Volkstribunal und Ständekämpfe. Der Revolutionsführer als Werkzeug des Staates


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

13 Seiten, Note: 2,5

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Standekampfe und das Volkstribunat
2.1. Beginn der Konflikte
2.2. Politische Waffen der Plebs - Die Entstehung des Volkstribunats
2.3. Verlauf der Standekampfe
2.3.1. Die Rolle der Volkstribunen
2.4. Ende der Standekampfe
2.4.1. Die weitere Entwicklung des Volkstribunats

3. Fazit - Der Weg vom Fuhrer der Revolution zum Werkzeug des Staates

4. Bibliographie
4.1. Literatur
4.1.1. Monografien
4.1.2. Artikel in Zeitschriften
4.1.3. Herausgeberschriften
4.2. Quellen

1. Einleitung

Bevor Lenin 1917 im Rahmen der Oktoberrevolution die Macht im heutigen Russland ubernahm war er ein visionarer Freiheitskampfer, der das Volk gegen seine Unterdrucker die Zaren fuhrte. Doch schon mit der Machtergreifung verschwand das von Lenin verkorperte Symbol der Freiheit. Die Meinungsfreiheit wurde eingeschrankt und es wurde Krieg im eigenen Land gefuhrt, dem Land, das durch die Revolution eigentlich Frieden haben sollte. Der Hoffnungstrager war Teil der neuen Schrecken geworden.

Diese Entwicklung weg vom Freiheitskampfer, weg vom Furstreiter des Volkes durchlebten auch die Volkstribunen in der romischen Republik. Sie wurden nach den Standekampfen ein Werkzeug der staatlichen Institution. Mit der Vermischung von Plebs und Patriziat verloren die Volkstribunen die Aufgabe aus den Augen, fur die sie einst geschaffen worden waren: Den Schutz der Unterdruckten vor den Machtigen. Zuvor waren diese Gruppen durch das Patriziat und die Plebs reprasentiert worden. Nach den Standekampfen waren es die Nobilitat und die restlichen Burger Roms. Ziel dieser Arbeit ist die Frage zu klaren, wie es dazu kommen konnte, dass die einstigen Fuhrer der Revolution zu Radern im Getriebe des Staates werden konnten.

Wahrend in dieser Arbeit ein Uberblick uber die Geschichte der Standekampfe gegeben wird, flieben Bezuge und Erganzungen zu den Volkstribunen ein. Zu Beginn werden die Wurzeln der Konflikte zwischen Patriziat und Plebs erlautert und der Ursprung der Volkstribunen beleuchtet. Im Folgenden wird der Verlauf der Auseinandersetzungen beschrieben, um dann schlieblich in eine Zusammenfassung des Endes der Standekampfe uberzugehen. An dieser Stelle wird ein Ausblick uber die nun folgende, veranderte Funktion des Amtes der Volkstribunen gegeben. Am Schluss dieser Arbeit wird ein Antwort versucht auf die Frage, wie sich das Volkstribunat von einer antistaatlichen Institution zum Diener seines einstigen Antagonisten entwickeln konnte.

Die vorliegende Arbeit greift vor allem im Kontext der Entstehung des Volkstribunates auf Quellen zuruck. Hierbei zu nennen sind Livius und Cicero, die beide allerdings erst Generationen spater von den Ereignissen berichten. Dabei wahlen sie einen verschiedenen Fokus, vermitteln verschiedene Sichten und erzahlen verschiedene Versionen von ein und derselben Geschichte. Hier muss also stark hinterfragt werden. Fur die Zeit zwischen 287 und 218 v. Chr. ist unklar, was in Rom passierte, weil die 2. Dekade von Livius‘ Werken verloren gegangen ist. Zu dieser Zeit nach der Machtubertragung auf die Nobilitat gibt es also nur sehr wenige Informationen. Insgesamt stutzt sich diese Arbeit aber vor allem auf Literatur zur gesamtromischen Geschichte, da der Anspruch der Arbeit ist, auch in den Kontext der Entwicklung, die Standekampfe, einzufuhren und dieser Kontext in den ausgewahlten Werken detailliert und mit hohem historischem Anspruch dargestellt ist.

Auf Basis dieser Quellenlage versucht die Arbeit, die wichtigsten Informationen herauszugreifen und zusammenzufassen. Die Idee ist, die breite Masse an Wissen, das zur romischen Republik, den Standekampfen und den Volkstribunen gesammelt wurde auf wesentliche Punkte zu reduzieren. Deshalb wird viel auf Literatur zuruckgegriffen, aus der dann ausgewahlte Informationen entlehnt werden. Auf diese Weise werden aus den breit gefacherten Werken nur die fur das Thema relevanten Punkte gezogen und so das Thema selbst ohne zu grobe Umwege verstandlich aufgearbeitet. Das Fazit ist eine eigene Interpretation der Entwicklung anhand der in dieser Arbeit zusammengestellten Informationen.

