Diskursanalyse. Konstruktion von Angst durch Massenmedien


Hausarbeit, 2018

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 THEORIE
2.1 DISKURSTHEORIE (NACH FOUCAULT)
2.2 WISSENSSOZIOLOGISCHE DISKURSANALYSE

3 METHODISCHES VORGEHEN
3.1 METHODE DER WISSENSSOZIOLOGISCHEN DISKURSANALYSE
3.2 MATERIAL- UND DATENAUSWAHL
3.3 HYPOTHESEN
3.4 STRUKTURANALYSE
3.5 MAXQDA UND DIE BILDUNG DES KATEGORIENSYSTEMS

4 ERGEBNISSE
4.1 ZEITUNGSUNABHÄNGIGE ERGEBNISSE
4.1.1 Objekte und Ursachen von Angst
4.1.2 Wer hat Angst oder bekommt Angst zugeschrieben – von wem?
4.1.3 Wer hat keine Angst oder bekommt keine Angst zugeschrieben – von wem?
4.2 ZEITUNGSABHÄNGIGE ERGEBNISSE

5 ANALYSE
5.1 ZEITUNGSUNABHÄNGIGE ERGEBNISSE
5.2 ZEITUNGSABHÄNGIGE ERGEBNISSE

6 FAZIT UND AUSBLICK

7 ANHANG: MATERIALIEN (DATEN)
7.1 ZEITUNGSARTIKEL (ALPHABETISCH GEORDNET, GRUPPIERT NACH ZEITUNGEN)
7.2 MAXQDA. ÜBERSICHT GESAMTES CODESYSTEM NACH DOKUMENTGRUPPEN
7.3 ERGEBNIS DER LEXIKALISCHEN SUCHE (SORTIERT NACH DOKUMENT)

8 LITERATURVERZEICHNIS

1 Einleitung

Im Laufe der letzten Jahre haben sich terroristische Anschläge gehäuft – dies gilt insbesondere für die Anschläge des sogenannten „islamischen Staates“ auf den europäischen Kontinent. Ausgehend von den Ereignissen der terroristischen Anschläge und ihrer medialen Aufarbeitung befasst sich diese Arbeit mit Angstdiskursen in den Massenmedien. Die Terroranschläge von Paris im November 2015 stellen den verheerendsten Anschlag in Europa seit 2004 dar und erfuhren daher die größte mediale Aufmerksamkeit. Daher soll die Anschlagsreihe in dieser Arbeit genauer analysiert werden. Sie stellen hierbei das zu untersuchende Diskursereignis dar, von welchem angenommen wird, dass es einen strukturierenden Einfluss auf den Angstdiskurs ausübt. Die zentrale Frage dieser Arbeit lautet, ob (bzw. wie) Angst im institutionellen Feld der Massenmedien konstruiert wird.

Grundlage der Untersuchung stellt die Diskurstheorie dar, durch welche sich die Wahl der wis- senssoziologischen Diskursanalyse für das methodische Vorgehen erschließt. Betrachtet wird der Zeitraum vom 13.11.2015, an dem die ersten Anschläge begangen wurden, bis eine Woche danach, dem 20.11.2015. Die Analyse basiert auf je einem Artikel pro Tag für sechs zuvor ausgewählte Online-Medien, welche verschiedener politischer Ausrichtungen zuzuordnen sind. Bezüglich der Methode wird eine Strukturanalyse der Texte durchgeführt und anschließend das Codierungsprogramm MAXQDA verwendet, um eine Untersuchung anhand eines vorher ent- wickelten Kategoriensystems durchzuführen. Der Fokus liegt hierbei auf den in den Texten enthaltenen Angstdiskursen. Anschließend werden die Ergebnisse der vorgenommenen Ana- lyse dargelegt. Hierauf folgt eine Analyse der vorliegenden Ergebnisse mit Interpretation der Befunde sowie einer Rückbindung zur Fragestellung, ob Massenmedien zur Konstruktion von Angst beitragen.

2 Theorie

Den theoretischen Hintergrund dieser Arbeit stellt die Diskurstheorie nach Foucault dar. Diese wird im Folgenden erläutert. Im nächsten Unterkapitel folgt die Vorstellung der hierauf auf- bauenden Wissenssoziologischen Diskursanalyse.

