Handlungskompetenz in der Erstausbildung. Die Berufsausbildung zum Mechatroniker


Diplomarbeit, 2005

212 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Zum Thema
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz
2.1 Das Paradigma „Kompetenz“
2.2 Die Herleitung des Kompetenzbegriffes und Arbeitsdefinition
2.3 Kompetenzaspekte
2.3.1 Fachkompetenz
2.3.2 Personalkompetenz
2.3.3 Sozialkompetenz
2.3.4 Methodenkompetenz
2.3.5 Weitere Kompetenzaspekte
2.3.5.1 Kommunikative Kompetenz
2.3.5.2 Selbstkompetenz
2.3.5.3 Medienkompetenz
2.4 Berufliche Handlungskompetenz
2.4.1 Begriffsbestimmung und Modelle in der pädagogischen Praxis
2.4.1.1 Handlungskompetenz-Modell nach Faix/Laier
2.4.1.2 Handlungskompetenz-Modell nach Hülshoff
2.4.1.3 Das Handlungskompetenz-Modell nach Münch
2.4.1.4 Das Handlungskompetenz-Modell nach Zimmer
2.4.1.5 Zusammenfassung der Handlungskompetenz-Modelle
2.4.2 Methoden zur Vermittlung von Handlungskompetenz
2.4.2.1 Traditionelle Unterrichtungsmethoden
2.4.2.2 Die Leittext-Methode
2.4.2.3 Die Projektmethode
2.4.2.4 Die Gruppenarbeit
2.5 Fazit

3 Die Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in im Dualen System
3.1 Das duale System der Berufsausbildung
3.1.1 Charakteristika des Dualen Systems
3.1.1.1 Historische Entwicklung
3.1.1.2 Die gesetzlichen Grundlagen der Berufsausbildung
3.1.1.3 Funktionen des Dualen Systems
3.1.1.4 Dualitäten des dualen Berufsbildungssystems
3.1.2 Lernorte im Dualen System
3.1.2.1 Der Lernort Berufsschule
3.1.2.2 Der Lernort Betrieb
3.1.2.3 Lernortkooperation
3.2 Die Neuordnung der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in – Abgrenzung zu herkömmlichen Berufsbildern
3.2.1 Die Entwicklung zum neuen Ausbildungsberuf
3.2.2 Abgrenzung und qualitative Veränderungen
3.2.2.1 Industriemechaniker
3.2.2.2 Industrieelektroniker
3.2.2.3 Fachinformatiker
3.2.3 Lernfeldkonzeption
3.3 Fazit

4 Konzeption und Ausbildungssituation in Betrieb und Berufsschule und deren Entwicklung seit Ausbildungsbeginn 1998
4.1 Das Ausbildungsprofil der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in
4.2 Die Verordnung über die Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in
4.3 Der Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Mechatroniker/ Mechatronikerin
4.4 Die Entwicklung der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in seit 1998 in der Bundesrepublik Deutschland
4.5 Fazit

5 Umsetzung in der Praxis – eine empirische Erhebung zur Vermittlung von Handlungskompetenz in Schule und Betrieb
5.1 Methodik und Vorgehensweise
5.2 Fragestellungen und Untersuchungsdesign
5.2.1 Forschungsansatz und Erhebungsmethoden
5.2.2 Die Fragebogengestaltung
5.3 Fazit

6 Zentrale Ergebnisse der empirischen Befragung
6.1 Beschreibung der Stichproben
6.2 Ergebnisse der Untersuchung
6.2.1 Die Vermittlung von Handlungskompetenz in der betrieblichen Erstausbildung zum/zur Mechatroniker/-in
6.2.2 Die Vermittlung von Handlungskompetenz in der berufsschulischen Ausbildung zum/zur Mechatroniker/-in
6.2.3 Gestaltung von Ausbildungssituationen in Betrieb und Berufsschule
6.2.4 Verteilung der Handlungskompetenz auf die Lernorte

7 Resümee der Arbeit und Forderungen an die Praxis

8 Literaturverzeichnis

9 Abkürzungsverzeichnis

10 Abbildungsverzeichnis

11 Anlagen und Anhang

1 Zum Thema

„Praktische und theoretische, allgemeine und spezielle Fachinhalte handlungsorientiert zu vermitteln und damit zugleich Handlungskompetenz und die Entwicklung von Schlüsselqualifikationen zu fördern, ist das Grundprinzip aller modernen Lern- und Bildungskonzepte.“ (Bulmahn 1998)

Dieses, von der Bundesministerin für Bildung und Forschung in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 2.Dezember 1998 erklärte „Grundprinzip“, hat Eingang in die Ausbildungsverordnungen gefunden – und zwar schon ein Jahrzehnt zuvor bei der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe 1987. Dennoch ist diese Forderung heute vielgenannt und Thema in der aktuellen Diskussion über die berufliche Erstausbildung im Dualen System. Eine gewichtige Frage dabei ist die, wie und ob eine berufliche Erstausbildung im Rahmen des Dualen Systems dem genannten Grundprinzip gerecht werden kann und es möglich ist, Handlungskompetenz zu vermitteln. Die Handlungskompetenz soll den jungen Auszubildenden so vermittelt werden, dass sie befähigt werden, im sich stetig wandelnden Berufsleben und in der modernen Gesellschaft zu bestehen. Die Berufsausbildung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, starten doch mehr als zwei Drittel aller jungen Menschen eines Jahrgangs eine Ausbildung im dualen System der Berufsausbildung. Dabei sollen sie Qualifikationen erwerben, die sie auf die Herausforderungen der modernen Zeit vorbereiten. Doch wie soll das in der praktischen Ausgestaltung umgesetzt und erreicht werden? Die in der beruflichen Erstausbildung zum Einsatz kommenden Methoden werden in der berufs- und betriebspädagogischen Diskussion fortwährend danach beurteilt und in Forschungsprojekten untersucht. Handlungsorientierte Ausbildungskonzepte und Methoden gibt es viele: Gruppenarbeit, Lerninsel, Projektmethode bzw. -orientierung, Selbstlernübungen – diese Auflistung ließe sich noch fortführen. Aber welche dieser Methoden werden in der berufsschulischen und betrieblichen Erstausbildung angewendet und in welchem Maße vermitteln sie überhaupt Handlungskompetenz? Diese Arbeit soll versuchen der Beantwortung dieser Frage näher zu kommen, indem im Rahmen des empirischen Teils die an der Ausbildung Beteiligten zu diesem Thema Stellung beziehen.

Mit der konkreten Ausformulierung von Handlungskompetenz, der Schaffung von Lernfeldern im Rahmenlehrplan und einer genauen Angabe im Ausbildungsrahmenplan bezüglich des Anteils der Vermittlung von Handlungskompetenz setzt die Ausbildungsordnung für die Ausbildung zum Beruf des/der Mechatroniker/-in erstmals das geforderte Prinzip der Handlungskompetenz als eminent wichtigen Bestandteil um. Der 1998 neu geschaffene Beruf des/der Mechatroniker/-in soll in seinen Kernelementen zur Erlangung einer umfassenden Handlungskompetenz des Auszubildenden beitragen, dabei wird erstmals ein erweitertes Verständnis von Handlungskompetenz zugrunde gelegt. Die Forderung, die in den Ausbildungsrahmenplänen genannten „Fertigkeiten und Kenntnisse so zu vermitteln, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einschließt“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 2000, S. 8), soll mit dem Ziel der Ausbildung: die Befähigung zur aktiven Gestaltung des Arbeitsprozesses verwirklicht werden.

1.1 Ziel der Arbeit

Im Fokus der Diplomarbeit steht die Umsetzung dieser hehren Forderung an die Arbeitsorganisation und -planung der Erstausbildung zum/zur Mechatroniker/-in. Dabei sollen insbesondere die Unterschiede zu den traditionellen und nunmehr verbundenen Berufsausbildungen zum Mechaniker, Elektroniker und Informatiker verdeutlicht werden, um im Kehrschluss die Besonderheit zur Implementierung der beruflichen Handlungskompetenz herauszustellen. Von dieser Warte aus gesehen, werden die Ansätze, Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten in eine Bestandsaufnahme überführt, um im Folgenden zu erklären, wo die Grenzen der Implementation liegen und wie diese überwunden werden können – mit anderen Worten, wie werden die benötigten Kenntnisse im dualen System der Berufsausbildung auf betrieblicher und berufsschulischer Seite vermittelt und verankert.

Um das zu untersuchen, wird neben der hermeneutischen Auswertung der themenbezogenen Fachliteratur eine empirische Befragung in ausgewählten Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen, die zum/zur Mechatroniker/-in ausbilden, durchgeführt. Hierbei werden sowohl Auszubildende und Ausbilder, als auch Berufsschullehrer involviert, um so zu einem umfassenden, nicht nur einseitig betrachteten Bild der aktuellen Ausbildungssituation vor dem Hintergrund der Vermittlung von Handlungskompetenz zu kommen.

Es soll mit dieser Arbeit versucht werden, die Chancen und Möglichkeiten einer innovativen beruflichen Erstausbildung im Rahmen des dualen Systems der deutschen Berufsausbildung aufzuzeigen und mit Hilfe von empirischen Untersuchungsmethoden in der Praxis zu untersuchen.

1.2 Aufbau der Arbeit

Zunächst geht es um die Herleitung und Darstellung des zugrunde liegenden Kompetenzbegriffes. Begriffe wie Personal- bzw. Sozialkompetenz, Fachkompetenz und schließlich Handlungskompetenz geistern durch die berufs- und arbeitspädagogischen Veröffentlichungen und Diskussionen der vergangenen Jahre. Dabei werden die Begriffe in unterschiedlicher Wertigkeit aber teilweise auch synonym verwendet. Der Begriff „berufliche Handlungskompetenz“ wird gar in sich z.T. widersprechende Modelle gefasst, die in Kapitel 2 dargestellt werden. Was bzw. welche Kompetenzaspekte sind Bestandteil eines umfassenden Handlungskompetenzbegriffs? Obschon es die Definition von Handlungskompetenz nicht gibt, muss dem Leser eine Vorstellung des Kompetenzbegriffs gegeben werden, die es ermöglicht, die vom BIBB vorgegebene Beschreibung von Handlungskompetenz einordnen zu können – dazu wird im Kapitel 2 eine Arbeitsdefinition formuliert. Die Begrifflichkeit, die Modelle und die Methoden zur Vermittlung von Handlungskompetenz bilden damit den Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in und den Stellenwert der Handlungskompetenzvermittlung innerhalb dieser Ausbildung.

