Die Verkehrsdurchsetzung bei Farb- und Formmarken. Notwendige Gewährleistung der Markttransparenz oder Gefährdung berechtigter Freihaltebedürfnisse?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

27 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

I.Die Verkehrsdurchsetzung im markenrechtlichen Spannungsfeld und ihre Bedeutung bei Farb- und Formmarken

II.Die Verbraucherwahrnehmung und das Freihaltebedürfnis bei Farb- und Formmarken
1. Farbmarken
2. Formmarken

III.Die Bedeutung absoluter Schutzhindernisse
1. Nicht überwindbare Schutzhindernisse (§ 3 II MarkenG)
2. Überwindbare Schutzhindernisse (§ 8 II Nr. 1 – 3 MarkenG)

IV.Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung
1. Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke
2. Verkehrsdurchsetzung infolge der Benutzung als Marke
a) Formmarken
b) Farben
3. Verkehrsdurchsetzung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen

V.Kriterien und Umfang der Verkehrsdurchsetzung
1. Die Chiemsee-Kriterien
2. Die Bedeutung von Verkehrsbefragungen
3. Maßgeblichkeit der 50% - Grenze
4. Relevanz von Freihaltebedürfnissen
a) Rechtsprechung zum WZG
b) Bedeutung der Chiemsee – Entscheidung
c) Grundsatz der rechtlichen Gleichbehandlung aller Markenformen
d) Erforderlicher Durchsetzungsgrad bei Farbmarken
aa) Argumente gegen eine Berücksichtigung von Freihaltebedürfnissen
bb) Erforderlichkeit der Berücksichtigung von Freihaltebedürfnissen
e) Erforderlicher Durchsetzungsgrad bei Formmarken

VI.Nachträgliches Entfallen der Verkehrsdurchsetzung

VII.Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Die Verkehrsdurchsetzung im markenrechtlichen Spannungsfeld und ihre Bedeutung bei Farb- und Formmarken

Die Monopolisierung eines Zeichens für den Markeninhaber einerseits rechtfertigt sich vor allem dadurch, dass sie die Identifizierung und Unterscheidung von Produkten nach ihrer Herkunft ermöglicht, hierdurch wird die Markttransparenz geschützt.1 Das Freihaltebedürfnis andererseits kann als Gegenpart der Unterscheidungskraft gesehen werden.2 Es besteht darin, dass Mittbewerber im Allgemeininteresse grundsätzlich vor Wettbewerbsbeschränkungen durch Monopolisierung von Zeichen, die sie benötigen, geschützt werden sollen.3 Die Berücksichtigung von Freihaltebedürfnissen im Markenrecht dient somit dem Ziel, den unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt aufrechtzuerhalten.4 Wird das Zeichen vom Verkehr tatsächlich als Herkunftshinweis verstanden, ändert sich die Interessenlage grundlegend.5 Verkehrsdurchgesetzte Zeichen fördern die Produktwahrheit und reduzieren Suchkosten. Um Verwechslungen und Täuschungen der Verbraucher zu verhindern, liegt die Monopolisierung des Zeichens dann grundsätzlich im Allgemeininteresse und das Freihaltebedürfnis tritt zurück.6 Die Verkehrsdurchsetzung schützt außerdem die getätigten Investitionen in die Etablierung des Zeichens als Marke.7 Sie ist insbesondere bei Farbmarken und produktabhängigen Formmarken von hoher praktischer Bedeutung, da bei diesen Markenformen in der Regel die überwindbaren Eintragungshindernisse (§ 8 II Nr. 1 - 3 MarkenG) vorliegen.8

Ein Beispiel einer kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Farbmarke ist das Sparkassen-Rot für Finanzdienstleistungen.9 Im Gegensatz zum unproblematischen konkreten Farbschutz10 wird hier die Farbe als solche, d.h. unabhängig von einer räumlichen Begrenzung bzw. Kontur und somit in jeder Verwendungsform geschützt.11 Auch der Schutz abstrakter Farbkombinationen ist bei Angabe einer systematischen Anordnung der Farben möglich.12

Diskussionswürdig sind außerdem Formmarken im engeren Sinne. Während bei Formmarken im weiteren Sinne Produkt und Zeichen voneinander unabhängig sind, stellt hier das geschützte Zeichen die Form der Ware oder Verpackung selbst dar,13 diese produktabhängigen Formmarken sind daher besonders attraktiv.14 Bekannte Beispiele verkehrsdurchgesetzter Formmarken sind der Porsche Boxster15 oder die Rocher-Kugel16.