2.1 Diskurstheorie (nach Foucault)

Die Diskursanalyse ist eine Forschungsperspektive mit dem Ziel der Analyse von Diskursen. Foucault zufolge handelt es sich bei dem „Diskurs“ um eine übersituative und überindividuelle Praxis der Produktion von Wissen und Sinn – was Foucault durch die Nutzung des Begriffes der „diskursiven Praxis“ hervorhebt (vgl. Diaz-Bone 2006, S.8f.; Traue et. al. 2014, S.494).

Diskurse leiten als überindividuelle Wissensbestände die Deutungsprozesse der Einzelnen an (vgl. Traue et. al. 2014, S.499). Bei einem Diskurs handelt es sich um „eine Menge von an unterschiedlichen Stellen erscheinenden, verstreuten Aussagen, die nach demselben Muster o- der Regelsystem gebildet worden sind, deswegen demselben Diskurs zugerechnet werden kön- nen und ihre Gegenstände konstituieren. Aufgabe des Diskursanalytikers ist die Rekonstruktion dieses Regelsystems“ (Keller 2011a, S.46).

Eine „Äußerung“ bezieht sich auf das konkrete, einmalige Aussageereignis. Eine „Aussage“ hingegen bezieht sich bereits auf etwas Typisches bzw. Typisierbares. Ein und dieselbe Aus- sage kann in verschiedenen Äußerungen verborgen sein (vgl. Keller 2011b, S.235f.). „‘Aussa- gen‘ sind nicht einfach Sätze, sondern tatsächlich sich ereignende ‚seriöse Sprechakte‘“ (Diaz- Bone 2009, S.9). Diese werden im Diskurs ermöglicht und erzielen Wirkungen bzw. Machtef- fekte. Der Diskurs ist genauer betrachtet ein System von Aussagen, in welchem die themati- sierten Sachverhalte als Wissenselemente hervorgebracht werden (vgl. ebd.). Die Aussagen sind hierbei von ihrer Ereignishaftigkeit gekennzeichnet – jede von ihnen ist einmalig. „Denn ein und dieselbe Aussage kann nicht einfach wiederholt werden. Selbst wenn eine Aussage wortwörtlich wiederholt würde, wäre sie doch nicht dieselbe Aussage wie beim ersten Mal. Der Informationswert wäre ein anderer, der Effekt der Aussage im Diskurs wäre ein anderer, die Situation hätte sich verändert etc.“ (ebd., S.10). Das Aussagensystem ist somit ein „Ermögli- chungszusammenhang“ für jede einzelne Aussage – während der Fluss der Aussagen die Re- gelhaftigkeit des Diskurses herstellt (vgl. ebd., S.9).

Der Diskurs übt eine zentrale, machtvolle Wirkung aus. Dies liegt in seinem Wahrheitseffekt begründet. Die „Ordnung des Diskurses“ bestimmt darüber, welche Aussagen in seinem Rah- men akzeptabel sind, beziehungsweise einen Wahrheitswert aufweisen (vgl. Traue et. al. 2014, S.499). Der Diskurs bestimmt somit, was kommunizierbar ist (vgl. Ullrich 2008, S.27). „Nicht alles, was sich sagen ließe, wird gesagt; und nicht überall kann alles gesagt werden“ (Keller 2011a, S.46). Über das Gesagte und Geschriebene hinaus gehört auch das zum Diskursbegriff, „was zu sagen und zu schreiben nicht erwünscht und erlaubt ist, sowie auch all das durch Nicht- thematisierung überhaupt Undenk- und Unsagbare“ (Ullrich 2008, S.22).

Diskurse bilden außerdem systematisch die Gegenstände, von denen sie sprechen, da die Kom- munikation bzw. Sprache (sprich: der Diskurs) die Realitätsdefinitionen der Menschen be- stimmt, was wiederum die in einer Gesellschaft vorhandenen Machtstrukturen beeinflusst (vgl. Ullrich 2008, S.21; Keller 2011a, S.47). Dies macht Diskurse auch zum Gegenstand und Anlass von Prozessen der Transformation (vgl. Traue et. al. 2014, S.494).

Die diskurstheoretische Untersuchung erfolgt durch die Analyse von Konstellationen von Äu- ßerungen und zwischen Diskursbeiträgen vorherrschender Beziehungen, sowie Anschlussdis- kursen (vgl. Ullrich 2008, S.21).