Das ebenfalls grundlegende Thema der Lernorte und der Lernortkooperation ist Gegenstand des 3. Kapitels. Dies geschieht über die Einbettung der Mechatronikerausbildung in das duale System der Berufsausbildung. Denn die Charakteristika des Dualen Systems spannen in der BRD den Rahmen innerhalb dem die Berufsausbildung über Verteilung der Inhalte auf die Lernorte durch Ausbildungsrahmenplan und Rahmenlehrplan gestaltet und eingebunden ist. In diesem Zusammenhang steht die Neuordnung der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in, die im Vergleich zu den herkömmlichen Berufen betrachtet wird. Daneben wird die für diesen Beruf entwickelte Lernfeldkonzeption betrachtet, die einen wesentlichen Unterschied markiert und zum Ausbildungskonzept der Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/in überleitet, das im Kapitel 4 ausgiebig dargestellt wird. Das Ausbildungsprofil – und dazu gehören Ausbildungsrahmenplan und Rahmenlehrplan – des von uns betrachteten Berufsbildes soll in diesem Kapitel eingehend betrachtet werden, da sich die durchgeführte Befragung und deren Auswertung in wesentlichen Teilen darauf, nämlich auf die Ausbildungsteilgebiete und berufsschulischen Lernfelder bezieht. Eine Darstellung der zugeordneten einzelnen Tätigkeiten und Lerninhalte ist aus diesem Grunde unentbehrlich. Auch die Ausbildungssituation dieses „jungen“ Berufes seit 1998 soll dargestellt werden, um die Entwicklung aufzuzeigen, die als ein Maßstab für eine erfolgreiche Umsetzung des Ausbildungskonzepts gelten kann.

Die Kapitel 3 und 4 geben sozusagen den Ist-Zustand der beruflichen Erstausbildung in Deutschland allgemein und im Besonderen auf die Berufsausbildung zum/zur Mechatroniker/-in bezogen an. Dieser theoretische Zugang gibt ein wesentliches Bild, aber eben kein Meinungsbild ab. Eine Bewertung allein dieser Rahmenbedingungen und Kennzeichen ist jedoch schwer und geht den Weg nicht zu Ende. Um dies zu tun und einen Veränderungsbedarf ableiten zu können, müssen die am Ausbildungs- bzw. Umsetzungsprozess Beteiligten zu Wort kommen – sie liefern die Einschätzungen, die umfassende Rückschlüsse auf die Praxis und damit die reale Umsetzung der Vermittlung von Handlungskompetenz erlauben.

Diese Einschätzungen und Daten liefert die schriftliche Befragung der Lehrenden und Lernenden beider Ausbildungsorte. Der Datenerhebung widmen sich die Kapitel 5 und 6. Welcher Forschungsansatz, welche Methoden werden der empirischen Untersuchung zugrunde gelegt? Methoden und Vorgehensweise werden unter 5.1 erläutert. Die angewendete Methodik der quantitativen und qualitativen Sozialforschung wird bezogen auf die durchgeführte Befragung erörtert.

Die Methoden finden auch bei der Auswertung der erhobenen Daten Anwendung, weswegen darauf auch im Kapitel 6 eingegangen wird – wichtiger sind in diesem Zusammenhang allerdings die konkreten Ergebnisse, die ausführlich dargestellt werden. Dabei steht die Vermittlung von Handlungskompetenz im Mittelpunkt, darauf beziehen sich die Fragen und die vorhergehenden Ausführungen zu Ausbildungsmethoden und Lernorten. Hier werden Aussagen und Aspekte zusammengetragen, die besonders als wertende Einschätzungen eine Bestandsaufnahme und Ergebnisse bezüglich der Umsetzung der Vermittlung von Handlungskompetenz zulassen. Darauf aufbauend bzw. anschließend können im letzten (6.) Kapitel Veränderungsbedarfe und Perspektiven angesprochen und Forderungen an die Praxis formuliert werden. Daneben wird diese Arbeit im Hinblick auf die Zielsetzung reflektiert.

Zugunsten der besseren Lesbarkeit verwenden wir für beide Geschlechter die männliche Nennform. Diese Vereinfachung wird auch in der empirischen Auswertung angewendet, da eine geschlechtsspezifische Einordnung bzw. Beurteilung nicht stattfand und die verwendeten Daten anonymisiert wurden.

2 Das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz

Die Forderung nach Entwicklung und Vermittlung einer allgemeinen beruflichen Handlungskompetenz hat nicht nur seit der Konzeption der Berufsausbildung zum Mechatroniker Einzug in die Berufsausbildungsordnungen gehalten, sondern ist bereits 1987 im Zuge der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe als Grundbaustein in der betrieblichen und berufsschulischen Erstausbildung verankert worden. Dabei ist sie auf die kurze Formel komprimiert, wonach die in den Ausbildungsrahmenplänen manifestierten Fertigkeiten und Kenntnisse so vermittelt werden sollen, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, welche vor allem selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einbezieht (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2000, S. 8).

Um das Konzept einer allgemeinen beruflichen Handlungskompetenz vor dem Hintergrund der Erstausbildung zu beschreiben und verständlich zu machen, bedarf es jedoch einer ausführlicheren Darstellung, die über die Konzentration auf eine allgemeine berufliche Handlungskompetenz hinaus geht. Deshalb wird im Folgenden neben dem eigentlichen Schwerpunkt der beruflichen Handlungskompetenz auch der Begriff der Kompetenz im Allgemeinen näher erläutert. Hierzu werden unterschiedliche Definitionen und Sichtweisen betrachtet, um einerseits zu erfahren was sich hinter dem Konstrukt der „Kompetenz“ verbirgt und um andererseits eine Schlussfolgerung auf die berufliche Handlungskompetenz und deren Gegenstand ziehen zu können. Weiterhin werden unterschiedliche Aspekte der Kompetenz näher erläutert, da sie die Grundbausteine für eine anschließende begriffliche Einordnung der Handlungskompetenz und Darstellung verschiedener praxisrelevanter Handlungskompetenz-Modelle bilden. Im abschließenden größeren Kapitel wird auf die Vermittlung von Handlungskompetenz in der Berufsausbildung näher eingegangen, indem verschiedene Methoden vorgestellt werden.

2.1 Das Paradigma „Kompetenz“

Erarbeitet man ein Anforderungsprofil der aktuellen Arbeitsstellenausschreibungen, stolpert man in der heutigen Zeit immer öfter über den Anspruch einer „Kompetenz“ oder dem „Kompetentsein“. Eine solche Forderung ist vor dem Hintergrund sich verändernder Arbeitsstrukturen und Arbeitsinhalte, die eine hohe Flexibilität der Arbeitskräfte voraussetzen, durchaus vertretbar und nachvollziehbar, jedoch sieht sich der Interessent mit der Frage konfrontiert: Erfülle ich diese Voraussetzung, bin ich kompetent?

Die nur schwer fassbare Konkretisierung des Ausdrucks „Kompeten z “, der mittlerweile in alle Bereiche des Lebens Einzug gehalten hat, Ausbildungs- und Lehrpläne schmückt und aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen nicht mehr wegzudenken ist, bewirkt eine Verschleierung der Begrifflichkeit und ruft die Forderung nach standardisierten Kernpunkten hervor. Eine inhaltlich klar abgrenzbare Definition, insbesondere um welche Fähigkeiten[1], Kenntnisse, Werthaltungen und Fertigkeiten es auf welchem Niveau und für welchen Handlungskontext gehen soll, kann den Schleier um den Begriff der Kompetenz versuchen zu brechen (vgl. Clement 2002, S. 7).

Einen weiteren Anhaltspunkt in der Debatte um das Wesen der Kompetenz bekräftigt Steig (Steig 2000, S. 3) mit dem Argument des zunehmenden Wissenswandels. Die heutige moderne Wissensgesellschaft ist geprägt durch eine riesige Menge an generierten, archivierten und verteilten Wissen, welches sich in kürzester Zeit vergrößert und dadurch im Umkehrschluss auch kurzlebiger wird. Neuere Ansätze und Erkenntnisse verwerfen altes, unmodernes und deshalb überflüssiges Wissen, oder sie revolutionieren es. Somit wird die Zeitspanne der Gültigkeit reduziert und verlangt von den Gesellschaftsmitgliedern eine hohe Anpassungsfähigkeit. Die reine Qualifikation[2] des Fachwissens ist nicht mehr ausreichend und fordert von den Menschen eine neue Eigenschaft, die einer solchen Flexibilität nahe kommt.

In seinem Buch ‚Kompetenzen und Lernstrukturen’ fasst Veith (vgl. Veith 2003, S.15) jene Anpassungsfähigkeit unter dem Stichpunkt eines kontinuierlichen Updatings und Upgradings des individuellen Verhaltens- und Wissensrepertoires zusammen. Demnach überzeugt das Individuum durch die persönliche Ressource der Flexibilität auf sich ändernde Aufgaben und Anforderungen im alltäglichen Leben und im Arbeitsprozess und kann sich deshalb gegenüber anderen Kontrahenten behaupten.

Hierin sollte auch der Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung des Kompetenzbegriffes und seiner Entstehung zu finden sein, da globale Wettbewerbsdynamiken und gesellschaftlich bedingte Strukturveränderungen von den Individuen Anpassungen und Umgestaltungen abfordern. Fischer beschreibt in seinem Aufsatz „Was kompetente Facharbeiterinnen und Facharbeiter wissen sollten“ (Fischer 2002, S. 63) vier wesentliche Charakteristika des Wandels:

- die Implementation neuer Produktions- und Fertigungstechniken, vor allem im Bereich der computerunterstützten Arbeitswelt,
- die Einführung neuer Produkte und Materialien,
- eine Veränderung in der Arbeitsstrukturierung und Arbeitsorganisation und
- neue politische und rechtliche Rahmenbedingungen betrieblichen Wirtschaftens.

Anforderungen am Ende der Arbeitsprozesskette haben sich ausgehend von den gewohnten Arbeitsroutinen in Abläufe gewandelt, die geprägt sind durch Störungen, unvorhergesehene Ereignisse oder neuartige Problemstellungen und folglich von den Arbeitern Fähigkeiten abverlangen, diese zu lösen und zu bewältigen. Hierin zeigt sich die rückläufige Entwicklung der einzig auf das Fachgebiet begrenzten Sichtweisen moderner Arbeitswelten. Sie werden ergänzt durch übergreifende Ansprüche, die Problemsituationen außerhalb der Werkstattebene möglichst dezentral zu lösen vermögen (vgl. ebd. S.64).

Aber sind diese Ausführungen und erwähnten Kriterien erschöpfend das Wesen des Begriffes „Kompetenz“ zu erklären? Sind nicht eine Vielzahl von Ansatzpunkten und Parametern unter dem Dach der Kompetenz zu vereinen oder sogar mit ihm verwandt? Es wäre einerseits vermessen all jene Punkte aufzuspüren und wiederzugeben, andererseits könnte die Gefahr bestehen, wichtige Punkte zu vergessen oder als relativ irrelevant zu unterschlagen.

Anstatt den Kompetenzbegriff inhaltlich weiter zu füllen und womöglich zu überladen, soll ein „Bedingungsfeld des Kompetenzbegriffes“ (Clement 2002, S. 30) herangezogen werden, dessen Aspekte all jene Bereiche aufzeigt, in denen „sich solche Interpretations- und Konkretisiserungsprozesse abspielen“ (ebd.).

