Das Konzept der "Smart City." Handlungsfelder und Perspektiven


Examensarbeit, 2018

111 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Gegenstand der Arbeit
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

2. Globale Entwicklungen und urbane Herausforderungen
2.1 Globale Verstädterung
2.2 Problemlagen und Herausforderungen in Städten
2.3 Digitalisierung und digitale Transformation der Städte
2.3.1 Digitalisierung
2.3.2 Die Technologietrends ‘ Internet of Things ‘ und ‘ Big Data
2.3.3 Digitale Transformation als Herausforderung für Städte

3. Der Begriff der ‘Smart City‘: Entstehung und Bedeutung
3.1 ‘Smart City‘ als Lösungsansatz zur Stadtentwicklung
3.2 Begriffsentwicklung von ‘Smart City‘
3.3 Definitionen von ‘Smart City‘
3.4 Abgrenzung zu vergleichbaren Begriffen

4. Das ‘Smart City‘-Konzept
4.1 Das Wesen einer ‘Smart City‘
4.2 Handlungsfelder einer ‘Smart City‘ nach Giffinger et al
4.2.1 ‘ Smart Economy
4.2.2 ‘ Smart People
4.2.3 ‘ Smart Governance
4.2.4 ‘ Smart Mobility
4.2.5 ‘ Smart Environment
4.2.6 ‘ Smart Living
4.2.7 ‘ Smart Education
4.3 Weitere Modelle zur Einteilung in Handlungsfelder
4.3.1 Handlungsfelder einer ‘Smart City‘ nach Kaczorowski
4.3.2 Handlungsbereiche einer ‘Smart City‘ nach Cagliano et al
4.4 Das System der ‘Smart City‘
4.5 ‘Smart City‘-Visionen

5. ‘Smart City‘-Initiativen in Städten
5.1 Masdar City
5.2 New Songdo City
5.3 Wien
5.4 Barcelona

6. ‘Smart City‘-Initiativen internationaler Konzerne
6.1 IBM
6.2 Siemens AG
6.3 Cisco Systems

7. Fazit
7.1 Zusammenfassung
7.2 Kritik
7.3 Ausblick

8. Abbildungsverzeichnis

9. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus Gründen der Leserlichkeit wird im gesamten Text die männliche Form verwendet (zum Beispiel Bürger). Selbstverständlich sind damit auch alle weiblichen Formen gemeint und eingeschlossen (Bürgerinnen).

1. Einleitung

Die vorliegende Staatsexamensarbeit wurde im Jahr 2018 im Rahmen des Lehramtsstudiums an der Universität des Saarlandes im Fachbereich Geographie verfasst. Die Arbeit ist dem Lehrstuhl für Kulturgeographie von Prof. Dr. H. P. Dörrenbächer zuzuordnen. Das Thema lässt sich dem Bereich der Stadtgeographie zuteilen, weist jedoch unter anderem Überschneidungen zu den Teildisziplinen Wirtschaftsgeographie, Sozialgeographie und Verkehrsgeographie auf. Wie der Titel schon nahe legt, befasst sich die Arbeit mit dem Begriff und dem Modell der ‘Smart City‘. Es erfolgt eine Erarbeitung des dazugehörigen Konzeptes, in dem Handlungsbereiche vorgestellt werden. Innerhalb derer werden zukünftige Möglichkeiten aufgezeigt. Zusätzlich findet eine Vernetzung der städtischen Themenblöcke zu einem ganzheitlichen System einer ‘Smart City‘ statt.

Zur Einführung in die Arbeit gliedert sich die Einteilung wie folgt: Zunächst wird der Gegenstand der Arbeit beleuchtet, indem Inhalt und die grundlegende Problemstellung beschrieben werden sowie die Relevanz des Themas verdeutlicht wird. Dazu werden allgemeine Forderungen an die Stadt der Zukunft formuliert, um vorab ein Gefühl für die Themenstellung zu entwickeln. Anschließend erfolgen die Formulierung der Zielsetzung der Arbeit und die Darstellung der dazu verwendeten Vorgehensweise.

1.1 Gegenstand der Arbeit

Immer mehr Menschen leben in Städten. Im Zuge dessen sehen sich die Städte wachsenden Problemlagen und Aufgabenbereichen entgegen. Gleichzeitig bestimmen übergeordnete, globale Entwicklungen, wie beispielsweise der Klimawandel, der demographische Wandel und ganz aktuell die Digitalisierung, das menschliche Leben und erfordern neue Denkweisen und Lösungsansätze. Die Stadt bietet hier mögliche Anknüpfungspunkte, um die Lebensqualität nachhaltig zu erhöhen und gleichzeitig nachhaltig zu wirtschaften. Dabei ist das städtische System äußerst komplex und setzt sich aus vielen Facetten zusammen, welche verschiedene Betrachtungsweisen beinhalten. Ziel ist es, in allen Themenblöcken fortschrittlich zu handeln und mit deren Vernetzung eine ganzheitliche Perspektive einer zukunftsfähigen Stadt zu schaffen. Doch wie soll die perfekte Stadt der Zukunft aussehen? Welche Anforderungen werden bereits heute an sie gestellt?

Zunächst einmal wird eine hohe Lebensqualität der Bürger in den Mittelpunkt der Stadt gerückt. Dazu erfordert es auch der Partizipation aller städtischen Akteure bei der Gestaltung von Städten, um deren Visionen mitzutragen und zu entwickeln. Städte sollen mit neuen Technologien ausgestattet sein. Durch deren intelligente Anwendung erhofft man sich vielseitige Vorteile, Vereinfachungen und Entlastungen. Hinsichtlich des Verkehrsaufkommens wird für die Stadt der Zukunft ein jeweils angepasstes, ausgeklügeltes Mobilitätssystem gefordert, welches sich flexibel und nachhaltig gestaltet. Dabei gebietet schon die nächste Anforderung Einhalt, denn Städte sollen nachhaltig und ressourcenschonend wirtschaften. Dazu gehören ein intelligentes Energiemanagement und das Wiederverwerten von Gütern. Daneben sollen Wissenscluster und innovative Milieus den Wirtschaftsbereich einer Stadt zukunftsfähig gestalten.

Insgesamt ist man auf globaler Ebene auf der Suche nach intelligenten Lösungsansätzen, die zur Erfüllung der oben kurz angerissenen Forderungen und allgemeinen Herausforderungen beitragen. Dabei entsteht die Notwendigkeit der Entwicklung eines Konzeptes, welche das urbane Wirkungsgefüge durchdringt. Das Konzept soll zugleich Struktur liefern, dabei alle städtischen Handlungsfelder abdecken und diese in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise miteinander verknüpfen. Ziel ist es, ein Leitbild für zukunftsorientierte Städte zu schaffen. In Städten entsteht zunehmend das Verlangen nach einem solchen Modell, an dem sich orientiert und gemessen werden kann, um Aufgabenbereiche und Perspektiven der Stadtentwicklung offen zu legen. Das Konzept der ‘Smart City‘ beansprucht eine solche Struktur zu liefern.

Das Thema findet seinen Niederschlag in einer stetig wachsenden Anzahl an wissenschaftlichen Fachartikeln und Lehrbüchern. Auch an Universitäten werden zunehmend Forschungsberichte in diesem Bereich veröffentlicht und Veranstaltungen zum Thema angeboten. Es entstehen auf verschiedenen Ebenen, wie beispielsweise auf europäischer oder regionaler Ebene, politische Programme, die Leitziele zur nachhaltigen, zukunftsfähigen Stadtgestaltung liefern. Immer mehr Städte erarbeiten eigene ‘Smart City‘-Initiativen. Dabei wird ein Stadtkonzept entwickelt, welches auf die eigenen Voraussetzungen, Problemlagen und Ziele ausgerichtet ist. Auch Unternehmen entwickeln Initiativen und tauschen sich untereinander und mit anderen Organisationen, Vereinen und Stadtverwaltungen auf Messen oder Kongressen aus. Insgesamt entsteht ein breitgefächerter Wissenskonsens, welcher auch als Quellengrundlage für diese Arbeit herangezogen wurde. Darüber hinaus erfährt das Thema in vielen Bereichen, wie beispielsweise der Forschung, der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft, wachsende Aufmerksamkeit. All dies zeigt die Aktualität und Relevanz des Themas.

Gegenstand der Arbeit ist es folglich, das Konzept der ‘Smart City‘ in seiner Entwicklung, Struktur und zukünftigen Bedeutung darzulegen. Dazu wird im Folgenden die Zielsetzung der Arbeit und die dazugehörige Herangehensweise vorgestellt.

