Sensation Seeking und Individuelle Innovativität

Eine explorative Studie über den Einfluss von Sensation Seeking auf die individuelle Innovationskraft im beruflichen Umfeld


Masterarbeit, 2019

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Forschungsproblem, Fragestellung und Hypothesen

2. Sensation Seeking
2.1 Sensation Seeking Skala und Klassifikation
2.2 Physiologische Eigenschaften von Sensation Seeking

3. Konstruktion des Erhebungsinstruments
3.1 Messvariablen
3.1.1 Variablen Individuelle Innovativität
3.1.2 Variablen Sensation Seeking
3.1.3 Kontrollvariablen
3.2 Erhebungsverfahren

4. Datenanalyse und Ergebnisse
4.1 Zusammenfassende Statistiken
4.2 Empirische Ergebnisse

5. Fazit
5.1 Implikationen für Wissenschaftler
5.2 Implikationen für Manager

Literatur

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Yerkes-Dodson-Gesetz

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Hypothesen

Tabelle 2: Mittelwerte Realisierte Innovationen, Patentanmeldungen und Unternehmensgründungen

Tabelle 3: Mittelwerte Sensation Seeking, TAS, Dis, Innovatives Verhalten, Assoziieren und Innovationskultur

Tabelle 4: Messergebnisse der linearen Regression Sensation Seeking und Individuelle Innovativität

Tabelle 5: Korrelationsstärke Sensation Seeking und Individuelle Innovativität

Tabelle 6: Korrelation Innovationskultur und Individueller Innovativität

Tabelle 7: Korrelation Alter, Individueller Innovativität und Sensation Seeking

Tabelle 8: Mittelwertvergleiche Männer und Fraue

Tabelle 9: Mittelwertvergleiche Akademiker und Nichtakademiker

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Warum sind manche Menschen innovativer als andere? Welche Eigenschaften bringen diese Personen mit sich und wie können sie identifiziert werden? Um zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen, wurde der Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal Sen- sation Seeking und verschiedenen Dimensionen der Individuellen Innovativität untersucht. Sensation Seeking kombiniert eine erhöhte Risikobereitschaft mit dem Wunsch, neue und vielfältige Erfahrungen zu sammeln. Für die vorliegende Studie wurden 186 Studienteilneh- mer hinsichtlich ihrer Individuellen Innovativität und ihrer Sensation Seeking Ausprägung befragt. Die gesammelten Daten wurden mit Hilfe statistischer Analysen auf Interkorrelatio- nen und Mittelwertsvergleichen hin untersucht.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Sensation Seeking positiv mit den Dimensionen der Individuellen Innovativität in Form von Unternehmensgründungen und innovationsförderli- chem Verhalten in Zusammenhang steht. Dementsprechend gründen Personen mehr Unter- nehmen und verhalten sich innovativer, je ausgeprägter die Sensation Seeking Komponente ‚Thrill and Adventure Seeking‘ (TAS) ist. Mit einer höheren Ausprägung der Sensation See- king Komponente ‚Disinhibition‘ (Dis) wurde eine stärkere Assoziationsgewohnheit in Zu- sammenhang gebracht. Darüber hinaus erzielten Männer höhere Werte in allen Dimensio- nen der Individuellen Innovativität, Sensation Seeking sowie TAS als Frauen. Akademiker erreichten höhere Mittelwerte bei den Faktoren Innovationsverhalten und der Anzahl an Pa- tentanmeldungen als Nicht-Akademiker. Zudem wurde festgestellt, dass eine innovationsför- dernde Unternehmenskultur positive Auswirkungen auf das individulle Innovationsverhalten hat. Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine erhöhte Sensation See- king Ausprägung eine intrinsische Motivation für die Individuelle Innovativität in Form von Unternehmensgründungen und innovationsförderlichem Verhalten darstellt.1

