen beziehungsweise niederösterreichischen Hausärztinnen und Hausärzte erhebt. Bei der Arbeit handelt es sich in ihrer Art um eine Vorstudie, welche die Ausgangsbasis für eine weiterführende Studie mit repräsentativem Charakter darstellen kann. In methodischer Hinsicht ist diese Arbeit insbesondere mit drei Limitationen zu verknüpfen. Erstens: Die Durchführung der Literaturrecherchen beziehungsweise die darauf aufbauenden Rückschlüsse (Forschungsschritt 1 und 2) wurden lediglich durch den Studienautor (kein Forschungsteam) vorgenommen. Trotz sorgfältiger und strukturierter Vorgehensweise kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Einschränkungen in Vollständigkeit und Prioritätensetzung gekommen ist. Zweitens: Dem Sample an interviewten Hausärztinnen und Hausärzten unterliegt ein gewisser Bias. Zwar erfolgte die Auswahl ohne potenziell einschränkendes Rekrutierungsmuster sowie unter Berücksichtigung regionaler Diversität, jedoch wurden einzelne Interviewanfragen abgelehnt respektive nicht beantwortet. Es ist daher eine Verzerrung dahingehend zu sehen, dass bei den Interviews womöglich nur eher motivierte Hausärztinnen und Hausärzte teilgenommen haben. Drittens: Die Auswertung der Interviews erfolgte wiederum ausschließlich durch den Studienautor, anstatt einem empfohlenen Forschungsteam (Auer-Voigtländer & Schmid, 2017, S. 135). Dadurch ist anzunehmen, dass sowohl bei der Interviewauswertung, als auch der anschließenden Thesenformulierung, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für mögliche Einschränkungen in der Dateninterpretation vorliegt.

Die in Form von Thesen formulierten Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten wurden grundsätzlich auf eher allgemeinen Bedingungen aufgebaut, es erfolgte kein spezifisches „Herausnehmen“ einzelner Gruppen. Aus den Thesen kommt zudem nicht immer vollständig hervor, dass einzelne Initiativen nicht bloß Vorteile für Ärztinnen/Ärzte bringen, sondern zum Teil auch mit Nachteilen für (einzelne) Ärztinnen/Ärzte verbunden sind. Eine Abwägung von Vor- und Nachteilen erfolgte nicht im repräsentativen Ausmaß, hier ist die Autorin/der Autor einer Folgestudie gefragt. Ebenso war im Rahmen der Interviews zu einzelnen Thesen eine breite Antwortspannweite zu verzeichnen, weshalb eine tatsächliche Wirkung der aufgezeigten Verbesserungsmöglichkeiten nicht abgeschätzt werden kann.

Die Ausrichtung der Arbeit auf den Schwerpunkt Zusammenspiel Hausärztinnen/Hausärzte mit SV bringt die Gefahr mit sich, dass eine überdurchschnittlich starke Fokussierung auf diese Beziehung erfolgte, währenddessen andere Faktoren nur bedingt berücksichtigt wurden. So kam es bei der Abgrenzung von Zuständigkeiten – Zuordnung zu Forschungsfragen 1, 2 oder 3 – zu einer teils radikalen Aufgabenverschiebung Richtung SV. So würden im derzeitigen Praxisverständnis wohl einige der aufgezeigten Thesen in der Zuständigkeit der ÄK gesehen werden, obwohl in dieser Arbeit eine Zuordnung in den Kompetenzbereich der SV erfolgte. Dies ist dadurch bedingt, dass die SV bereits zum jetzigen Zeitpunkt auch ein (indirektes) Mandat zur Durchführung der Tätigkeiten aufweist. Innerhalb des SV-Regimes kam es zudem im Wesentlichen zu einer Einschränkung auf die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK). Dies findet den Ausdruck darin, dass bei den Literaturrecherchen einerseits lediglich der Niederösterreichische Gesamtvertrag (NÖ-GV) miteinbezogen wurde (keine Gesamtverträge weiterer Gebietskrankenkassen), und andererseits, dass ausschließlich niederösterreichische Hausärztinnen und Hausärzte für die Interviews herangezogen wurden. Die vorliegenden Ergebnisse sind somit insbesondere für Niederösterreich relevant, da die Unterschiede zu Gesamtverträgen in anderen Bundesländern nicht näher beleuchtet wurden.