Foucault unterscheidet vier „Grundmomente“ von Diskursen: die Gegenstände, Äußerungsmo- dalitäten (bzw. Subjektpositionen), die Begriffe und die benutzten Strategien (vgl. Keller 2011a, S.47; Parr 2014, S.234). Bei den Begriffen und Objekten handelt es sich um vordiskur- sive Sachverhalte, da sie ihre Bedeutung erst dadurch erlangen, „dass im Diskurs Konzepte aufeinander bezogen, umschrieben und gebraucht werden“ (Diaz-Bone 2006, S.9).

Gegenstand eines Diskurses ist das, worauf der Diskurs verweist, „bzw. welches durch den Diskurs als außerhalb des Diskurses stehend rekonstruiert wird“ (Traue et. al. 2014, S.498). Im Diskurs kann auch „Unsichtbares“ thematisiert und somit zum Diskurs-Gegenstand werden. Bei der Untersuchung der Gegenstände werden die Regeln ihres Auftauchens untersucht und gefragt, nach welchen Regeln die Gegenstände gebildet werden, von denen die Diskurse spre- chen (vgl. ebd.; Keller 2011a, S.47).

Hierfür ist es somit wichtig, die Art und Weise der Gegenstandskonstruktion – die Äußerungs- formen – zu rekonstruieren. Hierzu gehören beispielsweise Beschreibungen, Narrationen und Klassifikationen sowie die Verbindung zwischen ihnen (vgl. Traue et. al. 2014, S.498f.). Es wird danach gefragt, wer der legitime Sprecher ist und von welcher Position aus über einen Diskursgegenstand gesprochen wird (vgl. Keller 2011a, S.47).

Die Begriffe erfüllen die Funktion, die Gegenstände miteinander zu verknüpfen und miteinan- der ins Verhältnis zu setzen. Hierfür wird der thematische und strategische Zusammenhang untersucht, in welchem ein Begriff verwendet wird – sowie sein Wandel (vgl. Traue et. al. 2014, S.499). Hierbei wird nach den Regeln gefragt, die den Aussagen zugrunde liegen, zum Beispiel mit der Frage wie Textelemente miteinander verbunden werden (vgl. Keller 2011a, S.47f.). Strategien beziehen sich auf die Absichten, die Akteure mit einer Aussage verfolgen. Im Dis- kurs umfassen Strategien alles, was Akteure bzw. Akteursgruppen (un)absichtlich anstreben. Insbesondere Umbrüche und Wendepunkte können hier von besonderem Einfluss sein (vgl. Traue et. al. 2014, S.499).

So wie Diskurse generell einen Wahrheitseffekt haben und die Realität strukturieren, geht diese Macht auch von den Massenmedien aus. Massenmedien haben heute eine besondere Stellung inne, da sie ad hoc immer und überall verfügbar sind und somit einen starken Einfluss auf die zentrale Berichterstattung und die Informationsvermittlung über das Weltgeschehen haben. Medien fungieren jedoch nicht nur als Vermittlungsinstanzen, sondern sie bringen hierdurch Diskurse hervor und konstruieren somit die Wirklichkeit. Es handelt es sich somit um öffentli- che Diskurse: Ein öffentlicher Diskurs bezeichnet einen „Diskurs mit allgemeiner Publikums- orientierung in der massenmedial vermittelten Öffentlichkeit“ (Keller 2011a, S.68). Daher stel- len die Massenmedien den Untersuchungsgegenstand in dieser Forschungsarbeit dar.

2.2 Wissenssoziologische Diskursanalyse

Die Wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) stellt eine Perspektive der Diskursforschung dar, welche die wissenssoziologischen Theorieansätze nach Berger und Luckmann mit Foucaults Diskurstheorie verbindet (vgl. Keller 2011a, S.58; Keller 2011b, S.187; Traue et. al. 2014, S.497).

