Gewaltmärkte und deren Bekämpfung


Seminararbeit, 2018

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

A. Gewaltmarkte
I. Entstehungsvoraussetzungen eines Gewaltmarktes
II. Dynamik und Stabilitat der Gewaltmarkte

B. Die Bekampfung von Gewaltmarkten
I. Humanitare Interventionen
II. Militarische Intervention
III. Sanktionslisten, Embargos und die Rolle von Compliance

C. Schlussbetrachtung

D. Literaturverzeichnis

A. Gewaltmarkte

Gewalttaten in Landern wie Mosambik, Somalia, Afghanistan oder Liberia sind sinnlos, oftmals von unkontrollierten Emotionen wie Hass oder Rache bestimmt und durch unterschiedliche kulturelle - politische Spannungen gepragt. Georg Elwert nennt diese Handlungsmotive Journalistische Schlaglichter“, die zwar nicht ganzlich auBer Acht zu lassen sind, aber die primare Ursache fur jene Taten vernachlassigen: die Existenz von Gewaltmarkten.[1] Zunachst losgelost vom Marktgegenstand ist ein Markt grundsatzlich durch Angebot und Nachfrage charakterisiert, auf dem die einzelnen Akteure bestmoglich nach wirtschaftlichen Prinzipien arbeiten, wie z.B. die Kosten zu decken, Gewinne zu realisieren und Einsparungspotentiale nutzen. Von den sogenannten Schwarzmarkten abgesehen, wird mit Markten und Arbeit nach wirtschaftlichen Prinzipien nichts Negatives verbunden. Ganz im Gegenteil: Markte und Arbeit sind emotional positiv besetzte Begriffe.[2] Umso schwieriger erscheint daher die kritische Auseinandersetzung mit Gewaltmarkten. Ein Gewaltmarkt beschreibt eine Verbindung von wirtschaftlichen Interessen und Gewalt.[3] Letztlich handelt es sich um ein Aufeinandertreffen von Marktwirtschaft und Gewalt. Fur die zentralen Akteure jener Markte werden unterschiedliche Bezeichnungen angefuhrt. Ob es nun Warlords, Kriegsherren oder Gewaltunternehmer sind, die auf diesen Markten agieren. Sie alle bereichern sich durch Plunderungen, Erpressungen, Menschenhandel, Hehlerei und das Abschopfen und „Besteuern“ von Gutern, die durch internationale Hilfe bereitgestellt werden.[4] All diese kriminellen Handlungen geschehen unmittelbar in dem „Einzugsgebiet“ eines Gewaltmarktes. Gewaltunternehmer konnen sich jedoch nicht einzig allein auf diese lokalen Profitmoglichkeiten beschranken. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, den Gewaltmarkt dauerhaft und langfristig aufrecht erhalten zu konnen. Gewaltmarkte mussen deshalb zwingend mit der AuBenwelt interagieren, d. h. kriminelle Handlungen auch auBerhalb des Einzugsgebietes organisieren und abwickeln. Dies geschieht auf ganz unterschiedliche Art und Weisen. Der Handel mit Rohstoffen wie Diamanten, Drogen, Gold, Kupfer oder auch Kaffee und das anschlieBende Einschleusen in den globalen Weltmarkt scheinen hierfur hilfreich zu sein. Beispielweise ist laut UN Bericht mit dem Aufstieg der Taliban 2016 in Afghanistan auch ein deutlicher Anstieg der Opiumproduktion zu verzeichnen.[5] Die damit generierten vollen Kriegskassen werden dann wiederrum auf internationale Bankkonten uberwiesen und gewaschen. Gewaltunternehmer und selbst Terrororganisationen wie Al-Qadia bevorzugen laut Elwert ein sicheres Wirtschaftsrecht.[6] Ganz ahnliche Vorgehensweisen lassen sich fur den Gewaltmarkt in Somalia finden, insbesondere im Rahmen der dort betriebenen lukrativen Piraterie. Piraten brauchen unter anderem willige und reiche Geldgeber, die Operationen finanzieren.[7] Es bedarf also auch immer der Unterstutzung von auBerhalb des „Systems“ Gewaltmarkt und Kriegsokonomie. Dies geschieht beispielweise durch Beteiligung an transnationalen kriminellen Netzwerken.[8] Kein blanker Hass, Rache oder Emotionen sind in Gewaltmarkten federfuhrend, sondern okonomische Denkweisen, die sich an den Bedurfnissen des Marktes orientieren. Es ist eine unternehmerisch rationale Entscheidung, ob Waffenstillstand oder Gewaltanwendung, die stets abhangig von okonomischen Erfordernissen ist.[9] Somit kann in einem Gewaltmarkt der Gewaltunternehmer mehrere Positionen in sich vereinen. Einerseits kann er Freund, Arbeitgeber und zentrale Schutzinstanz sein. Andererseits kann er derjenige sein, der die groBte Gefahr fur Eigentum und korperliche Unversehrtheit darstellt.

