Das Lehrgedicht "Die Alpen" von Albrecht von Haller und das aufkommende Interesse an der Schweiz


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

18 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gattungsproblematik

3. Die zeitgenössische Rezeption
3.1 Die Leserschaft
3.2 Die Nachahmung der „Alpen“

4. Die Inhalte
4.1 Die Naturbeschreibungen
4.2 Die postulierte Schönheit der Flora
4.3 Die Hof- und Stadtkritik

5. Die Korrelation der Naturbeschreibungen mit der theologischen Auffassung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Alpen werden im 18 Jahrhundert erstmals zum Untersuchungsgegenstand der Forschung. Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts hat man die Alpen als Un- Kulturraum wahrgenommen und sie nur „als zu überwindendes Schrecknis“[1] empfunden. Man mied die Berge und überquerte sie nur widerwillig, um südliche Gefilde aufzusuchen. Jeder Gebildete kannte die Schilderung Hannibals mit seinen unvorstellbaren Schwierigkeiten, die Kämpfe mit den Bergbewohnern, die unbegehbaren Wege auf den Gebirgshöhen und den frühen Einbruch des Winters mit Schnee, Eis und Kälte.[2] Die Einstellung zu den Alpen änderte sich grundlegend im 18. Jahrhundert. Die Naturwissenschaften stimulierten das Interesse an den Alpen und rückten sie für die Forscher in den Vordergrund.

Mit Albrecht von Haller und die seinem Gedicht „Die Alpen“ beschriebene Reflexion seiner Alpenreise in die Schweiz, die er mit dem befreundeten Naturwissenschaftler Johann Gessner 1728 unternommen hatte, werden die Menschen des 18. Jahrhunderts mit dem bis dahin eher unbekannten Gebirge, das auch als „Terra Incognita“[3] bezeichnet wird, konfrontiert. Er führt der deutschen Lyrik das Gebirge als neuen Inhalt zu und versucht das Kolorit dieser bestimmten Landschaft wiederzugeben.

Doch Haller soll mit den „Alpen“ nicht nur einen Imagewandel der abschreckenden Alpen bewirkt haben, sondern soll auch eine „Welle der Schweizerbegeisterung ausgelöst haben“.[4] Im Jahr 1793 stellt Johannes Bürkli in der Vorrede zu seiner zusammengestellten Sammlung „Gedichte über die Schweiz und über Schweizer“ sogar fest, dass sich die Schweiz zum „Modeland“ „der Reisenden aller Classen“ entwickelt habe.[5]

Doch was führt zu so einer plötzlichen Beliebtheit der Alpen? Was für einen Anteil lässt sich Hallers Gedicht zuschreiben?

In der vorliegenden Hausarbeit sollen einige Aspekte diskutiert werden, die möglicherweise ausschlaggebend für die Alpenbegeisterung sind.

Die folgende Untersuchung ist methodisch so strukturiert, dass nach der eingangs kurz beschriebenen Gattungsproblematik ein Ausschnitt aus der zeitgenössischen Rezeption des Alpengedichts erörtert wird, der die Beliebtheit des Gedichtes widerspiegeln soll. Daraufhin geht es ausführlicher um die verschiedenen Inhalte der „Alpen“, um schließlich die Beweggründe der Reisenden im Fazit nachzeichnen zu können.

Einen ersten Einstieg in das Werk Hallers liefert Adalbert Elschenbroich. Er hat einige Gedichte Hallers bei Reclam ediert und sein Nachwort mit „scharfsinnigen Bemerkungen“[6] versehen. Die konkrete Untersuchung zu Hallers Gedicht „Die Alpen“ stütz sich neben der Analyse des Primärtextes unter anderem auf die Ausführungen von Franz R. Kempf beziehungsweise Uwe Hentschel, die die Rezeptionsgeschichte betrachten, und Wolfgang Ruppert, der das aufkommende Bürgertum im 18. Jahrhundert beschreibt.

2. Gattungsproblematik

Der Forschung fällt es schwer, Hallers Gedicht „Die Alpen“ in das Gattungsgefüge einzugliedern. Das war unter anderem dadurch bedingt, dass die Vorstellung über die Gattung unter Berücksichtigung der Gattungstheorien späterer Zeiten, zum Beispiel Lessings, bestimmt wurde. Bouterwek verweist darauf, dass die „Alpen“ kein Vorbild in der deutschen Literatur haben, Kroll hält das Gedicht für ein Lehrgedicht in der Tradition der Antike, und Maync bezeichnet es einerseits als beschreibendes Idyll, andererseits als Lehrdichtung.[7] Richtungweisend aber erscheinen die Arbeiten von Albertsen (1967) und Siegrist (1974). Sie beide rücken Hallers Gedicht in die Nähe der Deskription, wobei sie dem deskriptiven Gedicht noch moralphilosophischen Charakter zusprechen:

„In seiner Konzeption ist das Gedicht wie sein Vorgänger >>Zlatna<< eine rühmende Deskription und läßt sich nur von dieser Gattung richtig verstehen; erst allmählich wachsen die beiden Gedichte in moralphilosophische Gebilde.“[8]

Diese Aussage bezieht sich vor allem auf die moralischen Anmerkungen in den „Alpen“ wie zum Beispiel der einleitende Satz „ Vesuchts ihr Sterbliche, macht euren Zustand besser“, der erst in späteren Ausgaben hinzugekommen ist und besonders auf Stellen des Gedichts hinweist, in denen Haller den Luxus mahnt.[9] Somit verschmilzt in den „Alpen“ deskriptives Gedicht, die Beschreibung der unberührten Bergnatur und ihrer Menschen, mit moralischen Lehrsätzen wie sie den Inhalten eines Lehrgedichts des 18. Jahrhunderts entspricht.[10] Weder grenzen sie beide Genres voneinander ab noch beschreiben sie es als eine Art Koexistenz. Vielmehr ist es für Albertsen und Siegrist eher ein Zusammenspiel beider Genres, das die „Alpen“ zum Prototyp und Haller zum Vorreiter einer neuen Gattung macht.

