Das Motiv der Flucht in Tennessee Williams 'The Glass Menagerie'


Hausarbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Das Motiv der Flucht in Tennessee Williams „The Glass Menagerie“
2.1. Tom – “ ... to escape from a trap he has to act without pity.“
2.2. Laura – “ ... too exquisitely fragile to move from the shelf.“
2.3. Amanda – “ ... clinging frantically to another time and place.“

3. Schlußwort

4. Literaturverzeichnis

1. Vorwort:

Um das Motiv der Flucht in Tennessee Williams „The Glass Menagerie“ herauszuarbeiten, müssen die einzelnen Charaktere des Stücks genauer untersucht werden. Da jede Figur auf andere Art und Weise flieht, werden im Folgenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Personen und ihrer differenzierten Realitätskompensationen betrachtet und analysiert. Der zu erkennende „Antagonismus von Individuum und Gesellschaft“[1] wird durch die Beleuchtung des Einzelnen und seiner Verzweiflung, die ihn zur Flucht antreibt, deutlich. Denn das Stück ist geprägt durch seine Charaktere und das Bild der Gesellschaft, das durch diese entsteht.

Die Flucht zeigt ihre vielen Gesichter. Zu betrachten sind persönliche Motive und die durch gesellschaftlichen Druck hervorgerufenen. Sowie das Individuum als einzelnes betrachtet wird, spielt der Bund der Familie in diesem Stück ebenfalls eine Rolle. Ihre Stellung in der Gesellschaft und die daraus resultierende Flucht sind von Bedeutung. Die persönliche, anonyme Flucht hingegen hat ebenfalls verschiedene Ursachen, die genannt werden müssen.

Zu berücksichtigen ist dabei die Abgrenzung von vitalen und pathologischen Figuren, deren Handlungen, auch in Bezug auf ihre Fluchtmotive, durch ihre verschiedenen Naturrelle bestimmt sind. Dabei schließt ein vitaler Charakter keinesfalls eine Phantasiebegabung aus. Wichtig zu erkennen ist, ob Vitalität ausreicht, um ein Leben führen zu können, in dem die Erschaffung von Träumen und Phantasien, zur Ausschmückung der manchmal tristen Realität, nicht notwendig ist. Ob Vitalität zum Meistern des eigenen Lebens ausreicht, oder ob es vielleicht eher hinderlich ist, verrät die Betrachtung eben dieser Charaktere.

Im Verlauf des Stücks sind die Fluchtgedanken und –motive der einzelnen Figuren dem Treiben ihrer Umwelt unterworfen. Welchen Einfluß sie aufeinander nehmen und wie sich die Möglichkeiten der Flucht dadurch verändern bzw. steigern, wird dargelegt. Jede Figur macht ihre persönliche Entwicklung durch, resigniert oder triumphiert, wird von ihrer Natur und ihrer Einstellung dem Leben gegenüber geleitet. Fluchtmotive und –gedanken sind allgegenwärtig, ersetzen Realität, vermischen sich mit ihr oder steigern sich in Sehnsüchte und Wunschvorstellungen, die für das wirkliche Leben kaum mehr Raum lassen.

2. Das Motiv der Flucht in Tennessee Williams „The Glass Menagerie“

2.1. Tom – “ ... to escape from a trap he has to act without pity.“

Tom Wingfield eröffnet das Stück „The glass menagerie“ als Erzähler, der seine eigene Geschichte, die seiner Mutter, sowie die seiner Schwester rückblickend erzählt. Dabei ist er in diesem ‚memory play‘ zugleich eine handelnde Person, die das von ihm in der Rolle des Erzählers reflektierte Geschehen darstellt. So erklärt er zu Beginn: „I am the narrator of the play, and also a character in it.“ (S.235). Daraus resultiert, daß seine Rolle im Zeichen des Gegensatzes von Vergangenheit und Realität steht. Tom erzählt aus der Vergangenheit und handelt als Charakter in der Gegenwart.[2]

Der erste Satz, der im Stück über ihn zu finden ist, beschreibt auf simple Weise bereits seine Zerissenheit. Im dramatis personae wird Tom charakterisiert als „A poet with a job in a warehouse.“ (S.228). Der „Shakespeare“ (S.274), wie er von seinem Kollegen Jim O’Connor genannt wird, muß seine wahre Leidenschaft, das Dichten, dem Job im Warenhaus unterordnen, da er für sich, seine Mutter und seine Schwester das Geld verdienen muß, wie er es ausdrückt: „who makes a slave of himself“ (S.250). Da die poetische Ader und der triste, eintönige Job im Warenhaus im direkten Kontrast zueinander stehen, ist ein unausweichlicher Konflikt vorauszusehen. Als erneut Amandas „Rise and Shine!“- Weckruf (S.256) ertönt, beschreibt Tom mit einem Satz seine Lage: „I’ll rise – but I won’t shine.“ (S.256).