I. Entstehungsvoraussetzungen eines Gewaltmarktes

Ein funktionierendes staatliches Gewaltmonopol lasst die Existenz eines Gewaltmonopols nicht zu. Bei einem Gewaltmonopol wird einerseits die Bereitschaft zur Gewalt und des physischen Zwangs auf eine zentrale Instanz ubertragen. Andererseits wird dafur Schutz geboten. Der Schutz der Burger und damit einhergehend auch der Zustand der Gewaltfreiheit kann daher stets als eine Kehrseite des Gewaltmonopols verstanden werden. Durch Gewaltmonopole und vor allem durch rechtstaatliche Monopole werden gewaltfreie Raume geschaffen.[10] Im Vordergrund steht hier aber nicht zwingend das Gewaltmonopol, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass Zustande geschaffen werden, die das eigene und das Handeln anderer berechenbar machen und somit Sicherheit schaffen[11]. In Gewaltmarkten ist das nicht der Fall. Im Gegenteil. Gewaltmarkte brauchen fur ihre Existenz das Vorhandensein von gewaltoffenen Raumen. Gewaltoffen sind Raume, in denen der Gebrauch von Gewalt keinen festen Regeln unterworfen ist.[12] Daraus lasst sich jedoch nicht unmittelbar schlussfolgern, dass es neben einem staatlichen Gewaltmonopol nicht auch gewaltoffene Raume geben kann. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Staat sich aus bestimmten Gebieten zuruckgezogen hat oder schlicht die Kontrolle hieruber verloren hat. Mit diesem Gedanken, lasst sich namlich auch eine Brucke schlagen zu den Industrienationen. Solche Raume sind nicht nur ausschlieBlich in Burgerkriegsokonomien wie Afghanistan oder Somalia zu finden sind. Die Bandbreite von gewaltoffenen Raumen schlieBt auch die zahlreichen Armutsghettos in den groBen Metropolen der entwickelten Industrienationen mit ein[13] und die sogenannten „No Go Areas“ in denen Akteure mit einer zentralen Ordnungsinstanz um die erfolgreiche Beanspruchung eines Gewaltmonopols konkurrieren. An dieser Stelle wird zwangslaufig deutlich, dass auch das Phanomen Mafia nicht nur ein kriminologisches ist, sondern auch ein politisch - soziologisches und bis in die Staatstheorie hineinreicht.[14] Bisher weniger beachtetet wurde die Moglichkeit von gewaltoffene Raumen, die durch stark ausgepragte Korruption entstehen bzw. beflugelt werden. Schwach ausgepragte staatliche Strukturen und Institutionen behindern und unterlaufen einen staatlichen Sicherheitsauftrag, weil sie gut daran verdienen. Im Falle der Piraterie vor Somalias Kusten ist es unumstritten, dass die Kustengemeinden den Piraten sogar logistische Unterstutzung fur derartige Verbrechen anbieten.[15] Insofern sind es nicht nur Staaten, die keinerlei zentrales Gewaltmonopol mehr aufweisen, sondern auch solche, die, wenn auch nur dem ersten Anschein nach, zwar eine gewisse Ordnungsinstanz vorweisen, in Wirklichkeit aber durch korrupte Verhaltensweisen selber zentrale Akteure in einem Gewaltmarkt darstellen. Diversen Aussagen zufolge sollen bei Piraterieangriffen bis zu 30 % der Losegeldforderungen in ortliche Verwaltungen geflossen sein.[16] Andere Stimmen in der Literatur berichten zu Zeiten der Piraterieangriffe uber einen regelrechten „Bauboom“ entlang der Kuste in Puntland, einer Piratenhochburg.[17] Man begibt sich in aller Regel nicht auf ungewisse Pfade, wenn man hier Zufalle ausschlieBt und Zusammenhange erkennt. Jetzt fallt es auch leicht der Auffassung zu folgen, dass nicht nur Gewaltunternehmer ein Interesse daran haben, dass Gewaltmarkte langfristig erhalten bleiben, sondern auch korrupte Verwaltungen. Es ist nicht abwegig, dass bei manchen Erscheinungsformen von Gewaltmarkten die korrupten Staaten bzw. Verwaltungen selber als Gewaltunternehmer anzusehen sind und auch als solche angesehen werden sollten. GroBe Entwicklungspotentiale von Gewaltmarkten sind demnach entweder kein Staat, ein schwacher Staat, der nicht mehr in der Lage ist das Gewaltmonopol erfolgreich fur sich zu beanspruchen, oder aber schwache Staaten, die mit groBer Korruption zu kampfen haben. Das Ergebnis sind Gewaltmarkte unterschiedlicher Auspragungen, die von mafiaahnlichen Strukturen bis hin zum „klassischen“ Warlord reichen.