Das Spannungsfeld zwischen der Gewährleistung von Markttransparenz und dem Schutz von Freihaltebedürfnissen tritt bei diesen Markenformen in besonderem Maße hervor.17 Mit der Überwindbarkeit von Eintragungshindernissen durch Verkehrsdurchsetzung nach § 8 III MarkenG bzw. Art. 7 III UMV parallel für die Unionsmarke sind Möglichkeiten der Gefährdung des Schutzes von Freihaltebedürfnissen verbunden.18 Der nachfolgende Beitrag wird daher prüfen, ob diesen widerstreitenden Interessen bei Farb- und Formmarken im Rahmen der praktisch relevanten Verkehrsdurchsetzung angemessen Rechnung getragen wird.

II. Die Verbraucherwahrnehmung und das Freihaltebedürfnis bei Farb- und Formmarken

Bei Farben und Formen als Marken bestehen gewisse Besonderheiten, welche bei der Prüfung der Verkehrsdurchsetzung beachtet werden müssen und im Folgenden herausgestellt werden.

1. Farbmarken

Eine besondere Problematik der abstrakten Farbmarke besteht in ihrer Wahrnehmung im Verkehr. Nach einer Ansicht ermöglichen Farben als solche keine sichere Unterscheidung der Produkte nach ihrer Herkunft und würden angesichts der Kennzeichnungspraxis vom Verkehr überhaupt nicht als eigenständiger Herkunftshinweis verstanden.19 Diese Ansicht verneint bereits die abstrakte Markenfähigkeit konturloser Farben und damit auch eine Verkehrsdurchsetzung. Dem muss entgegengehalten werden, dass es durchaus Farben gibt, die im Verkehr als solche als Herkunftshinweis verstanden werden, die abstrakte Unterscheidungseignung muss daher bejaht werden.20 Konturlose Farbmarken sind somit grundsätzlich geeignet, Markttransparenz zu fördern.21 Dennoch lässt sich feststellen, dass Verbraucher abstrakte Farben in der Regel in erster Linie beschreibend oder dekorativ wahrnehmen, sie aber insbesondere neben anderen Wort- oder Bildelementen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.22

Weiterhin stellt sich die Frage, inwiefern ein Freihaltebedürfnis an abstrakten Farben und Farbkombinationen besteht. Zwar existiert eine große Anzahl verschiedener Farbschattierungen,23 allerdings kann der durchschnittliche Verbraucher nur eine begrenzte Anzahl unterscheiden und erinnern.24 Gleichzeitig sind Farben für Unternehmen für die Gestaltung von Waren oder Verpackungen und im Marketing aber grundlegend.25 Unternehmen sollten daher grundsätzlich die Möglichkeit haben, Farben frei zu nutzen.26 Mit zunehmender Zahl an Eintragungen nimmt die Beschränkung der Mitbewerber jedoch zu und es besteht die Gefahr, dass keine Farben mehr zur Verfügung stehen.27 Insofern kann im abstrakten Farbschutz eine erhebliche wettbewerbsbeschränkende Wirkung bestehen.28 Daher darf im Hinblick auf das System eines unverfälschten Wettbewerbs die freie Verfügbarkeit von Farben für Mitbewerber im Allgemeininteresse nicht ungerechtfertigt beschränkt werden.29 Da es Mitbewerbern möglich sein muss, etwa bestimmte Verbrauchervorlieben oder Signalwirkungen von Farben zu berücksichtigen, besteht auch ein Freihaltebedürfnis an einem einzelnen bestimmten Farbton,30 welches unterschiedlich stark sein kann.