Des Weiteren ergeben sich Limitationen in der inhaltlichen Vollständigkeit im Hinblick auf Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten. Aufgrund der Schwerpunktsetzung in Richtung SV, wurden davon nicht beziehungsweise kaum umfasste Bereiche nicht in dieser Arbeit berücksichtigt. Darunter sind insbesondere der Ausbildungssektor, die Vorgaben hinsichtlich Ordinationserrichtung beziehungsweise öffentlich-rechtlicher Ordinationsführung (zum Beispiel Steuerrecht) sowie die ärztliche Tätigkeit an sich zu sehen. Diese Aspekte haben womöglich (verzögerte) Auswirkungen auf die (späteren) Arbeitsbedingungen, wurden aber in dieser Arbeit nicht konkretisiert. Als letzte Limitation ist die Bewertung der finanziellen Mehrkosten – im Forschungsziel werden überdurchschnittliche Ausgabensteigerungen ausgeschlossen – zu sehen. Im Zuge dieser Arbeit wurde zwar starkes Augenmerk darauf gelegt, dass es bei der Ausarbeitung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu keinen überdurchschnittlichen Ausgabensteigerungen ohne entsprechende Mehrleistung kommt, allerdings ist eine abschließende Bewertung, insbesondere für den Bereich der Verwaltungskosten, ohne interner Daten der SV nicht in ausreichender Exaktheit möglich.

4 Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzte

Dieses Kapitel befasst sich, aufbauend auf 2.2, mit den Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten. Ehe die negativen Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen aufgezeigt werden, wird unter 4.1 zusammenfassend die Faszination an der hausärztlichen Tätigkeit dargelegt. In Folge wird auf die literaturbasierte Datengenerierung eingegangen (4.2), ehe das gewonnene Datensample einer strukturierten Analyse unterzogen wird (4.3). Im Kapitel 4.4 werden schlussendlich die identifizieren negativen Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen der Hausärztinnen und Hausärzten vorgestellt. Diese sind in vier Teilbereiche untergliedert und stellen die Grundlage für die weitere Arbeit dar.

4.1 Faszination Hausärztin und Hausarzt

Zu Beginn dieses Inhaltspukts wird eine „harte“ Aussage vorangestellt, die in Folge allerdings deutlich abgemildert wird: Eng verbunden mit der Frage nach der Motivation von (niedergelassenen) Ärztinnen und Ärzten sind monetäre Aspekte, da mit Fortschreiten der Karrierelaufbahn oftmals eine Sozialisation auf solche zu beobachten ist (Kaiser et al., 2015, S. 28). In der Realität führen monetäre Anreize allerdings nicht zwangsläufig zu den intendierten Absichten, sondern können auch das Gegenteil bewirken. Insbesondere gilt es zwischen Quantität und Qualität zu unterschieden. Für eine Steigerung quantitativer Kennzahlen (beispielsweise behandelte Versicherte je Stunde) mögen monetäre Anreize zwar zielführend sein, bei einer beabsichtigen Förderung der Versorgungsqualität gilt es allerdings vielmehr intrinsische Rezeptoren anzusprechen, für die es aber nicht-monetäre Anreize bedarf (Janus, 2014, S. 17-25).

Diese Argumentation lässt sich in gewisser Weise auch auf die Motivation von Hausärztinnen und Hausärzten umlegen. Eine langjährige (oft lebenslange) und vertrauensbasierte Betreuung von Patientinnen und Patienten, eine gesellschaftlich angesehene Position, eine herausfordernde Tätigkeit (breites/unterschiedliches Spektrum an Patientinnen/Patienten und Krankheiten), die Funktion der zentralen Anlaufstelle im Gesundheitssystem sowie Autonomie im Rahmen der Selbstständigkeit werden in zahlreichen Publikationen, beispielsweise Hoffmann (2015, S. 372), Riedler (2014, S. 45), Hofer (2012, S. 453-454), Sensor Marktforschung (2014, S. 14-18) oder Poggenburg et al. (2017, S. 26-27), als Hauptmotive für die Tätigkeit als Hausärztin/Hausarzt genannt. Finanzielle Gründe werden in diesen Arbeiten hingegen nicht als Hauptmotiv für die Übernahme einer hausärztlichen Praxis gesehen.