3. Die zeitgenössische Rezeption

3.1 Die Leserschaft

Hallers „Alpen“ wurde wohl hauptsächlich von dem gebildeten Bürgertum gelesen. Diese aufkommende „kulturtragende- und produzierende Schicht“[11] im 18. Jahrhundert dürfte im Wesentlichen das Publikum des Lehrgedichts ausgemacht haben, da die „Beschäftigung mit Literatur eine Vorleistung an Bildung sowie Mittel und Zeit zur Lektüre voraussetzt“.[12] Oder wie Siegrist es polemisch ausdrückt: Für „geistig Unbemittelte konnte solcherlei Kost nicht gedacht sein“.[13] Der gebildete Adel hingegen zog in erster Linie die französische Literatur, die als modisch und überlegen galt, vor. Innerhalb des Bürgertums beschäftigten sich Gelehrte, Ärzte, Geistliche, Lehrer und Studenten mit der „ernsthaften Literatur“.[14] Es kam sogar so weit, dass einige, zu denen auch Lessing gehört haben soll, Hallers Gedichte auswendig konnten oder in Hallerischen Versen sprachen.[15] Viele Schriftsteller verwendeten einige Verse Hallers, um damit ihre Werke zu schmücken. So findet man Haller-Zitate sowohl in den Werken von Geistlichen wie in J. L. Mosheims „Sittenlehre der Heiligen Schrift“ oder in den literarisch orientierten Zeitschriften wie in den „Belustigungen des Verstandes und des Witzes“.[16]

3.2 Die Nachahmung der „Alpen“

Die Nachwirkung des Gedichtes wird einem bewusst, wenn man einige Ergebnisse anderer Dichter heranzieht. Nach dem Erscheinen der „Alpen“ (1732) fühlen sich andere Dichter durch Hallers Gedicht angeregt, bergige Landschaften ihrer Heimat oder einer von ihnen besuchten Landschaft als Inhalt ihrer eigenen Dichtung zu machen: so wie Christoph Eusebius Suppius den großen Inselberg im Thüringer Wald (1745), Balthasar Ludwig Tralles das schlesische Riesengebirge (1750), Vincenz Bernhard Tscharner den Jura (1755) und Friedrich Wilhelm Zachariä den Harz (1763).[17] Sie alle sehen ihn als Vorbild und eifern ihm nach:

„Auch du, vielgepries’ner Haller, hast mit unerhörter Pracht

Die besung’nen Alpen ewig und dich ihnen gleich gemacht“[18]

Einen weiteren Versuch, Hallers Gedicht nachzueifern und das Hochgebirge zum Dichtungsinhalt zu machen, unternimmt 1762 Samuel Hieronymus Grimm mit seinem Gedicht „Die Reise nach den Alpen“.

Alle „Alpen – Nachahmer“[19], so fasst Kempf zusammen, haben eines gemeinsam. Sie alle sorgen dafür, dass das Gebirge beziehungsweise das Hochgebirge in der Poesie heimisch wird, wenn es –im Gegensatz zu Haller- auch nicht um die Menschen dort, sondern mehr um dichterische Gestaltung geht.[20]

[...]


[1] Vgl. Elschenbroich, Nachwort zu Albrecht von Haller „Die Alpen“, S. 98.

[2] Vgl. Hoffmann, „Roms Aufstieg zur Weltherrschaft“, S. 121.

[3] Vgl. Richter, „Literatur und Naturwissenschaft“, S. 68.

[4] Vgl. Kempf, „Albrecht von Hallers Ruhm als Dichter“, S. 134.

[5] Ebd.

[6] Vgl. Siegrist, „Albrecht von Haller“, S. 64.

[7] Vgl. Albertsen, „Das Lehrgedicht“, S. 64

[8] Ebd. S. 165.

[9] Ebd.

[10] Vgl. Siegrist, „Das Lehrgedicht der Aufklärung“, S. 38 f.

[11] Vgl. Kempf, „Albrecht von Hallers Ruhm als Dichter“, S. 54.

[12] Vgl. Siegrist, „ Das Lehrgedicht der Aufklärung“, S. 234.

[13] Ebd. S. 68.

[14] Ebd. S. 235.

[15] Vgl. Kempf, „Albrecht von Hallers Ruhm als Dichter“, S. 51.

[16] Ebd.

[17] Vgl. Kammerer, „Zur Geschichte des Landschaftsgefühls im frühen 18. Jahrhundert“, S. 163.

[18] Zit. n. Kempf, „Albrecht von Hallers Ruhm als Dichter“, S. 135.

[19] Ebd. S. 136.

[20] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Lehrgedicht "Die Alpen" von Albrecht von Haller und das aufkommende Interesse an der Schweiz
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Literatur und bürgerliche Identität
Note
2,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V49085
ISBN (eBook)
9783638456197
Dateigröße
685 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrgedicht, Alpen, Albrecht, Haller, Interesse, Schweiz, Literatur, Identität
Arbeit zitieren
René Jungbluth (Autor:in), 2004, Das Lehrgedicht "Die Alpen" von Albrecht von Haller und das aufkommende Interesse an der Schweiz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49085

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