2. Die Standekampfe und das Volkstribunat

Nach dem Sturz der Konige und der Abschaffung der Monarchie war die Macht an die aristokratische Fuhrungsschicht, die Patrizier, ubergegangen.1 Rom war zu diesem Zeitpunkt aubenpolitisch erst am Anfang der Entwicklung, die es spater zum Weltreich machte und noch zu jung, als dass damals schon die Rede von einem fertigen Staat hatte sein konnen. Die patrizische Aristokratie regierte mit zusatzlich gewonnener Macht und der Konflikt zwischen dem Adel und den nicht-adeligen Schichten sollte nicht ausbleiben.

2.1. Beginn der Konflikte

Veranderungen in der Militarverfassung begrundeten die damaligen Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebejern, die heute als die Standekampfe bekannt sind. Das Kriegswesen hatte sich verandert: Zuvor hatte es den mit Wagen oder zu Pferde ausgetragenen adligen Einzelkampf gegeben. Nun kam es, vielleicht nach griechischem Vorbild, zur Aufstellung der Phalanx, einer geschlossenen infanteristischen Formation. Diese Form der Kriegsfuhrung war auf eine grobe Anzahl von Kampfern angewiesen, um erfolgreich zu sein, also musste man auf die Plebejer zuruckgreifen.2 In den Krieg zu ziehen war kein Privileg der Stande mehr.

Die Plebs war keine kongruente Volksmasse, so, wie die einheitliche Bezeichnung vermuten lasst. Was die Angehorigen der Plebs vereinte war, dass sie nicht adelig waren und keine politische Macht besaben. Der BegriffPlebs kommt vonple-o (lat. Fulle) und lasst sich zuMenge ubersetzen. Diese Menge lieb sich in drei grobe Gruppen unterteilen: Zum einen gab es eine Minderheit freier und vermogender Grundbesitzer, zum anderen eine grobere Gruppe Handwerker und Gewerbebetreibender und zuletzt die Klienten, die von ihren patrizischen Herren, den patroni abhangig waren. Da die Klienten jedoch auf den fur die Romer sehr wichtigen Anstand, den fides ihrer patroni, zahlen konnten, sollten sie vor Ubergriffen ziemlich sicher gewesen sein. Zudem mussten sie genugend Freiheiten gehabt haben, um sich mit den restlichen Plebejem zu einer gemeinsamen politischen Bewegung zu vereinigen.3

Der Tatsache geschuldet, dass romische Soldaten in den Tagen der Republik noch dazu verpflichtet waren, sich selbst auszustatten und die Ausrustung der schweren Infanterie sehr kostspielig war, bildete die reichere Schicht der Plebs gemeinsam mit den Rittern die wichtigste Stutze fur die romische Wehrmacht.4 Deswegen forderten die im Militardienst stehenden Plebejer, entsprechend der damals vorherrschenden Denkart, dass sie nun auch politische Rechte bekommen sollten.5

Wahrend die Plebs politische Gleichberechtigung forderte, wollte der romische Adel seine Macht nicht einbuBen. Nach dem Sturz der Konige hatten die patrizischen Familien an Macht gewonnen und bemuhten sich nun um eine Abgrenzung von der niederen Plebs. Zuvor war der Adelsstand nicht exklusiv gewesen, die Aufnahme der Claudier in den patrizischen Familienzirkel beispielsweise konnte nicht als Einzelfall gewertet werden. Bekannte Familien waren von auBerhalb nach Rom gezogen und hatten sich unter den adeligen Geschlechtern etabliert. Nun jedoch wollte der Adel nichts mehr mit der Plebs zu tun haben und ging dabei sogar so weit, die Heirat zwischen den Standen zu verbieten.6 Des Weiteren nutzten die patrizischen Familien ihr Kommando uber das Militar und die Religion rucksichtslos aus. Letzteres ermachtigte sie dank der auctoritas patrum dazu, jede plebejische politische Aktivitat zu unterbinden.7 Sie Situation wurde von Seiten der Patrizier also wohl kaum entscharft.

2.2. Politische Waffen der Plebs - Die Entstehung des Volkstribunats

Die Plebs schlug, soweit sie das konnte, mit gleicher Starke zuruck. Moglicherweise schon vor den Volkstribunen die ersten Funktionare des Volkes, vollzogen die Adilen (lat. aediles von aedes, Tempel), die Beamten des, auf dem Aventin gelegenen, Tempels der Ceres, eine Art plebejische Exekutive. Laut Dionys fuhrten sie namlich schon jetzt die Aufsicht, uber die von den Plebejern versorgten Markte, die offentlichen Platze, den Tempel, die Opfer und auch die Kampfspiele.8

