Das Theater der französischen Klassik als Instrument der Kulturpolitik Ludwigs XIV. am Beispiel von Molière und Racine


Seminararbeit, 2005

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Hinführung
1. Epochenüberblick
2. Der Mäzen: Ludwig XIV. als Freund und Gönner der Kunst und Künstler
3. Entstehung, Aufgaben und Wirkungsfeld der Académie française
4. Die Querelle des anciens et des modernes
5. Das Publikum der Autoren

II. Hauptteil: Die Hofpoeten Molière und Racine
1. Molière
1.1. Die Querelle um den Tartuffe
1.2. Molières Selbstverständnis über die Wirkung seiner Komödien
1.3. Das Verhältnis zwischen Molière und Ludwig XIV.
2. Racine
2.1. Die Schlüsselwörter der Dramaturgie Racines
2.2. Racines Orientierung an der Antike
2.3. Die Formel pla ire et toucher
2.4. Racines Verhältnis zu Ludwig XIV.

III. Fazit

Bibliographie

Einleitung

Zur Zeit der Klassik hatte Frankreich unter der Herrschaft Ludwigs XIV. eine noch nie zuvor da gewesene machtpolitische und künstlerische Stellung erreicht. In diese Zeit fällt ebenfalls die Blütezeit des Theaters in Frankreich, welche es nicht zuletzt der Begeisterung Ludwigs XIV. dafür verdankte. In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich daher mit der Rolle des Theaters in der französischen Klassik als ein Teil der Kulturpolitik Ludwigs XIV., untersucht an dem Bespiel der beiden Hofpoeten Jean-Baptiste Poquelin, genannt Molière (1622-1673), und Jean Racine (1639-1699).

Beginnen werde ich meine Arbeit mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten historischen Ereignisse und Ideale der damaligen Zeit. Danach folgt eine kurze Charakterisierung von Ludwig XIV., der sich selbst für das Theater der damaligen Zeit begeisterte und es unterstützte, sich ihm aber auch als ein Mittel zur Verbreitung seiner Politik bediente.

Als nächstes folgt dann ein Abschnitt über die Entstehung sowie die Aufgaben und den Einfluss der Académie française ein und ich werde untersuchen, inwieweit die Académie française und die damit zusammenhängende Bildungspolitik Ludwig XIV. das Theater der damaligen Zeit beeinflusste.

Im darauffolgenden Abschnitt werde ich dann versuchen die Hintergründe, die zu der Querelle des anciens et des modernes führten, darzulegen und zu untersuchen. Dabei lege ich besonderes Augenmerk darauf, welche die genauen Streitpunkte waren, und welche Positionen Molière und Racine in diesem Streit innehatten.

Anschließend gebe ich dann einen Überblick darüber, aus welchen Schichten sich das Publikum, für welches die beiden Autoren schrieben, zusammensetzte, um danach mit dem Selbstverständnis der beiden Autoren und damit, wie sie die Rolle des Theaters selbst sehen, zu untersuchen. Dabei werde ich besonderes Augenmerk darauf legen, welches nach der Meinung der beiden Autoren die Funktionen und Aufgaben des Theaters sind. Zudem werde ich in diesem Abschnitt auf die Rolle des Hofpoeten am Beispiel von Molière und Racine eingehen und seine Aufgaben näher beschreiben.

I. Hinführung

1. Epochenüberblick

Im klassischen Jahrhundert erreicht Frankreich einen machtpolitischen, kunst- und literarhistorischen Höhepunkt seiner Geschichte, der seitdem nie wieder erreicht wurde. Der Begriff „klassisch“ bezeichnet dabei die Orientierung an den Werken der Antike, jedoch entwickelt der Begriff auch eine Eigendynamik, so dass unter „klassisch“ auch bald die eigenen zeitgenössischen Schriftsteller verstanden werden.

