Die Wahrnehmung im Theater der Avantgarde. Analyse der Wahrnehmungskonzeption im Theater des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Ansatz
2.1 Auswirkungen der industriellen Revolution
2.2 Reaktivierung der sinnlichen Wahrnehmung
2.3 Raum und Zeit

3. Konstruktivistische Experimente
3.1 Das Kraftsystem
3.2 Material, Licht und Bewegung: der Licht-Raum-Modulator

4. Das ‚Theater der Totalität’
4.1 ‚Mechanische Exzentrik’
4.2 Der Mensch in der ‚mechanischen Exzentrik’

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit der zunehmenden Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es nicht nur zu einer Veränderung der Verkehrs- und Kommunikationsformen, des Arbeitsprozesses und des Lebensrhythmus’, sondern damit einhergehend zu einem Wandel der Wahrnehmung, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt in allen Künsten thematisiert wurde. Die beschleunigte Fortbewegung mit der Eisenbahn, die Erfindung und Verbreitung der Kinematografie und die zunehmende Urbanisierung waren maßgebend für eine zuvor nicht erlebte dynamische Wahrnehmung, welche diejenige des ‚Postkutschenzeitalters’ ablöste. Joachim Fiebach verdeutlicht in seinem Aufsatz Audiovisuelle Medien, Warenhäuser und Theateravantgarde die Korrespondenzen dieser Entwicklungen – Beschleunigung der Fortbewegung, Film, Urbanisierung – bezüglich neuer Wahrnehmungserlebnisse und zieht eine Verbindungslinie zur Theater-Avantgarde.[1] Symptomatisch für die beschleunigte Wahrnehmung sei laut Fiebach die Eisenbahnreise gewesen. Mit den neu erreichten Geschwindigkeiten sei ein neues Zeit-Raum-Bewusstsein aufgekommen, das sich als eine Erfahrung der Vernichtung von Raum und Zeit umschreiben ließe. Weiterhin seien Raum und Zeit in ein anderes Verhältnis zueinander gesetzt worden. Die Simultaneität von Zeit-Räumen sei auffällig geworden. „Die überkommene Vorstellung einer einfach-linearen Bewegung von Zeit und des nichtkorrespondierenden [sic] Nebeneinanderliegens von Raum-Teilen“, so Fiebach, „geriet in die Krise.“[2] Dem Reisenden hätte sich eine komplexe Bildlichkeit der erfahrbaren Welt aufgedrängt, so dass das visuelle Erleben im Unterschied zur Schriftlichkeit der abstrakten Verbalsprache in den Vordergrund gerückt sei. In der Dynamik der Fortbewegung hätten sich die Bilder nicht in einer linearen Abfolge präsentiert, sondern sich gleichsam ‚sprunghaft’ dargeboten, so dass ein panoramatischer Blick auf eine stetig sich verändernde Landschaft eröffnet worden sei. Die Einsicht in simultane Bilderkomplexe habe rasche Perspektivenwechsel ermöglicht. Zudem sei die Tiefenschärfe, eine Erfahrung des vorindustriellen Reisens, verloren gegangen. Die Konturen der Gegenstände seien aus Sicht des sich Bewegenden verschwunden und somit sei eine ‚Entkörperlichung’ der Dinge in Bewegung erfahrbar geworden.

Die Kinematografie, die Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts erfunden wurde, gehörte zu den kommunikativen Umwälzungen der industriellen Revolution. Laut Fiebach habe der Film mit dem Potenzial seiner Gestaltungselemente vermocht, jene Wahrnehmungserlebnisse wiederzugeben, die mit dem mobilen Blick dominierend geworden seien:

Der Film erschien als sich sinnlich aufdrängende Bewegung der Bilder, die äußerst schnell wechselnde Perspektiven vorstellten und vom Zuschauer raschen Perspektivenwechsel erforderten. Er präsentierte sich selber und die Dinge als simultanes Raum-Zeit-Verhältnis. Er war gleichsam sinnlich-visualisierte Dynamik, beschleunigte Geschwindigkeit in sich.[3]

Zusätzlich sei mit der Montagetechnik des Films die Fragmentierbarkeit, das Zerlegbare und Mechanisierbare des Menschen (z. B. Großaufnahme) sowie die Manipulierbarkeit der Zeit thematisiert worden.