II. Dynamik und Stabilitat der Gewaltmarkte

Eingangs wurde bereits erwahnt, dass es kuhle, rationale und abgewogene Entscheidungen sind, die die Gewaltmarkte ausmachen und keine ausbruchsartige unkontrollierte Gewalt. Die agierenden Akteure stehen vor einer Menge organisatorischer und okonomischen Herausforderungen: Der Gewaltmarkt muss finanziert werden, Kampfer mussen rekrutiert und mit Waffen ausgestattet werden, Arbeitsprozesse mussen abgestimmt werden, wie z.B. das Planen von Schmuggelrouten, das Fuhren von Verhandlungen mit Hilfsorganisationen oder der Abbau und Diebstahl von Rohstoffen.[18] Bei der Finanzierung des Kampfes und Rekrutierung von Kampfern und Anhangern gleichermaBen spielt nicht nur der Profitgedanke und bei Kampfern damit die Aussicht auf ein besseres Leben eine groBe Rolle, sondern vor allem die Vermarktung von Ideologie. Letztere ist es, die den Gewaltmarkt langfristig stabilisiert. Elwert nennt diese Stabilisierung durch Ideologie, also durch gemeinsame ideologische Opfer, Ziele und Selbstvermarktung, die zweite Motivationsebene.[19] So wurden beispielweise Kampfer von Al-Quadia nicht etwa in festen tiefen muslimischen Glauben rekrutiert, sondern weil aufgrund von vermarkteter Ideologie der Kampf gegen westliche Uberzeugungen notwendig erschien.[20] Etwas ahnliches ist bei somalischen Piraten zu beobachten. Sie verkaufen sich nach auBen hin, als Sozialbanditen einer verarmten Bevolkerung. Allerdings greifen Piraten auch Schiffe des Welternahrungsprogramms an, die Hilfe fur die somalische Bevolkerung an Bord hat.[21] Es wird sichtbar, dass es sich lediglich um oberflachliche Ideologien handelt. Im Vordergrund steht das Geschaft. Dennoch sichert die gekonnte Vermarktung von Ideologie ausreichend Gefolgschaft und versucht Stabilitat in einen Markt zu bringen, der seinem „Wesen“ nach, durch Misstrauen und individueller Profitmaximierung gekennzeichnet ist. Aber nicht nur Ideologie, sondern auch Emotionen wie Angst und vor allem aber mangelnde Perspektiven helfen dem Gewaltmarkt an Stabilitat zu gewinnen. Die internationale Okonomie ist grundsatzlich durch eine rechtliche Ordnung gepragt, die nicht zuletzt wirtschaftliche Transaktionen fur alle Teilnehmer des Marktes berechenbar macht.[22] Diese Berechenbarkeit existiert in einem Gewaltmarkt nicht. Vielmehr brechen durch den Gewaltmarkt komplette Wirtschaftszweige weg, die auf den In und Export angewiesen sind. Es ist eine bittere Konsequenz und wenig uberraschend, dass die regulare Volkswirtschaft schrumpft bzw. zum totalen erliegen kommt. Gewaltunternehmer beuten das Land und ihre Ressourcen rucksichtlos und ungehemmt aus: Die Zerstorung von wichtiger Infrastruktur, groBe Produktionsausfalle, das Abziehen und Zwangsrekrutieren von Arbeitnehmern, das Verfallen von Wahrungen und schlieBlich das Erliegen von Handelsbeziehungen sind nur einige Folgen.[23] Eine berechenbare Wirtschaft bzw. ein berechenbarer Handel wird somit unmoglich. Die regulare Okonomie weicht dem Gewaltmarkt. Statt Steuern, uber die sich der Staat groBtenteils reproduzieren muss, gibt es Schutzgelderpressungen.[24] Gewaltunternehmer handeln zwar nach okonomischen Verhaltensmustern und gehen geplant vor, ein Interesse an nachhaltigen Wirtschaften haben sie jedoch nicht[25]. Sie mochten sich schnell und effektiv bereichern. Insofern sind die unterstellte planvollen und okonomische Handlungsweisen immer nur im Zusammenhang mit einem Zustand der vollig deregulierten Okonomie zu sehen. Es darf allerdings an dieser Stelle nicht unerwahnt bleiben, dass auch andere Lander durch ihre wirtschaftlichen Aktivitaten zu einer Befeuerung von Gewaltmarkten beitragen konnen. Nicht von der Hand zu weisen war der Missstand vor der Kuste Somalias.