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Die vorliegende Examensarbeit soll einen umfassenden Überblick über das Themenfeld geben, indem Entstehung des Ansatzes, Begriffsbildung, Gestalt des Konzeptes und Initiativen der ‘Smart City‘ vorgestellt werden. Der Begriff ‘Smart City‘ wird vielfältig verwendet und das gesamte Konzept befindet sich aktuell in einer ständigen Fortentwicklung. Die Arbeit ist daher lediglich in der Lage, den aktuellen Stand der verschiedenen Disziplinen zusammenzuführen und daraus eine Struktur in Form eines Gesamtkonzeptes zu erarbeiten, welche aus verschiedenen Handlungsfeldern besteht und jeweils Perspektiven und Möglichkeiten aufweist.

Als Zielsetzung der Staatsexamensarbeit gilt die Erarbeitung und Darlegung des ‘Smart City‘-Konzeptes. Dafür sollen entwickelte Strukturen und Modelle zum Thema untersucht, erläutert und zusammengeführt werden. Zuvor soll die Arbeit die Ursachen und Grundlagen zur Entstehung des Begriffes und Ansatzes analysieren, um anschließend Zweck, Inhalt und Ziel einer ‘Smart City‘ benennen zu können. Als untergeordnete Fragestellung ist zu formulieren, aus welchen Handlungsfeldern das Konzept besteht und welche Perspektiven innerhalb der Bereiche existieren. Zugleich soll mittels einer ganzheitlichen Betrachtungsweise das Verständnis geformt werden, das ‘Smart City‘-Konzept als ein System bestehend aus mehreren Systemen anzusehen. Ein weiteres untergeordnetes Ziel der Arbeit ist es, durch Fallbeispiele die praktische Umsetzung von ‘Smart City‘-Initiativen zu skizzieren und dabei Bezug auf das zuvor herausgearbeitete theoretische Konstrukt zu nehmen.

Die Vorgehensweise der Arbeit gestaltet sich wie folgt: Zuerst werden im folgenden Kapitel Ursachen und Grundlagen zur Entwicklung des ‘Smart City‘-Ansatzes vorgestellt. Als Ausgangspunkt werden die globale Verstädterung, damit einhergehende Problemlagen und weitere globale Herausforderungen wie der Klimawandel und der demographische Wandel beschrieben. Auch die Digitalisierung und speziell die digitale Transformation gehören zu den fundamentalen Bestandteilen des Ansatzes. Neben den Erwartungen werden dabei auch die Chancen betont, welche Städte zu bieten haben, um die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen.

Schließlich wird im darauffolgenden Kapitel der Ansatz der ‘Smart City‘ zunächst als ganzheitlicher Lösungsansatz und Antwort auf die zuvor aufgezeigten Herausforderungen vorgestellt. Damit wurde das Fundament zur Entstehung gelegt, indem die Ursachen für die Entwicklung und damit die Notwendigkeit des Ansatzes geklärt wurden. Gleichzeitig werden Intentionen und Ziele des damit verbundenen Ansatzes mitgeliefert, welche sich anschließend in der Entwicklung des Begriffes und den Definitionen wiederfinden lassen. Dabei werden Schwerpunkte des Ansatzes herausgearbeitet, um zum Abschluss des Kapitels eine Abgrenzung zu verwandten Begriffen vorzunehmen und weitere Besonderheiten herauszuarbeiten.

In Kapitel vier wird mit der Erarbeitung und Darstellung des umfassenden ‘Smart City‘-Konzeptes der Hauptgegenstand der Arbeit geliefert. Nachdem zunächst aus verschiedenen Perspektiven die Charakteristika der ‘Smart City‘ benannt werden, wird aufbauend auf den vorigen Kapiteln ein wissenschaftliches Konstrukt erarbeitet, welches eine Einteilung in Handlungsfelder vorsieht und deren Perspektiven und Vernetzung beinhaltet und schließlich in einem ganzheitlichen System der ‘Smart City‘ mündet. Bedeutung und Inhalte der Handlungsfelder werden genauer betrachtet, um jeweils Einblick in die Themenbereiche zu erhalten und Perspektiven für Städte aufzuweisen. Des Weiteren werden zwei ähnliche Klassifikationen skizziert, um das Verständnis der Gestalt des ‘Smart City‘-Konzeptes zu stärken. Schließlich wird mit dem System der ‘Smart City‘ die ganzheitliche, vernetzte Denkweise inklusive der Grundlagen und Ziele in einem Modell abgebildet, welches den derzeitigen wissenschaftlichen Stand der Entwicklung des ‘Smart City‘-Konzeptes widerspiegelt. Nachdem das System der ‘Smart City‘ vorgestellt wurde, sollen mittels der Visionen auch Perspektiven und Ziele des gesamten Konzeptes aufgearbeitet und zugleich ein Übergang zu den ‘Smart City‘-Initiativen geleistet werden.

Nachdem die theoretische Erarbeitung des Konzeptes nun abgeschlossen ist, werden im fünften Kapitel ‘Smart City‘-Initiativen beispielhaft vorgestellt, wobei zwischen neugebauten und transformierten Städten differenziert wird. Zuletzt wird in Kapitel sechs den im Bereich der ‘Smart City‘-Lösungen führenden Unternehmen Aufmerksamkeit geschenkt, da Konzerne ebenfalls bedeutsam zur Entwicklung des Konzeptes beitragen.

Als Abschluss soll im Fazit der Arbeit eine Zusammenfassung des Ansatzes geliefert, das Thema kritisch beäugt und zu guter Letzt ein Ausblick zur Thematik getätigt werden.

2. Globale Entwicklungen und urbane Herausforderungen

Bevor Begriff und Konzept der ‘Smart City‘ erarbeitet werden, sollen im Folgenden Ursachen und Grundlagen zur Entstehung dieses Ansatzes beschrieben werden. Dabei wird zunächst auf die globale Verstädterung hingewiesen und deren Entwicklung belegt. Anschließend werden weltumfassende Entwicklungen wie Klimawandel und demographischer Wandel als urbane Aufgaben vorgestellt. Die zunehmende Bedeutung von Städten zur Lösung globaler Herausforderungen und die Relevanz der Erarbeitung eines intelligenten Ansatzes für Städte der Zukunft werden so betont. Eine weitere Grundlage für die Arbeit bildet die Digitalisierung, insbesondere die digitale Transformation und die damit verknüpften Erwartungen an Städte, aber auch die damit verbundenen Chancen. Diese essentiellen Aufgaben bilden die Basis zur Entwicklung eines ‘Smart City‘-Konzeptes. Der Begriff der ‘Smart City‘ enthält den Stadtbegriff, was sich in der Idee niederschlägt, die Stadt als Lebensmittelpunkt der Menschen zu nutzen, um globale Probleme zu bewältigen. Die Wiener Stadtwerke (2011, S. 9) schreiben dazu, dass

gerade in Städten ein besonderes[sic] großes Potenzial gesehen [wird], Problemen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und demografischer Wandel mit intelligenten Lösungen zu begegnen. Diese Lösungsansätze werden nun in zunehmenden Maße mit dem Begriff „Smart City“ verbunden.

Somit wird mit der Entwicklung der allgemeinen Verstädterung im Folgenden zuerst ein Ausgangspunkt für urbane Herausforderungen gesetzt und zugleich ein Ansatzpunkt zu deren Lösung präsentiert.

2.1 Globale Verstädterung

In den vergangenen Jahrzehnten ist ein stetiges Wachstum der Weltbevölkerung zu beobachten. Trotz Berücksichtigung der Annahme, dass die Fertilitätsraten zunehmend sinken, erwartet die Organisation ‘ United Nations ‘ (‘ UN ‘) einen weiteren Anstieg der Weltbevölkerung bis 2050 auf circa 9,8 Milliarden (Mrd.) und bis 2100 auf ungefähr 11,2 Mrd. Menschen (vgl. UN/DESA 2017, S. 2). Allerdings lässt sich auch ein prozentuales Wachstum der in Städten lebenden Menschen verzeichnen. Man spricht dabei von Verstädterung. Der Begriff meint „ den steigenden Bevölkerungsanteil, der in Städten lebt “ (FASSMANN 2009, S. 51). Der Terminus wird in der Regel quantitativ verwendet, wohingegen Urbanisierung eher die qualitative Komponente betont, also die Verbreitung städtischer Lebens-, Verhaltens- und Wirtschaftsweisen (vgl. ebda., S. 51-52).

