Die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

29 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichtlicher Hintergrund
2.1 Der Aufstieg der Karolinger
2.2 Die Zeit Karls des Großen
2.3 Hofgelehrte und Berater

3. Karolingische Renaissance

4. Baugeschichte
4.1 Die Besiedlung des Gebiets bis zum Baubeginn der Pfalz
4.2 Entstehung der Pfalzkapelle und spätere Umbauten
4.3 Baumeister

5. Baubeschreibung
5.1 Gesamte Pfalzanlage
5.2 Pfalzkapelle
5.2.1 Allgemein
5.2.1 Außenbau
5.2.2 Innenbau

6. Organisation der Pfalz

7. Ausstattung des Baus

8. Funktion und Interpretation des Baus
8.1 Funktion des Baus
8.2 Vorbilder und Intention des Baus

9. Zusammenfassung

10. Literatur

1. Einleitung

Die Königspfalz bildete im Mittelalter eine wichtige Grundlage für die Verwaltung des Reiches und die Herrschaftssicherung. Bereits zu den Zeiten der Merowinger gab es sie, meist in Form von größeren Gutshöfen, über das ganze Frankenreich verteilt. So war es dem König möglich, mit Gefolge in die verschiedenen Regionen seines Reiches zu reisen und eine seinen Ansprüchen angemessene Unterkunft vorzufinden. Traditionell verbrachte der König die Sommermonate im Zeltlager bei seinem Heer und überwinterte in einer der Pfalzen seines Reiches, ohne sich zu weit vom Kriegsschauplatz entfernen zu müssen.

Unter Karl dem Großen wandelte sich die Gestalt der Königspfalz. Die einfachen Gutshöfe wurden zu ausgebauten Pfalzanlagen, die repräsentativen Anlässen gerecht werden konnten. Zentral wichtige Pfalzen bildeten sich heraus. Auf Karl den Großen gehen unter anderem Pfalzbauten in Ingelheim, Nimwegen, Aachen, Frankfurt am Main und Paderborn zurück.

Die Aachener Pfalzanlage nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Sie wurde ab 794 zum festen Sitz des Hofes und zu Karls Residenz, die er ab dem Jahr 806 bis zu seinem Tod 814 kaum noch verließ. Mit ihr begann die Entwicklung vom wandernden Königtum zum Monarchen mit festem Herrschersitz. Ungewöhnlich war nicht nur die monumentale Größe der Anlage und die überwiegende Errichtung der Gebäude aus Stein, sondern auch die verwendeten Bauformen. Statt im in der fränkischen Bautradition weit verbreiteten Typ der Saalkirche wurde die Pfalzkapelle in Form eines überkuppelten Zentralbaus errichtet, der in seiner Größe alle bisherigen Kirchenbauten im Frankenreich übertraf. „Dieser Bau lässt sich aus keiner vorhandenen fränkischen Bautradition ableiten.“ (Jacobsen, Werner: Die Pfalzkonzeptionen Karls des Großen. In: Karl der Große als vielberufener Vorfahr. Hg. L. Saurma-Jeltsch. Sigmaringen 1994. S. 38).

Gegenstand dieser Hausarbeit wird die Frage sein, in welches geschichtliche Umfeld der Bau der Aachener Pfalzkapelle einzuordnen ist, wie sich die gewählte Bauform erklärt, an welchen Vorbildern sie sich orientiert und welche machtpolitischen Intentionen sie zum Ausdruck bringt.

Die Literatur zu diesem Thema ist umfangreich und widerspricht sich teilweise. Dies ist auch auf die lückenhafte Quellenlage zur Geschichte und Kunstgeschichte der Karolinger zurückzuführen, was Raum für viele Meinungen lässt. Günther Binding bezeichnet 1996 die Forschungsliteratur als „umfangreich“, aber „ unzulänglich“. (Binding, Günther: Deutsche Königspfalzen. Darmstadt 1996. S. 72). Diese Arbeit stützt sich auf die im Literaturverzeichnis aufgeführte Literatur, dabei hauptsächlich auf die Publikationen von Günther Binding und Matthias Untermann.

