Kompromissfindung auf dem Weg - Fallstudie zur Richtlinie 2003/87/EG


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALT

1. EINLEITUNG

2. REGELUNGSGEGENSTAND
2.1. Emissionshandel
2.2. Problemdefinition - Klimawandel auf der internationalen Politikagenda
2.3. Problemdefinition - über Rio nach Kyoto
2.4. Problemdefinition - das Kyoto-Protokoll

3. DER ENTSCHEIDUNGSPROZESS
3.1. Agendasetting - von Kyoto nach Europa
3.2. Programmformulierung - vom Grünbuch zum Richtlinienvorschlag
3.3. Programmformulierung - das Europäische Programm zur Klimaänderung
3.4. Programmformulierung - das Grünbuch der Kommission
3.5. Programmformulierung - der Richtlinienvorschlag der Kommission
3.6. Gesetzgebungsverfahren - vom Richtlinienvorschlag zur Richtlinie

4. DIE POSITIONEN DER AKTEURE
4.1. Nationale Ebene - Wirtschaft
4.2. Nationale Ebene - Nichtregierungsorganisationen
4.3. Nationale Ebene - Mitgliedstaaten
4.4. Supranationale Ebene - die EU-Kommission
4.5. Intergouvernementale Ebene - das europäische Parlament
4.6. Intergouvernementale Ebene - der Ministerrat

5. DIE EMISSIONSRICHTLINIE 2003/87/EG
5.1. Resultat
5.2. Die Akteure
5.3. Die Emissions-Zertifikate
5.4. Nationaler Allokationsplan (NAP)
5.5. Überwachung, Berichterstattung und Sanktionen
5.6. Register
5.7. Die flexiblen Kyotomechanismen im EU-EHS:

6. SCHLUSSBETRACHTUNG

7. REFERENZEN

8. ANHANG

TABELLENVERZEICHNIS:

Tabelle 1: Lastenverteilung der Mitgliedstaaten

Tabelle 2: Programmformulierung - Reaktionen auf die Veröffentlichung des Grünbuch

Tabelle 3: Gesetzgebungsverfahren - die Entwicklung des Richtlinienvorschlags

1. EINLEITUNG

Mit der Verabschiedung der Richtlinie 2003/87/EG entscheidet die EU sich für die Installation eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. Dahinter verbirgt sich ein modernes ökonomisches Instrument, mit welchem die Europäische Union den Gefahren des globalen Klimawandels entgegentritt. Dieses ist nach einem zähen Prozess seit dem 01. Januar 2005 in Betrieb. Ziel ist die langfristige Senkung der Treibhausgasemissionen der EU-Staaten in Anlehnung an die vereinbarten Ziele des Kyoto-Protokolls. Das Handelssystem stellt hierfür die wirtschaftlichste und kosteneffizienteste Lösung dar.

In der vorliegenden Fallstudie werden Regelungsgegenstand, Entstehungsprozess sowie Positionen der beteiligten Akteure der so genannten „Emissionsrichtlinie“ untersucht. Vom Erlass der Richtlinie im Oktober 2003 bis zum Start des Systems im Januar 2005 sind unter anderem mit Erlass der so genannten „Linking-Directive“[1] weitere feinjustierende Schritte vollzogen worden, welche den Prozess jedoch nicht grundlegend umgekehrt haben, gleichwohl für die Implementation des Systems aber von Bedeutung sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auf diese Folgerichtlinien und Entscheidungen nicht eingegangen. Der Autor verweist vor diesem Hintergrund auf die vorhandene Literatur.