Vier Kriterien werden konkretisiert, die zur inhaltlichen Bestimmung des Kompetenzbegriffes dienen sollen (vgl. Abbildung 1, Seite 16):

- „die vorherrschenden bildungsökonomischen und -politischen Strategien einer Gesellschaft,
- die in einer Kultur verankerte Tradition von Beruf,
- der Arbeitsmarkt, auf dem Kompetenzen vermarktet werden sollen, und schließlich
- die Qualifizierungsstrategien, die aus den genannten Parametern abgeleitet werden, die aber auch selbst Wirkungen auf die Bildungspolitik, Kultur und Arbeitsmärkte eines Landes zeitigen“ (ebd.).

Unter dem ersten Bedingungsfeld werden all jene bildungsökonomischen und bildungspolitischen Trends zusammengefasst, die Einfluss auf die inhaltlichen Definitionen der durch berufliche Bildung zu erlernenden Kompetenzen nehmen. Hierbei spielt v.a. der Wert allgemeiner und beruflicher Bildung vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingungen und der Volkswirtschaft eine große Rolle. Debatten um berufliche Qualifikationen, allgemeine Schulbildung oder fachübergreifende Fertigkeiten und Kenntnisse innerhalb des Arbeitsprozesses sind inhaltliche Diskussionen, die Differenzen aufzeigen und Eigenheiten von Kompetenzen erarbeiten (vgl. ebd. S. 34f).

Der kulturelle Aspekt des Bedingungsfeldes beschreibt die Definitionen von Arbeit und Beruf, die sich in einer Gesellschaft ausprägen und den Kompetenzbegriff von dieser Warte aus bestimmen. Sie sind entscheidend für die Handlungs- und Entscheidungsautonomie der Gesellschaftsmitglieder, da sie den Grad des Aufgabenzuschnitts innerhalb des Arbeitsprozesses bestimmen und festlegen. Je stärker die mit dem Beruf verbundenen Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse ausgeprägt sind, desto höher ist der Bedarf an individuellen Kompetenzen, die diese Aufgabenfelder in erster Linie bedingen und vom Arbeiter Selbständigkeit abverlangen (vgl. ebd. S. 38f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bedingungsfeld des Kompetenzbegriffes, nach Clement 2002, S. 30

Die Arbeitsmärkte, auf denen die Kompetenzen vermarktet werden, sind als drittes Feld anzusehen und beschreiben, wie gut oder wie schlecht die Chancen einer bestimmten Qualifikation auf diesen Märkten einzuschätzen sind. Das Feld ist eng mit dem vorhergehenden Aspekt der Kultur verbunden, da bereits inhaltlich bestimmte Eigenschaften und Abgrenzungen von Kompetenzen die Chancen auf stark konkurrierenden Märkten beeinflussen. Dennoch nehmen der Stand der Technik, die Art der Arbeitsorganisation oder verschiedene Wirtschafts- und Organisationsformen Einfluss auf die Festlegung von Ausbildungszielen und damit auf die zu erlernenden Kompetenzen. Im Mittelpunkt stehen dabei jene materiellen Grundlagen, die sich auf Grund der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt auf die Ausbildungsplanungen auswirken und somit auf Veränderungen der Arbeit und der Arbeitsanforderungen Einfluss nehmen können. Hierbei spielt der Zuschnitt des individuellen Arbeitsplatzes im Hinblick auf die Frage, wie stark Aspekte der Selbstorganisation, Betriebsökonomie, Personalführung oder unternehmerische Initiative Teil der geforderten Kompetenzen sein sollen, eine entscheidenden Rolle (vgl. ebd. S. 39-46).

Der letzte und vierte Aspekt des Bedingungsfeldes beschreibt die Art und Weise, wie ausdifferenziert die angestrebten Kompetenzen bei den Lernenden erzeugt werden können. Hierin sind unterschiedlichste Zertifizierungsmaßnahmen, abgeprüfte duale Ausbildungsmöglichkeiten oder die Zertifizierung informell erworbener Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu verstehen, die sich zwangsläufig auf die Form der Institutionalisierung von Aus- und Weiterbildung in einer Gesellschaft auswirken (vgl. ebd. S. 46ff).

Jedoch, selbst eine relativ starre Einordnung der Interpretationsansätze des Begriffes „Kompetenz“, wie am Beispiel des Bedingungsfeldes des Kompetenzbegriffes aufgeführt, ist im Hinblick auf Überschneidungen und Überlappungen nicht unfehlbar. Die Aspekte sind in einzelnen Nuancen im Hinblick auf ihre Zielbestimmungen miteinander verwoben oder verwandt.

Neben der Trennung von Interpretationsansätzen und Einordnungen der Bestimmungen des Paradigmas Kompetenz lassen sich weitere Unterscheidungen und Abgrenzungen finden. Diese sollen nicht innerhalb der Begriffsdeutung selbst erörtert werden, sondern ausgehend von einer Abgrenzung zu ähnlichen und bisweilen verwandten Begriffen. Hierzu wird auf die historische Entwicklung des Wesens „Kompetenz“ eingegangen, um somit eine weitere Betrachtungsweise zu ermöglichen.

2.2 Die Herleitung des Kompetenzbegriffes und Arbeitsdefinition

Der Begriff „Kompetenz“ ist in der Fachliteratur seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gebräuchlich. Er leitet sich aus dem spätlateinischen Wort der competentia ab und bedeutet in diesem Sinne das Zusammentreffen, aber auch: zukommen oder zustehen. Im Römischen Reich wurde er in das Adjektiv competens transformiert und als „zuständig und befugt sein“ verwendet. Im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff mit der heutigen Wortbedeutung erst seit dem 18. Jahrhundert bekannt.

White führte 1959 den Begriff der Kompetenz im Rahmen der Motivationspsychologie als ein Konzept ein, welches die Ergebnisse von Entwicklungen grundlegender Fähigkeiten, die vom Individuum selbstorganisiert hervorgebracht wurden, einschließt. Kompetenz ist die Voraussetzung für Performanz, welche mit der Sprachbeherrschung und Sprachverwendung gleichzusetzen ist (Erpenbeck/ Rosenstiel 2003, X).

Chomsky prägte im Zusammenhang mit den Kommunikationswissenschaften die Kompetenz als Fähigkeit von Sprechern und Zuhörern, „mit Hilfe eines begrenzten Inventars von Kombinationsregeln und Grundelementen potenziell unendlich viele neue, noch nie gehörte Sätze selbstorganisiert bilden und verstehen zu können“ (vgl. ebd.). Hierin zeigt sich eine erste begriffstechnische Abgrenzung zum verwandten Begriff der Performanz. Kompetenz bezeichnet das Wissen und die Kenntnis des Individuums von seiner Sprache, wogegen Performanz den aktuellen Gebrauch der Sprache in ganz bestimmten Situationen beschreibt und lediglich die Anwendung einer individuellen Kompetenz darstellt.

Festzuhalten bleibt, dass der Begriff der Kompetenz, aus seinem Ursprung heraus, die Benutzung und Handhabung unterschiedlicher Wissenseigenschaften und Fähigkeiten darstellt. Diese Qualitäten sind inhaltlich und sachlich nicht zu bestimmen, da sie den Umgang mit dem Wissen selbst beeinflussen. Kompetenz ist ein gedachtes Konstrukt, das mit bestimmten, beobachtbaren Reaktionen und Handlungsweisen operationalisiert wird (vgl. Steig 2000, S. 5).

Erpenbeck und Rosenstiel (Erpenbeck/ Rosenstiel 2003, XI) bezeichnen Kompetenzen als eine Zusammenfassung von Dispositionen, die sich aus Verhaltensweisen des physisch und psychisch selbstorganisiert Handelnden ergeben – sie sind Selbstorganisationsdispositionen. Darüber geht Zimmer in seinen Ausführungen zur „Kompetenzentwicklung in virtuellen Kooperationen“ (Zimmer 2002, S. 85) hinaus und ergänzt den Kompetenzbegriff. Demnach werden Kompetenzen „durch Zuständigkeit und Verantwortung begründet, durch Lernen erworben, durch Wissen fundiert, durch Werte konstituiert, als Fähigkeit disponiert, durch Erfahrung konsolidiert und aufgrund von Willen realisiert“(ebd.).

Von dieser Warte ausgehend, ist Kompetenz als eine Abgrenzung zu dem artverwandten Begriff der Qualifikation zu betrachten und stellt diesen sogar in den Hintergrund. Nur sie ist dazu in der Lage, den Unterschied der Selbstorganisationsfähigkeiten des Individuums zu anderen Konstrukten wie Können, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Qualifikationen auf den Begriff zu bringen (vgl. Arnold/Steinbach 1998, S. 22).

Aber sollte der Begriff Qualifikation generell abgeschafft werden und durch den der Kompetenz ersetzt werden?

Durch die sehr schwierige Operationalisierung des Paradigmas Kompetenz, verbunden mit einer uneinheitlichen Standardisierung was kompetent ist und was nicht, sollte die Qualifikation nicht direkt in das „Glashaus Kompetenz“ übertragen, sondern in seiner Deutung erweitert und flexibler gestaltet werden. Im Folgenden sollen fünf Hauptargumente erläutert werden, die zur Unterscheidung von Qualifikation und Kompetenz dienen sollen (vgl. ebd., S. 23):

1. Kompetenz stellt einen auf das Subjekt und dessen individuelle Fähigkeiten bezogenen Begriff dar, während Qualifikationen auf konkrete Anforderungen und Nachfragen beschränkt werden.
2. Der Anspruch der Kompetenz verfolgt einen ganzheitlichen, auf die Person bezogenen Prozess. Eine unmittelbar auf die Tätigkeit des Individuums verengte Sichtweise, ausgedrückt durch dessen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, wird als Qualifikation bezeichnet.
3. Wie bereits beschrieben, betont der Kompetenzansatz die Selbstorganisationsfähigkeit des Handelnden, wogegen der Qualifikationsbegriff an der abgetrennten, strukturierten und positionstreuen Abarbeitung von Lernprozessen festhält.
4. Das Kompetenzlernen stützt sich auf Ansatzpunkte einer aufwendigen Wertevermittlung, die dem Individuum die Selbstorganisationsfähigkeiten ermöglichen sollen. Demgegenüber steht das Qualifikationslernen für die Vermittlung der Fach- und Sachanforderungen, die die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit bestimmt.
5. Der Kompetenzbegriff umfasst eine Vielzahl der unbegrenzten individuellen Handlungsdispositionen und umschreibt sie mit einer Begrifflichkeit[3]. Qualifikationen dagegen, stellen ausschließlich zertifizierbare und konkret abprüfbare Elemente der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten dar.

Diese Argumente sollten nicht dazu dienen, in dem Qualifikationsbegriff einen Gegenspieler zu dem der Kompetenz zu suchen, sondern lediglich dazu beitragen, die Gegenstände der unterschiedlichen Betrachtungsebenen zu erläutern.