Im Vergleich zu einer Tätigkeit in einem Krankenhaus kann der Beruf der Hausärztin/des Hausarztes, zumindest für eine Teilmenge, auch mit besseren Arbeitsbedingungen sowie einer geringeren Anzahl an Patientinnen und Patienten punkten (Böhler et al. 2018, S. 45). Es liegt auch nahe, dass das Anforderungsprofil Hausärztin/Hausarzt in ländlichen Gegenden ein anderes ist, als im städtischen Gebiet. Aufgrund einer höheren Dichte an Ärztinnen/Ärzten sind in der Stadt verstärkt Spezialisierungen auf einzelne medizinische Schwerpunkte vorhanden. Hingegen nehmen Hausärztinnen und Hausärzte am Land einen breiteren Versorgungsauftrag war, was sich motivierend auswirken kann. In der Stadt wiederum wandern ursprünglich hausärztliche Tätigkeiten teils ins Aufgabenspektrum von Fachärztinnen und Fachärzten (Kaiser et al., 2015, S. 19-23). Neben der Breite der übernommenen medizinischen Aufgaben, sind auch Unterschiede in der durchschnittlichen Arbeitszeit zwischen am Land (höhere Zeitbelastung) und in der Stadt tätigen Hausärztinnen beziehungsweise Hausärzten festzustellen (Hoffmann, 2015).

4.2 Datengenerierung

Die Durchführung der strukturierten Datenanalyse – Auswertungsmethode gemäß Kapitel 2.2 – identifizierte insgesamt 14 relevante Publikationen, welche für die weiterführenden Analysen berücksichtigt wurden (Abbildung 1). Fünf Publikationen (eine Publikation wurde in zwei Datenbanken gefunden) wurden aus wissenschaftlichen Datenbanken gewonnen. Zusätzliche vier Publikationen (zwei bereits mit vorherigem Schritt lukriert) wurden mittels einer Recherche auf den Websites relevanter Stakeholder ausfindig gemacht. Weitere fünf Publikationen konnten über sonstige Recherchen generiert werden. Zahlreiche primäre Suchergebnisse wurden als nicht relevant eingestuft, da beispielsweise keine Daten österreichischer Hausärztinnen und Hausärzte inkludiert waren, die Erhebungen bereits zu lange zurücklagen oder die Publikationen nicht auf Arbeitsbedingungen eingingen.

Abbildung 1: Ergebnis der strukturierten Datengenerierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Anhang 1

4.3 Analyse des Datensamples

Das generierte Datensample stellt einen Mix an unterschiedlichen Publikationen dar und erscheint daher geeignet für den weiteren Forschungsablauf: In den 14 Publikationen (Auflistung siehe Anhang 2) sind fünf Studien, fünf wissenschaftliche Journals, zwei Berichte sowie ein Gutachten und eine Präsentation enthalten. Zehn Publikationen sind Forscherinnen/Forschern beziehungsweise Universitäten zuzuordnen. Die restlichen Publikationen verteilen sich auf den HVP, die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), ein Consultingunternehmen sowie ein Marktforschungsinstitut. Als Financier scheinen viermal die SV, zweimal die Ärzteseite (ÄK beziehungsweise ÖGAM) und zweimal sonstige öffentliche Einrichtungen (Gesundheitsfonds Steiermark beziehungsweise Magistratsabteilung aus Wien) auf. Die restlichen Publikationen verteilen sich auf individuelle Financiers beziehungsweise sind diese zum Teil nicht ersichtlich. Jeweils vier Publikationen stammen aus den Jahren 2017 und 2015, drei aus 2014, eine aus 2015 und zwei Publikationen aktuell aus dem Jahr 2018.