2. Geschichtlicher Hintergrund

2.1 Aufstieg der Karolinger

Die Franken, ein im 3. Jahrhundert vom Norden nach Europa eingewanderter Germanenstamm, wurden seit dem 5. Jahrhundert von dem Geschlecht der Merowinger beherrscht. Dem Merowinger-König Chlodwig I. gelang es, die Frankenstämme in einem Reich zu vereinen. Als einer der ersten Germanen-Herrscher bekannte er sich zum Christentum und ließ sich zwischen 496 und 506 taufen. Diese Entscheidung spielte eine wichtige Rolle in der weiteren Entwicklung der Franken.

Im 7. Jahrhundert begann die Macht der Merowinger aufgrund stetiger, im Erbrecht begründeter Reichsteilungen sowie einer Folge von minderjährigen Thronfolgern zu schwinden. Der Machtverlust des Königs war verbunden mit einem Machtgewinn des Adels. Besonders die „Hausmeier“ (von lat. „maiordomus“) gewannen an Einfluss. Als Träger des höchsten Staatsamtes beaufsichtigten sie den Grundbesitz des Monarchen und führten die Regierungsgeschäfte bei Minderjährigkeit des Thronfolgers. Im Jahr 732 besiegte der Hausmeier Karl Martell, Karls Großvater, die von der iberischen Halbinsel nach Europa vordringenden Araber bei Tours. Dieser Erfolg stärkte und festigte das Ansehen der Hausmeier weiter. Bald lag die eigentliche Macht allein in ihren Händen, dem handlungsunfähigen König blieb nur eine repräsentative Funktion. Einhard, Berater und späterer Biograf Karls, schreibt dazu: „Dem König blieb nichts anderes übrig, als sich mit seinem Titel zu begnügen und mit wallendem Kopfhaar und ungeschnittenem Bart auf dem Thron zu sitzen und den Herrscher zu spielen.“ (Einhard: Vita Karoli Magni. Stuttgart 1981. S.9).

Karls Vater Pippin der Jüngere wagte 751 die Absetzung des letzten merowingischen Königs Childerich III. und ließ sich von den einflussreichsten Vertretern des fränkischen Adels zum König wählen. Zuvor versicherte er sich der Unterstützung des Papstes. Dieser, bedroht durch die von Norden nach Italien vordringenden Langobarden, suchte militärisch starke Verbündete und fand sie in den Franken. Damit wird die Herrschaft der Merowinger beendet, und die Zeit der nach Karl dem Großen benannten Karolinger begann. Die fehlende geburtsrechtliche Legitimation Pippins wurde durch eine Salbung nach alttestamentarischem Ritus ersetzt. Eigens dafür reiste Papst Stephan II im Jahr 754 nach Saint-Denis im Frankenreich. Auch Pippins Söhne Karl und Karlmann wurden zu Königen gesalbt. Der Papst verlieh dem neuen König und seinen Söhnen ebenfalls den Titel eines „Patricius Romanorum“, also eines Schutzherrn Roms.

Zwischen dem römischen Papst und dem byzantinischen Kaiser bestanden erhebliche theologische Differenzen, die sich nach dem Bilderverbot im byzantinischen Reich 754 verschärften. Zudem war Byzanz mit der Verteidigung seiner Grenzen gegen die Angriffe der Sarazenen und Bulgaren beschäftigt. Der Papst war jedoch dringend auf die Unterstützung einer weltlichen Macht angewiesen. Seit den Germaneneinfällen in Italien und der Ernennung Konstantinopels zur Haupt- und Kaiserstadt war Rom an den Rand des Reiches gedrängt. Der Papst galt aber noch im 8. Jahrhundert staatsrechtlich als Untertan des byzantinischen Kaisers und war stets auf eine Festigung seines Machtbereiches und territoriale Eigenständigkeit bedacht. Der Papst verstand sich als oberste Instanz in geistlichen Fragen sowohl für die lateinisch-westliche als auch für die griechisch-byzantinische Christenheit. Es lag in seinem Interesse, möglichst viele noch heidnische Germanenstämme nach dem von ihm vertretenen Glauben zu missionieren, denn so stärkte sich die Reichweite seines Einflusses. Es ist naheliegend, dass er sich an die Franken hielt, die der von ihm praktizierten christlichen Lehre anhingen und auf dem Weg waren, die wichtigste militärische Macht im Mittelmeerraum zu werden.

