Parteienwettbewerb als Blockadeinstanz? - Interpendenzen zwischen dem Parteienwettbewerb und der föderativen Staatsstruktur


Seminararbeit, 2004

26 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I.) Einleitung

II.) Fragestellung

III.) Die Reformdiskussion – Parteienwettbewerb im Föderalismus als Problem?

IV.) Bundesstaat und Parteiensystem: Historische Determinanten

V.) Interdependenzen zwischen Parteiensystem und Staatsstruktur

VI.) Entscheidungsprozesse zwischen Konsens und Konkurrenz

VII.) Der Blick nach außen: Spannungsfelder zwischen Parteiensystem und Bundesstaat im internationalen Vergleich

VIII.) Schlussbetrachtung

IX.) Verwendete Literatur

I.) Einleitung

Die Anzahl der aktuell kontrovers diskutierten politischen Fragen und sozioöko­nomischen Problemlagen ist groß. Die Bandbreite reicht dabei von so unter­schiedlichen Fragen wie dem Zuwanderungsgesetz über die immer wieder debattierten Vorschläge zu einer Reform der Steuergesetzgebung bis hin zu Ressourcenfragen zwischen Bund und Länder oder den Ländern untereinander. Die Diskussionen zwischen den politischen Beteiligten, diese und andere Beispiele betreffend, gestalten sich dabei äußerst diffizil und langwierig und die schließlich ausgehandelten Kompromisse gelten für viele Beobachter als suboptimal. Weder die eine noch die andere Seite ist mit den erreichten Ergebnissen wirklich zufrieden und die Diskussion in Medien und Öffentlichkeit konzentriert sich in zunehmenden Maße auf ein Bild des kränkelnden, weil inef­fektiven und gelähmten, deutschen Bundesstaates. Verantwortlich für diesen Zustand werden des öfteren zwei Dinge beziehungsweise deren Kombination gemacht: Der Föderalismus als staatliches Ordnungsprinzip und die Rolle der Parteien innerhalb des politischen Systems.

Die Debatte um den Föderalismus in Deutschland schwankt zwischen einer Fun­damentalkritik an seinen vorgeblichen Schwächen, die beispielsweise der Ver­waltungswissenschaftler Hans Herbert von Arnim sehr öffentlichkeitswirksam immer wieder in Fernsehtalkshows darlegt, und der wiederkehrenden Verteidigung des selbigen als Garant der Wahrung von regionalen Interessen im Nationalstaat, der Idee der „Einheit in Vielfalt“ folgend. Ein ähnlich ambivalentes Bild drängt sich auf, nimmt man die Rezeption der Rolle von Parteien in den mo­dernen Gesellschaften und ihre Funktion im Willensbildungsprozess in Augen­schein. Beklagen die einen eine Verselbstständigung der politischen Klasse und die Existenz von einem korrumpierten „Parteienstaat“, sehen andere in den Par­teien legitime intermediäre Organisationen zwischen Staat und Gesellschaft.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Thematik vorrangig im Hinblick auf das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Parteiensystem und Bundesstaat. Die allgemeine Föderalismusdiskussion soll hier nur als Anlass genommen werden, sich mit der spezifischen Bedeutung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Parteien in diesem Kontext zu befassen.

II.) Fragestellung

Die Rezeptionsgeschichte von älteren und neueren Theorien zur Performanz des bundesdeutschen Föderalismus kann ganze Bände füllen. Die Zahl der benutzten Termini ist dabei beträchtlich und vieles verliert sich durch den uneinheitlichen Gebrauch der Begrifflichkeiten in reiner Semantik.[1] Es ist auf Grund des begrenzten Platzes im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, alle Aspekte aufzugreifen und miteinander in Beziehung zu setzen. Der Fokus soll, dem Titel der Arbeit entsprechend, auf den Interdependenzen zwischen Parteiensystem und Staatsorganisation im Föderalismus liegen. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist jene, nach einer eigenständigen Rolle des Parteiensystems als Blockadeinstanz im Föderalismus. Ist dieses nur ein Element von vielen, welche Blockadetendenzen begünstigen oder gar das entscheidende? Von der Hypothese ausgehend, dass im Parteiensystem immanente Mechanismen liegen, welche die Leistungsfähigkeit eines Systems beeinflussen, soll dies anhand von einer Reihe von Aspekten diskutiert werden. In einem ersten Schritt soll die Diskussion um den Parteienwettbewerb im Föderalismus kurz zusammengefasst werden. Die Relevanz von historischen Determinanten soll in einem zweiten Schritt zur Sprache kommen. Anschließend soll gezeigt werden, wie die Interaktion von Parteiensystem und Bundesstaat den politischen Prozess prägt, um daran anknüpfend die gemachten Aussagen einer empirischen Überprüfung zu unterziehen. Der deutsche Bundesstaat soll hierbei im Mittelpunkt stehen und der Vergleich mit anderen politischen Systemen unter siebtens lediglich der Verdeutlichung dienen. In der Schlussbetrachtung sollen einige Argumente nochmals zur Sprache kommen und neue Fragen aufgeworfen werden.

