Über die Funktion der Versammlung (Heide Bambach) bei der Entwicklung von Textkompetenz


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

28 Seiten, Note: 1 (sehr gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textkompetenz
2. 1. Was ist Textkompetenz?
2. 2. Merkmale von Textkompetenz
2. 3. Entwicklung von Textkompetenz
2. 4. Zur Entwicklung von Schreibkompetenz

3. Die Versammlung
3. 1. Beschreibung der Versammlung
3. 2. Beispieltexte aus der Versammlung
3. 2. 1. Verena: „Die Herde“
3. 2. 2. Sanna: „Die Geschichte von dem Elefanten Bongo“
3. 3. Funktion der Versammlung bei der Entwicklung von Textkompetenz.

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Während des Wintersemesters 2004/2005 besuchte ich das Seminar „Kindertexte lektorieren“. Die Inhalte und Ziele der Sitzungen bestanden unter anderem darin, Kindertexte zu verstehen und zu analysieren, aber auch linguistische und literaturwissenschaftliche Zugriffsweisen kennen zu lernen.

In der Sitzung vom 09. 12. 2004 wurde das Thema „Schreibkompetenzen wachsen lassen“ behandelt. Hierzu lernten wir eine Form des Präsentierens von Kindertexten kennen: Heide Bambach, Lehrerin an der Laborschule Bielefeld, hat eine Unterrichtsmethode entwickelt, bei der Kinder Texte schreiben und gestalten mit dem Ziel, diese in der „Versammlung“ vorzustellen.

In der folgenden Arbeit werde ich die Funktion dieser Versammlung bei der Entwicklung von Textkompetenz untersuchen. Hier stellen sich insbesondere die folgenden Fragen:

- Was versteht man unter „Textkompetenz“? Und wie entwickelt sich Textkompetenz?
- Was charakterisiert Lernprozesse beim Textschreiben?
- Was genau ist die Versammlung?
- Ist das Textschreiben für die die Versammlung eine sinnvolle Möglichkeit um Lernprozesse bei der Entwicklung von Textkompetenz zu erwecken?

Zunächst wird definiert, was unter „Textkompetenz“ zu verstehen ist, wie sich die Entwicklung dieser vollzieht und wie Lernprozesse beim Textschreiben aussehen. Anschließend werde ich zusammenfassen, wie die „Versammlung“ genau funktioniert. Es wird erläutert, wie sich die Kinder in der Arbeitsphase vor der Versammlung auf diese vorbereiten, wie Heide Bambach den Verlauf und die Vorgehensweise der Versammlung schildert, und wie die Kinder beim Vorstellen ihrer Texte aufeinander eingehen. Auch sollen einige Beispiele von Kindertexten, die für die Versammlung entstanden sind, vorgestellt werden.

Am Ende der Arbeit werde ich die bereits gewonnenen Erkenntnisse über Textkompetenz auf die von Heide Bambach vertretene Form des Schreibens übertragen und dann schlussfolgern, inwiefern die „Versammlung“ tatsächlich Textkompetenz fördert und wo es zu Problemen und Schwierigkeiten kommen kann.

2. Textkompetenz

2. 1. Was ist Textkompetenz?

„Textkompetenz“ bedeutet sowohl Texte produzieren zu können als auch Texte anderer zu verstehen (vgl. Portmann-Tselikas 2002, S. 14 ff.). Hinter dieser knappen Aussage steckt jedoch noch wesentlich mehr. Denn was versteht man unter dem Produzieren von Texten?

Man ist sich heutzutage darüber einig, dass es bei dem Schreiben von Texten um mehr geht als um das korrekte Abschreiben oder Wiedergeben von bereits verfassten Texten. Vielmehr steht das adäquate Formulieren und Aufschreiben von eigenen Ideen und Gedanken im Vordergrund (vgl. Weinhold 2005). Ziel ist, dass der Rezipient diese beim Lesen nachvollziehen und verstehen kann, sich der Autor also sinngemäß ausdrückt. Das wiederum bedeutet aber auch für den Rezipienten des Textes, dass er kompetent und unvoreingenommen genug sein sollte, sich in die Lage des Autors zu versetzen. Die Bereitschaft dazu ist erforderlich, um die Perspektive, aus der der Text geschrieben wurde, einzunehmen und sich damit auseinander zu setzen; und um die Aussage(n) verstehen zu können. Im Idealfall sind diese Aussagen anregend für das weitere schriftliche, sprachliche und gedankliche Handeln des Lesers oder Zuhörers: Durch das Einlassen auf den Text und durch die Annahme einer anderen Perspektive wird der Rezipient geprägt und entwickelt sich ein Stück weiter.