Das siècle classique kennzeichnet dabei den Zeitraum von 1598 bis 1715, es lehnt sich dabei an zwei wichtige historische Ereignisse an. 1598 erlässt Heinrich IV. das Edikt von Nantes, welches die Religionskriege in Frankreich beendet und den Hugenotten Religionsfreiheit zusichert und welches 1685 wieder aufgehoben wird, was Frankreich vor allem wirtschaftlich schadet, da viele Protestanten wohlhabende Kaufleute waren und nach der Aufhebung des Ediktes das Land trotz Auswanderungsverbotes verlassen, während der Tod Ludwigs XIV. 1715 das Ende der Epoche kennzeichnet. Ein weiteres wichtiges historisches Ereignis stellt die Fronde in der Mitte des 17. Jahrhunderts dar. Die Niederschlagung der Fronde ermöglicht die Erstarkung der absolutistischen Monarchie und damit verbunden natürlich auch die Erstarkung der Macht Ludwigs XIV.[1]

Klassik kennzeichnet dabei auch eine Vorstellung von Klarheit und Einfachheit, eine Geschlossenheit und Geradlinigkeit sowie eine Anpassung an Formvorgaben und Regeln. Bis zur Machtübernahme Ludwigs XIV. 1661 (bis dahin regierte seine Mutter Anna von Österreich zusammen mit dem Kardinal Mazarin) wird oft auch parallel der Begriff Barock verwendet. Im Gegensatz zur Klarheit und Einfach der Klassik bezeichnet der Begriff Barock eine Vielschichtig- und Vieldeutigkeit sowie eine Regelwidrig- und Regellosigkeit und eine Mischung von Stilelementen, während ein strenges Formprinzip bei den Klassikern vorherrscht.[2]

Das klassische Jahrhundert lässt sich zudem in drei Epochen einteilen, und zwar in eine Vorklassik (1610-1650), in der barocke Elemente vorherrschen, eine Hochklassik (1650-1685), in welche die Blütezeit der Theater fällt, und in eine Nachklassik (1685-1715), welche oft auch Frühaufklärung genannt wird. Jedoch ist keine Epoche alleine durch ein bestimmtes Element gekennzeichnet, vielmehr ist „das Nebeneinander unterschiedlicher Stile und Ausdrucksformen auch ein Indiz durchgängiger gesellschaftlicher Spannungen“.[3] Ebene jene „zahlreichen Widersprüche des >siècle classique< verlangen nach einer ideologischen Aussöhnung, die das Jahrhundert im Ideal der >honnêteté< findet“.[4] Dieser Begriff kennzeichnet eine „Anständigkeit und Rechtschaffenheit“ und der honnête homme wird zum Leitbild der Gesellschaft. Er ist dabei ein ständeübergreifendes Ideal, welches „[…] für alle Vertreter der höfischen Gesellschaft verbindlich ist […]“.[5] Solch ein honnête homme muss gebildet und fähig sein, „[…] sich allen Situationen und Milieus anzupassen [und] allzeit über jeden Gegenstand gefällig zu plaudern. […] Selbstkontrolle, Mäßigung, Verzicht auf Individualität, vor allem aber die Kunst der Konversation sind seine Eigenschaften“.[6]

Während des klassischen Jahrhunderts kommt es auch zur Entstehung einer einheitlichen Nationalsprache, dabei befreit sich das Französische vom Latein und die französischen Dialekte werden verdrängt und weichen einer Hochsprache. Zudem wird die Sprache auch zu einem politischen Faktum, welches eine Entwicklung darstellt, derer sich sowohl Ludwig XIV. als auch Kardinal Richelieu und damit verbunden die Académie française bewusst sind (siehe auch Abschnitt über die Académie française).

In Bezug auf die Dichtkunst gibt es während des klassischen Jahrhunderts eine Regelpoetik, die sogenannte doctrine classique, die vor allem in der Hochklassik mit ihren formalen und inhaltlichen Maßregeln die Grundlage für das literarische Schaffen bildet. Ziel eines Werkes ist dabei sein Wirkung auf die Zuschauer: „Durch ästhetisches Vergnügen (>plaire<) und emotionale Rührung (>toucher<) soll es zur sittlichen Besserung und Erziehung der Menschen beitragen (>instruire<)“.[7] Nach Grimm lässt diese doctrine classique zudem erkennen, dass Kunst auch handwerkliches Können verlangt, da man sich als Autor an eben jene Regeln halten muss.