III.) Die Reformdiskussion – Parteienwettbewerb im Föderalismus als Problem?

In regelmäßigen Abständen erhält die Diskussion in Politik und Wissenschaft um Leistungen und Defizite des politischen Systems in Deutschland neuen Auftrieb. Der Föderalismus als Prinzip der staatlichen Ordnung steht dabei oft im Mittel­punkt der kontrovers geführten Debatte.[2] In dem Maße in dem in der subjektiven Wahrnehmung die praktischen Möglichkeiten effektiver Problemlösungen in der Politik nicht genutzt werden, wird nicht selten das eigentümliche Arrangement der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland für diagnostizierte Leistungsmängel verantwortlich gemacht. Im Allgemeinen wird ein im internationalem Vergleich hoher Grad an Politikverflechtung und die damit einher gehenden Verhandlungs­zwänge innerhalb eines komplexen Mehrebenensystems als Problem identifiziert.[3] Die oberste politische Einheit in einem föderalstaatlich organisierten politischen System kann ihre Entscheidungsvorlagen zu einem gewissen Teil nur mit Zustimmung von unteren Einheiten verwirklichen. Im deutschen Kontext ist dies die Entscheidungsverflechtung zwischen Bundestag und Bundesrat. Aber auch im Bereich der Aufgabenwahrnehmung und der finanziellen Ressourcen lassen sich bekanntlich tiefgreifende Verflechtungen im deutschen unitarischen Bundesstaat feststellen. Folgt man der viel rezipierten These der Theorie der Politikverflech­tungsfalle, so sind politischer Immobilismus oder Entscheidungen auf kleinstem gemeinsamen Nenner die wahrscheinlichste Konsequenz aus der Ausgestaltung der Entscheidungsprozesse in stark verflochtenen föderalen Systemen.[4] Dies führt in den Augen vieler dazu, dass der Föderalismus allenfalls suboptimale Verhand­lungsergebnisse erzielt.[5] Ohne dieser normativen Implikation folgen zu müssen, lässt sich festhalten, dass eine elementare Unterscheidung zwischen föderalstaatli­chen und unitarischen Systemen, jene ist, dass sich föderative Systeme im einem zweidimensionalen Spannungsfeld befinden, bestehend aus einer territorialen und einer funktionalen Dimension. Denn für ein politisches Problem muss in einem Föderalstaat eine Lösung gefunden werden, die gleichzeitig angemessen ist und föderativen Charakter hat.[6] Diese Analyse als Ausgangspunkt nehmend, konzent­riert sich die Reformdiskussion seit geraumer Zeit auf zwei, miteinander konkur­rierende, Ansätze des Föderalismus. Dies ist zum einen das Modell des kooperativen Föderalismus und zum anderen jenes des dualen Föderalismus, oft auch als Wettbewerbsföderalismus bezeichnet. Diese beiden Leitbilder stehen sich nach wie vor unversöhnlich gegenüber.[7] Kennzeichnet der Erstgenannte das besonders intensive Zusammenwirken von Zentralstaat und Gliedstaaten, welches in Deutschland in seinem Kern schon seit der Paulskirchenverfassung von 1848 angelegt ist und sich dynamisch weiterentwickelte, nimmt der Begriff des dualen Föderalismus Bezug auf ein bundesstaatliches Modell, welches in erster Linie durch eine weitgehende Trennung der beiden staatlichen Ebenen gekennzeichnet ist. Beiden Konzeptionen ist gemeinsam, dass es sich bei ihnen um idealtypische Modelle handelt, anhand derer tatsächliche politische Ordnungen bemessen werden.[8] Besonders von Vertretern des Wettbewerbsföderalismus werden lautstark Reformen der bundesstaatlichen Ordnung zum Zwecke einer Effektivi­tätssteigerung des Systems als solchem gefordert.[9] Sie berufen sich im wesentlichen auf drei Problemfelder, die es voneinander zu unterscheiden gilt. Während dies als erstes die generelle Schwerfälligkeit bundespolitischer Ent­scheidungsprozesse durch die notwendige Zustimmung der zweiten Kammer ist, betrifft das zweite Problem die allgemein – durch Verflechtung von Aufgaben, Entscheidungen und Ressourcen – eingeschränkten Handlungsspielräume der Re­gierungen der Gliedstaaten.[10] Schließlich bezieht sich das dritte Problemfeld auf das viel zitierte Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Handlungslogiken von Parteienwettbewerb und Föderalismus und die daraus resultierenden Verwerfungen.[11] Die Inkongruenz der Handlungslogiken erwächst aus dem Umstand, dass der parlamentarische Entscheidungsprozess auf der Mehrheitsregel basiert, während sich im sogenannten „exekutiven Föderalismus“ ein stärker konsensual geprägter Politikstil etabliert hat.[12] Nicht selten werden somit die Parteien für Funk­tionsdefizite im Bundesstaat verantwortlich gemacht. Auf der einen Seite wird, besonders von prominenter Seite aus, argumentiert, dass sie beziehungs­weise ihre Eliten aus purem Machtkalkül am Erhalt des institutionellen Status quo interessiert sind und so eine nötige Reform verhindern.[13] Andererseits wird erklärt, dass die Konfrontation von miteinander konkurrierenden Parteien im Bundesstaat als solche, durch den formalen Einigungszwang im Bundesrat, zu suboptimalen Lösungen führt.[14] In jedem Fall prägen Parteien und besonders die Struktur des Parteiensystems die Funktionsweise des Bundesstaats entscheidend.