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle feststellen, dass Qualifikationen „Positionen eines gleichsam mechanisch abgeforderten Prüfungshandelns“ (Erpenbeck/ Rosenstiel 2003, XI) sind und im Gegensatz zur Kompetenz als Wissens- und Fertigkeitspositionen bezeichnet werden können.

Ein kurzes praktisches Beispiel soll diese Unterscheidung noch einmal vor Augen führen:

In der traditionellen Berufsausbildung erlernt der Auszubildende handwerkliche Tätigkeiten, wie z.B. das Feilen eines Werkstückes, das Zuschneiden von Metallen oder das Reparieren einer Maschine. Die Ausübung ist dabei klar umrissen und der Erfolg kann durch unterschiedliche Prüfverfahren gemessen werden. So ist ein entgratetes Metallteil oder das Anspringen eines Motors als Ergebnis und positiver Ausgang sichtbar. Stellt sich dieses Ereignis nicht ein, so kann durch gezielte Maßnahmen eine Verbesserung der fachlichen und sachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erzielt werden. Aber auch hierbei steht das Interesse der Leistungsresultate im Vordergrund, welche der Person durch Zertifizierung außerhalb des Arbeitsprozesses als Qualifikationen zugeschrieben werden.

Betrachtet man Berufsbilder, die neben den handwerklichen Fertigkeiten auch kreative Leistungen erbringen sollen, so muss man feststellen, dass der Begriff „Kompetenz“ immer stärker Einzug in die Rahmenlehrpläne und Ausbildungsverordnungen Einzug hält. Das Interesse richtet sich bei diesen Personen auf kreative und neuartige Leistungen. Ein Automobildesigner kann die besten Abschlussnoten in der Schule, im Studium oder auch in der Berufsausbildung vorweisen, aber in der Praxis scheitert er daran, diese Qualifikationen umzusetzen. Eine solche Person macht sich erst dann für eine Unternehmung interessant, wenn sie die Option der erlernten Qualifikation in den Erfolg umwandeln und kreative Leistungen erbringen kann. Jene subjektbezogenen und stark individualisierten Verfügungen über die Verwendung einer Sache oder Qualifikation werden als Kompetenzen bezeichnet.

Mit Hilfe dieser Abgrenzungen und der Einordnung des Kompetenzbegriffes ist es nunmehr möglich, eine für die Arbeit zu Grunde liegende Arbeitsdefinition zu bestimmen.

Kompetenzen sind individuelle Eigenschaften, die es der Person ermöglichen, in wechselnden Situationen zielgerichtet zu handeln. Hierbei wird die Kompetenz ausgehend von zwei Seiten bestimmt: von der Situation und der Person, woraus zwei Dimensionen resultieren: die Kern- und die Veränderungskompetenz. Unter den Kernkompetenzen werden alle Fähigkeiten und Fertigkeiten subsumiert, die von einem Individuum im besonderen Maße beherrscht und in unverwechselbarer Weise angewendet werden. Sie geben Orientierung im beruflichen Leben, stellen Kontinuität her und begründen Fachqualifikationen. Die Anwendung dieser Kernkompetenzen unterliegt bestimmten situativen Anforderungen. Daher wird sie ergänzt durch Veränderungskompetenzen, mit denen die Bereitschaft und Fähigkeit ausgedrückt wird, auf die unterschiedlichen und wechselnden qualifikatorischen Anforderungen einzugehen und diese verarbeiten zu können. Von beiden Dimensionen bzw. der Entwicklung beider Kompetenzen hängt die Zukunft der Beschäftigungsfähigkeit eines Individuums ab (Gidon/Müller/Scholz, unter www.bibb.de).

Im Mittelpunkt des Umgangs mit dem Kompetenzbegriff steht das individuelle Wissen, bzw. die kognitive Fähigkeit mit diesem umzugehen[4] und es zielgerichtet anzuwenden. Somit beschreibt er den Lernerfolg einer Person und die daraus resultierende Fähigkeit des eigenständigen und eigenverantwortlichen Handelns in Situationen des Berufslebens, privaten Alltags und gesellschaftlichen Begebenheiten.

Für die weitere Betrachtung des Kompetenzbegriffes und den speziellen Aspekten der Kompetenz, sollen unter der Kompetenz all jene Fertigkeiten, Anlagen, Begabungen und Fähigkeiten des Individuums verstanden werden, die während seines Lebens erlernt, entwickelt und angewendet werden und es ihm ermöglichen, sein Wissen in den unterschiedlichen Situationen des Lebens anzuwenden.

2.3 Kompetenzaspekte

In der Literatur werden unter dem Oberbegriff der Kompetenz verschiedene Klassifizierungen zusammengefasst. Die Zusammenstellung und Benennung der einzelnen Klassen ist unterschiedlich und insofern künstlich gewählt, „als bei der Bewältigung einer konkreten Aufgabe die einzelnen Kompetenzbereiche sich wechselseitig bedingen und in unterschiedlicher Intensität beansprucht und miteinander verflochten werden“ (Pätzold 1999, S. 58). In diesem Abschnitt sollen die in der Fachlektüre am weitest verbreiteten Aspekte von Kompetenzen[5] erörtert und durch andere Sichtweisen ergänzt werden.

2.3.1 Fachkompetenz

Die Fachkompetenz definiert sich aus der Frage heraus: welches fachliche Wissen für die Verrichtung einer bestimmten Tätigkeit erforderlich ist (vgl. Steig 2000, S.7).

Einerseits bedeutet Fachkompetenz fachliches Wissen zu besitzen, fachliches Wissen situationsgerecht umsetzen zu können und zum fachlichen Engagement bereit zu sein. Andererseits ist fachliche Kompetenz erforderlich für die Gestaltung, die Steuerung, die Untersuchung und die Absicherung von organisationalen Vorgängen, Prozessen und Abläufen (vgl. ebd.).

Durch die starke Konzentration dieser Klassifikation auf die mit den beruflichen Tätigkeiten verbundenen Sachaufgaben, wird Fachkompetenz auch häufig als Sachkompetenz bezeichnet. Hierbei beschreibt sie die durch tätigkeitsbezogene Qualifikationen erworbenen Eigenschaften, wie:

- Zugriffswissen,
- Know how to how,
- Key knowledge,
- Transferfähigkeit,
- Erschließungskompetenz durch Sachkompetenz und
- Problemlösefähigkeit (vgl. ebd., 30).

2.3.2 Personalkompetenz

Personale Kompetenzen sind jene Fähigkeiten, „die es dem Einzelnen erlauben, die Ressourcen seiner Persönlichkeit zur Bearbeitung von Problemen und zur Verwirklichung eigener Interessen, Absichten und Wünschen zielführend einzusetzen“ (Veith 2003, S. 34).

Sie implizieren somit, dass Individuen dazu in der Lage sind, ihre Persönlichkeit, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten immer wieder zu reflektieren, zu hinterfragen und wenn nötig zu verändern. Erpenbeck und Rosenstiel (Erpenbeck/Rosenstiel 2003, S. XVI) gehen über diese Punkte hinaus und beschreiben Personalkompetenz mit der Möglichkeit selbstorganisiert zu handeln, produktive Einstellungen, Motive, Werthaltungen und Selbstbilder zu schaffen, eigene Begabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich innerhalb und außerhalb der Arbeit kreativ zu entwickeln und zu lernen.

Besitzt eine Person Personalkompetenz so ist sie demzufolge fähig, ein realistisches Selbstbild zu haben, der eigenen Überzeugung gemäß handeln zu können und zur sozialen Verantwortung bereit zu sein. In Betrieben und Unternehmungen sind solche Individuen von Nöten, um Menschen zu führen, mit ihnen zu kommunizieren und Gemeinschaften zu entwickeln (vgl. Steig 2000, S. 27).

2.3.3 Sozialkompetenz

Soziale Kompetenz umfasst all jene Fähigkeiten, die mit der Kommunikation im Rahmen einer bestimmten Tätigkeit verbunden sind. Sie ist Voraussetzung für eine kooperative und kommunikative Zusammenarbeit in Teams mit unterschiedlichen sozialen Strukturen (vgl. Steig 2000, S. 21).

Innerhalb der Gruppen soll Sozialkompetenz dem Individuum ermöglichen, die Gefühle und Perspektiven seiner Gegenüber nachzuempfinden oder zu übernehmen. Des Weiteren soll sie dazu beitragen, symbolische und normative Ordnungen von Gruppen und Organisationen, Gemeinschaften und Gesellschaftssystemen zu verstehen (vgl. Veith 2003, S. 34).

Sozialkompetenz entsteht durch die synergetische Verknüpfung von Selbst-Bewusst-Sein, Verantwortungs-Bewusst-Sein und Mündig-Sein. Stehen diese Komponenten im Einklang zueinander, bedeuten sie im menschlichen Miteinander das Ausmaß, in dem der Mensch fähig ist, im privaten, beruflichen und gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang selbständig, umsichtsvoll und nutzbringend zu handeln und zu reagieren. Hieraus ergeben sich zwei Hauptaspekte, welche sich auf das Ausmaß sozialer Kompetenz beziehen. Auf der einen Seite setzt sie die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit als Grundstein für selbständiges und selbstbewusstes Handeln voraus, auf der anderen beschreibt sie die Fähigkeit, in der Gemeinschaft, z.B. Familie, Schule, Betrieb etc., zu leben, zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und aktiv als integrierter Bürger an der gesellschaftlichen Entwicklung mitzuwirken (vgl. Steig 2000, S. 23-24).

Die Forderung nach einer stärkeren Betonung der Sozialkompetenz in der beruflichen Ausbildung und im organisationalen Leben hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Veränderungen in Bereichen gesellschaftlicher und technisch-organisatorischer Art, bedingen neue Anforderungen und Bedürfnisse an das Verhalten der Interaktionspartner untereinander. Teamarbeit, autonome Arbeitsgestaltung und mobile Arbeitsplätze lösen traditionelle Arbeitsformen durch gut funktionierende persönliche Kontakte ab. Besonders im Bereich der Mitarbeiterauswahl, die sich in der Vergangenheit mehr auf die Qualifikation der Bewerber bezog, sowie bei deren Fortbildung, stellt soziale Kompetenz mittlerweile einen Hauptaspekt dar. Die Angestellten sollen hierdurch den beruflichen und privaten Alltag erfolgreich mitgestalten und der ökonomischen Effizienz dienen. Soziale Kompetenz und individuelle Umgang mit den Gesellschaftsmitgliedern ist eine Voraussetzung für die Erreichung der Erwartungen und Ziele auf fachlicher Ebene (vgl. Langmaack 2004, S.15-30).

2.3.4 Methodenkompetenz

Unter Methodenkompetenz werden situations- und fächerübergreifende, flexibel einsetzbare kognitive Fähigkeiten verstanden, die der Aneignung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten dienen (vgl. Pätzold 1999, S. 58).