Zunächst stellt Kapitel 2 das Instrument Emissionshandel (2.1.) vor, um danach auf den politischen Entwicklungsprozess der internationalen Klimapolitik seit Anfang der 1990er Jahre und somit die Problemdefinition einzugehen (2.2. - 2.4.). Dies ist notwendig, um den Diskurs um die Errichtung eines europäischen Emissionshandelssystems nachvollziehen zu können. In Kapitel 3 wird der Weg der auf internationaler Ebene getroffenen Vereinbarungen auf die Agenda der EU begleitet (3.1.). Anschließend wird der Policy-Zyklus vom Agendasetting (3.2.) bis zum Gesetzgebungsverfahren (3.6.) dargestellt. Die Phase der Implementation wird aus oben genannten Gründen nicht behandelt; die Phase der Evaluation kann derweil noch nicht untersucht werden - sie ist für April 2006 angesetzt. Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Akteuren des Prozesses. Trotz der Arena „Mehrebenensystem Europa“ steht die Bundesrepublik Deutschland hierbei im Blickpunkt der Untersuchung. Abschnitt 4.1. beschreibt die Position der Wirtschaftlobby, Abschnitt 4.2. die der Nichtregierungsorganisationen. Der nationale Konflikt innerhalb der Bundesrepublik wird von Abschnitt 4.3. wiedergegeben - die Standpunkte der Mitgliedstaaten werden hingegen nur angerissen. Die supranationale und intergouvernementale Ebene finden in den Abschnitten 4.4. bis 4.6. Berücksichtigung. Das Kapitel 5 stellt dann das Ergebnis des Prozesses vor - die Richtlinie 2003/87/EG. Unter 5.1. bis 5.7. werden kurz die fundamentalen Bestandteile der Richtlinie erläutert.

2. REGELUNGSGEGENSTAND

2.1. Emissionshandel

Der Emissionshandel[2] ist kein Instrument zur direkten Verbesserung der Umwelt. Vielmehr ermöglicht er die kosteneffiziente Umsetzung umweltpolitischer Ziele durch die Regulierung der sich auf dem Markt befindliche Menge an Emissionen. Damit nimmt die EU auf umweltpolitischer Ebene Abstand von ordnungspolitischen und wendet sich marktorientierten Instrumenten zu. Die Idee ist, die gesamt zulässige Menge an Emissionen zu begrenzen und Lizenzen für die Berechtigung zur Treibhausemission einer bestimmten Menge auszugeben. Ein solches System wird auch cap-and-trade System genannt, wobei cap den Deckel der Emissionsmenge bezeichnet, also die Obergrenze der zulässigen Gesamtemissionen. (Lafeld 2003, S. 44ff sowie Kerr 2000, S. 12ff). Mit dem Erwerb einer Lizenz erwirbt der Käufer das Recht, eine Einheit des bestimmten Emissionsgases zu emittieren. Durch den Handel der Lizenzen wird ein Markt geschaffen, auf dem sich ein Preis für die Lizenzen bildet. Somit erhält der Faktor Emission einen Wert und ein triftiger Grund für die Verschmutzung der Umwelt fällt weg. Mit der Privatisierung des Gutes Umwelt entfällt zudem der öffentliche Charakter, was zwangsläufig zu Verknappungseffekten führt. Diese werden zudem durch die fortschreitende Verknappung der gesamt zulässigen Emissionsmenge erreicht. Daraus resultierende Preiserhöhungen sind ein Anreiz für die Investition in kosteneffiziente Technologie, von deren Einsatz die Umwelt profitiert. Der Handel bietet generell diverse Vorteile, welche wie über die Effizienzkriterien hinausgehen. Von der politischen Warte aus betrachtet bietet der Handel den Vorteil, dass die zwischenstaatlichen Verhandlungen um Emissionsreduktionsziele und der effizienteste Weg zur Erreichung dieser getrennt angegangen werden können. Denn: Handelsplätze mit Erfolg versprechendem Reduktionspotential sind nicht gleichbedeutend mit erfolgreicher Finanzierung und Implementation.

Insgesamt stellt die Nutzung von Handel, insbesondere auf rechtlich legitimierter Basis, eine Verbreiterung der direkt am Prozess beteiligten Akteure dar. Letztlich wird dadurch die Anstrengung zur erfolgreichen Umsetzung der Ziele durch eine Vielzahl von Teilhabern verbessert (Information, Innovation, Unternehmerenergie). Auch werden diese bei eigener Anstrengung ein Auge auf das Engagement der anderen Marktteilnehmer haben - somit zur Überwachung des Systems beitragen. (Kerr 2000, S 17.) Dieses wird zudem durch ein Sanktionsregime reguliert. Das Europäische Emissionshandelssystem (EU-EHS) und das internationale Emissionshandelssystem unter Kyoto arbeiten nach diesem Schema.