Die sich herausbildenden modernen Großstädte zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien laut Fiebach zu einem Entfaltungsraum der neuen Technologien, der neuen Verkehrs- und Kommunikationsformen und audiovisueller Mediatisierungen geworden. Die Urbanisierung habe neue Lebensrhythmen, Verhaltensweisen und Wahrnehmungen erzwungen, die sich in ungeheurer Eile, dem Verlust fester Standpunkte, einem ständigen Perspektivenwechsel, der Erfahrung von Simultaneität von Zeit und Raum etc. geäußert hätten.

Der Wahrnehmungseinbruch hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Abkopplung der Künste von der Tradition und zu einem Nachdenken über die künstlerischen Mittel geführt. Theaterkünstler reagierten mit unterschiedlichen Experimenten, die mit dem Begriff ‚Theateravantgarde’ zusammengefasst werden, auf die neue Wahrnehmung der Welt. Joachim Fiebach bringt einige Theaterkonzepte der Avantgardebewegung in den Zusammenhang mit den neuen Sehweisen. Mit dieser Arbeit, möchte ich mich dem Theater László Moholy-Nagys nähern und herausfinden, wie sich die neuen Erfahrungen mit Zeit und Raum in seinem Konzept äußern.

Der 1895 in Ungarn geborene László Moholy-Nagy siedelte 1920 nach Berlin über und wurde 1923 an das Weimarer Bauhaus berufen. Dort übernahm er die Leitung des Vorkurses und der Metallwerkstatt. Überwiegend beschäftigte er sich mit Malerei, Fotografie, Film und bildender Kunst, nur am Rande mit dem Theater, das für ihn vor allem hinsichtlich der Raumkonzeption interessant wurde. Zwei Veröffentlichungen widmete er dem Theater, zum einen den 1925 erschienenen Aufsatz Theater, Zirkus, Varieté in dem Band Die Bühne im Bauhaus und zum anderen Wie soll das Theater der Totalität verwirklicht werden? in Bauhaus, März 1927. Seine praktische Theaterarbeit erstreckte sich vor allem auf den Zeitraum von 1928 bis 1933, nachdem er im Januar 1928 aufgrund zunehmenden politischen Druckes vom Bauhaus zurückgetreten war. Er kehrte nach Berlin zurück, arbeitete zunächst als Bühnenbildner an der Staatsoper Berlin, dann an Piscators Theater am Nollendorfplatz, wo er sich an den Produktionen Hoffmanns Erzählungen (1929), Der Kaufmann von Berlin (1930) von Walter Mehring, Hin und Zurück (1930) von Paul Hindemith und Madame Butterfly (1931) beteiligte.[4]

Sich selbst zu den Konstruktivisten zählend, zeigte er Interesse am industriell-technologischen Wandel und die durch ihn bedingten Veränderungen der Wahrnehmung. Wie der Titel seines zuletzt veröffentlichten Buches Vision in Motion (1947) verrät, versuchte Moholy-Nagy ‚das Sehen in der Bewegung’ in sein Kunstkonzept zu übertragen. Meine Analyse soll Aufschluss darüber geben, wie sich die beschleunigte Wahrnehmung in Moholy-Nagys Theaterkonzeption niederschlägt. Welche Gestaltungsmittel werden eingesetzt? Und nähert sich ein Theater, das eine Wahrnehmung zu Grunde zu legen versucht, für deren Vermittlung der Film als prädestiniert eingeschätzt wurde, der Filmästhetik? Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich mich zuerst dem theoretisch formulierten Kunstkonzept in Vision in motion zuwenden, das Moholy-Nagy zwar erst in den 40er Jahren in Chicago verfasste, in dem er aber rückblickend seine praktischen Arbeiten reflektiert und das deshalb auch für sein in den 20er Jahren entwickeltes Theaterkonzept Geltung beansprucht. Anschließend werde ich mich mit dem Wahrnehmungskonzept des Licht-Raum-Modulators auseinandersetzen, einer Lichtmaschine respektive kinetischen Skulptur, die meines Erachtens für das Raumkonzept des Theaters maßgeblich ist. Aufbauend auf diesen Überlegungen werde ich danach das Theater Moholy-Nagys hinsichtlich des Wahrnehmungskonzeptes untersuchen.