Den zugrundeliegenden Traditionen liegt jeweils die Annahme zugrunde, „dass alles, was wir wahrnehmen, erfahren, spüren, über sozial konstruiertes, typisiertes, in unterschiedlichen Gra- den als legitim anerkanntes und objektiviertes Wissen (Bedeutungs- und Handlungsschemata) vermittelt wird“ (Keller 2011a, S.58f.). Dieses Weltwissen ist auf gesellschaftlich hergestellte symbolische Systeme oder Ordnungen zurückzuführen, welche in und durch Diskurse produ- ziert werden (vgl. ebd., S.59). „Die ‚diskursive Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit‘ vollzieht sich […] in Prozessen intersubjektiv und medial vermittelter Kommunikation“ (Traue et. al. 2014, S.497). Das Ziel bzw. der Forschungsgegenstand der WDA ist die Analyse der Entwicklung gesellschaftlicher Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken bzw. die Analyse der interaktiven-kommunikativen und medialen Konstruktion des diskursiven Wissens (vgl. ebd.; Keller 2011b, S.193).

Den Beobachtungsgegenstand stellen die Prozesse und Praktiken der Produktion und Zirkula- tion von Wissen dar – auf der Ebene der institutionellen Felder der Gegenwartsgesellschaften, wozu beispielsweise die Wissenschaften und die (massenmediale) Öffentlichkeit gehören (vgl. Keller 2011a, S.61; Keller 2011b, S.192f./ 233).

Die Beziehung zwischen dem einzelnen Aussage- bzw. Diskursereignis und dem Gesamtdis- kurs lässt sich als Dualität von Struktur beschreiben, sozusagen als Aktualisierung, Reproduk- tion oder Transformation einer Diskursstruktur (vgl. ebd. S.192; Keller 2011a, S.61).

„Diskurse kristallisieren und konstituieren Themen in besonderer Form als gesellschaftliche Deutungs- und Handlungsprobleme“ (Keller 2011b, S.236).

Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, konstituieren Diskurse die diskursexterne Realität:

„Die Welt gewinnt ihren je spezifischen Wirklichkeitscharakter für uns durch die Aussagen, die Menschen – in Auseinandersetzung mit ihr – über sie treffen, wiederholen und auf Dauer stellen“ (ebd., S.237). „Aussagen stiften nicht nur die symbolischen Ordnungen und Bedeu- tungsstrukturen unserer Wirklichkeit, sondern sie haben auch reale Konsequenzen: Gesetze, Statistiken, Klassifikationen, Techniken, Artefakte oder Praktiken bspw. Können als Diskurs- effekte analysiert werden“ (ebd.).

Der Wissenssoziologischen Diskursanalyse geht es um Erklärungen bzw. Erklärungshypothe- sen „der gesellschaftlichen Folgen oder Effekte von Diskursen“ (Keller 2011b, S.272).

3 Methodisches Vorgehen

Im Folgenden wird das methodische Vorgehen vorgestellt, mit welchem die medialen Darstel- lungen auf Angstdiskurse untersucht werden sollen. Hierfür wird zunächst das Vorgehen der wissenssoziologischen Diskursanalyse erläutert. Anschließend wird die Materialauswahl be- schrieben, die Methode der Strukturanalyse erläutert und zuletzt die Durchführung der Codie- rung mit dem Programm MAXQDA dargestellt.

3.1 Methode der wissenssoziologischen Diskursanalyse

Die Diskursforschung verfolgt einen multimethodischen Ansatz. Die Auswahl der entsprechen- den Verfahren zur Erhebung und Analyse sind abhängig von den jeweiligen diskurstheoreti- schen Grundannahmen und Forschungsinteressen (vgl. Keller 2011b, S.268). „Standardisierte Vorgaben für die methodische Umsetzung von Diskursanalysen gibt es kaum“ (Ullrich 2008, S.22). Im Zentrum stehen überwiegend textförmige Daten, welche im Prozess der Dekonstruk- tion des Textes durch eine analytische Zerlegung und Rekonstruktion bearbeitet werden (vgl. Keller 2011b, S.268f.).

Die Analysen können sowohl qualitativ rekonstruierend als auch quantitativ messend erfolgen. Die quantifizierbaren Zugänge rekonstruieren zunächst an einzelnen Texten Kategorien, wel- che anschließend als Grundlage für inhaltsanalytische Codierbögen dient. Die qualitativen An- sätze hingegen greifen auf verschiedene Methoden zurück, um eine Korpusreduktion durchzu- führen, wie beispielsweise der Auswahl von Schlüsselstellen oder Schlüsseltexten, um im An- schluss einen bearbeitbaren Datenumfang zu erhalten (vgl. Keller 2011b, S.275).