1. Einleitung

Die Fähigkeit Innovationen hervorzubringen ist eine entscheidende Voraussetzung für die sozioökonomische Entwicklung und für nachhaltiges Wachstum. Die zunehmende Bedeu- tung von Innovationen resultiert aus der sich schnell verändernden Dynamik des Wettbe- werbs und der Internationalisierung der Wirtschaft durch das Zusammenspiel verschiedener Kräfte, wie etwa der ständige wissenschaftliche und technische Fortschritt, sich verändernde Kundenanforderungen, intensivere Wettbewerbsprozesse und die fortschreitende Globalisie- rung. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation gelten Innovationen als entscheidender Motor für nachhaltiges Wachstum und stärken die politische und wirtschaftliche Situation einer Region und definieren somit ihre Zukunft (vgl. Geroski 1995; Gerybadze 2004, S. 3; Springer 2004, S. 167; Hauschild et al. 2016, S. 24-26).

Im Laufe der Jahre hat sich das wissenschaftliche, wirtschaftliche und politische Verständnis von Innovation grundlegend verändert. Die Frage, wie die Innovationsfähigkeit von Individu- en, Organisationen, Netzwerken und Gesellschaften gesteigert werden kann, ist derzeit nicht nur eine Frage der technologischen Entwicklung, sondern es wird immer wichtiger zu klären, wie innovationsfördernd die organisatorischen Gegebenheiten und ihre einzelnen Mitglieder sind. So wurde der Fokus von der klassischen Produkt- und Technologieorientierung zu- gunsten eines ganzheitlichen Innovationsverständnisses erweitert, um die sozialen und or- ganisatorischen Aspekte von Innovationen mit einzubeziehen. Der Mensch und seine Ar- beitsumgebungen spielen dabei eine entscheidende Rolle und können als zentrale Treiber von Innovationen angesehen werden. Die Forschungsarbeiten gehen zunehmend davon aus, dass die Innovationskraft eines Unternehmens nicht hauptsächlich durch organisatori- sche Komponenten, sondern vielmehr durch die Fähigkeiten, Eigenschaften und Kenntnisse ihrer Mitarbeiter bestimmt wird. Dementsprechend gewinnen Mitarbeiter und Führungskräfte, mit der Fähigkeit Innovationen hervorzubringen, für die Zukunftssicherheit eines Unterneh- mens immer mehr an Bedeutung (vgl. Romijn et al. 2002; Armbruster et al. 2005; Schweizer 2006; Maier et al. 2007).

In der Verhaltensforschung ist allgemein anerkannt, dass Persönlichkeitsmerkmale und ihre dazugehörigen Verhaltenstendenzen verschiedene Fähigkeiten unterstützen. Kreativität, als Fähigkeit etwas Neues oder Originelles zu entwickeln, wird beispielsweise durch Selbstver- trauen, Nichtkonformität, Risikobereitschaft und einer gewissen Urteilsautonomie gefördert (vgl. Schweizer 2006, S. 165). Der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf Verhaltens- tendenzen führt somit zu der Theorie, dass persönliche Konstrukte unterschiedliche Affinitä- ten erklären und somit das individuelle Innovationspotenzial eines Menschen vorhersagen können.

Welche Persönlichkeitsmerkmale bringt also eine innovative Person mit sich? Das Ziel dieser Studie war es, zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen. Dafür wurde der Zusammen- hang zwischen der Individuellen Innovativität und dem Persönlichkeitsmerkmal namens ‚Sensation Seeking‘untersucht. Sensation Seeking wurde 1964 von Marvin Zuckerman ent- wickelt und wird seit kurzem mit der Individuellen Innovationsstärke in Zusammenhang ge- bracht (vgl. Sunder et al. 2017). Sensation Seeking wird mit Kreativität und Risikobereitschaft in Verbindung gebracht und beinhaltet den Drang, neue Erfahrungen machen zu wollen. Diese Aspekte von Sensation Seeking überschneiden sich mit den Eigenschaften, über die sehr Innovative Individuen verfügen (vgl. Schweizer 2006; Sunder et al. 2017; Dyer et al. 2011).