In den letzten Jahrzehnten manifestiert sich im globalen Maßstab der eindeutige Trend zur Verstädterung: „ Im Jahr 1900 lebten etwa 10 % der Weltbevölkerung in Städten, heute sind es mehr als 53%, und im Jahr 2050 werden es 75% sein “, verdeutlichen TAUBENBÖCK & Wurm (2015, S. 6) den rasanten Anstieg der Stadtbevölkerung. Die dazu passenden absoluten Zahlen nach UN/DESA aus dem Jahr 2014 (S. 7) lassen sich in Abbildung 1 ablesen. Die Grafik zeigt auch, dass bereits 2007 ein „ heimlicher Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte “ (TAUBENBÖCK & Wurm 2015, S. 7) stattgefunden hat, da seither in der Stadt mehr Menschen leben als auf dem Land.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung und Prognose der städtischen und ländlichen Bevölkerung von 1950 bis 2050

Schätzungsweise leben 2030 bereits 60% aller Menschen in Städten. Sollte sich der prognostizierte Anstieg der Weltbevölkerung in Verbindung mit der zunehmenden Verstädterung bestätigen, käme es bis 2050 zu einem absoluten Anstieg der Stadtpopulation um circa 2,5 Mrd. Menschen. Somit würden dann bereits 6,5 Mrd. Menschen in Städten leben, was im Vergleich zu heute eine Verdopplung bedeuten würde und zur Folge hätte, dass bis zu drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten wiederzufinden wäre. Bis zum Jahre 2100 wird ein Anstieg der Weltbevölkerung auf über 11 Mrd. und damit einhergehend eine Verstädterungsrate von über 80% angesetzt. (vgl. zu diesem Abschnitt UN/DESA 2014, S. 7 und JAEKEL 2015, S. 2)

In diesem Kontext wird ersichtlich: „ Urbanes Bevölkerungs- und Flächenwachstum […] sind Merkmale einer globalen Veränderung der Gesellschaft “ (DECH et al. 2015, S. 4). Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass der Verstädterungsgrad in Industrienationen heute bereits bei ca. 80% liegt und das prozentuale Wachstum daher nur noch begrenzt erfolgt. Auch der Anstieg der Weltbevölkerung findet vorwiegend nicht in Industrieländern statt. Daraus lässt sich schließen, dass sich ein ungemein rasanter, für Europäer schwer vorstellbarer Anstieg der absoluten und prozentualen Stadtbevölkerung in Entwicklungsnationen vollzieht. (vgl. zu diesem Abschnitt ETEZADZADEH 2015, S. 3-7)

Neben der Anzahl der in Städten lebenden Menschen steigt auch die Anzahl der Städte und Agglomerationen selbst (vgl. Abbildung 2). Dabei entstehen auch immer mehr große Millionenstädte. Aus diesen Gründen kommt es zur Entwicklung von Megacities wie beispielsweise Tokyo oder Mumbai, welche weit über zehn Millionen Einwohner beheimaten. Insbesondere in Asien ist ein Großteil dieser Städte zu finden. 1950 wiesen mit Tokyo und New York lediglich zwei Städte Einwohnerzahlen von mehr als zehn Millionen Menschen auf, heute sind es bereits circa 30 und 2030 erwartet man mehr als 40 Megacities. Insgesamt wird die Anzahl der Millionenstädte weltweit aktuell auf über 470 geschätzt (NTV 2018). Knapp über zehn Prozent der Stadtpopulation lebt bereits heute in solch großen Agglomerationen, der größte Teil der urbanen Bevölkerung ist jedoch in Städten mit weniger als einer halben Million Einwohnern beheimatet. (vgl. zu diesem Abschnitt ELLRICH & UHLENBROCK 2007; ETEZADZADEH 2015, S. 7 und Abbildung 2)

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Abbildung 2: Anzahl urbaner Agglomerationen verschiedener Größen 1990, 2014 und 2030

Es lässt sich festhalten, dass die Verstädterung ein Phänomen globalen Ausmaßes darstellt. „ Die Menschheit ist in Bewegung. Auf dem ganzen Erdball drängen die Menschen vom Land in die Städte. […] Urbanisierung ist damit ein elementarer Teil des globalen Wandels “, formuliert es TAUBENBÖCK et al. (2015, S. 6) passend und spricht weiter von der „ letzte[n] Wanderungsbewegung der Menschheit in dieser Größenordnung.“ JAEKEL (2015, S. 2-3) bezeichnet Städte daher als

„Brutstätten der Kultur […] [sowie] Plattformen für Ideen, Orte geistiger Spannung und technischer wie sozialer Innovationen […] [und weist folgerichtig darauf hin, dass] durch die massive Urbanisierung die Städte einen besonderen Einfluss auf die Entwicklungen unseres Planeten haben werden – auf die Lebensqualität, die gesellschaftliche Struktur, soziale Interaktion, Ressourcenkonsum, Wirtschaft etc.“

Den Städten kommt somit eine signifikante Bedeutung in der Forschung zu. Die Stadt dient als Labor, in dem unter realen Lebensbedingungen zukünftige, sozioökonomische Lösungen erprobt werden, die auch dringend benötigt werden. Häufig verwenden Studien aus verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Politikforschung, Ökonomie, Soziologie und Wirtschaftsgeographie die Stadt als Untersuchungsobjekt. (vgl. zu diesem Abschnitt MÜLLER-SEITZ et al. 2016, S. 1 und HARTMANN et al. 2018, S. 5)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die wachsende globale Verstädterung sowie die damit verbundene Urbanisierung immer mehr Menschen in Städten leben und städtische Lebensweisen an den Tag legen. Städte bieten so auch Anknüpfungspunkte, um globale Herausforderungen zu bewältigen. Dies bewirkt eine immer größere Wertschätzung des Themas in vielen verschiedenen Disziplinen. Urbanen Agglomerationen wird eine zunehmende Relevanz zugeschrieben, da sie einen bedeutenden, wachsenden Anteil der Menschen beheimaten und tagtäglich Lebensraum für sie darstellen. Zugleich häufen und verstärken sich mit der zunehmenden Größe die vielfältigen Herausforderungen (vgl. folgendes Unterkapitel 2.2). Daraus ergibt sich die Zielsetzung, zukunftsorientierte, effizienzsteigernde Lösungen für das städtische Leben zu entwickeln. Das in dieser Arbeit behandelte ‘Smart City‘-Konzept gilt als derartiger Lösungsansatz und ist neben anderen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte unter anderem auch als Reaktion und Folge der Verstädterung anzusehen.

2.2 Problemlagen und Herausforderungen in Städten

Wie im vorigen Abschnitt bereits angedeutet, kommen im Zuge der schwerwiegenden Herausforderung der weltweiten Verstädterung noch weitere Aufgaben hinsichtlich der Entwicklung urbaner Ballungen hinzu. Jedoch bietet die zunehmende Agglomeration von Menschen in Städten auch Chancen, übergeordnete und globale Probleme anzugehen. Urbanität als Zentrum menschlichen Lebens gilt als besonders wichtiger Ansatzpunkt, um Herausforderungen wie beispielsweise dem Klimawandel und dem demographischen Wandel entgegenzutreten.

Städte gelten als einer der größten Verursacher des Klimawandels, werden hier doch zahlreiche Schadstoffe emittiert. Gleichzeitig sind Städte den Folgen des Klimawandels in besonderem Maße ausgesetzt. Hinzu kommt die Überbeanspruchung von Ressourcen innerhalb und zur Versorgung von Städten. Dieser zum Teil irreversible Verbrauch führt zur Zerstörung natürlicher Lebensräume und der Artenvielfalt und stellt zugleich den Entzug der eigenen Lebensgrundlage dar (vgl. ETEZADZADEH 2015, S. 7). Allerdings bieten „ gerade Städte das Potenzial, durch ihre Dichte und Struktur klima- und ressourcenschonend zu wirtschaften und durch geeignete Maßnahmen den Schutz der lebendigen Umwelt zu fördern “ (ebda., S. 5). Der Fokus liegt dabei auf der Nachhaltigkeit, womit ein weiteres städteübergreifendes Ziel benannt ist.