2. Formmarken

Parallel zur abstrakten Farbmarke besteht auch bei produktabhängigen Formmarken eine andere Wahrnehmung im Verkehr: Verbraucher sind es in der Regel nicht gewohnt, aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung auf die betriebliche Herkunft zu schließen, sondern verstehen diese in erster Linie als funktionelle bzw. technisch bedingte oder ästhetische Ausgestaltung. Einer Warenform fehlt somit ebenso regelmäßig die Unterscheidungskraft.31

Mit einem Markenschutz für Produktformen wird letztlich das Produkt selbst geschützt, es kommt zu einer direkten Einschränkung des Produktwettbewerbs.32 Zweck des Markenrechts ist es jedoch, die Produktidentifizierung zu schützen und gerade nicht, dem Inhaber ein Monopolrecht an der Ware selbst zu verschaffen. Die Wettbewerbsfreiheit bleibt im Markenrecht grundsätzlich bestehen, dies rechtfertigt auch den zeitlich unbegrenzten Schutz.33 Daher besteht ein besonderes Allgemeininteresse daran, dass es nicht zu einer übermäßigen Beschränkung der Gestaltungsfreiheit kommt.34 Sofern hingegen ausreichend Alternativen für Mitbewerber bestehen, wird die Wettbewerbsfreiheit auf dem betreffenden Markt in der Regel nicht gefährdet.35 Problematisch ist auch das Zusammentreffen des zeitlich unbegrenzten Markenschutzes für Produkte mit anderen zeitlich begrenzten und nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährten Schutzrechten, diese dürfen nicht unterlaufen werden.36

III. Die Bedeutung absoluter Schutzhindernisse

Nach § 8 III MarkenG können die absoluten Schutzhindernisse des § 8 II Nr. 1 - 3 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden, nicht aber die Schutzhindernisse des § 3 II MarkenG.37 Ziel der absoluten Schutzhindernisse ist es vor allem, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu schützen.38 Während in manchen Fällen das Freihaltebedürfnis bei tatsächlicher Durchsetzung des Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis im Verkehr zurücktreten muss, ist es in anderen Fällen so stark, dass es selbst durch das Interesse an dem Schutz von Markttransparenz nicht überwogen werden kann und eine Monopolisierung abgelehnt werden muss. Aus einer solchen Abwägung ergibt sich ein absolutes Freihaltebedürfnis.39

1. Nicht überwindbare Schutzhindernisse (§ 3 II MarkenG)

§ 3 II MarkenG erfasst Fälle eines solchen absoluten Freihaltebedürfnisses bei Formmarken, auch erfolgt eine Abgrenzung zu anderen Schutzrechten.40 Nach § 3 II MarkenG werden Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der beanspruchten Ware selbst bedingt ist, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen (ästhetischen) Wert verleiht.41 Diese Eintragungshindernisse werden vom EuGH weit ausgelegt.42 Da im Falle des § 3 II MarkenG eine Eintragung selbst bei Verkehrsdurchsetzung nicht möglich ist und die Vorschrift einen absoluten und dauerhaften Ausschluss des Zeichens von der Markenfähigkeit zur Folge hat, ist aber, um der Gewährleistung von Markttransparenz Rechnung zu tragen, eine eher zurückhaltende Anwendung geboten.43

Zum Teil wird eine entsprechende Anwendung des § 3 II MarkenG auf Farbmarken befürwortet.44 Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor,45 das Bestehen einer Regelungslücke ist aber problematisch.46 In Art. 4 I Buchst. e MarkenRL (2015) (entspricht Art 7 I Buchst. e UMV) wird der Tatbestand aber nun auf andere charakteristische Merkmale der Ware erweitert, was insofern grundsätzlich begrüßenswert ist. So könnte z.B. die Farbe von Naturprodukten oder die Farbe Neonorange für Rettungswesten durch die Art der Ware bedingt sein.47

Somit werden Fälle, in denen die Wettbewerbsbeschränkungen so stark sind, dass trotz selbst vollständiger Durchsetzung des Zeichens im Verkehr eine Monopolisierung nicht gerechtfertigt werden könnte, bei zurückhaltender Anwendung des § 3 II MarkenG im Falle von Formen und nach der MarkenRL (2015) auch bei Farben hinreichend erfasst.