Es gilt als völlig unstrittig, dass moderne pluralistische Demokratien ohne ein, wie auch immer geartetes, System konkurrierender politischer Parteien nicht funkti­onsfähig sind.[15] Unterstellt man, dass es sich bei föderativen Systemen immer auch um dynamische Systeme handelt, so werden allerdings beträchtliche Mei­nungsunterschiede darüber sichtbar, in welcher Weise Parteiensysteme auf diese Dynamik wirken. Ohne andere Einflussgrößen, wie zum Beispiel gesellschaftliche Faktoren in Form einer sozioökonomischen oder ethnischen Disparität, in Abrede zu stellen, kann davon ausgegangen werden, dass es in erster Linie die Ausges­taltung des Parteiensystems und das institutionelle Gefüge sind, welche die dynamischen Prozesse in föderalstaatlich verfassten Staaten bestimmen.[16] Diese Dynamik kann zu verschiedenen Systemzuständen tendieren. Für eine analytische Einordnung der Kritik am deutschen Föderalismus, erscheint es zweckmäßig zwischen drei verschiedenen Systemzuständen zu unterscheiden: die Entschei­dungsblockade, das Bargaining und die Problemlösung. Während sich beim ersten Zustand Bund- und Gliedstaaten blockieren und es so zu keiner Lösung kommt, wird beim Zweiten ein Resultat erzielt, jedoch nur unter einem spezifischen Preis in Form eines „Nullsummen-Spiels“. Zuletzt ist mit der Problemlösung eine Kon­fliktbewältigung gemeint, die sich als „win-win-solution“ darstellt.[17]

Da jedoch nicht von einem einfachen Determinismus zwischen parteipolitischen und institutionellen Faktoren und dem jeweiligen Systemzustand ausgegangen werden kann, erscheint es ratsam einen historischen Blick auf die charakteristi­schen Entwicklungen von Parteiensystem und Bundesstaat zu werfen. Der Fokus ist hier besonders auf das von Beginn an ambivalente Verhältnis dieser beiden Größen zu richten.

[...]


[1] Durch diese Vielzahl, der für die jeweilige Ausprägung der bundesstaatlichen Ordnung verwendeten, Ausdrücke in der Fachliteratur ist auch diese Arbeit nicht davor gefeit zum Teil in semantische Unschärfen abzurutschen. Grundsätzlich wird jedoch zwischen dem Begriff Föderalismus als Organisationsprinzip und demjenigen des Bundesstaates als Bezeichnung für die staatliche Gliederung als solche unterschieden. Die Bezeichnungen föderativer Staat und Bundesstaat werden synonym verwandt Aus der Literatur entlehnte Bezeichnungen, die dies einzugrenzen versuchen, wie zum Beispiel „Verbundföderalismus“ oder „Exekutivföderalismus“ werden aus Gründen der Lesbarkeit im einzelnen nicht nachgewiesen. Vgl. Laufer/Münch, 1997, S. 16 f.

[2] Vgl. Haus, 2000, S. 944

[3] Vgl. Benz, 2003, S. 32

[4] Vgl. Wachtendorfer-Schmidt, 1999, S. 3 f.

[5] Vgl. Grande, 2002, S. 203

[6] Ebd., S. 181

[7] Vgl.: Margedant, 2003 a, S. 1

[8] Vgl. Laufer/Münch, 1997, S. 18 f.

[9] Besonders hervor taten sich hier Kommissionen von FDP und CDU. Vgl. Margent, 2003 b, S. 8

[10] Vgl. Scharpf, 1999, S. 1

[11] Vgl. Lehmbruch, 2000, S. 11

[12] Vgl. Detterbeck/Renzsch, 2002, S. 69

[13] Vgl. von Arnim, 2000, S. 145 ff., zitiert nach: Benz, 2003, S. 32

[14] Vgl. Lehmbruch, 2000, S. 178 und Benz, 2003, S. 32

[15] Vgl. Stöss, 2001, S. 15

[16] Vgl. Grande, 2002, S. 181

[17] Ebd. 183 f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Parteienwettbewerb als Blockadeinstanz? - Interpendenzen zwischen dem Parteienwettbewerb und der föderativen Staatsstruktur
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
Föderalistische und unitarische Systeme in der Europäischen Union
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V49092
ISBN (eBook)
9783638456258
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteienwettbewerb, Blockadeinstanz, Interpendenzen, Parteienwettbewerb, Staatsstruktur, Föderalistische, Systeme, Europäischen, Union
Arbeit zitieren
Timo Rahmann (Autor:in), 2004, Parteienwettbewerb als Blockadeinstanz? - Interpendenzen zwischen dem Parteienwettbewerb und der föderativen Staatsstruktur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49092

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