Um sogenannte städtische Nachhaltigkeit in Zeiten des Wachstums zu erreichen, formuliert KAHN (2014, S. 2) drei Kriterien: Zunächst werden Elemente der täglichen Lebensqualität gefordert, wie beispielsweise saubere Luft, sauberes Wasser und Grünflächen, um die Gesundheit und damit die Produktivität der Gesellschaft allgemein zu fördern. Das zweite Kriterium bezieht sich auf die Treibhausgasemissionen. Hierzu zählen die gesamte Infrastruktur, die Transportsysteme und die gesamte Energiewirtschaft der Stadt. Als dritten Punkt wird die Resilienz der Stadt gegenüber Naturkatastrophen und den zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel genannt. Dabei lässt sich der Begriff der Resilienz noch ausweiten: Weiter gefasst spricht man dabei auch von der Fähigkeit, allgemein negative Ereignisse abzuwehren oder auf solche vorbereitet zu sein, um sich im Anschluss davon erholen zu können. Neben Naturkatastrophen impliziert dies auch Fehler, die durch technisches oder menschliches Versagen hervorgerufen werden, sowie Terrorangriffe oder sonstige einschneidende Herausforderungen für die Stadt. Resilienz stellt damit einen wichtigen Bestandteil der Nachhaltigkeit dar. (vgl. zu diesem Abschnitt ETEZADZADEH 2015, S. 16)

Die Nachhaltigkeit ist ein sehr breit gefächerter Begriff und weist somit eine ganzheitliche Herausforderung für Städte auf. Sie nimmt Einfluss auf alle Bereiche des städtischen Lebens wie beispielsweise Mobilität, Energiemanagement und Wirtschaft. Nachhaltigkeit und im Speziellen Nachhaltigkeit in Städten gewinnt zunehmend an Bedeutung. So definiert sich auch das in dieser Arbeit vorgestellte ‘Smart City‘-Konzept häufig über die Nachhaltigkeit und rückt diese als übergreifende Grundvorstellung von zukunftsorientierten Städten in den Fokus.

Mit dem demographischen Wandel und der damit einhergehenden zunehmenden Überalterung stehen Städte einer weiteren Herausforderung gegenüber. Betroffen sind jedoch vor allem die Industrienationen, welche sich mit der steigenden Lebenserwartung von Menschen und rückläufigen Fertilitätsraten konfrontiert sehen. In Folge dessen blicken insbesondere Städte zahlreichen Problemen bezüglich der Infrastruktur, Versorgung und Mobilität älterer Menschen entgegen. (vgl. zu diesem Abschnitt JAEKEL 2015, S. 3 und KACZOROWSKI 2014, S. 38-39)

Eher weniger die Industrienationen betreffend zieht die Verstädterung vor allem in Asien und Afrika ein unkontrolliertes, kaum steuerbares Wachstum mit sich. Durch das Fehlen von ausreichender Infrastruktur, Verwaltung und finanzieller Mittel entsteht eine Vielzahl an Problemen hinsichtlich der Lebensqualität der Menschen. Die nötige Grundinfrastruktur ist nicht gegeben, sodass Nahrungsmittel, Trinkwasser und Energie nicht ausreichen. Menschen leben unter sehr schlechten Hygienebedingungen und ohne Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur. Schätzungen zufolge leben von den in Städten beheimateten Menschen circa ein Viertel bis ein Drittel in Slums, in Entwicklungsländern rechnet man mit einem noch höheren Anteil (vgl. TAUBENBÖCK & Wurm 2015, S. 7 und RIBBECK 2008). Eine weitere Herausforderung bringt die Verkehrskoordination und die damit verbundene Reduzierung der Luftverschmutzung mit sich. Darüber hinaus kommt es in Städten mit derartigen Problemen häufig zu gesellschaftlichen Spannungen, sozialen Polarisationen und einer hohen Informalität und Kriminalität. (vgl. zu diesem Abschnitt JUNGBLUT 2012, ELLRICH & UHLENBROCK 2007 und JAEKEL 2015, S. 2)

Folglich wird der aktiven Gestaltung von Städten eine große Bedeutung zugeschrieben. Die Stadt gilt nach BLATTER & Fix (o.D.) auch als der Ort, an dem über gesellschaftliche Zukunftsfragen hinsichtlich Bildung, Gesundheit und Umweltschutz diskutiert wird. Zur großen Herausforderung aller Städte zählt es, den Bürgern Nahrung, Wasser und Energie bereitzustellen, Infrastruktur hinsichtlich Energie, Mobilität, Wohnraum, Bildung und Gesundheit zu stellen und dabei sozialen Spannungen und Kriminalität entgegenzuwirken (vgl. DEUTSCHER BUNDESTAG 2015, S. 3). Dazu passend ist der Ansatz von ETEZADZADEH (2015, S. 3) auszulegen, welcher als grundsätzliches Motiv der Verstädterung die Forderung und Suche nach Zugang zu etwas ansieht. Dieser kann ganz unterschiedlich auf Arbeit, Wohlstand, Versorgung, Infrastruktur, Wissen, Bildung, Fortschritt, Anonymität oder Weiteres ausgerichtet sein. Auch Kontrolle, Schutz und Sicherheit können eine Rolle spielen.

Menschen suchen in der Stadt einerseits Zugang zu bestimmten Dingen, andererseits ist die Stadt ein von Bürgern geschaffener und geformter Raum. Eine integrierte Stadtplanung inklusive eines partizipativen Bürgertums und einer Akteursvernetzung stellt somit eine weitere Herausforderung modernen Städtemanagements dar. Eine Stadtplanung muss so zur lernenden Organisation werden und eine aktive Beteiligung der städtischen Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinitiativen berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es, neue Formen von Kooperationen und Koordinationen wie beispielsweise ‘ Public-Private-Partnerships ‘ zu finden, um sich an die modernen Rahmenbedingungen anzupassen. (vgl. zu diesem Abschnitt MÜLLER-SEITZ et al. 2016, S. 2 und BBSR/BBR 2017 S. 14 & 17)

Insbesondere die Herausforderung der Bereitstellung angemessener Infrastruktur wird immer wieder aufgegriffen. Zu dieser allgemeinen Aufgabe können je nach Region neben der Organisation der Grundversorgung und einer effizienten Energieversorgung auch die Umsetzung moderner Mobilitätskonzepte oder sogar die Vernetzung mithilfe von Informationstechnik (IT) zählen. Dabei kommt gerade der IT-Infrastruktur im globalen Städtewettbewerb ein immer größeres Gewicht zu. Die Bereitstellung digitaler Infrastrukturen ist als eine weitere, im Zuge der Globalisierung entstandene, urbane Herausforderung zu nennen. Vor allem Schwellenländer investieren in den letzten Jahren massiv in den Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), um sich im internationalen Standortwettbewerb zukunfts- orientiert zu positionieren (vgl. KACZOROWSKI 2014, S. 45). Aber auch in der Wissenschaft und Forschung mehren sich die Ansätze zum Einsatz von Technologien in Städten. Neben der Nachhaltigkeit stellt der Einsatz der IKT einen zweiten entscheidenden Faktor des ‘Smart City‘-Konzeptes dar. Die sogenannte Digitalisierung erfasste in den letzten Jahren weltweit in rasantem Tempo fast alle Lebensbereiche. (vgl. zu diesem Abschnitt MÜLLER-SEITZ et al. 2016, S. 2)

2.3 Digitalisierung und digitale Transformation der Städte

Neben den genannten städtischen Herausforderungen, grundlegende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und globalen Zielen, zum Beispiel hinsichtlich des Klimawandels und der Nachhaltigkeit gerecht zu werden, lässt sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine weitere weltweite Entwicklung beobachten. Ein technologiegetriebener Wandel, der auch als Digitalisierung bezeichnet wird, umfasst den Globus und vollzieht sich insbesondere in Städten. Damit einhergehende, neuartige Technologietrends lassen innovative Ansätze im städtischen Leben folgen und sorgen für neue Möglichkeiten. Gleichzeitig stellen sie die Städte vor die Herausforderung, Technologien auch intelligent und effizient einzusetzen.

Im Folgenden soll zunächst der Prozess der Digitalisierung erläutert werden. Im Zuge dessen werden wichtige Technologietrends genannt und anschließend die bedeutenden Entwicklungen ‘Internet of Things‘ und ‘Big Data‘ vorgestellt. Diese dienen als Grundlage zum weiteren Verständnis und werden im Rahmen der Arbeit immer wieder aufgefasst. Zum Abschluss des Unterkapitels werden noch die aus der Digitalisierung resultierenden Herausforderungen, Aufgaben und Ziele für Städte behandelt, wodurch ein weiterer Grundstein zur Entwicklung des ‘Smart City‘-Ansatzes gelegt wird.

