Psychische Störungen im Jugendalter

Bewältigung von Entwicklungsaufgaben als eine mögliche Ursache


Bachelorarbeit, 2019

40 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung und Fragestellung

2. Definition des Begriffs Jugend

3. Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
3.1 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst
3.2 Entwicklungsaufgaben nach Hurrelmann

4. Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
4.1 Stressbewältigung
4.1.1 Bewältigungsstrategien in Bezug auf die Stressoren
4.1.2 Alters- und Geschlechtsunterschiede in der Stressbewältigung
4.2 Risikofaktoren
4.3 Schutzfaktoren und Ressourcen

5. Bewältigungsprobleme
5.1 Definition und Klassifikation der psychischen Störungen
5.2 Bewältigung von Entwicklungsaufgaben als mögliche Ursache der psychischen Störungen im Jugendalter
5.2.1 Essstörungen
5.2.2 Depression

7. Zusammenfassung und Fazit

1. Einleitung und Fragestellung

„Alarmierende Studie: Immer mehr Jugendliche sind psychisch krank” (Hannoversche Allgemeine 2018), „Immer mehr Schüler leiden unter psychischen Erkrankungen" (Süddeutsche Zeitung 2018), „Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu" (Göttinger Tageblatt 2018) - Das sind nur ein paar von zahlreichen Überschriften der Meldungen, dass heutzutage immer mehr Jugendliche unter psychischen Störungen leiden.

Entwicklungspsychologen und andere Sozialwissenschaftler beschreiben oft das Jugendalter als eine „Übergangsphase" vom Kindes- in das Erwachsenenalter (vgl. Brandtstädter 1985: 5). Aufgrund der komplexen Änderungsdynamik, die vor allem im Jugendalter erscheint, definieren viele Entwicklungstheoretiker die Phase sogar als einen „Entwicklungsabschnitt der Konflikte und Krisen" (vgl. ebd.). Im Jugendalter kommen die Jugendlichen in entwicklungsbedingte Veränderungen, die sie akzeptieren und bewältigen sollten. In der Zeit bestehen für die jungen Menschen viele Perspektiven aber auch Belastungen, mit denen sie umgehen müssen. Aus diesem Grund wird die Zeit oft auch mit psychischen Auffälligkeiten und Störungen verbunden (vgl. Lohaus/Vierhaus 2013: 262). Die Herausforderungen für die Jugendlichen sind die Entwicklungsaufgaben, die u.a. von Havighurst (1956,1972) definiert und von Hurrelmann (2002) weiterentwickelt wurden. Diese sollten von den Jugendlichen im Laufe der Zeit bewältigt werden. Wenn es nicht gelingt, kann das einen negativen Einfluss auf die weitere Entwicklung des jungen Menschen haben (vgl. ebd: 264).

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit soll beantwortet werden, ob die Bewältigung von altersspezifischen Aufgaben, denen die Jugendliche während der Pubertät entgegentreten, die Entstehung von psychischen Erkrankungen verursachen kann und wenn ja inwieweit und unter welchen Umständen.

Zunächst werden die verschiedenen Definitionen des Begriffs Jugend geklärt und eingeordnet. Im Kapitel 3 wird das Konzept von Entwicklungsaufgaben dargestellt und anhand von zwei ausgewählten Konzepten (Hurrelmann und Havighurst) näher beschrieben, woran deutlich erkennbar wird, dass das Konzept im Laufe der Jahre einige Änderungen erfahren hat. Als nächstes wird im Kapitel 4 die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben dargestellt und der Begriff Stress definiert, der ein wichtiger

Bestandteil der Entwicklung der Jugendlichen darstellt und ausgelöst werden kann, wenn die Herausforderungen das Bewältigungspotenzial übersteigen. Danach wird auf die Lazarus Stresstheorie eingegangen. Dabei werden die Bewältigungsmethoden und Bewältigungsstrategien im Hinblick auf das Jugendalter erläutert und Alters- und Geschlechtseffekte dargestellt. Im Kapitel 5 werden zuerst die möglichen Bewältigungsprobleme bei den Jugendlichen thematisiert. Als nächstes wird der Begriff psychische Störungen, die aus den Problemen der Bewältigung resultieren können, definiert, sowie seine Klassifikation dargelegt um einen kurzen Überblick über das Thema psychische Störungen zu schaffen. Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Entwicklungsaufgaben im Jugendalter dargestellt und die Bewältigung von diesen Herausforderungen als eine mögliche Ursache der psychischen Erkrankungen in der Pubertät thematisiert. Als nächstes werden zwei ausgewählten Störungen (Essstörung und Depression) näher beschrieben und in Bezug auf die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben im Jugendalter gesetzt. Zum Schluss werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst und reflektiert.