Die groBte Macht jedoch konnte die Plebs mit einem politischen Streik ausuben. Griffen die Plebejer zu diesem Mittel, dann kam es zu einer secessio. Die gesamte Plebs verweigerte die Rekrutierung oder sogar jegliche Tatigkeit und verlieB Rom. So setzte die Plebs nicht nur das Sozialsystem auBer Kraft, sondern auch das Militar.9

Im Jahre 494 v. Chr., als es zur ersten secessio kam10 und die Plebs zum ersten Mal in groBen Teilen aus Rom zog, versammelte sie sich, wenn man Livius Glauben schenken mag, auf dem heiligen Berg11, um dort zwei Volkstribunen zu wahlen.12 Livius verweist auf eine andere Quelle, Piso, der geschrieben habe, die Wahl hatte auf dem Aventin und nicht auf dem heiligen Berg stattgefunden.13 Nichtsdestotrotz sind sich die Uberlieferungen einig, dass es diese Wahl der Volkstribunen gegeben hat. Doch wahrend Livius von einer Wahl in Absprache mit dem Botschafter der Patrizier, Agrippa, berichtet, in der man sich auf die Unverletzlichkeit der Volkstribunen und deren Recht auf Hilfeleistung geeinigt habe,14 beschreibt Cicero ein ganz anderes Szenario. Laut Cicero hat das Volk, weil der Staat keine Hilfe gegen die Volksverschuldung unternommen habe, die beiden Volkstribunen alleine gewahlt, um das Prestige und die Reichweite des Senats zu untergraben.15 Es erscheint um einiges wahrscheinlicher, dass die Volkstribunen nicht von Anfang an durch den Staat legitimiert waren, untergruben sie doch die staatliche Macht. Viel eher werden die romischen Annalisten spater bemerkt haben, dass es keine legale Basis fur die Volkstribunen gab und diese im Nachhinein durch einen erfundenen Vertrag oder Eid zu erganzen versucht haben.16

Die Plebs erschuf also nach gegnerischem Modell eine eigene Kriegsorganisation. Sie wahlte sich die tribuni plebis (lat. Volkstribunen) als Anfuhrer, die genau wie die militarischen Kommandanten der Patrizier, tribuni genannt wurden. Autoritat erhielten die Volkstribunen nicht durch staatliche Gesetze, sie waren ja als Instrumente gegen den Staat gedacht, sondern durch das Volk selber. Die Plebs schwor die lex sacrata (lat. heiliges Gesetz) und schutzte damit ihre Tribunen, indem sie sie sacrosanct (lat. unverletzlich) machte. Alle Plebejer verpflichteten sich, den Tribunen, sollten diese in Bedrangnis geraten, zur Hilfe zu eilen und jeden, der gegen sie die Hand erhob anzugreifen. Dieser Schutz war naturlich nur so wirksam, wie auch die politische Macht, die sich in ihm ausdruckte, stark war. Die Tribunen konnten die Plebejer bei der concilia plebis versammeln und durch die Versammlung Beschlusse, sogenannte plebiscita, verabschieden. Weil die Volkstribunen im Falle, dass ein Patrizier einen Plebejer strafen wollte, sofort aufgesucht wurden und sie sich ohne zu zogern zwischen den Hilfe suchenden Plebejer und seinen Peiniger stellten, erwarben sie sich das „Recht“ zur Hilfeleistung, ius auxilii, und das „Recht“ zum Einschreiten, ius intercredendi.

[...]


1 Vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der Romischen Republik, S. 16.

2 Vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der rom. Rep., S. 21.

3 Vgl. HeuB, Alfred, Romische Geschichte, S. 45.

4 Vgl. HeuB, Alfred, Romische Geschichte, S. 45.

5 Vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der rom. Rep., S. 21.

6 Vgl. HeuB, Alfred, Romische Geschichte, S. 46.

7 Vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der rom. Rep., S. 21.

8 Vgl. Dion. VI 90, 2,3.

9 Vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der rom. Rep., S. 22.

10 Vgl. Urban, Ralf, Zur Entstehung des Volkstribunates, In: Historia: Zeitschrift fur Alte Geschichte Bd. 22, H. 4, S. 761.

11 Vgl. Liv. II 32.

12 Vgl. Cic. Rep. II 59.; Liv. II 33.

13 Vgl. Liv. II 32.

14 Vgl. Liv. II 32-33.

15 Vgl. Cic. Rep. II 59.

16 Vgl. Bleicken, Jochen, Das Volkstribunat der klassischen Republik, Munchen 1955, S. 6.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Volkstribunal und Ständekämpfe. Der Revolutionsführer als Werkzeug des Staates
Hochschule
Universität Münster
Note
2,5
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V489789
ISBN (eBook)
9783668987456
ISBN (Buch)
9783668987463
Sprache
Deutsch
Schlagworte
volkstribunal, ständekämpfe, revolutionsführer, werkzeug, staates
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Volkstribunal und Ständekämpfe. Der Revolutionsführer als Werkzeug des Staates, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489789

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