2.3.1 Digitalisierung

Der Prozess der Digitalisierung läuft einerseits vielfach unbemerkt, schleichend und somit häufig unkoordiniert ab, andererseits ist die Digitalisierung in unserer Gesellschaft jedoch omnipräsent und stellt zugleich einen Megatrend dar, welcher alle unsere Lebensbereiche umfasst und inzwischen im stadtentwicklungspolitischen Diskurs präsent ist (vgl. GÜNTHNER et al. 2017, S. 45 und LOBECK & WIEGANDT 2017, S. 4). Spannend erscheint dabei auch die Akteursfrage, denn gerade Privatpersonen und Unternehmen treiben die sogenannte digitale Transformation in Städten durch die allgegenwärtige Nutzung von Technologien voran.

Digitalisierung ist im ursprünglichen Verständnis der 1990er Jahre als die Überführung analoger Daten in digitale Speicherformate definiert. Weiter gefasst versteht man darunter den Einsatz von Informationstechnologie in Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Als zusätzliche Bedeutung kommt das Verständnis der Digitalisierung als digitale Transformation oder digitaler Wandel hinzu. ETEZADZADEH (2015, S. 4) spricht in diesem Zusammenhang auch von der „ dritten industriellen Revolution “ oder der „ digitalen Revolution “. Darunter sind allgemein die technologiebasierten Veränderungsprozesse in der Gesellschaft zu verstehen. Im neueren Sinne beinhaltet der Begriff auch die Einführung disruptiver und innovativer Geschäftsmodelle sowie die vollständig elektronische Abbildung aller Kommunikationswege zwischen Kunden und Anbietern oder Bürgern und Behörden. Als aktueller Megatrend zählt auch das Aufkommen cyber-physischer Systeme in der Erstellung von Gütern und Dienstleistungen zur Digitalisierung. Gemeint ist eine Kombination aus mechanischen, elektronischen und digitalen Komponenten, die über das Internet kommunizieren können. Eine solche Echtzeit-Vernetzung von Systemen mit modernsten IKT ist Kennzeichen für die sogenannte ‘ Industrie 4.0 ‘. Dies verkörpert die Basis für die vierte industrielle Revolution. (vgl. zu diesem Abschnitt HEUERMANN 2018, S. 1 und Bendel 2018)

Mit dem Einsatz von IKT hat die digitale Transformation in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Unser Alltag hat sich unter anderem durch die Internetvernetzung mittels ‘ WLAN ‘ und ‘ LTE ‘ und durch die Nutzung von Smartphones und Tablets, Social-Media Anwendungen wie ‘ Facebook ‘ und ‘ YouTube ‘ und Diensten wie ‘ Amazon ‘, ‘ Spotify ‘, ‘ Dropbox ‘ und ‘ Netflix ‘ radikal verändert. „ Keine Technologie hat die Welt bisher schneller erobert “, betont JAEKEL (2015, S. 4) die immense Geschwindigkeit dieser globalen Entwicklung. Betroffen sind mit unter unser Kommunikations-, Informations- und Einkaufsverhalten. 2001 nutzten in Deutschland circa 37% der Bevölkerung das Internet, bis 2016 ist der Anteil auf fast 80% angestiegen (vgl. MOHN & WITTE 2017, S. 6). Im Jahr 2007 erschien mit dem iPhone das erste Smartphone, während 2018 bereits ein Großteil der Menschen auf der ganzen Welt ein Smartphone besitzt. Speziell auch für Menschen in strukturell schwächer ausgestatteten Regionen repräsentiert das Smartphone einen „ Entwicklungsmotor der besonderen Art “ (JAEKEL 2015, S. 4), da dadurch Kommunikation und Informationsbeschaffung unabhängig von Distanzen und ausgebauter Verkehrsinfrastruktur ermöglicht werden. Die Mehrzahl der Menschen kann heute bereits Informationen über das ‘ Mobile Internet ‘ zeit- und ortsunabhängig abrufen und zugleich zu jeder Zeit optisch und akustisch in Kontakt mit anderen treten. Gleichzeitig wächst die gesammelte Datenmenge exponentiell an, so rechnet man bis 2025 in etwa mit einer Verzehnfachung der pro Jahr erzeugten Datenmenge gegenüber 2016. (vgl. zu diesem Abschnitt NEUGEBAUER 2018, S. 3 & 11, LOBECK & WIEGANDT 2017, S. 8 und GÜNTHNER et al. 2017, S. 47)

Mit dem Einfluss des Datenaustausches mittels sozialer Netzwerke und Cloud-Anbietern und der Bedeutung des ‘ Mobilen Internets ‘ wurden bereits drei bedeutende Technologietrends der vergangenen Jahre angedeutet. Auf die wachsende Datenmenge und den zunehmenden Wunsch nach Echtzeitdaten wird mit der Forderung nach einem schnellen Breitband als grundlegende Infrastruktur in Städten reagiert. Datenschutz und Datensicherheit spielen eine immer größere Rolle. Daneben sind das sogenannte ‘Internet of Things‘ und ‘Big Data‘ wichtige Begrifflichkeiten im Zuge der Digitalisierung, weshalb im folgenden Unterkapitel 2.2.3 gesondert auf diese Begriffe eingegangen werden soll. Damit wurde in diesem Abschnitt auch auf die von KACZOROWSKI (2014, S. 48-66) formulierten und benannten Mega-Technologietrends als Pendant der Digitalisierung aufmerksam gemacht. Diese sind als Handlungsaufforderung für die Städte und zugleich Möglichkeit der effizienten Stadtgestaltung anzusehen. Darin spiegelt sich das Verständnis der Digitalisierung als Herausforderung und zugleich Werkzeug wider. Einerseits ist hinsichtlich der Digitalisierung die Rede von einer Herausforderung für Städte, andererseits bietet sie als Mittel zum Zweck auch viele Anknüpfungspunkte, um Aufgaben und Problemlagen der Städte zu bewältigen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Digitalisierung kein abgeschlossenes Ergebnis, sondern ein vielschichtiger Prozess ist. Damit verbunden sind Investitionen, Innovationen und eine zunehmende Durchdringung des privaten und zukünftig auch des öffentlichen Sektors, unter anderem im Informations- und Kommunikationsverhalten. Eine digitale Transformation erfasst uns in zahlreichen Lebensbereichen. Sie birgt Chancen und zugleich Risiken und Herausforderungen für den Einzelnen, die Gesellschaft und alle Verantwortlichen öffentlicher als auch privater Organisationen. (vgl. zu diesem Abschnitt Bressem et al. 2018, S. 2)

2.3.2 Die Technologietrends ‘Internet of Things‘ und ‘Big Data‘

Auch Maschinen sind untereinander vernetzt und tauschen Daten aus, sodass der Mensch nicht mehr zwingend am Datentransfer teilnehmen muss. Ist dies der Fall, spricht man vom sogenannten ‘Internet of Things‘ (‘IoT‘), welches mithilfe digitaler Technologien eine Vielzahl von Geräten mit physikalischen Objekten vernetzt und über entsprechende internetbasierte Kommunikationsnetze Datenaustausch ermöglicht (vgl. JAEKEL 2015, S. 10 und MEIER et al. 2016, S. 8). Milliarden von Geräten sind heutzutage fähig, mithilfe der Sensortechnologie Informationen der Umgebung aufzunehmen und mittels Aktoren auf die Umwelt zu reagieren und sie so direkt zu beeinflussen (vgl. NEUGEBAUER 2018, S. 93 und HADZIK 2016, S. 14). Des Weiteren repräsentiert das ‘Internet der Dinge‘ ein Netz aus digitaler Infrastruktur, welches „ eine ‚hybride‘ Verbindung von physischer und digitaler Welt ermöglicht, die auf einer breit verfügbaren und von uns tagtäglich genutzten Informations- und Telekommunikationstechnik basiert “ (GÜNTHNER et al. 2017, S. 45). Dadurch entsteht parallel zur physischen Realität ein virtueller Raum, in dem ebenfalls städtische Funktionen ablaufen. Urbanität besteht nunmehr aus der Kombination aus physischer und virtueller Realität und insbesondere aus deren Vernetzung sowie der Nutzung der Synergieeffekte dieser Verbindungen (vgl. HADZIK 2016, S. 15).