2. Definition des Begriffs Jugend

Der Begriff Jugend wird als eine Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein verstanden. Obwohl das Thema Jugend zu den beliebtesten Themen des Alltagsdiskurses gehört, lässt es sich schwer beschreiben, was genau das Jugendalter bedeutet und was die Besonderheiten der Lebensphase ausmacht. Die endgültige Definierung des Begriffs wird dadurch erschwert, dass der kontinuierliche gesellschaftliche Wandel immer wieder nach einer neuen Definition der Jugendphase verlangt (vgl. Förtig 2002: 3).

Die juristische Definition des Begriffs Jugend kann sich auf klare Regelungen wer der Jugendliche tatsächlich ist und wer nicht und was seine Rechte sind, beziehen. Aus diesem Grund wird die von Dr. Helene Förtig als die einfachste Möglichkeit der Definition bezeichnet (vgl. ebd.). Sie bringt den § 1 Absatz 2 JGG in dem ein Jugendlicher als „wer [...] vierzehn, aber noch nicht achtzehn [...] Jahre alt ist" definiert wird, vor. Laut Gesetz nicht jugendlich ist, „wer [...] achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist." Kind ist nach § 176 Abs. 1 StGB „eine Person unter vierzehn Jahren" (Förtig 2002: 3).

Obwohl sich die obengenannte Definition des Jugendalters an soziologische Ereignisse anlehnt, ist es schwer diese in ein starres Muster zu pressen. Solche einfachen Abgrenzungen des Begriffes sind Göppels Meinung nach jedoch notwendig, wenn es darum geht, die Rechtsansprüche und institutionellen Verpflichtungen zu bestimmen. Sie sagen aber nichts über die qualitativen Besonderheiten der einzelnen Altersabschnitte aus und sie gehen nicht auf die Tatsache ein, dass die körperliche und seelische Reife eines Menschen unterschiedlich beschaffen sein kann (vgl. Göppel 2005: 4).

Der Begriff Jugend kommt aber nicht nur in juristischen Texten vor. Die Definition wird oft in der Entwicklungspsychologie, aber auch in der soziologischen Jugendforschung erläutert. Trotzdem lassen sich in diesen Bereichen selten begriffliche Festlegungen der Jugendphase finden, die nicht pragmatisch sind. So betont Göppel, dass die genutzten Begriffe in keiner Weise einheitlich sind (vgl. ebd.).

Es ist wichtig anzumerken, dass, wenn vom Jugendalter die Rede ist, oft die Begriffe der Pubertät und Adoleszenz in der Literatur vorkommen. Diese beschreiben die Entwicklungszeiträume der Jugend und werden zum Ausgangspunkt dieser Arbeit.

Schwarz (2004) schreibt in einem Artikel, dass in beiden deutlichen Änderungen in der Selbstdefinition und der Gestaltung der Beziehungen des Einzelnen zur Umgebung bestehen, wobei als Pubertät wird im Eigentlichen die körperlichen Änderungen bezeichnet und als Adoleszenz eine psychosoziologische Phase, die über die Pubertät hinausgeht (vgl. Schwarz 2004: 1).