Von den 14 Publikationen weisen drei keine Informationen betreffend konkreter Probleme im Bereich der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten auf. In einer weiteren Publikation wird nur sehr oberflächig auf mögliche Probleme eingegangen, wobei sich diese ursächlich eher auf den Krankenanstaltenbereich beziehen. Zudem verweist eine Publikation (zusammenfassender Bericht) fast ausschließlich auf eine andere Publikation (Studie), wodurch kein inhaltlicher Mehrwert vorliegt. Diese fünf Publikationen wurden daher von den weiterführenden Analysen ausgeschlossen (Anhang 2). Die verbleibenden neun Publikationen beschreiben potenzielle Probleme in Bezug auf die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten in Österreich, teils bereits auch mit (eher unspezifischen) Lösungsansätzen. Inhaltlich beruht die Problemdarlegung einerseits auf Expertenmeinungen, andererseits mehrheitlich auf durchgeführten Befragungen. Die Zielgruppe dieser Befragungen ist als äußert heterogen einzustufen: Hausärztinnen und Hausärzte sowie niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte, teils mit und teils ohne §2-Kassenvertrag, zudem Studierende und Ärztinnen/Ärzten in Ausbildung, teils mit und teils ohne Präferenz zur Allgemeinmedizin. Regional verteilen sich die befragten Ärztinnen und Ärzte auf unterschiedliche Bundesländer sowie urbane sowie ländliche Gebiete. Durch diese Heterogenität in der Auswahl der Publikationen wird das unter Punkt 2.2 geforderte Ziel – breiter Forschungsansatz zur Verringerung negativer Auswirkungen in Folge möglicherweise vorab manifestierter Meinungen – positiv beeinflusst. Die aktuellen Probleme in den Arbeitsbedingungen werden im folgenden Kapitel (4.4) dargelegt. Dabei ist festzuhalten, dass einzelne Probleme teils direkt als solche in den Publikationen beschrieben waren, teils allerdings auch indirekt abgeleitet wurden.

4.4 Negative Einflussfaktoren

Die neun verbliebenen Publikationen wurden hinsichtlich negativer Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten analysiert. Diese wurden in der Literatur einerseits sehr spezifisch beschrieben, andererseits allerdings auch nur sehr breit gefasst und somit wenig konkret. Zur Klassifizierung der negativen Einflussfaktoren wurden vier Hauptkategorien gebildet: Unternehmensführung, Honorierung, Arbeitsbelastung und Tätigkeitsfeld. Die Kategorie Unternehmensführung gliedert sich weiters in den administrativen Aufwand allgemein, Managementaufgaben, unternehmerische Risiken, Gründungsaufwand und die Zusammenarbeit mit der SV. Die Honorierung ist vom letzten Punkt ausgelöst und beinhaltet als eigene Hauptkategorie die Unterbereiche Vergleich zum Arbeitsaufwand, Vergleich zu Fachärztinnen und Fachärzten, Verrechnungssystem und Sonstiges. Die Arbeitsbelastungen lassen sich in Zeitaufwand/Arbeitsintensität, Bereitschaftsdienste, Abgrenzung der Privatperson und Sonstige untergliedern. Das Tätigkeitsfeld umfasst negative Einflussfaktoren hinsichtlich arbeitsbezogener und patientenbezogener Aspekte, dem Einzelkämpfertum sowie dem Prestige von Hausärztinnen und Hausärzten (Tabelle 2).

Tabelle 2: Klassifizierung negativer Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Tabelle 2 führt aus, in wie vielen Publikationen einzelne negative Einflussfaktoren genannt wurden. Über das Ausmaß beziehungsweise die Intensität der einzelnen Nennung wird in Tabelle 2 jedoch keine Aussage getroffen, dies wird ab 4.4.1 erläutert. In jeder Publikation wurde der administrative Aufwand allgemein als negativ beurteilt. Mit acht beziehungsweise sieben Nennungen zeigen zunächst auch der Zeitaufwand für Hausärztinnen und Hausärzten sowie das Verrechnungssystem der SV Handlungsbedarf auf. Eine detaillierte Aufarbeitung der Einflussfaktoren erfolgt in den Kapiteln 4.4.1 bis 4.4.4. Die Publikation von Rabady, Poggenburg, Wendler, Huter & Fürthauer (2018) weist Nennungen in 14 von 17 Kategorien auf. Hierbei ist anzumerken, dass diese erst 2018 veröffentlicht wurde und inhaltlich in einigen Punkten Bezug auf Erkenntnisse anderer Studien nimmt. Mit 13 behandelten Kategorien scheint das Werk von Kaiser et al. (2015) an zweiter Stelle auf. Dabei handelt es sich um eine qualitative Erhebung, deren Ergebnisse auf Befragungen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten beruhen. In zahlreichen der analysierten Publikationen, beispielsweise sei jene von Rabady et al. (2018) genannt, wurden neben negativen Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen auch Defizite im Rahmen der Ausbildung im Fachgebiet Allgemeinmedizin bemängelt. Im Kontext zur Zielsetzung dieser Arbeit wurden diese allerdings nicht weiterverfolgt.