2.2. Problemdefinition - Klimawandel auf der internationalen Politikagenda

Die klimapolitischen Probleme sind nicht neu, wohl aber in ihrer Dimension in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stark angeschwollen. Folgen des anthropogenen[3] Klimawandels sind unter anderem dem stetigen Anstieg der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen (THGs) geschuldet. Forscher des IPCC[4] kommen Anfang der 1990er Jahre zu dem Schluss, dass bei konstanter THG-Emissionsmenge Ende des 21. Jahrhunderts neben einer Temperaturerhöhung zwischen 1,5° - 4,5° C ein Anstieg des Meeresspiegels um 70-100 cm zu verzeichnen wäre. (vgl. IPCC 1990 sowie Dutschke / Michaelowa 1998)

2.3. Problemdefinition - über Rio nach Kyoto

Aufgrund der steigenden Relevanz der Problematik rückte das Thema Klimaschutz Anfang der 1990er Jahre auf die internationale Agenda. Da das Klima auf Maßnahmen zur Emissionsreduktion versetzt reagiert (European Environmental Agency 1996) ist für die Politik schnelles Handeln nicht nur höchstes Gebot, sondern auch eine große Chance. Denn: Durch rasche Inangriffnahme der Problematik können sowohl auf politischer als auch auf Handlungsebene bereits Maßnahmen ergriffen werden, bevor das Thema zunehmend öffentlich wahrgenommen und der Handlungsspielraum für die Politik somit enger wird (ebd.). Aus diesem Grund entschloss sich die Staatengemeinschaft auf UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 dazu, eine Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) zu verabschieden. Sie markiert einen Meilenstein des internationalen Prozesses zum Schutz des Erdklimas (vgl. Kerr 2000). Ziel ist es „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau zu erreichen, (...) dass sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann“ (Bundesregierung 2005). Nach dem Inkrafttreten der Konvention 1994 fanden seit 1995 jährliche Klimaschutzkonferenzen statt. Auf diesen Vertragsstaatenkonferenzen (Conference of the Parties COP) sollten juristische Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung erarbeitet werden.

2.4. Problemdefinition - das Kyoto-Protokoll

Im Jahre 1997 wurde diesbezüglich ein Fortschritt erzielt: Auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz (COP 3) im japanischen Kyoto wurde ein Protokoll zur Klimarahmenkonvention verabschiedet - das so genannte Kyoto-Protokoll (FCCC 1997) . Mit dieser völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung verpflichten sich die jeweiligen Staaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen bis 2012. In der Anfangsphase zwischen 2008 und 2012 soll eine Reduktion der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/ HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/ PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6) von mindestens 5 % gegenüber dem Niveau von 1990 erreicht werden. Als Sektoren oder Gruppen von Quellen der Emissionen sind unter anderem Energiegewinnung, Verkehr, Emissionen aus Brennstoffen, Produktionsprozesse, Chemische Industrie, Metallerzeugung, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft genannt. Im Protokoll sind aufgrund der differenzierenden Kohlendioxid-Emissionsmengen für jedes Land spezifisch errechnete Reduktionspotentiale aufgeführt. Weitere Zielsetzungen, welche die Vertragsstaaten sich im Kyoto-Protokoll setzen sind die

- „Verbesserung der Energieeffizienz in maßgeblichen Bereichen der Volkswirtschaft,
- (…)Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftungsmethoden, Aufforstung und Wiederaufforstung,
- Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsformen unter Berücksichtigung von Überlegungen zu Klimaänderungen,
- Erforschung und Förderung, Entwicklung und vermehrte Nutzung von neuen und erneuerbaren Energieformen, von Technologien zur Bindung von Kohlendioxid und von fortschrittlichen und innovativen umweltverträglichen Technologien,
- fortschreitende Verringerung oder schrittweise Abschaffung von Marktverzerrungen, steuerlichen Anreizen, Steuer- und Abgabenbefreiungen und Subventionen, die im Widerspruch zum Ziel des Übereinkommens stehen, in allen Treibhausgase verursachenden Sektoren und Anwendung von Marktinstrumenten,
- Ermutigung zu geeigneten Reformen in maßgeblichen Bereichen mit dem Ziel, Politiken und Maßnahmen zur Begrenzung oder Reduktion von Emissionen von nicht durch das Montrealer Protokoll geregelten Treibhausgasen zu fördern,
- Maßnahmen zur Begrenzung oder Reduktion von Emissionen der Treibhausgase des Verkehrsbereiches, die nicht durch das Montrealer Protokoll geregelt sind,
- Begrenzung oder Reduktion von Methan-Emissionen durch Rückgewinnung und Nutzung im Bereich der Abfallwirtschaft sowie bei Gewinnung, Beförderung und Verteilung von Energie“ (Bundesregierung 2005)