Pippin begründete sein Königtum nicht wie die bisherigen fränkischen Könige mit der geburtsrechtlichen Legitimation, sondern mit dem Willen Gottes. Durch seine Salbung bekam das Königtum den Charakter eines von Gott gestifteten Amtes, der König galt als von Gott erwählt und machte seine Position unanfechtbar gegenüber Bevölkerung und Adel. Das „Gottesgnadentum“ des Mittelalters, also die Erwählung und somit Legitimation des Monarchen von Gott, fand hier seinen Anfang.[1] „So erhielt das Königtum bis in unsere Tage hinein christlich-sakrale Züge“. (Hägermann, Dieter: Karl der Große. München 2000. S.66).

Der Papst erhielt, wohl als Gegenleistung für seine Unterstützung, Zusagen über Gebietsschenkungen, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in langobardischem Besitz befanden, unter anderem auch die Stadt Ravenna und Teile Mittelitaliens. Diese als die Pippinische Schenkung in die Geschichte eingegangene Zusage begründete den heute noch in Form des Vatikans existierenden Kirchenstaat.

Die Langobarden hatten seit ihrem Einfall in Italien 568 ihren Machtbereich stetig vergrößert und die byzantinischen Gebiete sowie die Gebiete des Papstes auf das Engste zusammengedrängt. Pippin führte 754 und 756 Krieg gegen die Langobarden, die eigentlich traditionell Verbündete der Franken waren. Nach dem Sieg zwang er sie zur Abtretung ihrer letzten Eroberungen, ließ ihr Reich aber bestehen. So konnte er die an den Papst geleisteten Gebietszusagen teilweise einhalten.

2.2 Die Zeit Karls des Großen

Karl der Große wurde, wenn man den Angaben Einhards folgt, im Jahr 742 geboren. Aus Einhards „Vita Karoli Magni“ sind uns Todesjahr und Todesalter des Kaisers bekannt, rechnerisch ergibt sich so das Jahr 742. In den neueren Biografien wird dagegen das Jahr 748 als Geburtsjahr angegeben.[2] Ebenso ist der Ort seiner Geburt umstritten. Karls Bruder Karlmann wurde 3 Jahre nach ihm geboren.

Im Jahr 768 starb Pippin, und nach dem üblichen Erbrecht wurde das Reich unter den beiden Brüdern geteilt. Die Differenzen zwischen Karl und Karlmann waren jedoch groß und zeigten sich deutlich an dem Konflikt in Aquitanien. In dem fränkischen Teilgebiet kam es zu Erhebungen gegen die Eroberer, und Karl entsandte Truppen in das Gebiet. Karlmann verweigerte seinem Bruder die Unterstützung. Der sich androhende Bruderkrieg wurde durch den frühen Tod Karlmanns abgewendet, und Karl brachte unter Umgehung der erbberechtigten Söhne Karlmanns das ganze Reich unter seine Kontrolle. Karlmanns Frau floh mit den beiden Söhnen zum Langobardenkönig Desiderius, der ihnen Schutz gewährte.

Das vorherrschendste Merkmal von Karls Politik sind seine stetigen Expansionsbestrebungen. Es verging kaum ein Sommer, den er nicht für einen Feldzug nutzte. 772 begannen die sich über 32 Jahre hinziehenden Sachsenkriege, die mit der Christianisierung und Eingliederung des germanischen Stammes in das Frankenreich endeten. 774 begann er, auf Drängen des Papstes und gegen großen Widerstand aus den Reihen des fränkischen Adels, seinen Feldzug gegen das langobardische Reich. Nach dem Sieg schickte Karl den Langobardenkönig, dessen Familie und die Familie seines verstorbenen Bruders in ein fränkisches Kloster und ernannte sich selbst zum König der Langobarden.