4.4.1 Unternehmensführung

Eine Unzufriedenheit mit dem administrativen Aufwand im Zuge der niedergelassenen Tätigkeit wurde in allen neun Publikationen beschrieben. Genauere Ausführungen, welcher administrativer Aufwand sich besonders negativ auf die Arbeitsbedingungen auswirkt, sind mehrheitlich allerdings nicht direkt angeführt und können daher nur ansatzweise aus dem Kontext abgeleitet werden. In einer Befragung aus Tirol wird beispielsweise die höchste Unzufriedenheit im derzeitigen Primärversorgungssystem mit der Administration verknüpft (Bachler & Bertsch, 2018, S. 6). In einer österreichischen Befragung von Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner gaben 84,6 Prozent an, mit unnötiger Administrationstätigkeit konfrontiert zu sein (Hoffmann, 2015, S. 370). Wie sich diese Administration konkret zusammensetzt, ist in beiden Werken allerdings nicht beschrieben. Die Führung (Management) einer eigenen Ordination kann auch dahingehend belastend wirken, dass zu wenig ausreichende Informationen/Kenntnisse für die organisatorische sowie personelle Leitung einer solcher vorhanden sind (Böhler et al., 2018, S. 47). Dies führen auch Rabady et al. (2018, S. 73) und Kaiser et al. (2015, S. 32-33) in ihren Werken aus.

Die Tätigkeit als Hausärztin/Hausarzt geht mit unternehmerischen Risiken, sowohl in finanzieller Hinsicht (Poggenburg et al., 2017, S. 26) als auch in rechtlicher Verantwortung (Riedler, 2014, S. 49), einher. Beispielsweise ist – im Gegensatz zum intramuralen Bereich – in der Organisation zumeist kein juristisches Personal beschäftigt (Sensor Marktforschung, 2014, S. 22), oder gibt es rechtliche Grauzonen bei der Anstellung von Ärztinnen und Ärzten5 (Rabady et al., 2018, S. 72). Die Kategorie Risiko spielt allerdings insbesondere eine Rolle bei jenen Personen, die noch nicht als Hausärztin/Hausärzte tätig sind. Eng mit unternehmerischen Risiken verknüpft sind Schwierigkeiten im Zuge der Praxiseröffnung, die sich auch langfristig auswirken können. So fallen in der Regel hohe Kosten für die Ausstattung von Praxisräumlichkeiten (Stigler, et al., 2017, S. 69) oder die Übernahme einer bestehenden Praxis inklusive der Patientenkartei an (Kaiser et al., 2015, S. 31; Rabady et al., 2018, S. 121). Allerdings sind auch die mit einer Praxisgründung einhergehenden administrativen Aufgaben nicht zu unterschätzen (Rabady et al., 2018, S. 26).

Auf die Zusammenarbeit mit der SV (ausgenommen Honorierung) wird insbesondere in der Studie von Kaiser et al. (2015) detailliert eingegangen: Die SV wird von den Ärztinnen und Ärzten dabei als eine Institution bezeichnet, die viel Misstrauen gegenüber der Ärzteschaft zeigt und diese vielfach rein als Kostenverursacher betrachtet. Dies finde laut Befragten beispielsweise in Form von übermäßig geforderten Korrespondenz-, Bewilligungs- und Dokumentationsvorgängen sowie (verdeckten) Kontrollen statt. Auch die Vorgaben zur Gruppenpraxisgründung werden als überzogen restriktiv betrachtet. Hinsichtlich der Kommunikation zeigt sich ein geteiltes Bild. Einerseits wird berichtet, dass es innerhalb der SV-Landschaft zu viele Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gibt und oftmals keine Erreichbarkeit dieser gegeben ist, andererseits wird aber auch von positiven Erfahrungen berichtet. In Summe werden die Entscheidungen der SV als nur bedingt nachvollziehbar beurteilt, wodurch es zu keiner Förderung des Vertrauens kommt. Gemäß Riedler (2014, S. 45-46) wird das Kassensystem als Gesamtes als wenig attraktiv bezeichnet. Poggenburg et al. (2017, S. 29) sehen ebenfalls zu viele Vorgaben seitens der SV als problematisch, während Rabady et al. (2018, S. 85) allgemein gesteigerte Anforderungen an die Dokumentation identifizierten. Als ein Bereich der Zusammenarbeit ist zudem die im nachfolgenden Kapitel behandelte Honorierung zu sehen.