Der Diskurs muss zu Erhebungszwecken und zur Rekonstruktion zunächst operationalisiert werden. Hierfür wird er in kleinere, empirisch zugängliche Einheiten gegliedert, in welchen die Diskursstränge einzeln untersucht werden (vgl. Ullrich 2008, S.24).

Viele diskursanalytische Ansätze folgen der „Grounded Theory“, welcher zufolge die Codie- rung der Daten mit großer Offenheit erfolgt. „Die Verdichtung, Interpretation, Aggregation und Abstraktion befindet sich in einem Kreislauf mit immer wieder neuer Arbeit ‚ganz nah an den Daten‘, was die immerwährende Möglichkeit der Veränderung des Kategoriensystems bietet“ (Ullrich 2008, S.26f.). Dies wird jedoch aus forschungspragmatischen Gründen eingeschränkt. Beispielsweise ist es möglich, den Textkorpus unter spezifischen theoretischen Fragestellungen zu bearbeiten – und dabei dennoch die Offenheit zur Veränderung und Erweiterung des Kate- goriensystems beizubehalten. Jedoch ist es bei größeren Textkorpora auch möglich, das Kate- goriensystem nicht mehr zu erweitern – sofern es sich zuvor im Laufe der Arbeit als „stabil“ erwiesen hat und alle bis dorthin relevanten Aussagen enthalten hatte. Andernfalls wäre es fort- während notwendig, bereits ausgewertete Texte erneut anhand des neuen Kategoriensystems auszuwerten. Insbesondere wenn die Forschungsarbeit von mehreren CodiererInnen durchge- führt wird, ist es ratsam, ein möglichst angepasstes Instrumentarium zu wählen. Hieran wurde sich in dieser Forschungsarbeit orientiert (vgl. Ullrich 2008, S.27).

Im Rahmen dieser Arbeit wird von der Grundannahme ausgegangen, dass die Terroranschläge in Paris als ein Diskursereignis betrachtet werden können. Dieses übt einen strukturierenden Einfluss auf den gesamten Angstdiskurs aus – und wird gleichzeitig durch diesen strukturiert. Als Untersuchungsgegenstand dienen, wie bereits erläutert, die Massenmedien. Die dieser Ar- beit zugrundeliegende Forschungsfrage lautet wie folgt: Wie wird Angst im institutionellen Feld der Massenmedien (der (Online-)Print-Medien) konstruiert? Das zur Beantwortung dieser Frage und Analyse verwendete Kategoriensystem wird im Kapitel „3.4 MAXQDA und die Bil- dung des Kategoriensystems“ erläutert. Zunächst folgt jedoch die Material- und Datenauswahl.

3.2 Material- und Datenauswahl

Die Datengrundlage für die weitere Analyse basiert auf sechs ausgewählten Online-Print-Me- dien, die so ausgewählt wurden, dass sie möglichst breit das politische Meinungsspektrum re- präsentieren. Gewählt wurden daher: Zeit (Online), Spiegel (Online), die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Bild und die taz (vgl. deutschland.de 2012, o. S.).

Die Bild ist politisch konservativ ausgerichtet, hat ihren Standort in Berlin und wird vom Axel Springer Verlag herausgegeben. Die Bild ist die meistgelesene Tageszeitung und kann als Bou- levardzeitung betrachtet werden. Sie bedient sich häufig extrem populistischer Zuspitzungen (vgl. Eurotopics o. J. a, o. S.; deutschland.de 2012, o. S.). Ebenfalls konservativ bzw. konser- vativ-liberal ausgerichtet ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), mit ihrem Sitz in Frankfurt am Main, herausgegeben von der „Deutschland Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH“ (vgl. Eurotopics o. J. b, o. S.; deutschland.de 2012, o. S.).

Politisch linksliberal ist zum einen die Süddeutsche Zeitung (SZ) einzuordnen, die jedoch im Wirtschaftsteil durchaus unternehmerfreundlich zu verorten ist. Die SZ hat ihren Sitz in Mün- chen und wird herausgegeben von „Süddeutscher Verlag/ Südwest Medien Holding“ (vgl. Eu- rotopics o. J. c, o. S.; deutschland.de 2012, o. S.). Zum anderen ist auch Spiegel Online (SPON) linksliberal. SPON sitzt in Hamburg und wird von der Spiegel net GmbH/ Spiegel-Verlag her- ausgegeben (vgl. Eurotopics o. J. d, o. S.).