Zum Osterfest 774 besuchte er zum ersten Mal Rom und wurde dort mit allen Ehren eines „Patricius Romanorum“ empfangen. Die Pippinische Schenkung von 754 wurde erneuert und bekräftigt. Die Zusagen, die Karl dabei an den Papst machte, wurden aber größtenteils nie erfüllt.

Als er 781 ein zweites Mal nach Rom reiste, ließ er dort zwei seiner Söhne, Karlmann und Ludwig, zu Königen salben. Karlmanns Name wurde bei diesem Anlass in den traditionsreichen Namen Pippin geändert, was Karls ältesten, körperlich mißgestalteten Sohn Pippin von der Thronfolge ausschließen sollte.

Es folgten Feldzüge gegen das arabische Spanien und die Awaren sowie die Angliederung Bayerns 788.

Wolfgang Braunfels sieht eine entscheidende Zäsur der Regierungszeit Karls im Jahr 794. Von da an verbrachte er fast jeden Winter in Aachen. War es bisher üblich, dass der Herrscher sich den Sommer über bei seinem Heer aufhielt und den Winter in einer seiner Pfalzen verbrachte, etablierte er nun in Aachen eine feste Residenz, einen Hof. „Er hat sich dort eine Monumentalpfalz erbaut, wie sie vor ihm kein Frankenherrscher besessen hatte und nach ihm keiner mehr vollenden sollte. Er wusste seinem Reich ein neues Zentrum zu geben und hat den Versuch gewagt, von ihm aus eine Zentralverwaltung aufzubauen.“ (Braunfels, Wolfgang: Die Welt der Karolinger und ihre Kunst. München 1968. S.125). Wann er diesen Entschluss gefasst hat, kann nicht genau geklärt werden. Auch über die Gründe für die Wahl Aachens gibt es nur Mutmaßungen: waren es die heißen Thermalquellen, wie Einhard schreibt?[3] Karl soll auch ein begeisterter Jäger gewesen sein, und das große Jagdgebiet der Ardennen liegt in der Nähe von Aachen. Mit der Unterwerfung und Eingliederung der Sachsen rückte Aachen in das Zentrum des Frankenreichs, ein weiterer möglicher Grund für die Wahl. Darüber hinaus kam es dort öfter zu Aufständen und Erhebungen, was eine ständige Anwesenheit des Königs vorteilhaft machte.

Als es 799 in Rom zu Vorwürfen wegen „sittlichen Verfehlungen“ gegen Papst Leo III. kommt, die sich zu einem Aufstand des Adels zuspitzen, flieht dieser zu Karl in die Paderborner Pfalz. Karl fiel die Rolle des Schiedsrichters in dem Konflikt zu, die Zukunft Leos III. als Papst war von seiner Intervention abhängig. Der König schickte den Papst mit einer Delegation, die die Vorwürfe prüfen sollte, zurück nach Rom. Am 24. November 800 traf Karl selbst in Rom ein. Der Papst empfing ihn persönlich am 12. Meilenstein vor der Stadt, eine Ehrerbietung, die sonst nur Kaisern zuteil wurde. Am 1.12. wies Karl die Vorwürfe gegen den Papst zurück und verurteilte die Ankläger zu lebenslangem Exil. Ob es sich tatsächlich um ein Komplott politischer Widersacher handelte, oder ob die Anschuldigungen berechtigt waren, ist ungeklärt.[4] Am 25. Dezember 800 wurde Karl von Papst Leo III. in Sankt Peter zum Kaiser gekrönt.