2. Überwindbare Schutzhindernisse (§ 8 II Nr. 1 – 3 MarkenG)

Da Farben und Produktformen regelmäßig nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden und ein besonderes Allgemeininteresse an ihrer Freihaltung für Wettbewerber bestehen kann, stehen ihnen in der Regel die absoluten Schutzhindernisse des § 8 II Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen, ihre Eintragung kommt daher regelmäßig nur bei Vorliegen von Verkehrsdurchsetzung in Betracht.48

IV. Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung

Erforderlich ist, dass die Marke aufgrund ihrer Benutzung in den beteiligten Verkehrskreisen die Eignung erlangt hat, die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen (Waren/DL) als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.49 Insofern wird in Rechtsprechung und Literatur auch von einem Bedeutungswandel des Zeichens gesprochen,50 hierin kann aber entgegen einer Ansicht51 keine zusätzliche Voraussetzung gesehen werden, entscheidend ist auch bei Farb- und Formmarken allein die Entwicklung des Zeichens zu einem betrieblichen Herkunftshinweis.52 Die Marke muss sich außerdem als Zeichen gerade des Anmelders durchgesetzt haben, es ist aber nicht erforderlich, dass die beteiligten Verkehrskreise den Namen des Anmelders kennen.53 Bei deutschen Marken ist die Verkehrsdurchsetzung grundsätzlich im gesamten Bundesgebiet erforderlich.54 Sofern bei Unionsmarken das Schutzhindernis im Fall von Farben und Formen in der gesamten EU besteht, ist es zu weitgehend, den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung für jeden Einzelstaat der EU zu verlangen, eine unionsweite Verkehrsdurchsetzung wäre dann fast unmöglich.55 Abzustellen ist vielmehr auf die Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise in der EU.56

1. Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke

Die Verkehrsdurchsetzung muss für das Zeichen in der konkret angemeldeten Form, d.h. seiner graphischen Darstellung nachgewiesen werden,57 nur dann kann eine Eintragung kraft Verkehrsdurchsetzung gerechtfertigt sein. Dies gilt umso mehr bei Farb- und Formmarken, an denen ein besonderes Allgemeininteresse an der Freihaltung bestehen kann. Gegenstand von Verkehrsbefragungen muss demnach jeweils die isolierte Marke sein, nicht die tatsächliche Benutzungsform, bei Formmarken also die bloße Form.58 Bei abstrakten Farbmarken muss sich die Farbe konturunabhängig als eigenständiger Herkunftshinweis im Verkehr durchgesetzt haben, Verkehrsbefragungen sind daher anhand isolierter Farbmuster durchzuführen.59 Im Fall des Nivea-Blau war z.B. eine Verkehrsbefragung unzulässig, bei der eine weiße Umrandung verwendet wurde, weil sich Herkunftsvorstellungen zu der ebenfalls verwendeten Kombination Blau/Weiß niederschlagen könnten.60 Farbmarken und dreidimensionale Marken werden in der Regel innerhalb einer Gesamtaufmachung in Kombination mit anderen Zeichen oder Gestaltungsmerkmalen verwendet.61 Eine vereinzelt geforderte isolierte Benutzung von Form- und Farbmarken62 ist realitätsfern und kann nicht erforderlich sein.63 Sie können vielmehr auch in Verbindung mit anderen Marken oder als Teil einer Kennzeichnung markenmäßig benutzt werden und Unterscheidungskraft erwerben.64 Es muss aber genau geprüft werden, dass der Verkehr nicht nur die benutzte Kombination, sondern das angemeldete Zeichen als eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis versteht,65 nur dann ist der Schutz der Warenform oder Farbe als solcher gerechtfertigt.