Als politisch liberale und populärste Wochenzeitung wird die Zeit bzw. Zeit Online untersucht, ebenfalls mit Sitz in Hamburg, herausgegeben vom Zeit Verlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG/ Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH (vgl. Eurotopics o. J. e, o. S.; deutschland.de 2012, o. S.).

Die letzte untersuchte Zeitung ist die Tageszeitung „taz“, welche politisch links zu verorten ist und auch als alternativ und durchaus systemkritisch gilt. Sie wird von einer Verlagsgenossen- schaft eG herausgegeben wird (vgl. Eurotopics o. J. f, o. S.; deutschland.de 2012, o. S.).

Diese Einordnungen basieren auf der Internetseite „Eurotopics“, welche von der Bundeszent- rale für politische Bildung/ bpb geführt wird (vgl. Eurotopics o. J. g, o. S.) und auf dem Portal „deutschland.de“, was von der FAZIT GmbH in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt Berlin angeboten wird (deutschland.de o. J., o. S.).

Als Untersuchungszeitraum wurde der Zeitraum vom Zeitpunkt der Pariser Anschläge am 13.11.2015 bis eine Woche danach, dem 20.11.2015 festgelegt. In dieser Zeitspanne wurde je Medium jeweils ein Artikel pro Tag ausgewählt und in die weitere Analyse einbezogen. Die Artikelauswahl fiel lediglich auf Artikel, welche von zeitungseigenen AutorInnen oder Gast- AutorInnen verfasst worden, nicht jedoch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) als zentrale und größte Nachrichtenagentur Deutschlands. Darüber hinaus wurden möglichst verschiedene Textformen ausgewählt, um eine große Variation zu erreichen; lediglich kurze, sehr neutral gehaltene Nachrichtenmeldungen sollten außenvorgelassen werden. Dies führte dazu, dass in der Artikelauswahl für die Süddeutsche Zeitung kein Artikel für den 13.11.2015 ausgewählt werden konnte, da für diesen Tag lediglich kurze Nachrichtenmeldungen vorlagen. Abgesehen von der Süddeutschen Zeitung also, zu welcher sieben Artikel in die Analyse eingingen, wurden jeweils acht Artikel je Zeitung für die Analyse ausgewählt.

3.3 Hypothesen

Bezüglich der folgenden Analyse lässt sich annehmen, dass die Thematisierung der Ängste und das Vorkommen der Angstdiskurse in den Medien stark von der jeweiligen Positionierung des Mediums abhängt. Daher wird insbesondere für die Bild und taz folgendes angenommen:

1. Aufgrund der populistischen Ausrichtung der Bild wird angenommen, dass dieses Me- dium am „extremsten“ mit den Vorfällen umgeht: dass hierin am häufigsten und deut- lichsten Angstdiskurse (und die Anwesenheit von Angst) zu beobachten sind und As- pekte wie die Sicherheit, Flüchtlinge und Terror am ehesten thematisiert werden.
2. Von der links-eingestellten taz wiederum lässt sich annehmen, dass es sich eher um sachlichere Darstellungen handelt, die die Aspekte Mord und die Gewalt nicht unbe- dingt mit den Flüchtlingen in Verbindung bringen – sondern letztere eher Schutz be- dürften.
3. Bezüglich der restlichen Medien wird keine besondere Auffälligkeit erwartet, sondern vielmehr eine relativ neutrale, sachliche Berichterstattung der Vorfälle.

Die hier formulierten Annahmen über die jeweiligen Verlagshäuser werden im weiteren Ver- lauf der Arbeit (Kapitel 4.2 und 5.2) betrachtet und abschließend bewertet.

3.4 Strukturanalyse

Die Durchführung einer Strukturanalyse stellt den ersten Arbeitsschritt nach der Materialbe- schaffung und -Auswahl dar. Durch die Strukturanalyse soll das ausgewählte Datenmaterial zunächst strukturiert werden, um auf diesem Wege bereits einen Zugang zu den Daten zu er- halten und einen Überblick über die Themenschwerpunkte und Inhalte der Artikel zu bekom- men.