Der Begriff Jugendalter wird von Ramplein (1963) als Oberbegriff genutzt. Dieser beschreibt das ganze zweite Lebensjahrzehnt. In diesem werden die Unterphasen und zwar Vorpubertät (12-14 Jahre) sowie Pubertät (14-16 Jahre), Jugendkrise (16-17 Jahre) und Adoleszenz (17-21 Jahre) beschrieben (vgl. Ramplein 1963: 28, zit. nach Göppel 2005: 4). Oerter und Dreher (1995) bezeichnen es jedoch andersrum. Bei ihnen wird Adoleszenz zum Oberbegriff genannt. Dieser reicht vom 10. bis zum 21. Lebensjahr und wird in Unterphasen aufgeteilt. Das Jugendalter wird jedoch als die Phase zwischen 11. Und 17. Lebensjahr verstanden (vgl. Oerter/Dreher 1995: 312, zit. nach Göppel 2005: 4). Noch anders sieht die Aufgliederung von Kasten aus. Er unterscheidet folgende Phasen: Vorpubertät (12-14 Jahre), Pubertät (14-16 Jahre), frühe Adoleszenz (16-17 Jahre), mittlere Adoleszenz (17-19 Jahre) und späte Adoleszenz (19-21 Jahre). Kasten nutzt den Begriff Jugendalter als Synonym der Adoleszenz. Dieser wird als zweite große Übergangsphase nach der Phase der Pubertät bezeichnet. (vgl. Kasten 1999: 14-18, zit. nach Göppel 2005: 4).

Obwohl sich die Definition des Jugendalters nicht einheitlich bestimmen lässt, eins kann übereinstimmend festgestellt werden: das Jugendalter wird immer mit den Herausforderungen bzw. Aufgaben verbunden, die Jugendliche während des Erwachsenwerden bewältigen müssen. Rauschenbach und Bormann betonen: „diese rücken vor allem dann ins Blickfeld, wenn etwas schief geht, wenn Jugendliche mit den an sie herangetragenen Herausforderungen nicht klarkommen, wenn sie daran scheitern" (Rauschenbach/Bormann 2013: 7).

3. Das Konzept der Entwicklungsaufgaben

Zu den Aufgaben und Erwartungen, mit denen sich die Jugendlichen in der Pubertät auseinandersetzen müssen, gehören z. B. das Akzeptieren von sich selbst sowie des eigenen Körpers, der sich in der Veränderungsphase befindet, Verstärkung von Beziehungen zu Peers, die Trennung von den Eltern oder die erste romantische Beziehung. Eine große Herausforderung für die Jugendlichen ist selbständig bzw. verantwortlich zu werden und demzufolge auch die Entscheidungen bezüglich der Schule, des späteren Berufswegs und der Zukunft zu treffen. In der Pubertät suchen die Jugendlichen ihre Identität und bilden eigene Norm- und Wertvorstellungen (vgl. Eschenbeck/Knauf 2018: 24).

Die Konzeption der Entwicklungsaufgaben geht auf die sozialpsychologische Forschung, hauptsächlich auf Eriksons Phasenmodell der Persönlichkeitsentwicklung zurück (vgl. Gröning 2014: 60). In seinem Modell legt er dar, dass die Entwicklung des Menschen in acht Stufen abläuft. Jede Stufe beinhalt einen Konflikt, der gelöst werden sollte (vgl. Urban/Fischer 2015: 26). Erikson war der Meinung, dass das Leben ein Ablauf von verschiedenen altersspezifischen Krisen sei, die zur Weiterentwicklung der Identität des Menschen führen, solange sie erfolgreich bewältigt werden (vgl. Baacke 1976: 108). Er hat deutlich gemacht, dass das Jugendalter eine Phase ist, in der sich „in Sachen Identität Entscheidendes ereignet" (ebd.: 109).

Eine wichtige Entwicklungsaufgabe im Jugendalter ist also Entwicklung der eigenen Identität. Erikson (1950) stellt in seinem Modell der psychosozialen Stadien 8 Phasen über die Lebensdauer dar. In jeder Phase steht im Vordergrund eine spezifische psychosoziale Krise. Die erfolgreiche Bewältigung der Krisen ist notwendig, damit das Individuum sich weiterentwickeln kann. Als zentrale Krise, die Jugendliche meistern sollten, beinhaltet nach Erikson (1968) die Identitätsentwicklung zwischen den beiden „Spannungspolen der Identitätsfindung" und „der Rollendiffusion" (vgl. Eschenbeck/Knauf 2018: 31).