2. Theoretischer Ansatz

Da Moholy-Nagy der Kunst ein großes Potenzial zugesteht, auf die gesellschaftliche Wirklichkeit Einfluss zu nehmen, ist die Analyse seiner zeitgenössischen Gegenwart der Ausgangspunkt der kunsttheoretischen Überlegungen. Um sein Kunstideal verstehen zu können, ist es daher ratsam, sich mit seiner kritischen Sicht auf das zeitgenössische Leben zu beschäftigen. Am deutlichsten und umfangreichsten formulierte Moholy-Nagy seine Kunstprogrammatik in dem 1947 posthum veröffentlichen Buch Vision in motion, auf das ich mich im Folgenden größtenteils beziehen werde.

2.1 Auswirkungen der industriellen Revolution

Die Grundlage seiner Analyse bilden die Auswirkungen der industriellen Revolution auf die Lebens- und Arbeitswelt des modernen Menschen. Zum einen habe die massive technologische Entwicklung am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem starken Wachstum der wirtschaftlichen Produktion geführt und gleichsam eine starke ökonomische Orientierung der Menschen evoziert. Der Wandel der Welt habe sich durch Massenproduktion und -distribution sowie die Entwicklung eines Mediensystems (Massenkommunikation) vollzogen, da Menschen dadurch gezwungen worden seien, in ökonomischen Kategorien zu denken und Geschäfte in einem globalen Maßstab zu organisieren. Zum anderen bediene die neue Technologie die Profitinteressen Weniger, anstatt dem Wohle der Allgemeinheit zu nützen. Aufgrund der Indienstnahme der Technologie durch den Kapitalismus werde Profit zum alles entscheidenden Wertmaßstab der Gesellschaft, während biologische und soziale Bedürfnisse vernachlässigt würden. Ein wesentlicher Aspekt dieses Phänomens sei die arbeitsteilige Organisation zur Realisierung der Massenproduktion, was eine größere Spezialisierung des Arbeiters auf ein spezifisches Detail der Produktion nach sich ziehe. Im Unterschied dazu sei der frühere Handwerker für die Produktion im Ganzen zuständig gewesen, die unterschiedliche Fähigkeiten von ihm verlangt und seiner Kreativität bedurft habe. Der Spezialist hingegen habe einen eingeschränkten Erfahrungshorizont und könne nur einen Bruchteil seiner Fähigkeiten anwenden, was seiner komplexen biologischen Natur zuwider sei. Für Moholy-Nagy wird die zunehmende Spezialisierung begleitet von einer fortschreitenden Isolation jedes einzelnen, da die in Konkurrenz stehenden Spezialisten desselben Gebietes den anderen gegenüber eine Haltung des Laisser-faire eingenommen hätten und versuchen würden, ihre Aufgabe so gut wie möglich allein zu lösen. Die Fähigkeit zur Kooperation und des verbundenen Denkens, vor allem hinsichtlich komplexer sozialer Probleme, sei vermindert worden. Des Weiteren trage niemand mehr Verantwortung, da bei der Produktion jeder nur noch für einen kleinen Teil des Produkts zuständig sei. Moholy-Nagy bezieht die Verantwortungslosigkeit aber offensichtlich nicht nur auf den Bereich der wirtschaftlichen Produktion, sondern beschreibt damit ein allgemein anzutreffendes Phänomen („Irresponsibility prevails everywhere.“[5] ). Insgesamt fördere der durch den Einsatz der neuen Technologien transformierte Arbeitsprozess einseitig intellektuelle Fähigkeiten, wobei sensuelle Erfahrungen, emotionale Erlebnisse sowie Kreativität auf der Strecke blieben. Bildung und Erziehung sind in Moholy-Nagys Augen ebenfalls dem ökonomischen Prozess untergeordnet. In der kapitalistischen Gesellschaft komme es nicht darauf an, die Fähigkeiten des Menschen umfassend und vollständig auszubilden, sondern gefördert werde der schnelle Erwerb von Kenntnissen, die der Erfüllung der Aufgaben in dem speziellen Arbeitsbereich der Wirtschaft dienlich seien. Lernen sei auf die Anwendung ausgerichtet, wobei die Fähigkeit, sich Wissen kreativ durch eigene Erfahrungen anzueignen, verlernt werde. Die zunehmende Literarisierung ermögliche den schnellen Wissenserwerb der Massen durch verbale Vermittlung. Der Schwerpunkt der Ausbildung liege deshalb auf der Rezeptionsfähigkeit, anstatt auf produktiven Kapazitäten. Unabhängiges und analytisches Denken werde vernachlässigt. Die Funktion dieses Bildungssystems sei es – neben dem zügigen Wissenserwerb und der damit einhergehenden schnellen Einsatzmöglichkeit im Arbeitsprozess –, die Macht von politischen und wirtschaftlichen Interessengruppen aufrecht zu erhalten. Gefördert werde diese Unterentwicklung menschlicher, vor allem geistiger Fähigkeiten, durch die sogenannte „inoffizielle Erziehung“ („unofficial education“[6] ), womit alle Mittel gemeint sind, welche die öffentliche Meinung beeinflussen sollen. Nicht zuletzt das große System der Massenmedien trage zur ‚Verdummung’ des Menschen und zur Desintegration seiner geistigen und emotionalen Kräfte bei. Die Massenmedien befriedigten lediglich die Sensationslust der Menschen, präsentierten eine Menge von Fakten und Informationen, die unzusammenhängend nebeneinander ständen und von den Menschen nicht in ein sinnvolles Ganzes eingeordnet werden könnten. Die Sensibilität stumpfe ab, Emotionen würden in wertlose Schemen gepresst und die Kreativität gehe verloren:

