Der Streit um Patente. Wem gehört Innovation?

Behindern Patente den Zugang zu Arzneimitteln? Patent Pools und Patent Buyouts im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Zugang zu Medikamenten im globalen Vergleich

III. Bedeutung von Patenten in der Arzneimittelforschung
A. Mehr Innovation und Qualitat durch Patente
B. Die blockierenden Wirkung von Patenten

IV. Aufgabe der Politik: Neue Innovationsanreize fur F&E

V. Patent Buyouts

VI. Patent Pools
A. Upstreampool
B. Downstreampools

VII. Patent Pools und Patent Buyouts: Zum Fur und Wider der beiden Instrumente

VIII. Fazit

IX. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In Entwicklungslandem leiden Menschen an einer Unterversorgung an bereits entwickelten Impfstoffen und Medikamenten. Zeitgleich erwirtschaften pharmazeutische Unternehmen enorme Profite. In Industrienationen boomt der Absatzmarkt fur Medikamente, die der Behandlung von „Zivilisationskrankheiten“1 dienen, die aus einem Uberangebot an Nahrung und zu wenig Bewegung resultieren. In Entwicklungslandem sterben Kinder an HIV, da die Medikamente aus wirtschaftlichen Grunden nicht fur Kinder adaptiert werden.

Solch ein im Grunde unmoralischer Gegensatz entsteht durch einzig marktorientierte Forschung und Entwicklung (F&E) innerhalb der pharmazeutischen Industrie. Die Politik versucht dem mit provisorischen Aktionsplanen und Hilfspaketen-etwas entgegen zu setzen. Der nachhaltige Nutzen solcher Aktivitaten ist sehr vage. rL Letztlich kann die pharmazeutische Industrie auf dem Markt fur Arzneimittel frei agieren. Wirtschaftlich unattraktive Markte fur die Arzneimittelforschung - wie HIV bei Kindern - bleiben unterversorgt, da -der Profit die Forschung bestimmt.

Doch bald schon werden auch die Industrienationen merken, dass ein marktorientiertes, patentbasiertes F&E System globale nachteilige Folgen haben kann. Das lasst sich z.B. gut am Thema der Antimikrobiellen Resistenzen (AMR) erkennen, das zunehmend zum Gegenstand der offentlichen Wahrnehmung und der Politik wird. Die zunehmenden Resistenzbildungen gegen bekannte Antibiotika, die diese wirkungslos und dadurch als Umsatzbringer wertlos machen, bedingen eigentlich eine Forcierung der F&E in diesem Feld. Wenn aber ein neu zu entwickelndes Antibiotikum ein wegen erwartbarer zukunftiger Resistenz zeitlich nicht zu bestimmendes Verfallsdatum hat, wird eine Entwicklungsinvestition unattraktiv fur ein nach maximalem Profit strebendem Pharmaunternehmen. Der Ansatz, die Investitionen in F&E letztlich durch Patente abzusichern, versagt. Es entsteht ein Entwicklungs- und Innovationsstau der globale Auswirkungen haben kann.

Egal ob schrumpfende Markte in Afrika oder AMR-Bedrohung auf der ganzen Welt: Das aktuelle marktorientierte, patentbasierte Innovationssystem gibt keine Antwort darauf, wie F&E in solchen Szenarien wirtschaftlich attraktiv sein kann. Und folglich werden Pharmaunternehmen nicht investieren. Die Kosten fur die Gesellschaften aber, die durch die Nichtverfugbarkeit wirksamer Medikamente entstehen wurden, ubersteigen bei weitem die Kosten (einschlieblich der Profite der Pharmaunternehmen), die ublicherweise verfugbare Medikamente fur die Gesundheitssysteme bedeuten.

Jetzt ist es die Aufgabe der Politik, sich mit dem Thema global health und marktorientiertem F&E verstarkt auseinanderzusetzen. Es bedarf mehr Kooperation zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, um dem Problem effektiv entgegenzutreten. Und das bestehende marktorientierte F&E-System muss grundlegend hin zu einem bedarfsorientiertem F&E System revolutioniert werden. Die Patentierung zum Schutz von geistigem Eigentum stellt einen Kernaspekt fur das Setzen von Innovationsanreizen im bestehenden markorientierten F&E-System dar. Gleichzeitig stellt dieser Mechanismus ein globales Hindernis fur verbesserten, breiteren und gunstigeren Zugang zu essentiellen Medikamenten dar. Deshalb stellt sich diese Arbeit die Frage:

Der Streit um Patente. Wem gehort Innovation?