Basierend auf Eriksons Phasenmodell, hat Havighurst in den 1950er Jahren eine differenzierte Entwicklungstheorie (Havighurst, 1956,1972) entwickelt. Es lassen sich an manchen Stellen in den beiden Modellen die inhaltlichen Gesamtheiten beobachten, wie z. B die Entwicklungsaufgabe der frühen Kindheit. Nach Erikson wird die Herausforderung durch die Entwicklung von Vertrauen bzw. Misstrauen charakterisiert und nach Havighurst durch den Aufbau sozialemotionaler Bindung (vgl. Oerter/Montada 2008: 669). Im Gegenteil zu Erikson beschreibt jedoch Havighurst die Entwicklungsaufgaben nicht als einen Konflikt, bzw. eine Krise, sondern weiterhin als eine neutrale Aufgabe (vgl. Drude/Bartoszek 2015: 26).

3.1 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst

Der Entwicklungspsychologe Robert Havighurst hat im Jahr 1948 das Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havigurst 1956, 1972) definiert. Nach diesem lässt sich der Lebenslauf eines Menschen an verschiedenen und zusammenhängenden Entwicklungsaufgaben beschreiben.

Havighurst definiert die Entwicklungsaufgabe wie folgt: „A developmental task is a task which arises at or about a certain period in the life of the individual, successful achievement of which leads to his happiness and to success with later tasks, while failure leads to unhappiness in the individual, disapproval by the society, and difficulty with later tasks” (Havighurst 1956: 215). Es lässt sich aufgrund dessen feststellen, dass die Entwicklungsaufgaben von jedem Menschen im Laufe der Zeit zu genau festgesetzten Zeitpunkten bewältigt werden bzw. bewältigt werden sollten (vgl. Mienert 2008: 31). Damit wird aber nicht gemeint, dass sich der Einzelne mit den Herausforderungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht auseinandersetzen kann. Es ist möglich, erfordert in diesem Fall aber für die Bewältigung der Entwicklungsaufgabe einen deutlich höheren Aufwand (vgl. Rohrwick 2006: 44). Die Entwicklungsaufgaben werden als bestimmte Herausforderungen gesehen, mit denen das Individuum in einem bestimmten Alter konfrontiert wird. Diese entstehen durch eine besondere Kombination von innerbiologischen, soziokulturellen und psychologischen Einflüssen (vgl. ebd.). Es müssen verschiedene Methoden entwickelt und Kenntnisse erlernt werden, um diese Herausforderungen mit Erfolg zu schaffen (vgl. Mienert 2008: 31). Solange es funktioniert, fühlt man sich zufrieden und wohl, ansonsten ist die Bewältigung der nachstehenden Entwicklungsaufgabe behindert (vgl. Casper-Kroll 2011: 27). Es bestehen also Zusammenhänge zwischen den einzelnen Entwicklungsaufgaben. Dreher und Dreher betonen, dass: „sich die Bewältigung einer Aufgabe auf die Art und Weise auswirkt, wie eine Auseinandersetzung mit anderen Aufgaben verläuft" (Dreher/Dreher 1985: 56).

Havighurst teilt die Entwicklungsaufgaben in folgende Phasen ein: frühe Kindheit, mittlere Kindheit, Jugend, junges Erwachsenenalter, Erwachsenenalter und spätes Erwachsenenalter (vgl. Rothgang 2009: 100-101). Jeder dieser Phasen werden besondere Entwicklungsaufgaben zugeordnet, die, wie früher beschrieben, oft mit weiteren Aufgaben zusammenhängen. Ein Beispiel dafür könnte die Aufgabe des „Erlernens eines angemessenen männlichen oder weiblichen sozialen Rollenverhaltens" in der mittleren Kindheit sein. Wenn diese Herausforderung erfolgreich bewältigt wird, kann die nachfolgende Aufgabe der „Übernahme der männlichen oder weiblichen Geschlechtsrolle" im Jugendalter und später „das Lernen mit dem Partner zu leben" im frühen Erwachsenalter gemeistert werden (vgl. Dreher/Dreher 1985: 59).