Dabei steht die Frage nach dem fachlich richtigen Vorgehen bei einer bestimmten Tätigkeit im Mittelpunkt. In diesem Kontext bedeutet das Besitzen methodischer Kompetenz zu wissen, welcher Weg zur Problemlösung einzuschlagen ist, diesen Weg im nächsten Schritt zu gehen, aber auch dazu bereit zu sein, den Weg zu gehen. Sie ist erforderlich, um Abläufe, Vorgänge und Prozesse in Unternehmungen zu gestalten, zu steuern, zu untersuchen und abzusichern (vgl. Steig 2000, S. 10).

Die Ausprägung dieser Kompetenz zeigt sich u. a. in der Strukturierung des Diskussionsprozesses zur Optimierung organisationaler Abläufe. Beispiele hierfür sind:

- die Benennung wichtiger Ziele,
- die Klärung und Konkretisierung prozessorientierter Beiträge,
- das Einbringen von Verfahrens- und Verbesserungsvorschlägen für das weitere Vorgehen,
- die Zusammenfassung von Informationen und
- die Entscheidungsfindung bzw. Prioritätensetzung

(vgl. Kauffeld 2002, S. 142).

2.3.5 Weitere Kompetenzaspekte

Neben den beschriebenen Hauptklassifizierungen der Kompetenztypen lassen sich weitere Unter- bzw. Nebenkompetenzen finden und formulieren. Als Beispiele dieser großen Auswahl sollen die Formen der:

1. Kommunikativen Kompetenz,
2. Selbstkompetenz und
3. Medienkompetenz

erläutert werden.

2.3.5.1 Kommunikative Kompetenz

Kommunikative Kompetenz ist die individuelle Fähigkeit, mit anderen Gesellschaftsmitgliedern Informationen, verbaler oder nonverbaler Art, auszutauschen. Sie bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Person eine Verstehensfähigkeit, d.h. die Begabung zuhören zu können, hat. Des Weiteren können jene Individuen reflexiv handeln und sind dazu in der Lage, Antworten geben zu können, welche sie zielgerichtet formulieren und aussprechen. Unter den Gesichtspunkten kommunikativer Kompetenz lassen sich vier Komponenten ableiten:

- Hermeneutische Bildung/ Verstehensfähigkeit,
- Sprachbildung/ Sprachfähigkeit,
- Moralische Bildung/ Handlungsfähigkeit und
- Verstandesbildung/ Reflexionsfähigkeit

(Steig 2000, S. 11).

Kommunikative Kompetenz tritt zwischen den Komponenten als Verbindungsglied auf und macht die Wechselwirkung zwischen dem menschlichen Handeln und dem individuellen Verhalten erst möglich. Durch die Interaktion mit Sachen und Mitmenschen, welche durch Wertevorstellungen und Sinnhaftigkeit gesteuert wird, können wir die Konsequenzen des Handelns beobachten. Diese Konsequenzen sind jedoch nicht unmittelbar zu spüren, so dass sich Veränderungen des Handelns erst nach längerer Zeit einstellen. Jene Verhaltensänderung ist aber der Grundstein für menschliches Handeln und Interaktion (ebd., S.19).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Kommunikative Kompetenz auf individuelle Interaktionen bezieht. Dadurch lassen sich elementare Bestandteile ableiten, die sich aus den Fähigkeiten des Zuhörens, des Antwortens und des Sprechens zusammensetzen und letztlich in der Fähigkeit des kommunikativen Handelns münden (ebd., S. 20).

2.3.5.2 Selbstkompetenz

Unter dem Begriff der Selbstkompetenz werden Äußerungen zur Mitwirkung zusammengefasst. Dabei betonen sie ein Interesse an Veränderungen und sind geprägt von einer „appellativen Forderung nach der Selbststeuerung der Gruppe, oder der Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Gruppenmitglieds“ (Kauffeld 2002, S. 142).

Selbstkompetenz ist eine Bündelung persönlichkeitsbezogener Qualifikationen, die sich vor allem im organisationalen Entscheidungsprozess zeigen. Hierbei spielen zentrale Bestandteile, wie das Planen von Maßnahmen oder die personale Festlegung der Mitwirkenden, eine bestimmende Rolle (vgl. ebd.).

2.3.5.3 Medienkompetenz

Unter Medienkompetenz versteht man die Fähigkeit „mit technischen Medien umzugehen, sie bedienen zu können, und zwar nicht nur technisch, sondern auch im Sinne von sich ihrer für eigene Zwecke bedienen zu können, ihre Sprache verstehen und decodieren zu können und über Hintergrundwissen zu verfügen, wie mediale Botschaften entstehen, welche gesellschaftlichen Interessen damit verbunden sind und in welchem Verhältnis die mediale Wiedergabe von Wirklichkeit zur gesellschaftlichen Realität steht“ (Steig 2000, S. 29).

Sie fügt sich in die einzelnen Kompetenzarten ein und stellt den fehlenden Baustein im Puzzle der einzelnen Klassifikationen dar. Im Feld der Fachkompetenz beschreibt Medienkompetenz die Fähigkeit, sich unabhängig die notwendigen Kenntnisse anzueignen, um neue und unbekannte Medien und deren Inhalte einsetzen zu können. Im Bereich der Sozialkompetenz stellt sie die Fähigkeit dar, eine Reziprozität der Perspektiven zwischen Rezipient und Medienfigur zu entwickeln. Des Weiteren erleichtert sie die Integration von Medienkommunikation in sozialen Netzwerken.

In Verbindung mit Selbstkompetenz spiegelt sich Medienkompetenz in der Bereitschaft, sich mit neuen Medien aktiv auseinander zu setzen, d.h. ihnen zu vertrauen, wieder. Besonders in der Fähigkeit des Sich-Selbst-Befähigens und des differenzierten Betrachtens zwischen Realität und Medienrealität spielt sie eine wichtige Rolle.

2.4 Berufliche Handlungskompetenz

„Die unverzichtbare berufliche ‚Eintrittskarte in das 21. Jahrhundert’ sind heute ganzheitliche berufliche Handlungskompetenzen, die zur aktiven und selbständigen Mit- und Selbstgestaltung von Technik, Arbeit und Organisation in der Wirtschaft befähigen“ (Zimmer 2000, S. 37).

Dieser einführende Satz soll die Brisanz aufzeigen, mit welchen Zielen die Debatten innerhalb der modernen beruflichen Bildung geführt werden. Auch wenn der Begriff „Handlungskompetenz“, Schlagwort einer auf Reform drängenden Bildungspolitik, in den 70er Jahren seinen Höhepunkt fand, ist er im Kontext der Neuordnung der Ausbildungsberufe erneut zu einem Leitbegriff in der Diskussion um die Ziele der Berufsausbildung geworden (Flothow 1992, S. 1).

Aber wodurch entstehen solche Forderungen und Behauptungen, die aus aktuellen Werken, Aufsätzen und Symposien der Berufspädagogik und Bildungspolitik nicht mehr wegzudenken sind und ihren Ursprung in älteren Dekaden finden?

Im Zusammenhang mit der Berufsbildung und im speziellen mit der beruflichen Erstausbildung, hat es den Anschein, dass die Wirtschaft zu der Erkenntnis kam, dass die Ausweitung des internationalen Wettbewerbs und die veränderten Anforderungen innerhalb des Produktionsprozesses und der Verwaltung Arbeitskräfte erfordern, die ein Qualifikations- und Fähigkeitsprofil aufweisen können, welches mehr umfasst als die traditionellen fachlich-funktionalen Qualifikationen. Zusätzlich kann die Einsicht hinzugezogen werden, dass Individuen Potentiale und Ressourcen besitzen, die etwas mit ihrer Persönlichkeit zu tun haben und nicht durch technische computergestützte Systeme ersetzt und abgelöst werden können (vgl. ebd.).

In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Handlungskompetenz“ eng mit paradigmatischen und pragmatischen Veränderungen, insbesondere innerhalb der Gestaltung der Arbeitsprozesse in allen Bestandteilen, Faktoren und Zusammenhängen, verknüpft. Veränderungen erfordern kompetente selbstorganisiert handelnde Individuen, die den Einsatz von Technik, Arbeit, Organisation und Handlungskompetenzen der Subjekte selbst gestalten. Vor allem die berufliche Bildung der Beschäftigten muss sich vor diesem Hintergrund die Frage stellen, wie Individuen die subjektiven Voraussetzungen zur kompetenten Gestaltung der Arbeitsprozesse erlangen können (vgl. Zimmer 1998, S.148).

Trotz oder gerade wegen einer schier endlos erscheinenden Diskussion um das Paradigma der Handlungskompetenz ist es dennoch relativ unscharf geblieben, worauf und vor allem woran sich berufspädagogisches Handeln orientieren soll. Es steht ganz außer Frage, dass die individuelle Persönlichkeitsentwicklung neben der Vermittlung fachlich-funktionaler Qualifikationen als Ausbildungsziel zu sehen ist, aber schon bei der Frage nach inhaltlichen Schwerpunkten differieren die Ansichten der Autoren und Experten, welche in der Aufsplittung in unterschiedlichste Teilkompetenzen zu erkennen sind (vgl. Flothow 1992, S. 2).

Im Folgenden werden neben einer Begriffsbestimmung verschiedene Ansätze und praxisrelevante Modelle von Handlungskompetenz erläutert, die in ihrem Umfang sicherlich nicht allumfassend sind aber vor dem Hintergrund und dem Ziel der Arbeit ausgewählt wurden. Danach wird auf die Vermittlung von Handlungskompetenz in der beruflichen Erstausbildung eingegangen, indem verschiedene Methoden dargestellt und erläutert werden, die in der Fachliteratur als förderlich angesehen sind.

2.4.1 Begriffsbestimmung und Modelle in der pädagogischen Praxis

Das „Wörterbuch der Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ bestimmt das Ziel einer modernen Berufsausbildung mit der Entwicklung einer beruflichen Handlungskompetenz. „Dementsprechend soll der Mensch über ein Handlungsrepertoire verfügen, das ihn befähigt, die zunehmende Komplexität und Unbestimmtheit seiner beruflichen Umwelt zu begreifen und durch ziel- und selbstbewusstes, flexibles, rationales, kritisch-reflektiertes und verantwortliches Handeln zu gestalten“ (Pätzold 1999, S. 57). Im Mittelpunkt dieser Zielbestimmung steht das selbständige zielorientierte Handeln des Individuums. Kombiniert man den Gegenstand der Handlung mit der Begriffsbestimmung von Kompetenz als Zuständigkeit oder auch Befugnis[6], so kann man Handlungskompetenz als Zuständigkeit oder Befugnis zum Handeln auffassen.

Die KMK geht in ihrer Konzeption von Handlungskompetenz über die relativ einfach gehaltene Verknüpfung von Handlung und Kompetenz hinaus und führt neben dem subjektbezogenem Handeln das Verhalten hinzu. Sie definiert Handlungskompetenz als „die Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten[7] “ (KMK 1996/2000 in: Straka/ Macke 2003, S. 44).