Es sei darauf hingewiesen, dass mit Sensation Seeking keine Sensationsgier gemeint ist, bei der eine Person nach spektakulären, unerwarteten Ereignissen oder Attraktionen sucht, son- dern mit ‚Sensation‘ im medizinischen Sinne das physische emotionale Empfinden gemeint ist (z. B. Hitzewallung bei Erregung). Sensation Seeking ist also ein physiologisch basiertes Konstrukt (vgl. Zuckerman et al. 1964) und beruht auf dem Yerkes-Dodson-Gesetz (1908). Demnach gibt es einen optimalen Erregungszustand zwischen Stress und Langeweile, wel- cher genetisch bedingt ist. Das Erregungsniveau kann reguliert werden, indem das Individu- um stimulierende Impulse sucht oder vermeidet (vgl. Yerkes et al. 1908, S. 459 ff.). Zucker- man (1994) geht davon aus, dass jedes Individuum gewillt ist, sein optimales Erregungsni- veau zu erreichen, da vor allem in diesem Zustand belohnende Botenstoffe vom Organismus augeschüttet werden und die Leistungs- sowie die Konzentrationsfähigkeit ihren Höhepunkt erreichen. Menschen mit einem vergleichsweise hohen optimalen Erregungsniveau neigen dazu, äußere Reize zur Stimuation aufzusuchen und werden daher als Sensation Seeker bezeichnet. Theoretisch sind diese Menschen ständig auf der Suche nach neuen Impulsen, um den optimalen Erregungszustand zu halten. Durch psychologische Tests kann dieses Merkmal mit der Sensation Seeking Skala (SSS) identifiziert werden (vgl. Zuckerman 1994, S. 31-33).

High Sensation Seeker (HSS) sind Individuen, die auf Zuckermans Sensation Seeking Skala durchweg hoch punkten. Sie neigen dazu, ein höheres Interesse an vielfältigen Erfahrungen zu haben, sind neugieriger und offener für neue Situationen im Vergleich zu Personen, die auf der Sensation Seeking Skala niedrig abschneiden. Zuckermans Forschungen deuten auch darauf hin, dass HSS in offenen Situationen tendenziell innovativer sind als ihr Pen- dant, die Low Sensation Seeker (LSS). Darüber hinaus neigen HSS dazu, extrovertiert zu sein, so dass sie oft soziale Situationen dominieren, und zudem die Selbstoffenbarung ande- rer einfordern (vgl. Zuckerman 1994, S. 57ff.). Diese individuellen Eigenschaften in Verbin- dung mit einer erhöhten Risikobereitschaft machen HSS oft zu Trendsettern (vgl. Workman et al. 2006, S. 77). Auf der Suche nach neuen Erfahrungen, welche das Stimulationsbedürf- nis der Sensation Seeker befriedigen, sind sie bereit, Risiken in Kauf zu nehmen. Sie sind weniger konflikt- und konfrontationsscheu als die Durchschnittsperson und sie können identi- fiziert werden, z. B. durch die Sensation Seeking Skala, als Extremsportler oder Piloten (vgl. Wymer et al. 2008, S. 296; Sunder et al. 2017; Gomà-i-Freixanet 2004).

Zusammenfassend lässt sich aus den oben genannten Gemeinsamkeiten zwischen Indivi- dueller Innovativität und Sensation Seeking schlussfolgern, dass Sensation Seeker ein er- höhtes Potential an Innovationskraft in sich tragen könnten. Aus diesem Grund erscheint dieses Persönlichkeitsmerkmal für Rekrutierungsbemühungen in Arbeitsfeldern oder Situati- onen mit erhöhtem Innovationsdruck interessant. Dennoch erhebt diese Arbeit nicht den An- spruch, HSS als erfolgreiche Innovatoren zu verallgemeinern. Menschen mit innovativen Absichten, wie etwa Entrepreneure oder Recruitingmanager, welche auf der Suche nach innovativen Persönlicheiten für ihre Unternehmung sind, stehen jedoch vor der Herausforde- rung Personen zu identifizieren, die eine gewisse Courage mit sich bringen. Personen, die von sich aus Unkonventionlles ausprobieren, ohne sich von den damit verbundenen Risiken einschüchtern zu lassen und auch bei unerwartet aufkommenden Widerständen die Ent- schlossenheit besitzen, fortzufahren.