It simply stuffs the public with spot news, spectecular but unrelated facts. If there are no “thrillers”, they are deliberately manufactured. The emotional life of the individual becomes filled with worthless schemes. Being in the midst of a thousand details, but missing all fundamental relationships, his world becomes shallow. The public is eager to learn; but without having been taught to think analytically, it succumbs to the influence of flash quick commentators hired by, or unconsciously servile to, pressure groups. They fill the minds with straw and prejudice; they machine gun their victims with half knowledge, conglomerations of significant and insignificant facts. Not given the tools of integration, the individual is not able to relate all this casual and scattered information into a meaningful synthesis. He sees everything in clichés. His sensibility dulled, he loses the organic desire for self-expression even on a modest level. His natural longing for direct contact with the vital, creative forces of existence becomes transformed into the status of being well informed and well entertained.[7]

Auch zeitgenössische kommerzialisierte Kunst sei Moholy-Nagy zufolge weder ein Mittel des intensiven emotionalen Erlebens – sondern würde meistens als Flucht oder Ersatz rezipiert – noch biete sie die Erfahrung sozialer Kohärenz wie traditionelle Volkskünste dies vermocht hätten.

2.2 Reaktivierung der sinnlichen Wahrnehmung

Aus der Feststellung dieses desolaten Zustandes seiner Gegenwart entwickelt Moholy-Nagy seine Kunstprogrammatik, die im Wesentlichen pädagogische Ziele verfolgt. Aus seiner Sicht konnte der Mensch den evolutionären Fortschritt nur aufgrund des konstruktiven Gebrauchs aller seiner Sinne, seiner Hände und des Gehirns erreichen, auf der Grundlage seiner Kreativität und Intuition. Die durch die industrielle Revolution erstickten biologischen Funktionen, insbesondere seine sensitiven, perzeptorischen und analytischen Fähigkeiten sowie seine Intuition und Kreativität sollen durch die Kunst rehabilitiert werden. Die Ausbildung und Verfeinerung des menschlichen Wahrnehmungsapparates ist der zentrale Fluchtpunkt für Moholy-Nagys Selbstverständnis als Künstler, Kunsttheoretiker und -pädagoge.[8] Wahrnehmung gehört für ihn zu den essentiellen biologischen Funktionen, deren Förderung durch die Kunst den Menschen zu einer natürlichen Existenz zurückführen muss. Erstmals formuliert er die „Erweiterung der sinnlichen

Wahrnehmung“[9] als „Leitmotiv“[10] in seinem Aufsatz Produktion - Reproduktion, der erstmals 1922 in der holländischen Avantgarde-Zeitschrift „De Stijl“ publiziert wurde, hier wiedergegeben in französischer Sprache aus der Aufsatzsammlung von Krisztina Passuth:

La structure de l’homme, c’est la synthèse de tous ses organes fonctionnelles : l’homme atteint à la perfection lorsque, à un moment de sa vie, il veut utiliser son appareil fonctionnel (les cellules comme les organes complexes) jusqu’à l’extrême limite de ses capacités. Ce perfectionnement est le fait et le devoir de l’art, car l’effet dans son ensemble dépend de la perfection de l’organe récepteur, dans la mesure où l’art s’évertue à susciter de nouveaux rapports plus prometteurs entre les phénomènes fonctionnels ne sont jamais saturés mais réagissent à toutes nouvelles impulsions par des impressions nouvelles. C’est justement la raison principale de la nécessité constante de se livrer à des expériences pour obtenir des expressions nouvelles.[11]