Andere Quellen nehmen diese Definition auf und erweitern sie, indem anstehende Probleme zielorientiert auf der Basis von Wissen und Erfahrungen sowie durch eigene Ideen selbständig gelöst, die gefundenen Lösungen bewertet werden und die individuelle Handlungsfähigkeit somit weiterentwickelt wird (Bader/ Müller 2002, S. 176). Dieser Ansatz ist eng verbunden mit dem in der Berufsbildung verwendeten „Modell der vollständigen Handlung“. Hierbei handelt es sich um vielfältige Möglichkeiten, die zur Ausbildung von Selbständigkeit verhelfen sollen, ohne sich dabei an bestimmte berufsspezifische Inhalte zu binden. Das Modell beschreibt einen Kreislauf der selbständigen Handlung in sechs unterschiedlichen Abschnitten, die sich grafisch wie folgt darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Modell der vollständigen Handlung, nach Hoppe/Frede 2002, S. 13

Führt man sich noch einmal die am Anfang des Kapitels erwähnte Forderung des BIBB vor Augen[8], wonach die Fertigkeiten und Kenntnisse der beruflichen Erstausbildung durch das Hinzuziehen selbständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens zu vermitteln sind, dann findet man diese Elemente innerhalb des Handlungskreislaufs wieder. Von diesem Hintergrund aus gesehen, schließt die Entwicklung von Handlungskompetenz das Handeln in berufsrelevanten Situationen sowie das reflektierte Nachdenken (Bewerten) über dieses Handeln und seine Konsequenzen ein. Handlungen sind in sich geschlossene, mit einem Ziel und einem Ergebnis versehene Vorgänge, die durch Ausgangs- und Endpunkt gekennzeichnet, über unterschiedliche zeitliche Erstreckungsräume verfügen und somit Bestandteile einer langfristigen oder kurzfristigen Strategie in einer bestimmten Situation sein können. In dem der Mensch handelt, agiert er und interagiert mit seiner Umwelt und den Individuen (vgl. Laur-Ernst 1984, S. 188). Er kommuniziert mit ihnen, artikuliert sich in seinen Handlungen, lenkt sie zu einem vorgegeben Ziel und versucht eventuelle Widerstände zu modifizieren oder abzubauen. Folglich sind mit dem individuellen Besitz von Handlungskompetenz andere Aspekte bzw. Dimensionen verknüpft, die in ihren Ausprägungen und Entfaltungen eine ganzheitliche Sichtweise bedingen. Sie spiegeln sich in Ansätzen wieder, die die motivationalen, sozialen und emotionalen Aspekte menschlichen Handelns thematisieren (vgl. Pätzold 1999, S. 57).

Innerhalb der Berufsausbildung zum Mechatroniker wird von den Ausbildungsbetrieben der Versuch unternommen, ein solches „Modell der vollständigen Handlung“ mit der Bearbeitung von Kundenaufträgen abzubilden. Damit soll der Auszubildende befähigt werden, einen ganzheitlichen Auftrag zu übernehmen und zu realisieren. Durch eine Auseinandersetzung mit der Aufgabe und dem individuellen Kunden, werden nicht nur die fachlichen Fertigkeiten des Auszubildenden gefestigt, sondern auch kommunikative, ökonomische, ökologische und methodische Gesichtspunkte bei der Realisierung angesprochen, wodurch der Kundenauftrag ein geeignetes Instrument zur Entwicklung und Förderung umfassender Handlungskompetenzen darstellt (vgl. Hoppe/Frede 2002, S. 12ff). Die einzelnen Schritte der Bearbeitung des Kundenauftrags implizieren die des „Modells der vollständigen Handlung“ und können wie folgt charakterisiert werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Der Kundenauftrag als vollständige Handlung, nach Hoppe/Frede 2002, S. 18

Die Auftragsanalyse dient einer Angebotserstellung und beinhaltet die Kundenberatung, die Kostenerstellung und Termingestaltung. Erteilt der Kunde den Auftrag, dann folgt im nächsten Schritt die Auftragsplanung, welche u.a. die Durchführung von technischen Berechnungen, das Erstellen von Zeichnungen und des Arbeitsablaufplanes sowie die Planung des Personal- und Materialeinsatzes einschließt. Die Auftragsdurchführung beinhaltet neben der eigentlichen Bearbeitung des Kundenauftrages, die Kontrolle der fach-, sach-, umwelt- und kundengerechten Ausführung und die Inbetriebnahme sowie die Übergabe an den Kunden. Im abschließenden Schritt, der Auftragsauswertung, erstellt der Auszubildende die Rechnung, aktualisiert die Kundenkartei und offeriert dem Auftraggeber regelmäßig Wartungs- und Serviceangebote (vgl. ebd. S. 15). In den dargestellten Abläufen werden von den Auszubildenden Handlungsmuster und Tätigkeitsabläufe abverlangt, die ein hohes Maß an Selbständigkeit einschließen. Das Verschmelzen unterschiedlicher Kompetenzaspekte, seien es fach- und sachorientierte Fertigkeiten oder kommunikativ-methodische Fähigkeiten fördern ganzheitliche und arbeitsplatzübergreifende Eigenschaften der Auszubildenden.

Jene unterschiedlichen Kompetenzaspekte, welche mit dem Oberbegriff der Handlungskompetenz verbunden sind und unter ihm subsumiert werden, werden in der Literatur unterschiedlich benannt und gewählt, je nach dem wissenschaftlichen Standpunkt der jeweiligen Autoren. Daher sollen in den nächsten Abschnitten ausgewählte Modelle erläutert werden die in der pädagogischen Praxis Anwendung finden. Sie greifen die in Kapitel 2.3 beschriebenen Kompetenzaspekte auf und fügen sie unter verschiedenen Ansatz- und Gesichtspunkten zusammen.

2.4.1.1 Handlungskompetenz-Modell nach Faix/Laier

Das Handlungskompetenz-Modell nach Faix/Laier entsteht durch das Zusammenwirken der Aspekte:

- fachliche Kompetenz (Fachkompetenz),
- methodische Kompetenz (Methodenkompetenz) und
- sozialer Kompetenz (Sozialkompetenz).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Handlungskompetenz-Modell nach Faix/Laier[9]

Der moderne Arbeitsprozess benötigt Menschen, die neben den fachlichen Qualifikationen und Fähigkeiten über Kompetenzen verfügen, die sich im methodischen und sozialen Umgang widerspiegeln. Daher setzen Faix und Laier (Faix/Laier 1996, S. 37) die methodischen, sozialen und fachlichen Kompetenzen in einen engen Wirkungszusammenhang.

Führen Individuen unterschiedliche Mittel zur Problemlösung heran, die der besseren Nutzung des vorhandenen Fachwissens dienen und die Effizienz steigern, verfügen sie über methodische Kompetenzen. Weiterhin sehen die beiden Autoren in den kommunikativen und interaktiven Handlungsweisen wichtige Wettbewerbsfaktoren für die Zukunft. Sie sind die Grundbausteine für das Lösen gemeinsamer Aufgabenstellungen und das Treffen verantwortungsbewusster Entscheidungen. Im Schnittpunkt dieser erwähnten Kriterien sehen die Autoren das Prinzip der beruflichen Handlungskompetenz, die den angehenden Arbeitnehmern und Entscheidungsträgern zu vermitteln ist (vgl. Faix/Laier 1996, S. 36f).

2.4.1.2 Handlungskompetenz-Modell nach Hülshoff

Das Handlungskompetenz-Modell nach Hülshoff bildet sich aus den Bereichen:

- Fach-Kompetenz,
- Methoden-Kompetenz,
- Sozial-Kompetenz und
- Persönlichkeits-Kompetenz (Personal-Kompetenz).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Handlungskompetenz-Modell nach Hülshoff[10]

Im Mittelpunkt dieses Kompetenzmodells steht der im Vergleich zum Modell von Faix/Laier hinzugefügte Aspekt der Persönlichkeits-Kompetenz. Dieser ist vor allem bei der Entwicklung von Führungspersönlichkeiten in Unternehmungen von großer Bedeutung, da er im Hinblick auf die Ausprägung von Handlungskompetenz die Antwort auf die Frage, inwieweit sich Individuen in der konkreten Handlungssituation von persönlichen Einstellungen leiten lassen, geben kann. Hülshoff (Steig 2000, S. 37-38) sieht in den sozialen und persönlichen Kompetenzen von Führungskräften einen besonders hohen Anteil an der Ausprägung von Handlungskompetenz[11]. Sie sind unabdingbar für das Führen und Interagieren mit Untergebenen und Gleichgestellten auf hohem Niveau, wobei die fachlichen und methodischen Fertigkeiten und Kenntnisse als Fundament angesehen werden können.

2.4.1.3 Das Handlungskompetenz-Modell nach Münch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Handlungskompetenz-Modell nach Münch[12]

Münch (Heeg/Münch 1993, S. 211) führt zur individuellen Ausprägung einer Handlungskompetenz die Aspekte der:

- Fachkompetenz,
- Methodenkompetenz und
- Sozialkompetenz

auf, die „zu einer aktiven, rationalen und kritisch-reflektierenden Bewältigung von beruflichen Situationen unter Abwägung der eigenen Ziele und Interessen mit den Zielen und Interessen der Mitwelt“ (Heeg/Münch 1993, S. 211) befähigen sollen.

Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit baut der Arbeiter verschiedene, zunehmend routinierte, Handlungsschemata auf. Durch das Erweitern vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem Hinzulernen weiterer neuer Handlungsschemata, ist es dem einzelnen möglich, die Anforderungen, die das tägliche Leben an ihn stellen, zu bewältigen. Die Handlungsfähigkeit des Individuums ist dabei eng mit der Anzahl und Vielfalt der Handlungsschemata geknüpft. Unter Handlungskompetenz versteht Münch in diesem Zusammenhang „die Fähigkeit, die Gesamtheit der einem Menschen zur Verfügung stehenden Handlungsschemata anzuwenden“ (ebd. S. 212), die er in Form von Handlungsplänen und Aktionsprogrammen abrufen kann.

Der Erwerb von Handlungskompetenz erfolgt durch den Aufbau von Handlungsschemata, welcher in Form von drei Wegen entstehen kann:

- durch Aneignung von vorgegebenen Verhaltensmustern, d.h. durch Lernen vom Modell,
- durch eigenständige oder angeleitete Ausbildung von Handlungsgrundmustern,
- durch Erweiterung, Modifizierung oder Verfestigung der Handlungsschemata beim selbständigen Handeln in Lernsituationen oder echten Lebenssituationen (vgl. ebd.).

Bei der Erweiterung und Verfeinerung des individuellen Handlungsrepertoires, muss der selbständig handelnde Mensch seine Ziele und Interessen mit denen seiner Mitmenschen abwägen und beurteilen. Daher gehört zur Handlungskompetenz, neben den fachlichen Qualifikationen, die Fähigkeit, die Folgen des eigenen Handelns für sich selbst und seine Umwelt mit zu bedenken und die eigenen Ziele mit denen der Umwelt in einen Einklang zu bringen. Daher ist Handlungskompetenz nicht nur in den auf das Individuum bezogenen Handlungsschemata zu suchen, sondern auch in kommunikativen und kooperativen Handlungen von Individuen mit unterschiedlichen Zielen und Interessen (vgl. ebd.).