1 .1 Forschungsstand

Es gibt verschiedene Studien, welche die individuellen Voraussetzungen für das Hervorbrin- gen von Innovationen untersuchen. Beispielsweise validierte Hardt (2011) ein Instrument zur Diagnose der individuellen Innovationskompetenz mit dem Ziel, die Rekrutierung und Ent- wicklung von qualifiziertem Personal gezielter und systematischer zu gestalten. Hardt (2011) zufolge, ist dieses Instrument in der Lage, die individuellen Innovationsvoraussetzungen zu erfassen. Allerdings beruht es auf Selbsteinschätzungen, dessen Fragen die dirkete Innova- tionskompetenz betreffen. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Befragten ihr Antwort- verhalten entsprechend anpassen, weshalb Verfälschungen der Ergebnisse durch Metho- denverzerrung nicht ausgeschlossen werden können. Zudem ist ein Test in Form einer Be- fragung nicht zur frühzeitigen Identifikation von Individuen geeignet.

Schweizer (2006, S. 169) entwickelte ein „Novelty Generation Model“ (NGM), das die Anfor- derungen an den Prozess der Neuheitsgenerierung und die neurokognitiv sowie neuropsy- chologischen Merkmale, welche diese Anforderungen unterstützen, aufzeigt. Konstrukte wie Cloningers (1994) „Novelty-Seeking", Zuckerman’s (1994) „Sensation Seeking” oder die „O- penness to Experience Dimension" in Costa und McCraes (1992) "Five Factor Model" stehen oft im Zusammenhang mit der individuellen Innovationskraft. Eine höhere Risikobereitschaft, ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Abwechslung und Veränderung, Offenheit für unbekannte Situationen und Gewohnheiten, Neugierde, Hedonismus, Impulsivität, und Handlungsorien- tierung sind Beispiele für Gemeinsamkeiten zwischen Sensation Seeking und dem gesuch- ten innerlichen innovativen Antrieb (vgl. Zuckerman 2001; Wymer et al. 2008, S. 296).

Dyer, Gregersen und Christensen (2008) zeigten in einer sechsjährigen Studie die Unter- schiede zwischen innovativen Unternehmern und konventionellen Geschäftsführern und Ma- nagern auf. Dazu untersuchten sie die Gewohnheiten von 25 hochinnovativen Unternehmern und befragten rund 3.000 Geschäftsführer und 500 Personen, die bereits Unternehmen ge- gründet oder neue Produkte erfunden hatten. Den Ergebnissen zufolge, sind die Studienteil- nehmer ähnlich verfahren, wenn sie bahnbrechende Ideen entdeckten. Dyer et al. (2011, S. 3) fassen die Analogien als "Five Discovery Skills" (z. Dt. „fünf Entdeckerfähigkeiten“) zu- sammen, welche die innovativsten Führungskräfte auszeichnen: Fragen, Beobachten, Netz- werken, Experimentieren und Assoziieren. Dyer et al. (2008) stellen zudem fest, dass inno- vative Unternehmer ständig neue Erfahrungen suchen und neue Ideen entwickeln (vgl. Dyer et al. 2011, S. 24).

Wymer et al. (2008) befragten 1.100 Extremsportler, um den Zusammenhang zwischen Sen- sation Seeking und Geschlecht bei der aktuellen Bürgerbeteiligung, der Motivation für ehren- amtliches Engagement und der Präferenz für Führungspositionen zu untersuchen. Sie fan- den heraus, dass HSS zur Zusammenarbeit mit aktivistischen und reformorientierten Organi- sationen tendieren und es bevorzugen, Führungsrollen einzunehmen (vgl. Wymer et al. 2008, S. 287).