Das Protokoll benötigt zum Inkrafttreten die Ratifizierung durch 55 Staaten, welche gemeinsam über 55 % der Emissionen (bezogen auf 1990) verursachen. Mit der Ratifizierung Russlands im Herbst 2004 ist dieser Fall eingetreten und das Kyoto-Protokoll ist mit dem 16.02.2005 in Kraft getreten.

Neben der angegebenen Gasreduktion und dem mehrjährigen Laufzeit verfügt das Kyoto-Protokoll über weitere Elemente zur Erreichung der Emissionsreduktionen, die so genannten flexiblen Mechanismen (vgl. hierzu auch Dutschke/Michaelowa 1998, Müller-Pelzer 2004) Hierunter fallen marktwirtschaftlichen Instrumente, welche es den Annex-B[5] Staaten erlauben, einen Teil ihrer Verpflichtungsziele durch Aktivitäten in anderen Ländern oder durch den Emissionshandel zu erreichen. Neben dem Emissionshandel (vgl. 2.1.) und der Bildung von Zielgemeinschaften (vgl. 3.1.) sind dies die Mechanismen des Joint Implementation (JI) und der Clean Development Mechanism (CDM). Sie ermöglichen es den Annex-B Staaten, emissionsreduzierende Investitionen in Drittländern zu unternehmen, um diese ihren eigenen Emissionszielen anzurechnen. Dabei deckt der CDM Projekte in Ländern ohne Kyoto-Emissionsziel - in der Regel Entwicklungsländer - ab. Ab dem Jahr 2000 sind Reduktionen anrechenbar, die Anrechnung erfolgt in so genannten certified emission reductions (CERs). In Ländern, welche einem Emissionsziel zugestimmt haben, findet JI Anwendung. Darunter befinden sich Industrie- oder Schwellenländer. Die Anrechnung erfolgt über Einheiten namens emission reduction units (ERUs) mit Beginn der ersten Kyotophase 2008.

3. DER ENTSCHEIDUNGSPROZESS

3.1. Agendasetting - von Kyoto nach Europa

Dass der Erfolg der Emissionsreduktion in den flexiblen Kyoto-Mechanismen liegt, zeigt sich am Beispiel der Europäischen Union in zweierlei Hinsicht:

Zum Zweck der Erreichung der Reduktionsziele hat die EU erstens eine Zielgemeinschaft gebildet und verteilt so die Reduktionslast unterschiedlich auf ihre Mitglieder. Ohne diese Maßnahme würde in der Summe anstatt der Reduktion der Treibhausgasemissionen von 8% eine Zunahme um 1% bis 2012 vorliegen - eine Blamage für den Vorreiter der internationalen Klimaschutzpolitik (Schaffhausen 2002, S. 563). Tabelle 1 zeigt die Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten.