2.4.1.4 Das Handlungskompetenz-Modell nach Zimmer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Handlungskompetenz-Modell nach Zimmer[13]

Zimmer (Zimmer 1998, S. 149-154) entwirft in seinem Aufsatz ‚Aufgabenorientierte Didaktik’ ein Handlungskompetenz-Modell, dass in seinen Inhalten über die bereits erläuterten Kompetenzaspekte hinausgeht und zieht in diesem Zusammenhang die Aspekte

- Bedeutungswissen,
- Fachkompetenz,
- Entscheidungskompetenz
- Sozialkompetenz,
- Handlungsinteressen und
- Bewertungskompetenz

zur Entwicklung ganzheitlicher Handlungskompetenz hinzu (vgl. Zimmer 1998, S, 149).

Das Bedeutungswissen stellt in seiner Konzeption die Orientierungsgrundlage für alle anderen Aspekte beruflicher Handlungskompetenz dar. Durch seine Eigenschaft, nämlich dem Wissen über die individuelle Bedeutung der einzelnen Berufsausgabe, ist es bei den Subjekten innerhalb der Wirtschaftsprozesse unterschiedliche ausgeprägt. Die Differenzen ergeben sich durch die soziale Lage, gesellschaftliche Position und betriebliche Funktion, die letztlich so stark sein können, dass es zu inkompatiblen oder gegensätzlichen Ansichten und Auffassungen kommt. Aufgabe der Organisation ist es an dieser Stelle, diese Handlungskonflikte durch innerbetriebliche Regeln zu klären bzw. abzubauen. Hierin ist neben dem alleinigen Wissen über die Aufgabe eine weitere Eigenschaft des Bedeutungswissens zu finden: es handelt sich um Wissen „in durch Herrschaft und Macht bestimmten Bedeutungsverhältnissen“ (ebd.). Jene Bedeutungsverhältnisse bestimmen die Strukturen des Bedeutungswissens, da innerhalb der Unternehmung die individuellen Aufgaben mit den damit verbundenen Befugnissen unterschiedlich sind und es daher nicht möglich ist, das Bedeutungswissen bei allen Subjekten in Übereinstimmung zu bringen. Die von den Betrieben geforderten selbstorganisiert handelnden Arbeitnehmer müssen innerhalb des Produktionsprozesses kooperativ zusammen arbeiten. Deshalb müssen berufliche Lernprozesse dazu dienen, universale und herrschaftsüberwindende Bedeutungsstrukturen in den Bedeutungsverhältnissen zu suchen (vgl. ebd. S. 149-150).

Ein weiterer Aspekt bei der Entwicklung von Handlungskompetenz ist das Handlungsinteresse. Es äußert sich im Erkennen einer neuen Aufgabe, der Entwicklung von Initiative, Elan und Kreativität bei der Lösung sowie der Durchsetzungskraft und Kompromissbereitschaft. Durch verschiedene Bedeutungsverhältnisse innerhalb der erteilten Aufgabe und der damit verbundenen subjektiven Bewertung, können Handlungsinteressen in Gegensatz zueinander geraten. Dieser kann sich positiv als auch negativ auf das Ergebnis auswirken (vgl. ebd. S. 153).

Unter Bewertungskompetenz werden alles Wissen und die Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammengefasst, die zur Bewertung von Aufgaben notwendig sind. Diese Bewertung erfolgt auf drei Ebenen:

· ob und wie das Ergebnis zur Lebensgestaltung beigetragen hat,
· ob die Methoden und Instrumente angemessen, effektiv und effizient ausgewählt und eingesetzt wurden,
· ob vernünftige Rückschlüsse für zukünftige vergleichbare Aufgabenstellungen gezogen werden können (vgl. ebd.).

Durch eine Bewertung der gelösten Aufgabe im Vergleich zur Ausgangssituation bzw. zu vorherigen Aufgaben, können Verbesserungen innerhalb der Produktionsprozesses vollzogen werden, die nicht nur die Kompetenzen des Subjektes erhöhen, welches die Aufgabe gelöst hat, sondern auch aller anderen Subjekte, die in diesen Prozess involviert sind (vgl. ebd.).

Entscheidungskompetenzen sind unabdingbar für Arbeitsprozesse in hoch spezialisierten und technisierten Arbeitsbereichen. Sie sind eng verknüpft mit individuellen Fachkompetenzen und werden herausgebildet durch „die Analyse der Entscheidungssituation und die Suche und Bewertung alternativer Handlungsmöglichkeiten zur Vorbereitung der Entscheidung“ (ebd. S. 151).

Zur Entwicklung individueller ganzheitlicher Handlungskompetenz sind neben den beschriebenen Aspekten die Fachkompetenz und Sozialkompetenz wichtige Bausteine, die sich in das Gesamtkonzept einfügen.

2.4.1.5 Zusammenfassung der Handlungskompetenz-Modelle

Die Modelle von Handlungskompetenz und deren inhaltliche Ausprägungen und Gestaltungen sind von den jeweiligen wissenschaftlichen Ansichten und Standpunkten der Autoren abhängig. Dennoch kann man erkennen, dass sich die Begriffe der:

- Fachkompetenz
- Sozialkompetenz und
- Methodenkompetenz

in den meisten Modellen wieder finden. Die Aufteilung in drei oder vier unterschiedliche Kompetenzbereiche ist insofern künstlich gewählt, als dass bei der Bewältigung einer Aufgabe sich einzelne Bereiche wechselseitig bedingen oder stärker gefordert sind. Sie verflechten sich miteinander, überschneiden sich in einzelnen Nuancen und stellen somit die Ganzheitlichkeit bei der Handlungsausübung in den Vordergrund. Das Austauschen von Kompetenzbereichen bzw. das Benennen der Aspekte ist nach dem Einsatzfeld des Kompetenzmodells zu beurteilen. So werden von Führungskräften kommunikative und personale Eigenschaften stärker gefordert, als von Personen in der dualen Erstausbildung. Hierbei soll das Kompetenzmodell als Basis dienen, wonach Anforderungsprofile entwickelt werden, die im späteren Verlauf der Tätigkeit den Besonderheiten der Auftragsausübung bzw. des Arbeitsprozesses Rechnung tragen.

Von dieser Warte aus gesehen soll für den weitere Betrachtungen in der Arbeit eine Definition für ‚Handlungskompetenz’ bestimmt werden, die sich an die Ausführungen von Flothow (Flothow 1992, S. 63) lehnt: Unter Handlungskompetenz versteht man die Art und Weise, wie ein handelndes Individuum - auf der Grundlage einer situationsbezogenen subjektiven Bewertung der Umwelt sowie der eigenen Fähigkeiten - ein differenziertes, regelorientiertes und reflektiertes Verhaltensrepertoire (Handlungsschemata) zur Erreichung eines selbst- oder fremdgesetztes Ziels entwickelt und in eine Handlung umsetzt.

2.4.2 Methoden zur Vermittlung von Handlungskompetenz

Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten eine begriffliche Einordnung sowie unterschiedliche Modelle von Handlungskompetenz dargestellt wurden, soll nunmehr auf die Vermittlung jener Kompetenz und ihre Methoden[14] eingegangen werden. Hierzu werden einzelne Methoden vorgestellt, die vor allem in der beruflichen Erstausbildung angewendet werden und „auf die komplexe berufliche Facharbeitertätigkeit vorbereiten“ (Meyser 2002, S. 35) sollen. Diese werden nicht nach einzelnen Lernorten[15] unterschieden, da sie sowohl im berufsschulischen Unterricht als auch in der betrieblichen Ausbildung Gebrauch finden.

Wie bereits erläutert, haben sich, hervorgerufen durch Veränderungen innerhalb des Arbeitsprozesses, die Anforderungen an den Auszubildenden innerhalb der beruflichen Erstausbildung verändert. In den Betrieben verlangt man nach selbständig handelnden und denkenden Individuen, die durch fachliche Qualifikationen, kommunikative Fähigkeiten und methodische Versiertheit überzeugen. Die seit der Neuordnung der Elektro- und Metallberufe eingeführte Forderung nach umfassender und ganzheitlich bestimmter Handlungskompetenz hat sich auch auf die Methoden der Berufsausbildung ausgewirkt. Neben den aufgaben- und berufsbezogenen Kenntnissen und Fertigkeiten sollen nunmehr auch aufgaben- und berufsübergreifende Fähigkeiten vermittelt werden, die dem Auszubildenden selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren ermöglichen. Dazu gehören z.B. kommunikatives, gemeinschaftsbezogenes Verhalten, aus eigenem Antrieb Fragen stellen, Ideen entwickeln, Probleme analysieren, neue Wege zur Lösung von Problemen gehen, flexibel reagieren, sich in Teams integrieren und die Fähigkeit und Bereitschaft über den Tellerrand hinauszuschauen. Daher ergeben sich für die Gestaltung und Umsetzung der einzelnen Ausbildungsabschnitte und -maßnahmen ganz bestimmte Prinzipien, die Wittwer (Wittwer 2001, S. 13) in vier Bereiche unterteilt:

- Integrierte Vermittlung von Theorie und Praxis,
- Realitäts- und problembezogenes Lernen[16],
- Interaktionelles Lernen[17] und
- Selbststeuerung durch den Auszubildenden (vgl. Wittwer 2001, S. 13).

Zur Umsetzung jener Forderungen bzw. Prinzipien für die Gestaltung der Ausbildung stehen eine Vielzahl an Ausbildungsmethoden, von traditionellen Unterrichtungsformen bis hin zur modernen Lerninsel oder Projektarbeit, zur Verfügung. Jedoch, eine Forderung nach selbständigen Handlungen seitens der Auszubildenden grenzt die Wahlmöglichkeiten im methodischen Spektrum stark ein, denn „einige alte effiziente Methoden der Wissens- und Fertigungsvermittlung – z.B. so genannte Pauk-Methoden – zeichnen sich gerade dadurch aus, dass kein selbständiges, sondern nur reaktives Lernen erfolgt (Bonz 1999, S. 14). Des Weiteren muss beachtet werden, dass jedwede Anregung zu einem bestimmten Handeln, in diesem Fall dem Erlernen einer bestimmten Fertigkeit oder Tätigkeit, fremdbestimmte Einflussnahme bedeutet. Diese kann den Auszubildenden abschrecken und eine Blockade verursachen. Daher müssen Methoden innerhalb der Ausbildung behutsam Einfluss nehmen, damit sie selbständiges Lernen und Handeln nicht behindern (vgl. ebd. S. 15).