Behindern Patente den Zugang zu Arzneimitteln?

Zwei politische Instrumente im Vergleich: Patent Pools vs. Patent Buyouts

Nach einer umfassenden IST-Zustandsanalyse, die den global unterschiedlichen Zugang der Menschen zu essentiellen Medikamenten beschreibt, wird das Patent auf geistiges Eigentum innerhalb der Pharmaindustrie als Instrument zur Innovationsanreizsetzung in Frage gestellt. AnschlieBend wird die Notwendigkeit einer Intervention der Politik zur Losung der bestehenden Probleme und Missstanden erklart. Die verschiedenen Strategien und Losungsvorschlage der Politik werden erlautert und zwei von diesen diskutiert. Die in der Problemfrage genannten Mechanismen „Patent Pool“ und „Patent Buyout“ werden in ihrer Funktionsweise an einem Beispiel erklart, miteinander verglichen und deren Fur und Wider diskutiert.

Letztendlich beantwortet diese Argumentation die Ausgangsfrage, ob Patente als Hindernis fur die Verfugbarkeit von Arzneimitten gesehen werden konnen und wie und mit welchen Mitteln die Politik aktuelle und zukunftige Zugangs- und Verteilungsprobleme beseitigen konnte.

II. Der Zugang zu Medikamenten im globalen Vergleich

Das Menschenrecht auf Gesundheit sollte theoretisch alien Menschen auf der Welt einen Zugang zu lebenserhaltenden Medikamenten garantieren. Doch man findet auf dem globalen Arzneimittelmarkt extreme Disparitaten in der Verteilung und dem Zugang zu Medikamenten. Wahrend in OECD Landern2 viele Gelder in die Forschung und Entwicklung von Arzneimitten flieBen, Krankenkassensysteme dem Verbraucher den Zugang dazu ermoglichen und die Pharmaunternehmen hohe Profite einfahren, leiden die Menschen in Low Income Countries (LICs)3 unter mangelhaftem Zugang zu gewissen Medikamenten: Es gibt fur die Pharmaunternehmen kein Anreizsystem, in den LICs Medikamente zu dort fur die Gesundheitssystem und den Einzelnen erschwinglichen Preisen anzubieten

Dieses Phanomen druckt sich in der „10/90 Gap“ aus: 90 Prozent der Gelder fur F&E flieBen in die Bewaltigung der Krankheitslast von den oberen, privilegierten 10 Prozent der Weltbevolkerung (Vgl. Hoen, E. 2016 S. 121). Es leben aktuell ca. 80 Prozent aller Menschen in LICs, daher ist diese Unterversorgung an Arzneimitteln ein Problem globaler GroBenordnung. (Vgl. Hoen, E. 2016 S. 127)

Dieser Umstand resultiert aus dem aktuellen F&E-Ansatz der pharmazeutischen Industrie. Ein marktorientiertes, monopolbasiertes System fur F&E, das den hohen Preis von Medikamenten mit dem Argument kostenintensiver F&E rechtfertigt.

Geistiges Eigentum wird patentiert, um Nachahmerprodukte vom Markt fern zu halten und um die Medikamente zum gewunschten Preis anbieten zu konnen. Ein Mechanismus, der in der freien Marktwirtschaft und in unserer globalen Welt nicht zu verurteilen ist. Profitstreben ist jedem Wirtschaftsunternehmen in der Welt innewohnend. Folglich wird vornehmlich in renditetrachtige Produktentwicklung investiert. Es muss aber gesellschaftliches Anliegen sein, andauerndes Unterinvestment in die Erforschung von armutsassoziierten Krankheiten zu beenden.

Aus dem vorherrschenden F&E-System entspringt ein Paradoxon zwischen wirtschaftlichem Profit der pharmazeutischen Industrie und dem Zugang zu lebensrettenden Medikamenten in Entwicklungslandern. Ein auf Patenten basierendes marktorientiertes System kollabiert an schrumpfenden, unattraktiven Markten. Was zum Beispiel bei neglected tropical deseases4 in Entwicklungslandern der Fall ist.

Aber auch die OECD Lander werden zukunftig die Folgen der marktorientierten F&E- Systems zu spuren bekommen. Beim Thema Antimikrobielle Resistenz (AMR) scheitert dieses System bereits. Die hohen Forschungskosten fur neue Antibiotika und die unabsehbare Resistenzbildung machen den Antibiotikamarkt sehr unattraktiv fur die pharmazeutische Industrie. Sie zieht sich aus dem Markt zuruck und es entsteht ein massiver Forschungsstau. Dieser Forschungsstau wird zum einen immer mehr Menschenleben fordern und zum anderem dem Gesundheitssystem eine riesige finanzielle Belastung darstellen.