Das ‘ Internet of Things ‘, „ one of the most important and powerful creations in all of human history “ (EVANS 2011, S. 2), besitzt das Potenzial, unser Leben grundlegend zu verändern und effizienter zu gestalten. Die Anzahl der mit dem Internet verbundenen Geräte wird sich von ungefähr 25 Milliarden im Jahr 2015 schätzungsweise auf circa 50 Milliarden innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppeln (vgl. ebda., S. 3). ‘Smart Home‘, ‘Smart Building‘ und schließlich die ‘Smart City‘ veranschaulichen Anwendungsgebiete dieser Technologie, insbesondere der Sensortechnologie. Viele Maschinen und Geräte sind bereits heute in der Lage, ohne explizite menschliche Bedienung auf die Umwelt zu reagieren. Einige sind schon in unseren Alltag integriert, ohne dass wir deren Einfluss auf die Umgebung wahrnehmen. Man spricht dann von einer „ Humanisierung der Technologie “ (HADZIK 2016, S. 14).

Eine weitere, das ‘IoT‘ betreffende Entwicklung bahnt sich mit dem 5G-Mobilfunkstandard an. Dieser bietet eine schnelle Datenübertragung mit nur noch minimaler Verzögerung, wie sie für viele neue technische Anwendungen unentbehrlich ist. Die sogenannten „ [n]euen digitalen Daten […] [werden] in Echtzeit erhoben, transportiert, verarbeitet und ausgewertet“ (KACZOROWSKI 2017, S. 9). Man spricht dann auch vom ‘Taktilen Internet‘. Daneben ist die fünfte Generation des Mobilfunks explizit darauf ausgerichtet, auch Objekte untereinander zu verbinden, um so den Weg für ein breit aufgebautes ‘IoT‘ zu ebnen. Der Mobilfunkstandard befindet sich derzeit noch in der Testphase und wurde beispielsweise bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea eingesetzt. Hier wurden mit Kameras verschiedene Sportarten live aufgezeichnet und in die virtuelle Realität übertragen, um wiederum Echtzeitdaten der Sportler direkt an der Strecke für die Zuschauer anzuzeigen (vgl. JANSEN & HEEG 2018). (vgl. zu diesem Abschnitt NEUGEBAUER 2018, S. 12 & 90-96)

Bezüglich der digitalen Transformation spielen auch die enormen Datenmengen, welche erzeugt, gesammelt und schließlich ausgewertet werden, eine entscheidende Rolle. Die sogenannten ‘Big Data‘ werden aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung auch als „ die DNA und der Treibstoff unserer modernen Welt “ (ebda., S. 15) angesehen. KACZOROWSKI (2014, S. 60) bezeichnet sie als den „ Rohstoff, aus dem Produkte, Prozesse und neues Wissen gewonnen werden “. Die richtigen Daten zu besitzen und effizient auszuwerten, wird zur entscheidenden Disziplin im 21. Jahrhundert. Maßgebend wird dabei auch der Umgang mit Daten sein, denn wer mit neuer digitaler Infrastruktur ausgestattet ist, Daten erzeugen und verarbeiten kann, besitzt automatisch auch Macht, beispielsweise im Städtewettbewerb (vgl. HOPPE 2015, S. 15). Daneben wird die Auswertung der in Daten enthaltenen Informationen ausschlaggebend sein. ‘Big Data‘ steht dabei auch für eine fortschrittliche Art der Datenanalyse, welche aus großen und häufig unstrukturierten Datenmengen einen Mehrwert generieren kann (vgl. BRESSEM et al. 2018, S. 198). (vgl. zu diesem Abschnitt BBSR/BBR 2017, S. 11)

Das ‘IoT‘ und der Umgang mit ‘Big Data‘ bieten grundlegende und innovative Ansätze für das städtische Leben. Insgesamt stellt die Digitalisierung verbunden mit den genannten Technologietrends die Städte zunehmend vor Herausforderungen. Zugleich bietet sie Möglichkeiten, städtische Prozesse wie beispielsweise in der Stadtverwaltung oder der Mobilität zu revolutionieren oder zumindest effizienter zu gestalten (vgl. GÜNTHNER et al. 2017, S. 50-51).

2.3.3 Digitale Transformation als Herausforderung für Städte

Die globale Entwicklung der Digitalisierung wird zur urbanen Herausforderung. Technologietrends wie das ‘IoT‘ oder ‘Big Data‘ bieten neue Möglichkeiten für Städte, wecken aber auch eine Erwartungshaltung an sie. Da sich die Nutzung digitaler IKT rasant entwickelt hat, kommt es heute zu einer hochgradigen Vernetzung und zur digitalen Transformation der Städte. Die damit einhergehenden Entwicklungen und Möglichkeiten zur Veränderung in Städten stellen eine große Herausforderung dar. Es ist essentiell, „ die Auswirkungen von modernen Technologien auf ihren Verantwortungsbereich im Sinne der Nachhaltigkeit, der regionalen Wertschöpfung und der BürgerInnen positiv mitzugestalten “ (BBSR/BBR 2017, S. 18). Der zunächst von Individuen und Unternehmen getriebene digitale Wandel lässt die Erwartungen an die Städte steigen, dort ebenfalls moderne IKT einzusetzen. „ Damit einher geht die Erwartung nach mehr Transparenz und Offenheit, Zugang zu Services und die Möglichkeit, Feedback zu geben “ (HOPP & SCHULTE 2016, S. 1). Bürger erwarten beispielsweise das Angebot, über neue Medien mit städtischen Akteuren kommunizieren zu können. Hierin liegt auch die Chance der Effizienzsteigerung der Arbeit der Stadtverwaltungen und es entstehen neue Möglichkeiten der Kooperation mit anderen Verwaltungen (vgl. LOBECK & WIEGANDT 2017, S. 4). Im Zuge dessen steigt auch die Erwartung, Informationen und Daten über die Städte im Internet recherchieren zu können. Exemplarisch erscheinen Verkehrsdaten, Geodaten und weitere Stadtdaten für die Bürger und Unternehmen relevant. Zumeist handelt es sich dabei um statische Daten, wobei die Forderung nach tagesaktuellen Informationen oder sogar Echtzeitdaten, unter anderem bei Busverbindungen, immer lauter wird.

Viele Apps ermöglichen heute bereits die Echtzeitverfolgung von Verkehrsinformationen in Städten. Als rechtliche Grundlage ist das Informationsfreiheitsgesetz zu nennen, nach welchem jeder Bürger Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen besitzt. Allerdings bleibt die Entwicklung eines ‘Open Data‘-Portals weiterhin der Stadtverwaltung überlassen. Sie kann also selbst entscheiden, welche Stadtdaten frei zugänglich und nutzbar gemacht werden und welche Daten im exklusiven Besitz der Stadt verbleiben. Letzteres lässt sich häufig auch auf Gründe des Datenschutzes zurückführen. Daraus scheint die nächste, aus der digitalen Transformation der Städte entstehende Herausforderung zu wachsen. Zusätzlich zur effizienten Nutzung von ‘Big Data‘ kommt es aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Daten und deren Analyse auch auf die Daten- und IT-Sicherheit an (vgl. BBSR/BBR 2017, S. 20). Neben dem Aufbau eines digitalen Infrastrukturnetzes sind folglich auch der angemessene Umgang und die Analyse von Daten in Kombination mit dem Aufbau des nötigen Know-Hows und der nötigen Kompetenzen sowie die anschließende Datensicherheit und Bereitstellung von Daten wichtige Aufgaben der Stadt (vgl. ebda. S. 21-22). (vgl. zu diesem Abschnitt HOPP & SCHULTE 2016, S. 12-15 und NEUGEBAUER 2018, S. 5-6)

Bei der zunehmenden Konzentration auf die urbane Technologie gilt es, auf dabei entstehende Randgruppen Acht zu geben und eine digitale Spaltung weitestgehend zu verhindern. Dies kann mitunter gelingen, indem eine aktive Mitgestaltung an der digitalen Transformation durch die Bürger und Unternehmen angetrieben wird. JAEKEL (2015, S. 55) beschreibt dies als „ Spannungsfeld von Wissenschaft und Kultur “ und meint damit auch, dass die Technologie nur als Upgrade für die Stadt gesehen werden kann und von den Akteuren mitgetragen und intelligent angewandt werden muss. Die Stadtentwicklung sollte zwar Offenheit und Lernwilligkeit für neue Ansätze zeigen, sich jedoch dabei den Herausforderungen der Digitalisierung mit einem kritischen Zugang nähern. „ Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern Motor für nachhaltiges Wirtschaften und damit für mehr Lebensqualität “ (HARTMANN et al. 2018, S. 14). Darüber hinaus geht es darum, weiterhin übergeordnete Ziele, wie zum Beispiel die in der ‘Leipzig Charta‘ festgehaltene ‘ Nachhaltige Stadt ‘ (vgl. BMUB 2007), im Blick zu behalten und Technologien als Mittel zum Zweck anzusehen und effizient einzusetzen, um tatsächlichen Nutzen daraus zu ziehen. Im Zuge dessen sollte auch berücksichtigt werden, dass im europäischen Raum die Digitalisierung auf einem infra- und soziostrukturellen Bestand erfolgen muss und es kaum möglich erscheint, völlig neue Stadtsysteme zu installieren. (vgl. zu diesem Abschnitt GÜNTHNER et al. 2017, S. 44)