Er verdient pflichtbewußt das Geld für die Familie, doch stillt dies nicht seine eigenen Bedürfnisse, macht ihn nicht glücklich. „Der Beruf wird [...] von Tom nicht als Möglichkeit erfahren, seine Vorstellungen und Ideen zu verwirklichen, er sieht in ihm keine Gelegenheit, seine Fähigkeiten einzusetzen; damit ist ihm jede Möglichkeit der Selbstverwirklichung innerhalb der Gesellschaft verwehrt.“[3]. Seine Realität ist nicht befriedigend genug, um eine Phantasiewelt überflüssig zu machen, bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen.

Im Gegensatz zu seiner Schwester Laura hat Tom den Kontakt zur Außenwelt nicht vollständig abgebrochen, sondern führt neben dem Leben in seiner Phantasiewelt auch noch ein reales Leben, was ihm aber so sehr mißfällt, daß er auf seine Scheinrealität angewiesen ist. „Listen! You think I’m crazy about the warehouse? You think I’m in love with the Continental Shoemakers? You think I want to spend fifty-five years down there in that – celotex interior! With – fluorescent – tubes -! Look! I’d rather somebody picked up a crowbar and battered out my brains – than go back mornings! I go! [...] For sixty-five dollars a month I give up all that I dream of doing and being ever!“ (S.251-252). Trotz des Bewußtseins eine zutiefst unbefriedigende Arbeit zu verrichten, die ihn niemals erfüllen wird, handelt er nicht, sondern flüchtet vorerst in eine Welt, in der alles in Ordnung ist und alle glücklich sind, in die Welt der Hollywoodfilme.

„Er sucht [...] die Kompensation für eine Realität, in der er keinen adäquaten Platz finden kann , in einer fiktiven Welt, die all das zu bieten scheint, was ihm sein tatsächliches Leben versagt – Möglichkeiten der Bewährung, Abenteuer, Freiheit.“[4]. Jeden Abend geht er „to the movies“ (S.252), um den erlebten Alltag durch Bilder dieser fiktiven heilen Welt zu verdrängen. Mehrere Stunden verbringt er im Kino, läßt sich die ganze Nacht lang vom schönen Schein betäuben.

„LAURA: Where have you been all the time?

TOM: I have been to the movies.

LAURA: All this time at the movies?

TOM: There was a very long programme.“ (S.254)

Tom hat sogar schon eine Rolle angenommen, die der eines Hollywood-Gangsters gleicht. Mit übertriebenem Zynismus schmückt er seine erfundene Figur aus, beschreibt sie, als sei er es selbst, als seine Mutter ihn danach fragt, was er wirklich jede Nacht treibt. Sie will nicht mehr wahr haben, daß sich jemand die ganze Nacht hindurch Filme anschaut und bringt ihn dadurch erst auf die Idee der Gangsterrolle, da sie ihn in dubiose Machenschaften verwickelt glaubt. „I’m going to opium dens, dens of vice and criminals‘ hang-outs, Mother. I’ve joined the Hogan gang, I’m a hired assassin, I carry a tommy-gun in a violin case! [...] They call me killer, Killer Wingfield, I’m leading a double-life, a simple, honest warehouse worker by day, by night a dynamic tsar of the underworld, Mother. [...] I wear a patch over one eye and a false moustache, sometimes I put on green whiskers. On those occasions they call me – El Diablo!“ (S.252).