Tabelle 1: Lastenverteilung der Mitgliedstaaten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: European Environment Agency 2000 )

Der Vorteil des so genannten burden sharing[6] liegt in der Nutzung der in hinsichtlich der Emissionsreduktion höher entwickelten Ländern vorherrschenden technischen Niveaustufen. Deutschland hat beispielsweise im Rahmen der Neustrukturierung der DDR-Industrie bereits großflächig moderne Technik zur Emissionsreduktion in Betrieb genommen, so dass das Kyoto-Ziel bereits fast vollständig (19%) erreicht wurde. Portugal dahingegen würde ohne die europäische Zielgemeinschaft seinen Kyoto-Verpflichtungen kaum nachkommen können - die industrielle Infrastruktur des Landes ist total veraltet. Es kann seinen Ausstoß daher im Rahmen der Vereinbarung um 27% erhöhen. Somit werden EU-weit Reduktionsziele vergeben, welche gesamt ein Kyoto-Reduktionspotential der EU von 8% ergeben. Zum zweiten wird der im Kyoto-Protokoll verankerte Emissionshandel auf EU-Ebene in ebendieser Zielgemeinschaft eingeführt.

Anfänglich allerdings unterstütze die EU die flexiblen Mechanismen bei den internationalen Verhandlungen nicht. Grund hierfür war ein ideologischer Konflikt, der in den ersten Jahren der internationalen Klimapolitik ausbrach. Interessanterweise waren es die USA, die die Vorreiterrolle bezüglich Effizienz und Marktinstrumenten einnahmen, während die EU harmonische Ansätze verfolgte - die Europäer waren der Ansicht, Reduktionsmaßnahmen sollten „zu Hause“ stattfinden. Erst nach Kyoto besonn sich die EU und wandte sich dem Emissionshandel zu (Michaelowa / Butzengeiger 2004, S. 116). Gründe für die Kehrtwende sind unter anderem im Scheitern der sechsten Vertragsstaatenkonferenz des UNFCCC Ende 2000 in Den Haag und in der Verweigerung des US-Präsidenten Bush, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, zu suchen. Die EU kam zu der Einsicht, dass ohne die Einbeziehung flexibler ökonomischer Mechanismen das Kyoto-Protokoll zum Scheitern verurteilt sei (ebd.)

3.2. Programmformulierung - vom Grünbuch zum Richtlinienvorschlag

Die Phase des Drafting[7] wurde klar von der Kommission dominiert. Um die Zielsetzungen des Kyoto-Protokoll auf europäischer Ebene erreichen zu können, sprach sich die EU für die Maßnahme der Lastenverteilung in einer Zielgemeinschaft aus (vgl.3.1.). Daneben startete sie im März 2000 zwei Initiativen, um die Reduktion von THGs in der EU möglichst schnell zu realisieren. Erstens wurde das Europäische Programm zur Klimaänderung (ECCP) ausgerufen, welches generell Maßnahmen und Strategien zur Emissionsreduktion in der EU ausarbeiten sollte. Zweitens wurde mit dem Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM 2000/87/endgültig) der Aufbau eines EU-internen Emissionshandelssystems gefordert.

3.3. Programmformulierung - das Europäische Programm zur Klimaänderung

Mit dem Europäischen Programm zur Klimaänderung (ECCP) versuchte die Kommission sämtliche relevante Interessengruppen in die Vorarbeit zur Erstellung einer Politik der THG-Emissions-Reduktion auf europäischer Ebene einzubinden. (KOM 2000/88 S: 6) In der Mitteilung der Kommission an Rat und Parlament heißt es im März 2000: Zielsetzung des ECCP ist es, „ alle Elemente einer europäischen Strategie für die Klimaänderung zu ermitteln und zu entwickeln, die zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls erforderlich sind. Dazu werden die Emissionsminderung durch Politiken und Maßnahmen sowie die flexiblen Instrumente, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer, Forschung und Beobachtung sowie Ausbildung und Aufklärung gehören. Im Rahmen einer gemeinsamen Anstrengung aller betroffenen Interessengruppen, z.B. Vertreter der Kommission, der Mitgliedstaaten, der Industrie und der NRO sollen im Rahmen des Programms Vorarbeiten durchgeführt werden, damit die Kommission dem Rat und dem Parlament zu gegebener Zeit konkrete politische Vorschläge unterbreiten kann.“ (KOM 2000/88/ Anhang 2) Das ECCP unterteilte sich in verschiedene Arbeitsgruppen und war auf 12 Monate angelegt. Im Juni 2001 lag der Abschlussbericht (ECCP 2001) vor. Darin wird angeführt, dass auf EU-Ebene rund 42 Maßnahmen zur Reduktion von CO2 mit dem doppelten Volumen der Kyoto-Zielsetzung möglich sind. Insbesondere führt der Bericht einen europaweiten Emissionshandel, die Förderung regenerativer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden, die Entwicklung von Effizienzstandards von Geräten und für das Energieverbrauchsmanagement sowie die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung als strategische Maßnahmen an (vgl. ECCP 2001, S. 159ff). Auf Basis dieses Berichtes legte die Kommission die Mitteilung über die Durchführung der ersten Phase des Europäischen Programms zur Klimaänderung (KOM (2001) 580) vor, welche im Oktober des Jahres 2001 als Grundlage für den Richtlinienvorschlag diente.