2. Verkehrsdurchsetzung infolge der Benutzung als Marke

Das Zeichen muss gerade als Marke benutzt werden, eine nur beschreibende oder dekorative Nutzung reicht nicht aus,66 hierbei ist die Sicht eines informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers maßgeblich.67 Auch hier wird daher die besondere Verbraucherwahrnehmung von Farb- und Formmarken relevant. Nach dem EuGH ist für die Benutzung als Marke eine herkunftshinweisende Benutzung erforderlich.68 Außerdem muss die Verkehrsdurchsetzung kausal auf der Benutzung als Marke beruhen, eine bloß hohe Bekanntheit des Zeichens ist nicht entscheidend.69 Dies überzeugt und macht eine genaue Prüfung der markenmäßigen Benutzung erforderlich, um dem Allgemeininteresse an der Freihaltung der Form oder Farbe Rechnung zu tragen.70 Die Monopolisierung einer abstrakten Farbe oder Warenform kann nur gerechtfertigt sein, wenn der Verkehr das Zeichen aufgrund der markenmäßigen Benutzung gerade als Herkunftshinweis versteht. Markenrechtlich geschützt werden darf hier nur die Herkunftsfunktion.71

a) Formmarken

Die markenmäßige Benutzung von Waren- und Verpackungsformmarken ist aufgrund des oben ausgeführten Verkehrsverständnisses problematisch. Sie kann ausnahmsweise vorliegen, wenn auf dem jeweiligen Marktsegment typischerweise solche Zeichen als Kennzeichnungsmittel verwendet werden.72 So hat der BGH für den Porsche Boxster berücksichtigt, dass Verbraucher in der Form von Autos regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen.73 Auch auf den Grad der Abweichung der Form vom Üblichen kann abgestellt werden.74 Die Kriterien sind somit begrenzt.75 Nach den Grundsätzen des BGH kann aber aus dem demoskopisch ermittelten Zuordnungsgrad nicht nur auf eine Bekanntheit der Produktform, sondern auch auf ihr Verkehrsverständnis als betrieblicher Herkunftshinweis geschlossen werden.76 Der BGH schließt also aus dem Zuordnungsgrad auf eine markenmäßige Benutzung der Formmarke und auf ihre Kausalität für die Verkehrsdurchsetzung. Dies erscheint jedoch problematisch, da demoskopische Gutachten häufig lediglich nachweisen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marke kennen, nicht aber, dass sie das Zeichen tatsächlich als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.77 So liegt es bei produktabhängigen Formmarken nahe, dass der Verkehr die Produktmerkmale dem marktstärksten Anbieter zuordnet, ihnen aber keine kennzeichnende Bedeutung beimisst, dies gilt umso mehr, wenn es sich um eine übliche Form handelt.78 Dies erkennt zwar auch der BGH an, lässt es aber ohne Begründung außer Acht.79 Aus dem Zuordnungsgrad kann somit nicht auf eine markenmäßige Benutzung geschlossen werden,80 dies würde zu einem „Zirkelschluss“81 führen und die Prüfung der Benutzung als Marke wäre überflüssig.82 Um Freihaltebedürfnisse an Formen nicht ungerechtfertigt zu beschränken, darf auf das Tatbestandsmerkmal der Benutzung als Marke nicht verzichtet werden. Bei Verkehrsbefragungen sollte daher durch geeignete Aufklärungsfragen zwischen der bloßen Kenntnis der Ware und einem Verständnis als Herkunftshinweis differenziert werden,83 im Falle der Rocher-Kugel84 oder der Milchschnitte85 wären solche Zusatzfragen daher erforderlich gewesen.

[...]