Hier ist der tragische Höhepunkt von Toms Realitätsflucht in seine Phantasiewelt erreicht. Was sich bisher nur in seinem Kopf abgespielt hat, wird plötzlich Teil der Wirklichkeit. Die persönliche parallele Traumwelt, die er sich aufgebaut hat, verliert ihre Anonymität. Im Gegensatz zu Amanda und Laura, deren Scheinrealitäten offensichtlich sind und in denen auch die übrigen Familienmitglieder eine Rolle spielen, war Toms Realitätsflucht bisher gleichzeitig auch eine Flucht vor seiner Familie. Während Amanda ein Publikum bzw. ihre Familie braucht, um ihre Traumwelt wirksam darstellen zu können, ist Tom in seiner Scheinwelt alleine mit sich. Erst durch die Darstellung seiner Gangsterfigur vor seiner Mutter, läßt er sie und auch das Publikum an seiner Flucht teilhaben.

Eine Flucht in betäubende Traumwelten wird Tom nie einen wirklichen Weg aus seinem derzeitigen Leben eröffnen können, dessen ist er sich vollkommen bewußt. Noch in derselben Nacht macht er eine erste Anspielung auf die folgende wirkliche Flucht in ein neues Leben. Er erzählt Laura von „Malvolio the Magician“ (S.255), dessen Trick einen tiefen Eindruck bei Tom hinterlassen hat. „But the wonderfullest trick of all was the coffin trick. We nailed him into a coffin and he got out of the coffin without removing one nail. [...] You know it don’t take much intelligence to get yourself into a nailed-up coffin, Laura. But who in hell ever got himself out of one without removing one nail?“ (S.255). Tom fühlt sich wie der Magier, eingeschlossen in einem Sarg, nur weiß er im Gegensatz zum Zauberer nicht, wie er wieder hinaus gelangen kann. Gefangen in einer „2 by 4 situation“ (S.255) in der Familienwohnung, muß er einen Ausweg aus dieser Lage finden.

Bei einem späteren Gespräch mit Jim läßt Tom durchblicken, daß er bereits Pläne für ein neues Leben ohne den Warenhausjob gemacht hat. „I am waking up - [...] I’m planning to change. I’m right at the point of committing myself to a future that doesn’t include the warehouse and Mr Mendoza or even a night-school course in public speaking.“ (S.282). Tom muß einsehen, was er die ganze Zeit bereits gewußt hat. Die Flucht in die Filme kann ihn nicht weiter ruhig stellen. Er will nicht nur, während er Filme sieht, seinem Dasein entfliehen, er will eine neue Realität, anstatt einer Phantasiewelt.

„I’m tired of the movies. [...] People go to the movies instead of moving! Hollywood characters are supposed to have all the adventures for everybody in America, while everybody in America sits in a dark room and watches them have them!“ (S.282). Tom will sich von der Droge des Hollywoodmythos lösen, die ihm Abenteuer und Aufregung vorgaukelt, so daß er sie nicht mehr selbst erleben muß. Er weiß, daß die Filme seinen Drang unterdrücken, seine eigenen Abenteuer, sein eigenes Leben zu leben und zu erleben. Denn „er sieht sie als das, was sie in Wahrheit sind: Surrogate, die den Wunsch nach Veränderung der Realität unterdrücken oder ihn gar nicht erst aufkommen lassen.“[5].

Tom hat für sich entschieden, nicht mehr in Phantasiewelten zu flüchten, sondern etwas zu ändern, auch wenn das nicht berufliche Weiterbildung bedeutet wie bei Jim. „I’m tired of the movies and I am about to move! [...] I know I seem dreamy, but inside – well, I’m boiling! – Whenever I pick up a shoe, I shudder a little thinking how short life is and what I am doing! – Whatever that means, I know it doesn’t mean shoes – except as something to wear on a traveller’s feet!“ (S.283).

[...]


[1] Vahland, Barbara: Der Held als Opfer. Aspekte des Melodramatischen bei Tennessee Williams, Frankfurt/M. und München 1976, S.28, künftig zitiert als Vahland 1976.

[2] Williams, Tennessee: The glass menagerie, in: A streetcar named desire and other plays, Baskerville 1962, S.228, künftig bei Zitaten nur noch mit Seitenzahlangabe vermerkt.

[3] Vahland 1976, S.28.

[4] Vahland 1976, S.29.

[5] Vahland 1976, S.29.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Motiv der Flucht in Tennessee Williams 'The Glass Menagerie'
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V49195
ISBN (eBook)
9783638457156
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Flucht, Tennessee, Williams, Glass, Menagerie
Arbeit zitieren
Sabrina Reuter (Autor:in), 2000, Das Motiv der Flucht in Tennessee Williams 'The Glass Menagerie', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49195

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