Insgesamt zeigt sich die Digitalisierung zwar als eine große Herausforderung für die Städte, jedoch bietet sie mittels der Technologietrends auch zahlreiche Anknüpfungspunkte, um urbane Problemlagen und zukünftige Aufgaben der Städte zu bewältigen. Der Einsatz der IKT erscheint hierbei grundlegend, sollte jedoch intelligent und zielorientiert angewandt werden, um ganzheitliche Lösungsmodelle für städtische Zentren zu entwickeln. Zukünftige urbane Herausforderungen können nicht isoliert voneinander betrachtet und angegangen werden, sie erfordern ein hinreichendes Verständnis ihrer Wechselbeziehungen und Widersprüche sowie eine Verknüpfung untereinander (vgl. KaCZOROWSKI 2014, S. 69). Im Gesamten ist ein ganzheitlicher Ansatz gefragt, welcher sich den Anforderungen der modernen Technologien stellt und deren intelligenter Einsatz als Grundlage verwendet, um eine in allen Bereichen zukunftsfähige und nachhaltige Stadt zu gestalten. Dies umfasst den Grundgedanken zur Entstehung des Begriffes ‘Smart City‘.

3. Der Begriff der ‘Smart City‘: Entstehung und Bedeutung

In Kapitel zwei wurden grundlegende Entwicklungen der letzten Jahrzehnte benannt, welche Städte vor große Herausforderungen stellen. Daraus resultiert eine Vielzahl verschiedener Lösungsmodelle, Ansätze, Konzepte und neuer Begrifflichkeiten, welche unter das ‘Smart City‘-Konzept fallen. ‘Smart City‘ wird im Folgenden zunächst als ganzheitlicher Lösungsansatz vorgestellt, welcher von verschiedenen Akteuren getrieben und aus verschiedenen Perspektiven heraus geformt wird. Der Begriff ist dabei jedoch nicht einheitlich definiert, sondern durchläuft einen Entwicklungsprozess, der bis heute anhält. ‘Smart City‘ ist als allgemeiner Pool von Lösungsansätzen mit verschiedenen Schwerpunkten zu sehen, wobei die Nutzung der IKT und die Nachhaltigkeit als grundlegend einzuschätzen sind, so versucht der „ Begriff „Smart Cities“[…] die komplexen Fragen einer digitalen Transformation in den Städten zu bündeln “ (GÜNTHNER et al. 2017, S. 45). Neben den IKT und der Nachhaltigkeit beinhaltet der Ansatz jedoch noch viele weitere Schwerpunkte, wie beispielsweise die Steigerung der Lebensqualität und die Partizipation der Bürger. Diese grundlegenden Prinzipien lassen sich auch an den von der Politik und den Regierungen veröffentlichten Leitlinien oder Programmen verfolgen. Nach der Entwicklung des Begriffes werden in der Arbeit verschiedene Definitionen vorgestellt, bevor zum Ende des Kapitels eine Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen erfolgen soll. Dabei liegt der Fokus auch darauf, die Besonderheiten der ‘Smart City‘ herauszuarbeiten, um ein besseres Verständnis dafür zu erlangen.

3.1 ‘Smart City‘ als Lösungsansatz zur Stadtentwicklung

Aus der Erkenntnis, dass den Herausforderungen einer Stadt mit einem umfassenden Ansatz begegnet werden muss, entstand die Idee der intelligenten Stadt “ (HADZIK 2016, S. 10). Der ‘Smart City‘-Ansatz ist als eine Konsequenz und mögliche Antwort auf die globale Urbanisierung und die damit verbundenen aktuellen und zukünftigen sozioökonomischen und politischen Herausforderungen der urbanen Zentren anzusehen. Das Modell der Smart City umfasst eine Sammlung holistischer Entwicklungskonzepte zu verschiedenen Bereichen städtischen Lebens. Diese zunächst theoretischen Ansätze weisen einen ganzheitlichen Charakter auf, da alle Aspekte urbaner Lebensbereiche wie beispielsweise soziale und bauliche Infrastruktur, Mobilität und Verkehr, Energie und Nachhaltigkeit, Dienstleistungen und Handel, Politik und Verwaltung, Sicherheit sowie Stadtentwicklung und Stadtplanung angesprochen werden (vgl. ebda., S. 10 und LIBBE 2014a, S. 2).

Der ‘Smart City‘-Lösungsansatz stellt dabei einen Pool von Modellen und Konzepten dar, welche technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich innovative Ideen liefern, um das städtische Leben grundlegend zu verbessern. So entsteht durch Akteursgruppen aus unterschiedlichen Disziplinen der Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft sowie der Politik eine breitgefächerte Ansammlung von Entwürfen, die die Städte zukunftsfähiger gestalten sollen.

Den Lösungsansatz zeichnet insbesondere die Verwendung von digitaler IKT und im aktuelleren Sinn auch die Nachhaltigkeit aus. Neue Technologien und die Digitalisierung sind Herausforderung und Chance zugleich. Städte müssen ihre Systeme entsprechend der rasanten Entwicklung der Technologie adaptieren und zugleich moderne IKT angemessen einsetzen, um ablaufende Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Städte sollen ‘ smarter ‘ werden: Dies bedeutet einerseits, dass in urbanen Räumen ein höherer Lebensstandard erzeugt werden muss und dass Städte attraktiver und wettbewerbsfähiger gestaltet werden. Andererseits muss auch die Umwelt durch kluges Ressourcenmanagement geschützt werden. Mithilfe von IKT sollen nun intelligente Lösungen für alle städtischen Bereiche entwickelt und eingesetzt werden. IKT sind als Mittel zur Bewältigung der urbanen Herausforderungen heutzutage unabdingbar, jedoch bergen sie auch Gefahren, beispielsweise hinsichtlich der Datensicherheit, und sollten daher strategisch und als ganzheitliches Konzept angewandt werden (vgl. Etezadzadeh 2015, S. 45-48 und PWC 2015, S. 9 & 12-14).

Mit dem Einsatz von IKT als Kernthema könnte das Leitbild ‘Smart City‘ auch das von der ‘Leipzig Charta‘ entwickelte und 2007 veröffentlichte ‘Integrierte Stadtentwicklungskonzept‘ (‘INSEK‘) erweitern. Dieses wurde bereits durch die Aufnahme der Themen Klimaschutz und intelligentes Energiemanagement ergänzt (vgl. Hoppe 2015, S. 7). Der ‘Smart City‘-Ansatz stellt ebenso wie das ‘INSEK‘ einen Prozess dar und dient der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie (vgl. BMUB 2017). 2016 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) die Dialogplattform ‘Smart Cities‘ eingerichtet. In diesem breit angelegten Dialogprozess diskutierten 70 Vertreter der Städte, Kreise und Gemeinden, verschiedener Bundesressorts, kommunaler Spitzenverbände, der Organisationen der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft die Themen Digitalisierung und ‘Smart City‘ im Kontext der integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung. Als Ergebnis wurde 2017 die ‘Smart City Charta‘ veröffentlicht. Darin wurden schließlich „ normative Leitlinien für eine nachhaltige digitale Transformation von Kommunen […] [und] konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung dieser Leitlinien “ (BBSR/BMUB 2017, S. 9) formuliert. Die ‘Smart City Charta‘ dient somit der aktiven, zielgerichteten und gesteuerten Gestaltung der Digitalisierung in Städten und als fundierte Grundlage der weiteren Diskussion über die urbane Zukunft. Dabei beschreibt die ‘Smart City Charta‘ ein normatives Bild einer intelligenten, zukunftsorientierten Stadt und knüpft damit neben der ‘Leipzig Charta‘ zur nachhaltigen europäischen Stadt auch an die ‘New Urban Agenda‘ der ‘ Vereinten Nationen ‘ an (BMUB 2017). Des Weiteren baut sie auf der ‘Nationalen Stadtentwicklungspolitik‘ und der ‘Urban Agenda‘ der Europäischen Union (EU) auf und unterstützt die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien (vgl. BBSR/BMUB 2017).