1 Götting, S. 341 f.; Prüfer, GRUR 2008, 103, 106.

2 Baechler, GRUR Int 2006 115, 121; ähnlich Sambuc, GRUR 1997, 403, 403.

3 Baechler, GRUR Int 2006 115, 121; Frisch, S. 26 f., 29.

4 Frisch, S. 36, 53.

5 Dauskardt, S. 103.

6 Kern, GRUR 2001, 792, 792; Dauskardt, S. 104, 245 f.

7 Dauskardt, S. 103; Kunschert, GRUR 1963, 513, 514.

8 Jänich WRP 2018, 261, 261; Hauck, GRUR 2005, 363, 369; Jacobs, GRUR-Prax 2015, 76, 76; Jung/Renvert, IPRB 2015, 109, 109; kritisch hierzu Caldarola, S. 41.

9 BGH GRUR 2016, 1167.

10 Hacker/Miosga, § 3 Rn. 41.

11 BGH GRUR 1999, 491, 492 – Farbmarke gelb/schwarz; Bacheler, GRUR Int 2006, 115, 116; Ströbele, GRUR 1999, 1041, 1045.

12 EuGH, Rs. C-49/02, Heidelberger Bauchemie, ECLI:EU:C:2004:384 Rn. 34 f.; Hacker/Miosga, § 3 Rn. 60.

13 Fezer, § 3 Rn. 582; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 92, 305.

14 Jehle, WRP 2014, 1279, 1280; Würtenberger, GRUR 2003, 912, 912; Friedmann, GRUR Int 2014, 1195, 1200.

15 BGH GRUR 2006, 679 – Porsche Boxster.

16 BGH GRUR 2010, 138 – Rocher-Kugel.

17 Dauskardt, S. 84.

18 Frisch, S. 220.

19 GA Léger, Schlussantr., Rs. C-104/01, Libertel, ECLI:EU:C:2002:650 Rn. 86f.; Baechler, GRUR Int 2006, 115, 122; v. Bechtolsheim/Gantenberg, GRUR 2001, 705, 707.

20 EuGH, Rs. C-104/01, Libertel, ECLI:EU:C:2003:244 Rn. 41; Hacker/Miosga, § 3 Rn. 50.

21 Dierksen, S. 27.

22 EuGH, Rs. C-104/01 Rn. 40, 65 – Libertel; EuGH, Rs. C-49/02 Rn. 38 – Heidelberger Bauchemie; BGH GRUR 2010, 637 Rn. 12 – Farbe gelb; BGH GRUR 2015, 1012 Rn. 11 – Niveau Blau; BGH GRUR 2016, 1167 Rn. 15 – Sparkassen-Rot; Harte-Bavendamm/Goldmann, MarkenR 2014, 480, 482.

23 so Jaeger-Lenz, WRP 1999, 290, 298f.

24 EuGH, Rs. C-104/01 Rn. 47 - Libertel; Schwartzkopff, S. 62; Ströbele, GRUR 1999, 1041, 1048; Sack, WRP 2001, 1022.

25 Baechler, GRUR Int 1006, 115, 120; Pflüger, IPRB 2014, 204, 205.

26 Dauskardt, S. 80; Sack, WRP 2001, 1022; Pflüger, IPRB 2014, 204, 205.

27 EuGH, Rs. C-104/01 Rn. 54 – Libertel.

28 Baechler, GRUR Int 2006, 115, 120.

29 EuGH, Rs. C-104/01 Rn. 54 – Libertel; Harte-Bavendamm/Goldmann, MarkenR 2014, 480, 483; Sack, WRP 2001, 1022, 1022.

30 Frisch, S. 47.

31 EuGH, Rs. C-218/01, Henkel, ECLI:EU:C:2004:88 Rn. 52l; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 24 – Rocher-Kugel; BGH GRUR 2010, 1103 Rn. 30 – Pralinenform II; Jehle, WRP 2014, 1279, 1284; Gärtner/Crützen, MarkenR 2011, 288, 291.

32 Frisch, S. 53; BeckOK/Kur, § 3 Rn. 50.

33 Dietrich/Szalai, MarkenR 2012, 283, 288; Hacker, WRP 2015, 399, 400; Sambuc, GRUR 1997, 403, 403.

34 EuGH, Rs. C-53/01 – C-55/01, Linde u.a., ECLI:EU:C:2003:206 Rn. 73 ff; BGH GRUR 2008, 1000 Rn. 16 – Käse in Blütenform II; BeckOK/Kur, § 3 Rn. 50.