Textkompetenz setzt also sowohl gekonnte Textproduktion als auch Textverstehen voraus (vgl. Portmann-Tselikas 2002). Darüber hinaus weist Dehn (1999, S. 135) auch darauf hin, dass Textkompetenz ebenso das mündliche Erzählen und Argumentieren meint – Textkompetenz bezieht sich also nicht nur auf Schriftlichkeit, sondern auch auf Mündlichkeit.

2.1.1. Merkmale von Textkompetenz

Beschäftigt man sich mit dem Begriff „Textkompetenz“, so wird in der Fachliteratur häufig darauf verwiesen, dass ein guter, verständlicher Text „Kohärenz“ aufweisen sollte. Doch was versteht man unter „Kohärenz“ und den häufig damit in Verbindung gebrachten Begriffen „Kohäsionsmittel“ und „Präsuppositionen“?

Zunächst soll kurz erläutert werden, was Kohäsionsmittel sind. Schulte (2000, S. 40) definiert diese als „(…) sprachliche Merkmale (…), die den Text sprachsystematisch gestalten, ihn verweben.“. Man könnte es also so verstehen, dass Kohäsionsmittel Verbindungen innerhalb des Textes herstellen. Darüber hinaus dienen Kohäsionsmittel aber auch dazu, Verweise oder Verknüpfungen (zu anderen Texten) herzustellen.[1] Vorhandene oder auch nicht vorhandenen Kohäsionsmittel beeinflussen die Haltung des Rezipienten gegenüber dem Text: Sind viele Kohäsionsmittel in einem Text enthalten, so empfindet der Leser den Text eher als kohärent und umgekehrt verhält es sich so, dass bei fehlenden Kohäsionsmitteln der Text als nicht kohärent erscheint und der Leser den Text auch nicht weiter nach möglicher Kohärenz untersucht (vgl. Schulte 2000, S. 40). Als „Geländer“ oder „Halteseile“, die beim Verstehen und Lesen eines Textes hilfreich sind, kann man sich Kohäsionsmittel bildlich gut vorstellen (Ebd.).

Präsuppositionen sind Dinge oder Sachverhalte, die von einem Autor innerhalb eines Textes als bekannt vorausgesetzt werden. Damit ist gemeint, dass der Autor etwas erwähnt oder einen Hinweis gibt und dies nicht weiter vertieft oder erläutert, da er voraussetzt, dass der Leser trotzdem versteht, was gemeint ist (vgl. Schulte 2000, S. 51). Präsuppositionen appellieren also auch an die Textkompetenz des Rezipienten. Dieser sollte in der Lage sein, Hinweise richtig zu interpretieren und Spuren zu verfolgen. Der Autor hingegen weckt durch die Setzung von Präsuppositionen das Interesse des Lesers, da Sachverhalte, die zunächst unklar erscheinen, auch etwas Interessantes haben: Sich mit ihnen auseinanderzusetzen und den Spuren, die der Autor hinterlassen hat, zu verfolgen ist sicherlich spannender als alles im Text detailliert erklärt zu bekommen.

Bei der Untersuchung der Kohärenz eines Textes sind also u.a. sowohl die verwendeten Kohäsionsmittel als auch die gesetzten Präsuppositionen zu berücksichtigen. Schulte (2000, S. 58) verdeutlicht dies indem sie Kohäsionsmittel als die formale und Präsuppositionen als die inhaltliche Seite der Kohärenz darstellt. Ein kohärenter Text erfüllt sowohl das Kriterium der formalen Richtigkeit, als auch das der inhaltlichen Stimmigkeit. Orthographie hingegen ist kein Kriterium für Kohärenz.