4.4.2 Honorierung

Die SV honoriert die Tätigkeiten der Hausärztinnen und Hausärzte auf Basis von Verträgen (7.2.1). Die identifizierten Studien zeigen Optimierungsbedarf hinsichtlich Honorierung, wobei sich dieser in unterschiedlicher Weise ausdrücken lässt. Riedler (2014, S. 46) sieht die Einkommenschancen generell als wenig attraktiv, geht allerdings nicht näher darauf ein. Hoffmann (2015, S. 370-371) bezeichnet das Einkommen in Relation zum Aufwand als nicht zufriedenstellend, verzichtet allerdings ebenso auf exaktere Ausführungen. Drei weitere Publikationen (Bachler & Bertsch, 2018, S. 6; Böhler et al., 2018, S. 50; Kaiser et al., 2015, S. 21) treffen zunächst ebenfalls unspezifische Aussagen betreffend einer allgemein nicht adäquaten Honorierung, führen später allerdings ein nicht adäquates Verrechnungssystem als eine mögliche Begründung an. Die Kritik am derzeitigen Verrechnungssystem stellt gemäß Nennungen in den Publikationen den Hauptfaktor für eine negative Beeinflussung der Arbeitsbedingungen im Bereich der Honorierung dar. Während Bachler & Bertsch (2018, S. 6) bloß sehr allgemein Unzufriedenheit mit dem Honorierungsmodell skizzieren, führen Böhler et al. (2018, S. 50), Poggenburg et al. (2017, S. 29) und Stigler et al. (2017, S. 52) diese auf zu wenig abrechenbare Leistungen (im Vergleich zu Fachärztinnen und Fachärzten) zurück. Ähnliches kam auch bei einer 2014 durchgeführten Umfrage zum Vorschein, wobei hier als weiterer Aspekt auch die Pro-Patient-Verrechnung negativ beurteilt wurde (Sensor Marktforschung, 2014, S. 30). Kaiser et al. (2015, S. 35;45-47;50) berichten zudem von Frustration in Bezug auf Honorardeckelungen (beispielsweise wird bei ausgewählten Untersuchungen nur eine bestimmte Maximalanzahl an Leistungen je Quartal honoriert), veraltete Leistungskataloge sowie nicht honorierte Zusatzausbildungen. Zusätzlich zu den bisher genannten Aspekten können auch finanzielle Abschläge bei Gruppenpraxen, die Komplexität des Abrechnungssystems sowie ökonomisch nicht rationale Tarifentwicklungen einen negativen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten aufweisen (Rabady et al., 2018, S. 69;114;123-124).

[...]


1 Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit (Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – G-ZG) erlassen wird in der Fassung vom 01.11.2018.

2 Ausbildung gemäß §7 Ärztegesetz 1998 (Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) in der Fassung vom 31.10.2018). Wird International auch unter dem Terminus „Allgemein- und Familienmedizin“ verwendet (Rabady et al., 2018, S. 12).

3 Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG) in der Fassung vom 18.05.2018.

4 Gemeinsamer GV zwischen ÄK einerseits und regional zuständiger GKK, den im Bundesland agierenden BKK sowie der SVB andererseits (HVB, 2017, S. 5).

5 Anmerkung: Mittlerweile gibt es gesetzliche Änderungen hinsichtlich der Möglichkeit der Anstellung von Ärztinnen und Ärzten (siehe dazu Ausführungen unter 5.1).

Ende der Leseprobe aus 154 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten
Hochschule
FH Krems
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
154
Katalognummer
V493504
ISBN (eBook)
9783668974791
ISBN (Buch)
9783668974807
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hausärztin, Hausarzt, Allgemeinmedizin, Primärversorgung, Arbeitsbedingungen, Sozialversicherung, Niederösterreich.
Arbeit zitieren
Lukas Eichinger (Autor:in), 2019, Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausärztinnen und Hausärzten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493504

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