Diesen Ansatz verfolgend, untersuchten Sunder et al. (2017) den Zusammenhang zwischen dem Sensation Seeking Merkmal und innovativem Erfolg in Form von Patentanmeldungen sowie der Anzahl den Patenten zugrundeliegenden Zitierungen. Sunder et al. (2017) befrag- ten 103 Geschäftsführer, die über eine Pilotlizenz verfügten, und 1.130 Geschäftsführer ohne Pilotenlizenz, um den Zusammenhang zwischen Sensation Seeking und Unternehmensinno- vation zu untersuchen. Sie fanden heraus, dass ein Geschäftsführer mit einer Pilotenlizenz die Anzahl der Patente innerhalb des Unternehmens um mehr als ein Drittel erhöht und die Zahl der damit verbundenen Zitierungen beinahe verdoppelt (vgl. Sunder et al. 2017, S. 3). Damit stellen sie einen positiven Zusammenhang zwischen der Sensation Seeking Ausprä- gung des Geschäftsführers und dem innovativen Erfolg des zugehörigen Unternehmens dar.

1 .2 Forschungsproblem, Fragestellung und Hypothesen

Unter Innovativität ist die Fähigkeit von Einzelpersonen oder Unternehmen zu verstehen, innovative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Innovativität ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft eines jeden Unternehmens sowie seiner Region. Gelingt es Unternehmen, be- sonders innovationsstarke Mitarbeiter zu gewinnen und diese zu halten, können dadurch Wettbewerbsvorteile zur Konkurrenz verschafft werden (vgl. Hamel et al. 1994; Maier et al. 2007; Ridder et al. 2005). Obwohl Innovationen eine zentrale Ressource für einen erfolgrei- chen Wettbewerb sind, gibt es nur sehr wenige isolierte und meist sehr komplexe Methoden zur Diagnose der Innovationskraft eines Menschen. In der bestehenden Literatur werden vielmehr die Aspekte der Innovationsfähigkeit von Organisationen betrachtet (vgl. Ridder et al. 2005; Wannke et al. 2012). Dabei stehen vor allem die Unternehmensmerkmale und we- niger die persönlichen Anforderungen der einzelnen Mitarbeiter im Vordergrund, wobei letz- tere als die wichtigsten Faktoren für Veränderungen betrachtet werden (vgl. Kriegesmann et al. 2007).

Angesichts des drohenden Fachkräftemangels und des prognostizierten ‚War for Talents‘2 erscheint es sinnvoll, eine frühzeitige Identifizierung von Menschen mit hohem Innovativi- tätspotenzial vorzunehmen, um die Rekrutierungsbemühungen und Investitionen in Innovati- onsprojekte effizienter zu gestalten. Jánszky und Hörnschemeyer (2014, S. 13) zeigen auf, dass sich die Suche und Auswahl von Wissensarbeitern dahingehend ändern müsse, dass sich Unternehmen zunehmend bei ihren gewünschten Kandidaten bewerben müssen und nicht wie bisher üblich, die Kandidaten bei den Unternehmen. Unter diesen Umständen scheint die Verwendung eines Persönlichkeitsmerkmals zur Vorhersage des Fähigkeitspo- tenzials einer Person ein vielversprechender und zukunftsorientierter Ansatz zu sein.

Im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Studie lautet die Forschungsfrage: "Gibt es ei- nen positiven Zusammenhang zwischen dem Sensation Seeking Merkmal und der Individu- ellen Innovativität?" Das Ziel dieser Arbeit war es, einen Teil zur Antwort dieser Frage beizu- tragen. Daher wurde der Zusammenhang zwischen dem Sensation Seeking Merkmal und ausgewählten Aspekten der Individuellen Innovativität untersucht. Genauer gesagt, wurde die Studie entwickelt, um zu testen, ob es einen signifikanten Unterschied in der Innovati- onskraft von Personen gibt, die eine hohe bzw. eine niedrige Sensation Seeking Ausprägung aufweisen. Ausgehend von einem positiven Zusammenhang zwischen Sensation Seeking und Individueller Innovativität wurde angenommen, dass mit steigender Sensation Seeking Ausprägung, die Innovativität des Individuums steigt, und gleichwohl mit sinkender Sensation Seeking Ausprägung die Innovativität des Individuums sinkt. Um die allgemeine Annahme zu testen, wurden insgesamt 15 Hypothesen entwickelt (siehe Tabelle 1, S. 25). Aufgrund des explorativen Ansatzes der Studie wurden die Beobachtungen mit Methoden der deskriptiven Statistik ausgewertet.