35 BeckOK/Kur, § 3 Rn. 52.

36 Würtenberger, GRUR 2003, 912, 913.

37 EuGH, Rs. C-299/99, Philips, ECLI:EU:C:2002:377 Rn. 75; BGH GRUR 2006, 589 Rn. 15 – Rasierer mit drei Scherköpfen; Berlit, S. 28.

38 EUGH, Rs. C-108 u. C-109/97, Chiemsee, ECLI:EU:C:1999:230 Rn. 25-27; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 5.

39 Ähnlich Baechler, GRUR Int 2006, 115, 121; Frisch, S. 53; BeckOK/Kur § 3 Rn. 54; Koschtial, GRUR Int 2004, 106, 108; Frisch, S. 53.

40 BeckOK/Kur, § 3 Rn. 55 f.

41 Götting, S. 353 f.

42 EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 82 ff. – Philips; EuGH, Rs. C-205/13 Rn. 29ff. – Hauck/Stokke u.a.; Thiering, GRUR 2015, 941, 941.

43 Ingerl/Rohnke, § 3 Rn. 40; Ströbele, GRUR 1999, 1041, 1044; Kur, GRUR Int 2004, 755, 761.

44 BPatG GRUR 2005, 585, 588 – Farbmarke gelb; Koschtial, GRUR Int 2004, 106, 107; ähnlich Hacker/Hacker § 3 Rn. 97.

45 Frisch, S. 109; BeckOK/Kur § 3 Rn. 66; Koschtial, GRUR 2004, 106, 107; Hacker/Hacker, § 3 Rn. 97.

46 Vgl. Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 1; Frisch, S. 109 f.

47 BeckOK/Kur, § 3 Rn. 67.

48 z.B. EuGH, Rs. C-104/01 Rn. 40 – Libertel; EuGH, Rs. C-218/01 Rn. 44, 52 – Henkel; BGH GRUR 2016, 1167 Rn. 15 – Sparkassen-Rot; GRUR 2008, 71 Rn. 24 – Fronthaube.

49 EUGH, Rs. C-108 u. C-109/97 Rn. 47 – Chiemsee; EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 58 – Philips.

50 EUGH, Rs. C-108 u. C-109/97 Rn. 47 – Chiemsee; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 41 – Rocher-Kugel; Hacker, GRUR 2008, 569, 570; Fezer, § 8 Rn. 719; Prüfer, GRUR 2008, 103, 106; Steinbeck, WRP 2014, 1003, 1005.

51 BPatG GRUR 2014, 185, 187 – Nivea-Blau; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 683; Harte-Bavendamm/Goldmann, MarkenR 2014, 480, 491; Risthaus WRP 2006, 1299, 1300.

52 Vohwinkel, S. 199; Pflüger, GRUR 2004, 652, 655; Dauskardt, S. 98.

53 EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 65 – Philips; BGH GRUR 2009, 954 Rn. 27 – Kinder III; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 639; Sosnitza, S. 46.

54 BeckOK/Schneider, § 8 Rn. 2013.

55 EuGH, Rs. C-98/11 P, Goldhase, ECLI:EU:C:2012:307 Rn. 62; Berlit, GRUR 2011, 369, 373.

56 v. Mühlendahl GRUR 2014, 1040, 1044; Knaak/Kur/v. Mühlendahl, GRUR Int 2012, 197, 203.

57 Ingerl/Rohnke, § 8 Rn. 319.

58 BGH GRUR 2010, 138 Rn. 39 – Rocher-Kugel; Lange, § 3 Rn. 303.

59 BGH GRUR 2015, 581 Rn. 47 – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2016, 1167 Rn. 38 – Sparkassen-Rot; Grabrucker, WRP 2000, 1331, 1339; Caldarola, S. 62; anders Samwer, S. 247.