2.1.2. Entwicklung von Textkompetenz

Die Entwicklung von Textkompetenz ist u.a. Inhalt und Ziel des Schreib- und Leseunterrichts. Allerdings ist es problematisch zu definieren, in welchen Schritten diese Entwicklung genau stattfindet und wie erfolgreiche Lernprozesse hervorgerufen werden können. Laut Mechthild Dehn (1993) ist es ratsam, bei der Auseinandersetzung mit Kindertexten zunächst an die eigene Textkompetenz zu appellieren. Damit ist gemeint, dass man versuchen sollte, möglichst unvoreingenommen an Kindertexte heranzugehen und diese nicht von vorneherein zu bemängeln und nach möglichen Fehlern zu durchsuchen. Auf der anderen Seite rät Dehn (1993) aber auch dazu, Kindertexte nicht als unantastbar oder nicht veränderbar zu behandeln. Wichtig für das Erlangen von Textkompetenz ist jedoch, dass die Kinder lernen, was einen kohärenten und stimmigen Text ausmacht, ohne dabei ihren eigenen Schreibstil aus den Augen zu verlieren. Doch häufig korrigieren Lehrer die Texte ihrer Schüler nach bestimmten Normen und Kriterien, die ihrer Meinung nach Vorraussetzung für einen guten Kindertext sind. So formulierte zum Beispiel Pollert (1990, S. 16) Merkmale, die seinen Vorstellungen eines gelungenen Textes entsprechen. Einige davon sollen an dieser Stelle genannt werden:

„-Habe ich mich/hat sich der Schreiber bemüht,

[…]

- den Menschen Namen zu geben, sie sprechen und rufen zu lassen (wörtliche Rede)?
- Wiederholungen zu vermeiden?
- Sätze nicht immer nach dem gleichen Muster zu bauen?
- immer in der gleichen Erzählzeit zu bleiben (Gegenwart oder Vergangenheit)?

[…]“

Obwohl ein solcher „Leitfaden“ zunächst hilfreich erscheinen mag, fällt schnell auf, dass die Individualität des Autors hier außer Acht gelassen wird. Wenn es zum Beispiel der Stil eines Kindes ist, beim Textschreiben mit Wiederholungen zu arbeiten um so die Bedeutsamkeit einer Sache zu betonen oder ein gewisses Tempo zu erzeugen, dann wäre es ein Eingriff in seine persönliche Ausdrucksweise dies zu bemängeln. Genauso verhält es sich mit dem Kriterium, dass in einem guten Text unbedingt wörtliche Rede vorkommen muss – wieso sollte ein Kind in seinen Text wörtliche Rede einbauen, wenn in der Geschichte keine Dialoge, Monologe oder innere Monologe vorgesehen sind? Werden Texte stur nach Kriterien, wie denen von Pollert bewertet, entwickeln Kinder ihren eigenen Schreibstil nicht weiter, sondern werden in ihrer Entwicklung gehemmt und in eine Richtung gelenkt, die Dehn als „,stereotypen’ Schulstil“ (1997, S. 46) bezeichnet. Also bewirken Kriterien wie oben genannt im Endeffekt, dass die Texte der Kinder nicht mehr aus ihren eigenen Ideen entspringen, sondern lediglich für den Korrektor und seine Kriterien erstellt werden. Das Resultat ist, dass sich die Texte immer ähnlicher werden und die Individualität der Kinder ein Stück weit verloren geht. Darüber hinaus verletzt es ein Kind, wenn es für seine Bemühungen und Anstrengungen unverständlicherweise getadelt wird, denn die Kriterien sind für Kinder wahrscheinlich schlecht nachvollziehbar. Die Freude am Schreiben kann so schnell verloren gehen bzw. sich schlecht (weiter) entwickeln.

[...]


[1] Schulte (2000) verweist an dieser Stelle auch auf Nussbaumer (1991, S. 101 ff.), der Kohäsionsmittel in vier Gruppen aufteilt: Verweis- und Zeigemittel, Verknüpfungsmittel, Textstrukturierende Mittel und Textuelle Einpassung.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Über die Funktion der Versammlung (Heide Bambach) bei der Entwicklung von Textkompetenz
Hochschule
Universität Kassel
Note
1 (sehr gut)
Autor
Jahr
2005
Seiten
28
Katalognummer
V49207
ISBN (eBook)
9783638457200
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funktion, Versammlung, Bambach), Entwicklung, Textkompetenz
Arbeit zitieren
Inga Plümer (Autor:in), 2005, Über die Funktion der Versammlung (Heide Bambach) bei der Entwicklung von Textkompetenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49207

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