Bezüglich des vorherigen Kapitels gilt der ‘Smart City‘-Begriff somit als Antwort auf die Herausforderungen der Stadt, mit speziellem Fokus auf die Digitalisierung, den Einsatz der IKT und die Nachhaltigkeit. So ist

den meisten Ansätzen […] gemein, dass man unter ‚Smart City‘ den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zum Zwecke einer integrierten Stadtentwicklung versteht. Übergeordnete Ziele, die man mit diesen Technologien erreichen möchte, [sind] […] Klimaschutz, Steigerung der Lebensqualität für ‚Smart City‘-Bewohner, mehr Partizipation, Inklusion, Ressourceneffizienz und höhere Wettbewerbsfähigkeit “ (Hoppe 2015, S. 5).

Dabei befindet sich der ‘Smart City‘-Lösungsansatz als Agglomeration von Konzepten, welche Städte zukunftsfähig gestalten wollen, noch in der Entwicklung und ist keineswegs als fertig ausgearbeitetes Modell anzusehen (vgl. Jaekel 2015, S. 31). Gleichermaßen durchläuft der Begriff ‘Smart City‘ einen Entwicklungsprozess, was im nächsten Abschnitt nachvollzogen werden kann.

3.2 Begriffsentwicklung von ‘Smart City‘

Der Begriff ‘Smart City‘ tauchte erstmals im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts auf. Die ersten Ansätze und Diskussionen dazu beschreiben „ das Wesen einer Smart City als technologisches Konzept […], indem digitale urbane Netze technologisch miteinander vernetzt werden “ (Jaekel 2015, S. 19). Ursprüngliche Idee und treibende Kraft hinter dem Ansatz war die Annahme, dass die Verfügbarkeit und Qualität von Kommunikations- und Infrastrukturen eine zentrale Rolle für die Leistungsfähigkeit von Städten spielen (vgl. Wiener Stadtwerke 2011, S. 8). Man erkannte, dass die rasante Entwicklung in Richtung Digitalisierung auch das urbane Leben verändern wird und betrachtete mit dem Ansatz der ‘Smart City‘ gezielt das Eindringen der IKT in die Stadt. Der Begriff der ‘Smart City‘ bestand also anfänglich aus der isolierten Sicht auf den Einsatz von Technologien in Städten. Dies spiegelte sich auch in den ersten Definitionen von ‘Smart City‘ wider, was Caragliu et al. (2009, S. 49) bemerkten und es zugleich kritisierten: „ several different definitions of smart city have been given in the past, most of them focus on the role of communication infrastructure […], in our opinion, the stress on the internet as the smart city identifier no longer sufficies. “ Denn Anfang des 21. Jahrhunderts kam es zu einem Wandel in der Bedeutung des Ausdruckes ‘Smart City‘. Eine Schwerpunktverschiebung und Auffächerung des Begriffes bahnte sich an, so schrieben Giffinger et al. bereits 2007 (S. 10) in einer heute noch für den ‘Smart City‘-Ansatz sehr bedeutenden Veröffentlichung: „ it is not useful to solely focus on the performance of only one aspect of city development but on the performance in a broad range of characteristics. […] To sum up, there are several fields of activity which are described in literature in relation to the term Smart City. “ Damit war der Begriff der ‘Smart City‘ längst nicht mehr nur auf die Technologie beschränkt, sondern sah diese und die daran anschließende Digitalisierung als einen Baustein oder sogar teilweise als Grundstein für die ‘Smart City‘-Konzepte an.

Mittlerweile lässt sich die Bezeichnung ‘Smart City‘ in eine Vielzahl von Facetten unterteilen und findet vielseitig Verwendung. Dies ist neben der Aktualität auch auf den Prozess- und Entwicklungscharakter des ‘Smart City‘-Konzeptes zurückzuführen. Dabei spielt vor allem die Vielfalt der Akteure, Institutionen sowie Disziplinen, welche den ‘Smart City‘-Ansatz verwenden und entwickeln, eine Rolle. So wirken beispielsweise Stadtplaner, Ökonomen, Community-Arbeiter, Sozialwissenschaftler, Technologieexperten, Politiker und Bürger auf das somit sozioökonomisch-technische Wesen der ‘Smart City‘ ein (vgl. JAEKEL 2015, S. 18). Hinzu kommt in neueren Ansätzen eine ökologisch nachhaltige und soziokulturelle Komponente. „ Heute stehen bei Smart City insbesondere auch Energie und Mobilität in Verbindung mit der Nutzung moderner IKT für Klimaschutz (low carbon) und Lebensqualität im Mittelpunkt “ (WIENER STADTWERKE 2011, S. 5). Insgesamt betrachtet entstehen dadurch verschiedene Ansätze und Modelle zum Thema ‘Smart City‘, welche mit verschiedenen Schwerpunkten und Charakteristika ausgestattet sind.

Die Vielfalt der Akteure zeigt sich zudem in der Unterteilung in Betrachtungsperspektiven nach Müller-Seitz et al. (2016, S. 4): Die Entwicklung des ‘Smart City‘-Begriffes beinhaltet die Perspektive der Unternehmen, des öffentlichen Sektors sowie der Wissenschaft. Die Perspektive der Unternehmen ist geprägt durch das Angebot von IKT. Hier sind IBM, Cisco Systems und die Siemens AG Vorreiter (vgl. Kapitel 6). Die Perspektive des öffentlichen Sektors meint die Regierungen und Stadtplaner, welche für die immer zahlreicher erscheinenden, ausgearbeiteten ‘Smart City‘-Konzepte verantwortlich sind. Nicht zuletzt hat auch die Perspektive der Wissenschaft eine große Bedeutung, sodass in den letzten Jahren vermehrt Forschung in dem Gebiet betrieben wurde und stetig theoretische Konzepte entwickelt werden.

Die Möglichkeit der vielfältigen Verwendung der Begrifflichkeit liegt überdies im Namen selbst begründet. Sie beginnt mit der Unschärfe des Begriffes ‘smart‘. Das englische Adjektiv bedeutet übersetzt etwa clever, intelligent und klug. Dies lässt eine Vielzahl von Bedeutungen zu. Im Zusammenhang zum Thema ‘Smart City‘ kann der Begriff folgende Bedeutungsgrundlagen beinhalten: ‘Smart‘ im Sinne von intelligent meint die Entwicklung von innovativen Ansätzen und insbesondere den Einsatz neuartiger IKT. Daneben ist ‘smart‘ auch integrativ, vernetzt und systemübergreifend, was auch räumliche Vernetzung inkludiert. ‘Smart‘ lässt sich auch mit effizient übersetzen, womit speziell eine Effizienzsteigerung bezüglich des Ressourceneinsatzes im Energieverbrauch eine Rolle spielt. Neben effizient kann ‘smart‘ hier auch effektiv bedeuten, was sich auf die Auswirkungen von Maßnahmen für die Entwicklung der Stadt bezieht. Darüber hinaus kann ‘smart‘ auch adaptiv meinen, so sollen sich Systeme anpassen und zugleich ihre Funktionalitäten beibehalten. Hinzu kommt noch die Bedeutung von ‘smart‘ als attraktiv: Die Attraktivität für Bürger und Investoren soll auf der einen Seite für eine höhere Lebensqualität sorgen und auf der anderen Seite Anreiz für neue Investitionen bieten. (vgl. zu diesem Abschnitt Jaekel 2015, S. 21-22 und Bronnert & Jaekel 2013, S. 9)

Bezüglich des Begriffes ‘Smart City‘ vereint ‘smart‘ somit die Begriffe Digitalisierung (Einsatz von IKT), Intelligenz und Nachhaltigkeit. Dieses Verständnis von ‘Smart City‘ spiegelt sich auch in den folgenden Definitionen wider.

[...]

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Das Konzept der "Smart City." Handlungsfelder und Perspektiven
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
111
Katalognummer
V489727
ISBN (eBook)
9783668965805
ISBN (Buch)
9783668965812
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Smart City, Stadtgeographie
Arbeit zitieren
Marcel Schorr (Autor:in), 2018, Das Konzept der "Smart City." Handlungsfelder und Perspektiven, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489727

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