Nach Havighurst (1972: 43-75) sollten folgende Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz bewältigt werden:

- Der Aufbau von neuen und reifen Beziehungen zu den Gleichaltrigen beiderlei Geschlechts.
- Das Übernehmen von weiblicher bzw. männlicher Geschlechtsrolle.
- Die Akzeptanz von der eigenen körperlichen Erscheinung und die subjektive Nutzung des Körpers.
- Das Erlangen der emotionalen Unabhängigkeit von den Eltern sowie anderen Erwachsenen.
- Die Vorbereitung auf die berufliche Karriere.
- Die Vorbereitung auf das Familienleben bzw. auf die Ehe.
- Das Erlangen von eigenen Werten und ethischem System.
- Das Erstreben und Erreichen des sozialverantwortlichen Verhaltens.

Zusammenfassend lässt sich Havighursts Konzeption der Entwicklungsaufgaben sowohl als „ein Konzept zum Verständnis »gelingender« und »misslingender« menschlicher Lebensläufe verstehen als auch ein Rahmen, um die Eltern, Lehrer und Erzieher für die »teachable moments«, d. h für die Perioden besonderer Empfänglichkeit für bestimmte Lernprozesse zu sensibilisieren" (Göppel 2005: 71).

3.2 Entwicklungsaufgaben nach Hurrelmann

Vergleichbar mit Havighurst (1956,1972), beschreibt auch der deutsche Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann die Entwicklungsaufgaben als Herausforderungen, die das Individuum im Laufe des Lebens durch eine produktive Verarbeitung bewältigen muss, um die gelungene Entwicklung der Persönlichkeit sicherzustellen (vgl. Hurrelmann 2002: 35). Diese Verarbeitung ergibt sich aus der „inneren und der äußeren Realität" (vgl. Hurrelmann 2013: 87-88, zit. nach Abels/König 2016: 178). Hurrelmann betont: „die Realitätsverarbeitung ist produktiv, weil ein Mensch sich stets aktiv mit seinem Leben auseinandersetzt und die damit einhergehenden Entwicklungsaufgaben zu bewältigen versucht" (ebd.). Es lässt sich hierbei feststellen, dass sich Hurrelmann bei den Entwicklungsaufgaben im Vergleich zu Havighurst jedoch mehr auf die gesellschaftlichen Komponenten konzentriert (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2012: 27-28). Aus diesem Grund werden die Entwicklungsaufgaben als Anforderungen bezeichnet, die gemeistert werden müssen, damit das Individuum ein zufriedenes Mitglied der Gesellschaft werden kann (vgl. ebd.: 26).

Hurrelmann ist der Meinung, dass in der Kindheit die Entwicklungsaufgaben mit dem Erlernen der Sprache, emotionaler Bindung mit der Umwelt, sowie mit der Ausbildung von geistigen und motorischen Fertigkeiten eng verbunden sind. Das Kind verarbeitet jedoch die obengenannte innere und äußere Realität unbewusst und reflektiert ihr Selbstbild nicht (vgl. ebd.: 36-37).

Seiner Ansicht nach ist die Bewältigung von diesen Entwicklungsaufgaben bzw. die Fähigkeit eigenständige Leistungen zu erbringen und soziale Kontakte zu realisieren und gestalten in der Kindheit notwendig. Dank diesen kann das Individuum im Jugendalter seine sozialen und intellektuellen Kompetenzen erweitern und die eigene Geschlechtsrolle erfolgreich ausbauen (vgl. Wojcik 2016: 32).

Hurrelmann und Quenzel (2010) unterteilen die Entwicklungsaufgaben, die Jugendliche in modernen Industriegesellschaften bewältigen sollen, in die vier folgenden Bereiche bzw. "Cluster": Qualifikation, Ablösung und Bindung, Regeneration und Partizipation (Hurrelmann/Quenzel 2010: 37-51).