3.4. Programmformulierung - das Grünbuch der Kommission

Das Grünbuch zum Handel mit Treibhausemissionen in der Europäischen Union (KOM 2000/87) war der Grundstein der europaweiten Debatte über den Handel mit THG-Emissionen in der EU. Darin wird der Emissionshandel als flexibles Kyoto-Instrument dargestellt sowie bereits detailliert auf Lastenverteilung und distributive Ausgestaltung des Handels eingegangen. Verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung und Form des Handels werden diskutiert. Das Grünbuch liefert daher einerseits eine Diskussionsgrundlage für den Diskurs, andererseits stellt es eine Argumentationsgrundlage pro Emissionshandel dar (KOM IP/00/232). Hauptargumente der Kommission für die Installation des Systems sind der sich bildende einheitliche Preis, der Schutz des Binnenmarktes und die Einhaltung des Wettbewerbs. Zudem würden sich die Kosten der Kyoto Verpflichtungen durch die gemeinschaftliche Ausrichtung des Handels erheblich senken. Hinsichtlich der Wirksamkeit empfiehlt die Kommission die Installation von Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen. Als legislative Grundlage der Reichweite des Systems nennt das Grünbuch die Richtlinie zur Integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung 1996/61/EG[8] (KOM 2000/87).

[...]


[1] Richtlinie 2004/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004, veröffentlicht in ABL L 2004/338 S. 18

[2] Eine ausführliche Behandlung des Themas Emissionshandel findet sich bei Lafeld 2003.

[3] In der Dekade 1980-1990 stieg der globale Treibhausgas-Ausstoß allein um 15% an. Daraus resultierende Folgen für das globale Klima sowie weitere Angaben zum Klimawandel und seinen Folgen sind detailliert aufgeführt bei „Der kontinuierliche Temperaturanstieg innerhalb der letzten 50 Jahre lässt sich sehr wahrscheinlich auf den vom Menschen verursachten Ausstoß verschiedener Treibhausgase zurückführen.“ (Lafeld 2003, S. 5)

[4] Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist ein Ausschuss aller bedeutenden

Wissenschaftler im Bereich der Klimaforschung. Nähere Informationen sind erhältlich unter www.IPPC.ch

[5] Der Annex-B des Protokolls führt die Staaten auf, welche Reduktionsverpflichtungen eingegangen sind. Diese sind hauptsächlich Industrie- und Transformationsländer. (Vgl. FCCC 1997 Anhang B)

[6] “Burden sharing: Reallocation of a bubble target among the member states of the bubble. The EU has done a burden sharing in 1998 that allows Portugal to increase its emissions by 27% while Denmark and Germany have to reduce emissions by 21%.” (Michaelowa 2001)

[7] Drafting meint die Ausarbeitung von Regelungsentwürfen, vgl. Knill 2003, S. 110

[8] Diese musste mit Erlass der Emissionsrichtlinie geändert werden; für die spezifischen Änderungen vgl. Richtlinie 2003/87/EG

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Kompromissfindung auf dem Weg - Fallstudie zur Richtlinie 2003/87/EG
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Europäische Umweltpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
33
Katalognummer
V49291
ISBN (eBook)
9783638457774
Dateigröße
927 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kompromissfindung, Fallstudie, Richtlinie, Europäische, Umweltpolitik
Arbeit zitieren
Björn Dransfeld (Autor:in), 2005, Kompromissfindung auf dem Weg - Fallstudie zur Richtlinie 2003/87/EG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49291

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