Das Forschungsdesign der Strukturanalyse ergibt sich durch das Festlegen der zu untersuchen- den Kategorien. Hierfür wählte die Forschungsgruppe die folgenden: Zunächst sind die Rah- mendaten des Artikels relevant: das Erscheinungsdatum, der Zeitungstitel, die Textsorte, die Rubrik in der der Artikel erschienen ist und natürlich der Autor bzw. die Autorin. Hierzu gehört weiterhin die Nennung der Überschrift sowie des Untertitels, falls vorhanden. Anschließend wird der Inhalt betrachtet: zuerst werden der Anlass des Artikels festgehalten und der breitere Zusammenhang, in dem er erschienen ist bzw. eingeordnet wird. Außerdem werden die ge- nannten Unterthemen festgehalten und genannte Aussagen bzw. Zitate sowie ihre Urheber. Bei den Zitaten sollen die signifikantesten ausgewählt werden, die am ehesten die Tendenz und den Ton des Artikels widerspiegeln. Darüber hinaus sind für das zu untersuchende Thema noch die Kategorien der Gruppen- und Personenbezeichnungen und der Ereignisbezeichnung rele- vant. Weitere Kategorien bein- halten Besonderheiten und Auffälligkeiten, eventuell ver- mittelte Emotionen und falls vorhanden die Benennung von Ursachen sowie falls erkennbar der Positionierung und eventu-eller Kritik des Autors oder genannten Personen. Der letzte Schritt dient der Anmerkung, ob der untersuchte Artikel sich für eine Feinanalyse eignen würde und weiteren Bemerkungen. Das genaue Design der Struktur- analyse ist in Abbildung 1 exemplarisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Strukturanalyse. Ein Ausschnitt (Eigene Darstellung)

Nach der Durchführung der Strukturanalyse ist es möglich, bereits Besonderheiten und wich- tige Themen zu erkennen. Dies ist für den nächsten Schritt besonders hilfreich und notwendig, in welchem die Codierung der Daten durchgeführt wird, wofür die Software MAXQDA genutzt wird. Außerdem erleichtert die Strukturanalyse das Bilden des Kategoriensystems in MAXQDA.

3.5 MAXQDA und die Bildung des Kategoriensystems

Für das Codieren der Daten wurde die Software MAXQDA verwendet, die der computerge- stützten Datenanalyse dient. Die Software ermöglicht es, eine inhaltliche Analyse von Text- und Mediendateien anzufertigen. Hierbei bedient sie sich vorher festgelegter bzw. während des Arbeitens herausgebildeter „Codes“ und eines Kategoriensystems. Hierdurch wird es möglich, vorlie- gende Materialien sowohl quantitativ als auch qualitativ bzw. mit dem „Mixed-Methods-Ansatz“ zu untersuchen und zu analysieren.

Zunächst wurden alle zuvor ausgewählten Artikel in das Programm MAXQDA in die „Liste der Dokumente“ eingefügt. Diese befindet sich oben links im Programmfenster. Für die Dokumente wurde je eine eigene Dokumentgruppe angelegt. Innerhalb dieser wurden die Artikel chronologisch geordnet (vom Anschlagstag des 13.11. bis zum 20.11.2015) (à siehe Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Liste der Dokumente in MAXQDA (Eigene Darstellung)

Der nächste Schritt vor der Codierung und Auswertung stellt das Herausbilden eines Katego- riensystems (bzw. „Codesystem“, wie es in MAXQDA genannt wird) dar. Da sich diese Arbeit der oben bereits genannten Frage widmen soll, wie Angst im institutionellen Feld der Massen- medien konstruiert wird, beschränkt sich das für diese Arbeit festgelegte Kategoriensystem auf Kategorien, die unmittelbar mit der Nennung von Angst zusammenhängen. Hierbei handelt es sich um einen Zuschnitt auf das vorliegende Forschungsthema.

[...]

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Diskursanalyse. Konstruktion von Angst durch Massenmedien
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Forschungspraxis der Datenerhebung
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
39
Katalognummer
V492799
ISBN (eBook)
9783668988873
ISBN (Buch)
9783668988880
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskursanalyse, Foucault, Wissenssoziologie, Diskurstheorie, Medien, Massenmedien, Angst, Terror, Terroranschläge, Nachrichten
Arbeit zitieren
Michelle Trautmann (Autor:in), 2018, Diskursanalyse. Konstruktion von Angst durch Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492799

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