Moholy-Nagy hält die Kunst für ein besonders geeignetes Instrument, um den Menschen an seine sensitiven und emotionalen Kräfte wieder heranzubringen, da sie über sinnliche Gestaltungsmittel verfügt: „The arts, for example, can take the individual by storm through sensory experiences, directly by feelings, without involving too much intellectual participation.“[12] Hauptziel der Gesellschaft muss es seiner Ansicht nach sein, mit den Mitteln der Kunst eine Reintegration intellektueller und emotionaler Fähigkeiten zu erreichen. „To reach this goal – to feel what we know and know what we feel – is one of the tasks of our generation.”[13] – die bereits im Vorwort von Vision in motion gewählte Formulierung veranschaulicht prägnant das Ziel seines Schaffens. Mit der Verbreitung einer neuen Kunst verbindet Moholy-Nagy die Hoffnung, dass das Individuum seine aggressiven Impulse, die sich bereits auf destruktive Weise und in psychischen Erkrankungen äußerten, durch das emotionale Erleben in der Kunst und im eigenen künstlerischen Ausdruck von Gefühlen sublimieren könne. In seinem Kunstkonzept soll nicht nur das ‚Genie’, sondern auch der Laie sich künstlerisch entfalten können, was nicht heißt, dass Moholy-Nagy keine Differenzen zwischen laienhafter und professioneller Kunst sieht. Weiterhin soll auch die Rezeption von Kunst nicht nur einem elitären Kreis von Kunstkennern zugänglich sein, sondern der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.[14] So versuchte Moholy-Nagy, einen Großteil der Menschen sowohl durch die Rezeption seiner Kunst zu erreichen als auch zum eigenen künstlerischen Ausdruck anzuregen, um die Wahrnehmung und Kreativität der Menschen zu schulen. Neben dem individuellen Nutzen von Kunst, der Perfektionierung des Wahrnehmungsapparates und der Integration unterschiedlicher Fähigkeiten, sieht Moholy-Nagy in der neuen Kunst eine soziale Funktion. Das verlorene Gefühl gesellschaftlicher Kohärenz könne durch den Ausdruck fundamentaler gemeinsamer Werte und gesellschaftlicher Probleme wiederhergestellt werden.

[...]


[1] Fiebach bezieht sich außerdem auf die Warenzirkulation und die Wahrnehmungsweisen in den großen Warenhäusern, die für mein Thema im Folgenden weniger relevant sind.

[2] Fiebach, Audiovisuelle Medien, S. 25.

[3] Fiebach, Audiovisuelle Medien, S. 30.

[4] Vgl. Weitemeier, Moholy-Nagy, S. 67.

[5] Moholy-Nagy, Vision, S. 16.

[6] Ebd., S. 18.

[7] Ebd., S. 19.

[8] Seine pädagogischen Aufgaben nahm Moholy-Nagy vor allem als Lehrer am Bauhaus (1923-1928) in Weimar und Dessau bzw. an dem von ihm in Chicago gegründeten „New Bauhaus“ (1939-1946) wahr.

[9] Sahli, Sinneserweiterung, S. 7.

[10] Ebd.

[11] Moholy-Nagy, Production – reproduction, S. 289.

[12] Moholy-Nagy, Vision, S. 25.

[13] Ebd., S. 11.

[14] Damit wendet sich Moholy-Nagy außerdem gegen die von Benjamin vertretene Aura des Kunstwerks und setzt sich für den Einsatz von Reproduktionstechniken in der Kunst ein. Vgl. Weitemeier, Licht-Visionen, S. 29.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Wahrnehmung im Theater der Avantgarde. Analyse der Wahrnehmungskonzeption im Theater des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
Wahrnehmung und ästhetische Erfahrung
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V49260
ISBN (eBook)
9783638457538
ISBN (Buch)
9783638728492
Dateigröße
750 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahrnehmung, Theater, Avantgarde, Analyse, Wahrnehmungskonzeption, Theater, Bauhauskünstlers, László, Moholy-Nagy, Wahrnehmung, Erfahrung
Arbeit zitieren
Janine Dahlweid (Autor:in), 2005, Die Wahrnehmung im Theater der Avantgarde. Analyse der Wahrnehmungskonzeption im Theater des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49260

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