Zu dem Bereich Qualifikation gehört die Entfaltung einer intellektuellen und sozialen Kompetenz. Der Jugendliche sollte die Selbstverantwortung in der Ausbildung und im Beruf sowie eine Mitgliedschaftsrolle in der Leistungsgesellschaft übernehmen. Er sollte sich auch auf die Verantwortung für die ökonomische Reproduktion der Gesellschaft vorbereiten (vgl. ebd.). Als Ablösung und Bindung meinen Hurrelmann und Quenzel das Akzeptieren der körperlichen Erscheinung, die sich in der Jugendphase deutlich verändert und die emotionale und soziale Ablösung von den Eltern (vgl. ebd.). Zu der Regeneration gehört Hurrelmanns und Quenzels Meinung nach dem Aufbau selbstständiger Handlungsmuster für die Konsumgesellschaft, wie beispielsweise verantwortungsvoller Umgang mit Geld oder die selbstverantwortete Nutzung des Konsumwaremarkts und der Medien (vgl. ebd.). Im Bereich Partizipation hat der Jugendliche die Aufgabe, die autonomen Werte und Normenorientierungen aufzubauen. Dazu gehören das ethische und politische Bewusstsein sowie die verantwortliche Übernahme von gesellschaftlichen Partizipationsrollen als Bürger (vgl. ebd.).

4. Bewältigung von Entwicklungsaufgaben

Es hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, ob die Jugendlichen fähig sind, die Probleme effektiv zu lösen und die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters anzugehen und erfolgreich zu bewältigen.

„Unter Bewältigung wird ein Prozess verstanden, der einsetzt, wenn ein Jugendlicher oder eine Jugendliche sich Anforderungen und Belastungen gegenüber sieht, die für ihn oder sie große Wichtigkeit haben" (Seiffge-Krenke 1995, zit. nach Hurrelmann 2007: 60) Eschenbeck und Knauf betonen jedoch, dass die Aufgaben des Jugendalters, die als Anforderungen zu verstehen sind, nicht mit Belastungen gleichgesetzt werden sollten (vgl. Eschenbeck/Knauf 2018: 35). Die Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten der Person bestimmen letztendlich, ob eine Anforderung zu einer Belastung wird (vgl. ebd.). Coleman ist der Meinung, dass dies vorkommen kann, wenn die Jugendlichen aus unterschiedlichen Gründen die Entwicklungsaufgaben parallel intensiv verarbeiten bzw. versuchen zu bewältigen (vgl. Coleman 1989: 43-56). Das gleiche gilt auch für die Jugendlichen, die keine ausreichenden Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten besitzen. In diesem Fall werden die Anforderungen des Individuums größer als die vorhandenen Bewältigungsressourcen. Dies führt mit ziemlicher Sicherheit zur Belastung bei der Lösung der Aufgaben, Überforderung und Problemen beim Erwirken von Entwicklungszielen (vgl. Eschenbeck/Knauf 2018: 35). Die Anforderungen können die Ressourcen übersteigen wenn der Jugendlichen z. B in früheren Entwicklungsphasen die notwendige Kompetenzen nicht erreicht hat, versucht die Entwicklungsaufgabe zu früh zu lösen oder wie schon früher erwähnt, wenn zu viele Aufgaben gleichzeitig eintreten (vgl. ebd.).

„Entwicklungsaufgaben sind Herausforderungen, die gelegentlich eigentlich schwierig zu lösen sind. Es braucht dazu den Willen und die Bereitschaft, sich mit den sich stellenden Problemen auseinander zu setzen, sowie die Kenntnis von Wegen, wie diese Probleme gelöst werden können" (Flammer/Alsaker 2002: 63). Die alltäglichen Anforderungen sowie die Entwicklungsaufgaben können für die Jugendlichen zu Stressoren werden also den Stress verursachen. Dadurch wird die Bewältigung von altersspezifischen Aufgaben deutlich erschwert. Der Stress wird dann oft selbst zu einer Herausforderung, die bewältigt werden muss.

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Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Psychische Störungen im Jugendalter
Untertitel
Bewältigung von Entwicklungsaufgaben als eine mögliche Ursache
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
40
Katalognummer
V492183
ISBN (eBook)
9783346011879
ISBN (Buch)
9783346011886
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psychische, störungen, jugendalter, bewältigung, entwicklungsaufgaben, ursache
Arbeit zitieren
Roksana Kruszankin (Autor:in), 2019, Psychische Störungen im Jugendalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492183

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