Über die Motivation der Krönung gibt es viel Unklarheiten. Wollte der Papst dem Frankenkönig die nötige Verfügungsgewalt verleihen, um seine politischen Widersacher zu verurteilen? Als Kaiser war Karl in Rom höchster Richter, hatte uneingeschränkte Herrschaftsrechte. Oder wollte er ein Gegengewicht schaffen zum byzantinischen Kaisertum? Zur großen Irritation des römischen Adels hielt sich dort seit 797 eine Frau in Alleinherrschaft auf dem Thron, die Kaiserin Irene, die darüber hinaus ihren thronberechtigten, einzigen Sohn blenden ließ, um ihn von der Kaiserfolge auszuschließen. Auch unklar ist, ob der Papst und Karl bereits in Paderborn über eine mögliche Kaiserkrönung gesprochen haben, oder erst später. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass Karl nichts von dem Vorhaben Leos gewusst haben soll. Spätestens der kaiserliche Empfang in Rom muss ihm ein Hinweis gewesen sein. Darüber hinaus deutet der strukturierte und sichere Ablauf der Krönung darauf, dass sie abgesprochen und eingeübt worden war.[5] Möglich ist, dass es ein Abkommen zwischen Karl und dem Papst gab, Kaiserkrönung gegen Sicherstellung der schwankenden Position Leos als Papst. Zum ersten Mal nach über 300 Jahren gab es wieder einen weströmischen Kaiser.

In der Chronik des byzantinischen Mönchs Theophanes, verfasst zwischen 810 und 814, heißt es dazu: „Der Papst aber floh zu Karl, dem König der Franken. Dieser rächte ihn schwer an seinen Feinden und setzte ihn wieder auf seinen Thron. Zu der Zeit geriet Rom unter die Herrschaft der Franken. Als Gegenleistung krönte der Papst Karl zum Kaiser der Römer in der Kirche des heiligen Apostels Petrus, indem er ihn von Kopf bis Fuß mit Öl salbte und ihn mit einem kaiserlichen Gewand und einer Krone antat.“ (Theophanes zum Jahr 6289, aus Classen, Peter: Rom und Byzanz. Stuttgart 1959. S. 52). Die Byzantiner empfanden Karls Kaiserkrönung als Anmaßung. Für sie war das „Römische Reich nicht teilbar, und ein nichtrömisches Kaisertum [...] nicht denkbar.“ (Classen, Peter: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Sigmaringen 1985. S. 87). Darüber hinaus galten die Franken als Barbaren und Karl als Barbarenkönig, mit dem man zwar um gutes Auskommen bemüht war, den man aber nicht als gleichberechtigt anerkennen wollte.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Konstantinopel und Rom rissen weitgehend ab. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Byzantinern um Venetien und Dalmatien zwang der andauernde Konflikt mit den Bulgaren den byzantinischen Kaiser Michael zu einer Übereinkunft mit den Franken. 812 erkannte er Karls Kaisertum neben seinem eigenen Kaisertum offiziell an, vermied es jedoch, ihn Kaiser der Römer zu nennen.

Nach Karls Tod 814 und seiner Beisetzung in der Aachener Pfalzkapelle fiel das gesamte Reich an seinen einzigen verbliebenen Erben, Ludwig den Frommen, den Karl zuvor in Aachen zum Mitkaiser gekrönt hatte. 887 wurde der letzte karolingische Kaiser, Karl der Dicke, abgesetzt. Einfälle der Normannen bis nach Aachen führten im Folgenden zum Zerfall des Frankenreichs.

Ein wesentliches Element von Karls Selbstverständnis als Herrscher war seine feste Verankerung im christlichen Glauben. Er definierte sich als Verteidiger der römischen Kirche und Anführer der westlichen Christenheit. Die Missionierung der noch heidnischen Sachsen und anderer germanischer Völker galt ihm als eine von Gott aufgetragene Herrscherpflicht und festigte darüber hinaus seinen Einfluss in den eroberten Gebieten. Sein machtpolitischer Aufstieg erfolgte in der stetigen Auseinandersetzung mit dem römischen Papsttum und dem byzantinischen Kaisertum. Beide beriefen sich in ihrer Herkunft auf das untergegangene Römische Reich und verstanden sich als christliche, von Gott legitimierte Institutionen.

Die fränkische Kirche war eng mit der römischen verbunden. Karl ließ Reformen durchführen, die die fränkische Kirche vereinheitlichen und an dem von Papst Hadrian I. 774 formulierten Kirchenrecht ausrichten sollte.