Die pharmazeutische Industrie wird sich nicht von selbst regulieren und sich den schrumpfenden aber essentiellen Markten widmen. Die Politik muss intervenieren, um aus dem marktorientiertem F&E System ein bedarfsorientiertes F&E System zu entwickeln.

Sie muss neue Innovationsanreize fur Pharmaunternehmen schaffen, damit sie im Bereich der vernachlassigten Krankheiten in F&E investieren.

Ein Aspekt, der einem breiten und gunstigen Zugang oft als hinderlich entgegengestellt wird, ist das Patent auf geistiges Eigentum im Bereich der Arzneimittelforschung.

III. Bedeutung von Patenten in der Arzneimittelforschung

Die Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet ca. 1,5 Millionen US-$ (Vgl. Hoen, S. 128). Und es muss ein langwieriger Zulassungsprozess durchlaufen werden, der optimale Qualitat garantieren soll. Zuweilen werden Medikamente fur Millionen entwickelt aber schaffen es nicht durch die Zulassungsprozesse.

Diese Kosten werden in den meisten Fallen von den Pharmaunternehmen getragen. Ein hohes Risiko und hohe Investitionskosten leiten die Pharmaunternehmen auf die Markte, in denen es sich lohnt in F&E zu investieren. Diese Markte zeichnen sich durch zahlungskraftige Konsumenten und ausgebauten Gesundheitssysteme aus und bestehen letztlich in den Industrienationen.

Die pharmazeutische Industrie bevorzugt eine einmalige F&E, die ein Produkt hervorbringt, das sodann dauerhaft eingesetzt werden kann, Umsatze generiert und den F&E-Aufwand ausgleicht und Profite erlaubt. Die Antibiotika-Forschung unterscheidet sich davon grundsatzlich. Diese kennzeichnet sich durch extrem hohe Investitionsrisiken aus. Denn Antibiotika konnen durch AMR unwirksam werden was die ehemalige Entwicklungsinvestition wertlos machen kann und den Businesscase ggf. zerstort. Als Folge entfernt sich die pharmazeutische Industrie von solcherlei unattraktiven Markten.

Was die„groben Drei“5 betrifft sind es andere Mechanismen, die in eine Unattraktivitat fur F&E-Investitionen fuhren. Aber die Konsequenz ist die gleiche.

Um eine Sicherheit im Vertrieb des entdeckten Wirkstoffes zu haben, patentieren Pharmaunternehmen ihr geistiges Eigentum. Z.B. eine chemische Formel fur ein Malaria- Impfstoff. Dieses Patent, meist angesetzt auf 20 Jahre (Vgl. Stolpe, M. 2003 S. 439), garantiert dem Konzern, der das Geld in F&E gesteckt hat, dass auch nur er es vertreiben darf. Dies fuhrt unweigerlich zu einer Monopolbildung im Gesundheitssektor. Monopole konnen den Preis des Medikamentes, ohne Konkurrenz durch Generika, selbst bestimmen. Dieser Preis fallt demnach um ein vielfaches hoher aus, als der Preis von identischen Generika ohne Patentierung. Der hohe Preis wird mit den hohen Ausgaben in die F&E gerechtfertigt.

[...]


1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Krebs

2 OECD Lander sind westliche Industrielander mit einem hohen pro/Kopf Einkommen nach BPB auch »Club der reichen Nationen« genannt

3 Low Income Country: Lander, deren Bruttonationaleinkommen pro Kopf und Jahr geringer als 1.045 US-Dollar ist

4 Neglected tropical diseases: Gruppe von armutsassoziierten Infektionskrankheiten die mehr als 1 Mrd. Menschen betrifft

5 HIV/AIDS und Tuberculosis (Malaria —> Big four)

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Details

Titel
Der Streit um Patente. Wem gehört Innovation?
Untertitel
Behindern Patente den Zugang zu Arzneimitteln? Patent Pools und Patent Buyouts im Vergleich
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
Internationale Beziehungen/global health
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V492131
ISBN (eBook)
9783668984851
ISBN (Buch)
9783668984868
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Patente, WHO, Innovation, Research and Development, R&D, Global Health, Arzneimittelforschung, Innovationsanreize, Patent Pools, Patent Buy Outs
Arbeit zitieren
Maximlian Salzwedel (Autor:in), 2018, Der Streit um Patente. Wem gehört Innovation?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492131

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