[...]


[1] Elwert, FS Clausen, S. 123, 123.

[2] Elwert, FS Clausen, S. 123, 125.

[3] Elwert, Entsetzliche soziale Prozesse, S. 95, 110.

[4] Pittwald, Kindersoldaten, neue Kriege und Gewaltmarkte, S. 59.

[5] Mayer, Opium fur die Taliban, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-opium-fuer-die taliban-14494094.html, 07.03.2018.

[6] Elwert, Entsetzliche soziale Prozesse, S. 95, 116

[7] Matthies, Soldner, Schurken, Seepiraten, S. 75, 80.

[8] Geis, Soldner, Schurken, Seepiraten, S. 61, 68.

[9] Pittwald, Kindersoldaten, neue Kriege und Gewaltmarkte, S. 60.

[10] Elwert, FS Clausen, S. 123, 125.

[11] Elwert, FS Clausen, S. 123, 125.

[12] Elwert, Soziologie der Gewalt, S. 86, 88.

[13] Lock, Die Privatisierung der Weltpolitik, S. 200, 210.

[14] Hofmann, Monopole der Gewalt, S. 93.

[15] Coni-Zimmer, Piraterie vor Somalia, S. 6.

[16] Matthies, Soldner, Schurken, Seepiraten, S. 75, 80.

[17] Coni-Zimmer, Piraterie vor Somalia, S. 6.

[18] Pittwald, Kindersoldaten, neue Kriege und Gewaltmarkte, S. 57.

[19] Elwert, Soziologie der Gewalt, S. 86, 95.

[20] Hirschmann, Frieden und Sicherheit im 21. Jahrhundert, S. 77, 94.

[21] Matties, Soldner, Schurken, Seepiraten, S. 75, 78.

[22] Lock, Die Privatisierung der Weltpolitik, S. 200, 207.

[23] DeiRler, Eigendynamische Burgerkriege, S. 101.

[24] Lock, Die Privatisierung der Weltpolitik, S. 200, 208.

[25] Buttner, Wenn Chaos regiert, S. 17, http://www.kas.de/wf/doc/kas 4500-544-1-30.pdf, 20.03.2018.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Gewaltmärkte und deren Bekämpfung
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
14
Katalognummer
V492669
ISBN (eBook)
9783668987388
ISBN (Buch)
9783668987395
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewaltmarkt, Warlord, Mitbestimmung, Kriegsursachen, Bekämpfung, Prävention, Piraterie, Mafia, Somalia, Compliance, Politik, Demokratie, Geldwäsche
Arbeit zitieren
Armin Groenewold (Autor:in), 2018, Gewaltmärkte und deren Bekämpfung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492669

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