2. Sensation Seeking

Zuckermans (1994) Sensation Seeking ist definiert durch die aktive Suche nach vielfältigen, neuartigen und intensiven (Sinnes-) Erfahrungen und schließt die Bereitschaft mit ein, physi- sche, soziale, rechtliche und finanzielle Risiken dafür einzugehen (vgl. Zuckerman 1994, S. 27). Das Modell des optimalen Erregungsniveaus von Yerkes und Dodson (1908) steht im Mittelpunkt der Überlegungen von Zuckerman und hängt von den individuellen Lebenserfah- rungen, Alter und dem Geschlecht ab.

Zuckerman geht demnach von einem optimalen Erregungszustand zwischen Stress und Langeweile aus, den jeder Mensch zu erreichen versucht. Dementsprechend haben Men- schen mit einer hohen Sensation Seeking Ausprägung, sogenannte "High Sensation Seeker" (HSS) ein genetisch bedingt höheres optimales Erregungsniveau, das sie durch externe Sti- mulation zu erreichen versuchen. Dafür sind HSS eher bereit, Risiken einzugehen, wobei das lohnende Gefühl als Motivationstreiber fungiert. Low Sensation Seeker (LSS) hingegen haben ein niedrigeres optimales Erregungsniveau, weshalb nur eine geringe Stimulation der Außenwelt notwendig ist, um das optimale Level an Erregung zu erreichen. Ein vorhersehba- rer und geordneter Lebensstil ist für LSS daher wünschenswerter, während der HSS ständig auf der Suche nach neuen Eindrücken und unbekannten Situationen ist (vgl. Zuckerman 1994).

Abbildung 1 veranschaulicht das Yerkes-Dodson-Gesetz nach Robert Yerkes und John D. Dodson (1908), auf dem Zuckermans Theorie basiert. Es beschreibt die kognitive Leistungs- fähigkeit als ein umgekehrtes u-förmiges Verhältnis zwischen physiologischer Aktivierung und Leistung. Es wird daher auch als Aktivationsmodell bezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A bbildung 1: Yerkes-Dodson-Gesetz (Quelle: Saeed et al. 2017, S. 1)

Der Leistungsverlauf ist bei jedem Menschen sehr variierend und hängt von der emotionalen und motivationalen Ebene der Erregung ab. Ist das Erregungsniveau zu niedrig, wird das optimale Leistungsniveau nicht erreicht. Die Erhöhung des Erregungsniveaus führt zu einer Steigerung der Leistung bis zu einem Maximalwert. Steigt das Erregungsniveau über das Optimallevel hinaus, nimmt die Leistungsfähigkeit aufgrund von Stress, Angst und Überfor- derung wieder ab (vgl. Kreutzer et al. 2011).

Darüber hinaus korreliert das Merkmal Sensation Seeking mit anderen Dimensionen der Persönlichkeit, wie etwa dem Bedürfnis nach Veränderung, Neugierde, Impulsivität, Hand- lungsdrang und der expliziten Intoleranz gegenüber Langeweile (vgl. Pizam et al. 2004, S. 252-253). Sensation Seeking nimmt während der Pubertät zu, erreicht seinen Höhepunkt im jungen Erwachsenenalter und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Demographisch gesehen sind HHS in der Regel junge erwachsene oder jugendliche Männer (vgl. Wymer et al. 2008, S. 289).