60 BGH GRUR 2015, 1012 Rn. 47 – Nivea-Blau.

61 Ingerl/Rohnke, § 8 Rn. 321.

62 Siehe Baechler, GRUR Int 2006, 115, 122 für Farbmarken.

63 BGH GRUR 2015, 581 Rn. 25 – Langenscheidt-Gelb.

64 EuGH, Rs. C-353/03, Nestlé/Mars, ECLI:EU:C:2005:432 Rn. 27-30; BGH GRUR 2015, 581 Rn. 24 – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2010, 138 Rn. 39 – Rocher-Kugel; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 623.

65 BGH GRUR 2015, 581 Rn. 24 – Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 39 – Rocher-Kugel; Eichelberger, GRUR 2016, 138, 142.

66 EuGH, Rs. C-217/13, Sparkassen-Rot, ECLI:EU:C:2014:2012 Rn. 40; BGH GRUR 2015, 581 Rn. 14 – Langenscheidt-Gelb.

67 EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 63 – Philips; Ingerl/Rohnke, § 8 Rn. 324.

68 EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 64 – Philips; BGH GRUR 2007, 780 Rn. 36 – Pralinenform; BeckOK/Schneider, § 8 Rn. 1008.

69 EuGH, Rs. C-299/99 Rn. 64 – Philips; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 33 – Rocher-Kugel; Ströbele, GRUR 2008, 569, 573; Risthaus, WRP 2006, 1299, 1301; Jänich/Schrader, WRP 2006, 656, 659 f.

70 Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 682; ders., GRUR 2008, 569, 573.

71 Kur, GRUR Int 2004, 755, 760.

72 BGH GRUR 2011, 148 Rn. 32 – Goldhase II; Ingerl/Rohnke, § 8 Rn. 325.

73 BGH GRUR 2006, 679 Rn. 23 – Porsche Boxster.

74 Vohwinkel, S. 269.

75 Vohwinkel, S. 269.

76 BGH GRUR 2008, 510 Rn. 25 – Milchschnitte; GRUR 2010, 138 Rn 34 – Rocher-Kugel.

77 BGH GRUR 2007, 780 Rn. 36 – Pralinenform; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 33 – Rocher-Kugel; Hacker/Ströbele, § 8 Rn. 602; Dietrich/Szalai, MarkenR 2012, 283, 287; Gärtner/Crützen, MarkenR 2011, 288, 292; Lerach, GRUR-Prax 2017, 137, 139.

78 BGH GRUR 2011, 148 Rn. 33 – Goldhase II; Vohwinkel, S. 270.

79 BGH GRUR 2007, 780 Rn. 36 – Pralinenform; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 33 – Rocher-Kugel.

80 Ströbele, GRUR 2008, 569, 573; Vohwinkel, S. 269; anders v. Mühlendahl, GRUR 2014, 1040, 1042.

81 Risthaus, WRP 2006, 1299, 1300.

82 Ingerl/Rohnke, § 8 Rn. 325.

83 BGH GRUR 2007, 780 Rn. 37 – Pralinenform; BeckOK/Schneider, § 8 Rn. 1009.4; Ströbele, GRUR 2008, 569, 573.

84 Vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rn. 43 – Rocher-Kugel.

85 Vgl. BGH GRUR 2008, 510 Rn. 25 – Milchschnitte.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Verkehrsdurchsetzung bei Farb- und Formmarken. Notwendige Gewährleistung der Markttransparenz oder Gefährdung berechtigter Freihaltebedürfnisse?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2018
Seiten
27
Katalognummer
V491547
ISBN (eBook)
9783668984233
ISBN (Buch)
9783668984240
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verkehrsdurchsetzung, farb-, formmarken, notwendige, gewährleistung, markttransparenz, gefährdung, freihaltebedürfnisse
Arbeit zitieren
Katharina Schug (Autor:in), 2018, Die Verkehrsdurchsetzung bei Farb- und Formmarken. Notwendige Gewährleistung der Markttransparenz oder Gefährdung berechtigter Freihaltebedürfnisse?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491547

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