Aber bei all den Forderungen an die einzelnen Ausbildungsmethoden und deren Anwendung bleibt letztlich eine Frage offen: Welche ist die richtige? Aus der Vielzahl von Einzelmethoden, die dem Ausbilder zur Verfügung stehen, muss er diejenige wählen, die die erwähnten Forderungen erfüllt. Da aber die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Methode relativ beschränkt ist, kann die Anwendung einer einzigen Methode nicht ausreichend sein, um ein mehrdimensionales Ziel, wie die Entwicklung von Handlungskompetenz, in der Ausbildung zu erreichen. Vielmehr wird ein ganzes Methoden-Arrangement benötigt, welches mehrere Einzelmethoden miteinander verbindet (vgl. Wittwer 2001, S. 13f). Diese Entwicklung von Methoden-Arrangements hin zu neuen Methoden innerhalb der Ausbildung verdeutlicht die Abbildung 8.

Zu den Methoden-Arrangements werden die Lerninsel, die Lernstatt, die Leittext-Methode und die Projekt-Methode gezählt. Diese verbinden einzelne Lernmethoden, wie Gruppenarbeit, Referat, Lehrgespräch, Moderation oder die Expertenbefragung miteinander und fügen sie zu einem Arrangement zusammen. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten hinsichtlich der Variation einzelner Methoden innerhalb des Methoden-Arrangements. Dem Ausbilder ist es möglich, die dem Ausbildungsauftrag dienlichen und am besten umsetzbaren Methoden, da eventuell Ausbildungsmittel, -zeit oder -raum nur beschränkt oder nicht vorrätig sind, miteinander zu kombinieren. Dadurch erhält er Freiheiten und kann seine Ausbildung auf die Anforderungen der Ausbildung mit den Dispositionen der Auszubildenden abstimmen (vgl. ebd. S.14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Neue Methoden in der Ausbildung, nach Wittwer 2001, S. 15

In den folgenden Abschnitten sollen einzelne Methoden-Arrangements vorgestellt werden. Diese wurden aus einer Vielzahl ausgewählt, da sie als relativ neu bekannt sind und, nach den Erkenntnissen der empirischen Befragung entsprechend, in der Ausbildung zum Mechatroniker im Betrieb als auch in der Berufsschule zur Vermittlung von Handlungskompetenz angewendet werden.

2.4.2.1 Traditionelle Unterrichtungsmethoden

Wie es bereits die Terminologie der Überschrift erkennen lässt, handelt es sich bei den nachfolgenden Unterrichtsmethoden nicht um grundlegend neue Methoden, aber im Hinblick auf die Auswertung der empirischen Erhebung werden sie als Möglichkeiten zur Vermittlung von Handlungskompetenz genannt und in der Praxis verwendet. Selbst in modernen Zeiten nimmt der Frontalunterricht in der berufsschulischen Ausbildung einen vorherrschenden Platz ein, wobei aber zunehmend Elemente wie das Unterrichtsgespräch, der Gruppenunterricht oder die Alleinarbeit hinzugezogen werden, um die Selbständigkeit des Schülers zu fördern und zu fordern.

Der Frontalunterricht wird verwendet, um viele Schüler gleichzeitig zu unterrichten. Der Lehrer wendet sich dabei in direkter Aktionsform an die Schüler; er informiert, unterweist, belehrt und instruiert eine größere Gruppe. Dieser Vorgang muss aber nicht stringent entlang vorgegebener Richtlinien ablaufen, sondern kann, durch Interaktionen zwischen den Schülern und dem Lehrer, Lehr- und Lernprozesse einleiten, die der Vermittlung der vorgesehenen Lerninhalte dienlich sind. Der berufsschulische Unterricht zielt über die bloße Kenntnisvermittlung hinaus auf Erkenntnisse und Einsichten ab. So werden beispielsweise nicht nur Maschinenaufbau, wirtschaftliche Hintergründe oder theoretische Wirkungszusammenhänge erläutert, auch kognitive Fähigkeiten und Lernziele, wie das Handhaben von Geräten und das Einüben manueller Fertigkeiten stehen im Vordergrund (vgl. Bonz 1999, S. 65-70).

Der Vorteil des Frontalunterrichts liegt in seiner Effektivität begründet. Er ist hoch zeitökonomisch, entlastet Lehrende aufgrund sich wiederholender Lehrinhalte, ermöglicht straffes Fortschreiten und bietet Möglichkeiten zur Kontrolle und Bestätigung von Lernabschnitten. Die Nachteile dieser Art der Unterrichtung sind in der starken Abhängigkeit von dem Lehrenden zu finden. Er bestimmt die abhängige und reaktive Situation der Lernenden und kann deshalb nur selten aktive und selbständige Lernprozesse anregen. Deshalb kann er nur schlecht soziale und damit einhergehende ganzheitliche Handlungskompetenzen ausbilden oder fördern (vgl. ebd. S. 72f).

Eine weitere Unterrichtsform ist das Unterrichtsgespräch. Hierbei prägt das Gespräch den Meinungsaustausch über Themen bzw. die Auseinandersetzung mit Lerninhalten. Die Lernenden interagieren miteinander, sind untereinander gleichrangig und haben die Möglichkeit, mit allen Beteiligten in Gesprächskontakt zu treten. Der Lehrende nimmt innerhalb des Unterrichtsgesprächs keine Sonderstellung ein, vielmehr unterstützt er durch zielgerichtete Interventionen oder seinen Wissensvorsprung gegenüber den Schülern. Das Unterrichtsgespräch zielt neben dem Wissenszuwachs vor allem auf den Erwerb von Sozial- und Gesprächs- bzw. Kommunikationskompetenz ab, unterstützt das Aktivieren von Meinungen, das Abwägen von Folgen und die Diskussion von Auffassungen. Im Hinblick auf die Erlangung von Handlungskompetenz eignet sich das Unterrichtsgespräch, um dem Schüler Selbständigkeit, Kritikfähigkeit und soziale Kompetenzen zu vermitteln (vgl. ebd. S. 75-79).

Der Gruppenunterricht entstammt der Auffassung, „dass im kleinen Kreis eine Frage oder Arbeitsaufgabe intensiver bearbeitet werden kann“ (ebd. S. 81). Hierzu werden die Schüler in Kleingruppen aufgeteilt, die gleiche Lernziele und gemeinsame Lerninhalte haben. Der Lehrende dient innerhalb des Unterrichts als Planer, Organisator, Moderator und Berater. Diese Methode ist sehr komplex und beinhaltet als zentralen Bestandteil die Gruppenarbeit[18]. Zum Beginn und am Ende der Gruppenarbeit wird mit Hilfe eines Unterrichtsgesprächs die Arbeit sowohl vor- als auch nachbereitet, um zentrale Lerninhalte noch einmal zu verdeutlichen. Die Schüler sollen sich mit Hilfe dieser Methode intensiv mit den Lernaufgaben und Medien auseinandersetzen, selbständig Lösungen erarbeiten und Fähigkeiten zur selbständigen oder teamorientierten Arbeit erlangen. Die Vorteile des Gruppenunterrichts gegenüber anderen Unterrichtungsformen sind die Langzeitwirkung selbständigen Lernens, der relativ große Lernumfang durch arbeitsteilige Gruppenarbeit und die hohe Ausprägung von sozialen Kompetenzansätzen.

Die Alleinarbeit findet sowohl in der berufsschulischen als auch in der betrieblichen Ausbildung Anwendung. Sie wird als Ergänzung von anderen Unterrichtungsmethoden angesehen und ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Schüler oder Auszubildender ohne Hilfe eines Lehrers oder Ausbilders einen Sachverhalt erarbeitet oder bearbeitet. Hierdurch soll es zu einer selbständigen und selbsttätigen Auseinandersetzung jedes einzelnen Schülers mit den Lerninhalten kommen, um somit die Eigenverantwortlichkeit für das Lernen zu fördern. Die Alleinarbeit dient dem Erwerb ganzheitlicher Handlungskompetenz in den Bereichen der Selbständigkeit, Problemlösefähigkeit und Kreativität (vgl. Pätzold 1996, S. 159f).

[...]


[1] Unter Fähigkeiten werden bewertete Komplexe von Handlungsdispositionen verstanden, die Wissen und Werte, in zurückliegenden Handlungsverläufen erworben, integrieren (vgl. Erpenbeck/ Heyse 1999, S. 161).

[2] Auf den Gegenstand der Qualifikation und die damit verbundene Debatte des Begriffswechsels wird im späteren Verlauf konkreter eingegangen.

[3] Vgl. hierzu: Das Bedingungsfeld des Kompetenzbegriffes, Kapitel 2.1, S. 15

[4] Vgl. hierzu die Unterscheidung von Performanz und Kompetenz von Chomsky. Kapitel 2.2

[5] Der beruflichen Handlungskompetenz wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Vgl.: Kapitel 2.4

[6] Vgl. hierzu die Bestimmung von „Kompetenz“, in Kapitel 2.2, Seite 21

[7] Im Original ist „verhalten“ kursiv abgedruckt.

[8] Vgl. Kap. 2, S. 12

[9] Vgl. hierzu: Abbildung 1: Fachliche, methodische und soziale Kompetenz, in: Faix/Laier 1996, S. 37

[10] Vgl. hierzu: Das Handlungskompetenz-Modell nach Hülshoff

In: Steig, M. 2000, Seite 37-38

[11] Vgl. hierzu: Hülshoff 1996, S. 42. Zit. In: Steig 2000, S. 48-49

[12] Vgl. hierzu: Das Handlungskompetenz-Modell nach Münch

In: Steig, M. 2000, Seite 39-40

[13] Vgl. hierzu: Das Handlungskompetenz-Modell nach Zimmer

In: Zimmer, G. 1998, Seite 149-154

[14] Unter Methoden sind helfende Verfahrensweisen zu verstehen, die es dem Ausbilder als auch dem Auszubildenden ermöglichen, das angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. Knoll 1995, In: Wittwer 2001, S. 11).

[15] Auf eine Darstellung der Lernorte innerhalb der Dualen Berufsausbildung wird im Kapitel 3.1.2 eingegangen.

[16] Hierunter sind konkrete Arbeitsaufgaben zu verstehen, wie sie im realen Arbeitsprozess anfallen und stattfinden.

[17] In Anbetracht der Tatsache, dass die kommunikativen Fähigkeiten einen großen Einfluss auf die Handlungskompetenz des Auszubildenden haben, sollen hierdurch Kommunikation und Interaktion mit anderen Auszubildenden bzw. Teammitgliedern erlernt werden.

[18] Der Methode der Gruppenarbeit wird ein eigener Abschnitt gewidmet. Vgl. Kap. 2.4.2.4, S. 52

Ende der Leseprobe aus 212 Seiten

Details

Titel
Handlungskompetenz in der Erstausbildung. Die Berufsausbildung zum Mechatroniker
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,7
Autoren
Jahr
2005
Seiten
212
Katalognummer
V49146
ISBN (eBook)
9783638456715
Dateigröße
10112 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Handlungskompetenz, Erstausbildung, Berufsausbildung, Mechatroniker
Arbeit zitieren
Maik Teichgräber (Autor:in)Jens Ritter (Autor:in), 2005, Handlungskompetenz in der Erstausbildung. Die Berufsausbildung zum Mechatroniker, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49146

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