2.3 Hofgelehrte und Berater

An seinem Hof versammelte Karl Gelehrte aus den verschiedensten Ländern. Das Frankenreich sollte nicht nur politisch, sondern auch kulturell auf das höchste Niveau gebracht werden. Die Diskrepanz zwischen der hochentwickelten Kultur des byzantinischen Reichs und dem Frankenreich war offensichtlich: „Seit das Abendland von den Barbaren erobert worden war, lag das kulturelle Leben in tiefem Verfall, und das galt vor allem für die Regionen, die schon vorher von der kulturellen Erschließung nur in geringerem Umfang erfasst worden waren, insbesondere von den nördlichen Provinzen des Römischen Reiches [...].“ (Boussard, Jacques: Die Entstehung des Abendlandes. Kulturgeschichte der Karolingerzeit. München 1968. S. 127). Die Kenntnis der Schrift hatte sich verloren und wurde im 8. Jahrhundert nur noch in den Klöstern beherrscht. Schulen gab es nicht mehr, nur in den Königspfalzen blieb ein Elementarunterricht erhalten. „Die Epoche der Merowinger fällt mit einem raschen Niedergang des Bildungswesens, der Wissenschaften und der Kunst zusammen.“ (Boussard, Jacques: Die Entstehung des Abendlandes. Kulturgeschichte der Karolingerzeit. München 1968. S. 18). Der Bildungsrückstand insbesondere gegenüber Byzanz sollte nun überwunden werden, um auf jedem Gebiet Ebenbürtigkeit zu erlangen und die Franken als berechtigte und würdige Nachfolger des weströmischen Reiches zu etablieren. Karl wollte das Stigma des Barbarenherrschers ablegen.

Eine der einflussreichsten Persönlichkeiten an Karls Hof war der Universalgelehrte Alkuin von York. Er wurde um 730 in Northumbrien geboren und begegnete dem fränkischen Herrscher 781 in Parma. Daraufhin wurde der Angelsachse an Karls Hof berufen und leitete dort später die Aachener Hofschule. Alkuin war auch engster Berater des Königs in kirchlichen Fragen. Karl nahm nicht nur selbst Unterricht bei ihm, sondern ließ auch seine Söhne und Töchter von ihm unterrichten. Eine besondere Stärke Alkuins soll die Gabe gewesen sein, seinen Schülern komplizierte theologische Sachverhalte mit leicht fassbaren Erklärungen näher zu bringen. Siegfried Epperlein beschreibt Alkuin, angelehnt an die überlieferten Briefe des Gelehrten, so: „Alkuin liebte die Beschaulichkeit. In einem seiner vielen Gedichte lobt er die Stille seiner Klosterzelle: Sie liegt versteckt in einem Hain von Obstbäumen, ringsum Gärten und Vogelsang, drinnen aber ein regelmäßiger Wechsel ernsten Studiums und froher Feier. Was dies gelehrte Stillleben störte, war ihm widerwärtig.“ (Epperlein, Siegfried: Leben am Hofe Karls des Großen. Regensburg 2000. S. 88). Von Alkuin sind Schriften über Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Mathematik und Astronomie erhalten. Im Jahr 804 verstarb er im Kloster St. Martin in Tours, dem er seit 796 als Abt vorstand.

[...]


[1] Hägermann, Dieter: Karl der Große. München 2000. S.66.

[2] Kerner, Max: Karl der Große. Ein Mythos wird entschleiert. Düsseldorf 2004.

[3] Einhard, Vita Karoli Magni. Stuttgart 1981. S. 45.

[4] Die Literatur tendiert eher dazu, die Vorwürfe als berechtigt anzusehen, nennt aber keine sicheren Beweise, u.a. in Classen, Peter: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Sigmaringen 1985. S. 48.

[5] Classen, Peter: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Sigmaringen 1985. S. 76.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,4
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V49320
ISBN (eBook)
9783638458009
ISBN (Buch)
9783638660334
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pfalzkapelle, Karls, Großen, Aachen
Arbeit zitieren
Anja Riedeberger (Autor:in), 2005, Die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49320

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