2 .1 Sensation Seeking Skala und Klassifikation

Im Jahr 1964 entwickelte Zuckerman die erste Version der Sensation Seeking Skala (SSS). Über einen Zeitraum von dreißig Jahren (1964-1994) entwickelte sich die Skala von einem allgemeinen Standard zu einem Multiskaleninstrument und besteht aus 40 forcierten Aus- wahlmöglichkeiten. Die Zusammenfassung der Elemente ergibt eine Gesamtpunktzahl, die auf ein höheres Stimulationsbedürfnis oder eine stärkere Suche nach neuen Empfindungen mit höherem Erregungslevel hinweist. Die Skala hat vier Subskalenfaktoren, die die Tendenz eines Individuums testen, sich neuen Reizen zu nähern, anstatt sie zu vermeiden. Die Sum- me der vier Faktoren bestimmt die Sensation Seeking Ausprägung eines Individuums. Eine höhere Gesamtpunktzahl steht für eine höhere Betonung des Sensation Seeking Persönlich- keitsmerkmals. Die vier Subskalen werden im Folgenden kurz beschrieben (vgl. Zuckerman 1994, S. 31-33):

(1) “Thrill and Adventure Seeking” (TAS) bezieht sich auf das Ausüben von Ext- remsportarten und allgemein gefährlichen Aktivitäten (z. B. Fallschirmspringen, Tiefseetauchen oder Bergsteigen).
(2) “Disinhibition” (Dis) beschreibt die Neigung zum ungehemmten Sozialverhalten, Freizügigkeit und Substanzkonsum (z. B. soziales Trinken, Vorliebe für über- mäßige Partys und ausgelassene Formen der Sexualität).
(3) “Experience Seeking” (ES) beschreibt den Drang, neue Erfahrungen durch Rei- sen und unkonventionelle Freunde und Lebensweisen zu sammeln (z. B. Lang- zeitreisende, Künstler oder Punks).
(4) “Boredom Susceptibility” (BS) beschreibt die Abneigung gegenüber repetitiver oder routinemäßiger Arbeit oder Lebensstilen (z. B. Vermeidung von monoto- nen Aufgaben, geäußerte Unzufriedenheit oder innere Spannung in Gedulds- übungen).

[...]


1 Die vorliegende Studie wurde im Zeitraum vom 25. September 2018 bis 25. Februar 2019 bei der 2b AHEAD ThinkTank GmbH im Rahmen der Meisterarbeit der Authorin verfasst. Dank gilt allen StudienteilnehmerInnen sowie Joseph Robert Natoli für seine hilfreichen Kommentare. Die Autorin dankt auch Sven Gábor Jánszky, wel- cher sie auf das Thema der Studie hinwies, und Jan Berger für die unterstützenden Sparrings. Ein besonderer Dank gilt zudem Sascha Hommel für seine alltäglichen Beispiele, die veranschaulichen, was es bedeutet, im Geschäftsalltag Innovationen hervorzubringen.

2 Unter dem Schlagwort ‚War for Talents‘ wird die zunehmende Schwierigkeit von Unternehmen zu- sammengefasst, geeignetes qualifiziertes Personal zu finden. Um freie Stellen passend zu beset- zen, fände ein Kampf zwischen den Unternehmen um die besten Nachwuchskräfte, die soge- nannten „High Potentials“, statt (vgl. Haller 2003, S. 21ff.; Vater 2003; Dyer et al. 2011, S. 3; Jánszky et al. 2014, S. 13)

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Sensation Seeking und Individuelle Innovativität
Untertitel
Eine explorative Studie über den Einfluss von Sensation Seeking auf die individuelle Innovationskraft im beruflichen Umfeld
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig  (Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen)
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
30
Katalognummer
V492541
ISBN (eBook)
9783668990852
ISBN (Buch)
9783668990869
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Innovation, Sensation Seeking, Innovativität, Innovationsprozess, Innovationskompetenz, Innovationsfähigkeit, Innovationsobjekt, Innovationsgegenstand, Innovationskultur, Innovationskomponente, Innovationsreichweite, Disruption, disruptive Innovation, inkrementelle Innovation, Innovationsgrad, individuelle Innovationsfähigkeit, individuelle Innovationskompetenz, Innovationspersönlichkeit, Persönlichkeit
Arbeit zitieren
Yasmin Krause (Autor:in), 2019, Sensation Seeking und Individuelle Innovativität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492541

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