2. Der Mäzen: Ludwig XIV. als Freund und Gönner der Kunst und Künstler

Das klassische Jahrhundert in Frankreich steht ganz unter dem dominierenden Einfluss des Herrschers, Ludwig XIV. Sein „stark ausgeprägte[s] Bedürfnis nach Ruhm und Reputation […]“[8] zeichnet sich allein dadurch schon aus, dass er sich bereits 1662, also ein Jahr nach seinem Amtsantritt, selbst der Sonne als sein Emblem bediente, welches ihm bald den Beinamen des Sonnenkönigs gab.[9] Auch Versailles, welches zwar erst 1682 zum ständigen Sitz des Hofes wurde, kann dabei ebenfalls als Ausdruck seines Bedürfnisses nach Ruhm und Reputation gesehen werden. So diente der königliche Hof, insbesondere Versailles nach Bezug 1682, aber auch die vielen anderen Schlösser, die vorher der Sitz des Hofes und der Regierung waren, als Mittel dazu, „[…] die Größe, die Macht und die Reputation des Königs und der Monarchie nach außen hin und vor aller Welt zu dokumentieren“.[10]

In der Ausgestaltung des Hofes drückte sich zudem die Absicht des Königs aus, „[…] die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller Frankreichs um sich zu versammeln und die Hofgesellschaft zu unterhalten“.[11] Doch verbarg sich hinter diesem Mäzenatentum auch die Absicht, das kulturelle Leben in Frankreich zu beeinflussen und es im Interesse seiner Politik zu steuern und es gleichzeitig dazu zu nutzen, seine Ansichten und Politik durch die Künste zu verbreiten.[12] So versuchte Ludwig XIV. unter anderem durch die Einführung einer Druckerlaubnis zu steuern, was über ihn und den Staat geschrieben wurde. Gleichzeitig gab es auch ein großes Vereinheitlichungsbestreben. Dies drückt sich unter anderem durch das Ziel aus, die Sprache zu vereinheitlichen. Durch die Entstehung einer literarischen Hochsprache gleichzeitig eine einheitliche Nationalsprache zu schaffen, da eine einheitliche Sprache auch immer politische und soziale Einheit schafft.[13]

Zudem begeisterte sich Ludwig XIV. ungemein für das Theater, was sicherlich die Blüte des Theaters in der Klassik bedingte. Jedoch bedienen sich Ludwig XIV. und Kardinal Richelieu auch schnell des Theaters als ein Mittel, eine „staatlich sanktionierte (Ordnungs-) Ideologie“ zu propagieren.[14] Das Theater wird somit Teil ihrer Kulturpolitik.

3. Entstehung, Aufgaben und Wirkungsfeld der Académie française

Mit der Ernennung des Kardinals Richelieu zum Minister im Jahre 1624 beginnt nach Jürgen Grimm eine „[…] zielgerichtete, absolutistische Kulturpolitik, die individuelle und standesbedingte Besonderheiten zugunsten einer klassischen Regelmäßigkeit zurückzudrängen sucht“.[15]

Diese Kulturpolitik Richelieus beinhaltet auch die Gründung der Académie française im Jahre 1635. Sie war jedoch nicht alleinige Idee Richelieus, vielmehr trugen ihm einige Schriftsteller, die sich seit 1629 regelmäßig trafen, die Gründung dieser Akademie an. Zu den 40 Mitgliedern der Académie française zählten zu Beginn unter anderem Maynard und Balzac, Racine wurde 1673 in die Académie française aufgenommen. Noch bis heute beträgt die Mitgliederzahl übrigens jene 40. Die Akademie setzt sich dabei jedoch nicht nur aus Schriftstellern zusammen, sondern ihre Mitglieder heute wie damals haben im weitesten Sinne etwas für das Wohl der Literatur und Sprache getan und sorgen sich noch immer darum:

[…] Depuis sa naissance, l’Académie n’est pas exclusivement reservée à des littérateurs de profession; elle admet des protecteurs des lettres et des hommes qui se sont particulièrement distingués dans diverses activités (prélats, diplomates, savants,…) […].[16]

Ziel der Académie française unter Richelieu ist es, der Sprach- und Literaturpflege zu dienen. Dies beinhaltet dabei die Veröffentlichung einer Grammatik, eines Wörterbuches, einer Poetik sowie einer Rhetorik. Doch erst im Jahre 1694 wird mit dem Erscheinen eines Wörterbuches das erste dieser vier Werke fertiggestellt, die Grammatik erscheint erst im Jahre 1932, und die beiden anderen Werke zu Poetik und Rhetorik werden gar nie in Angriff genommen.

Dennoch entwickelt sich die Académie française mit der Zeit immer mehr zu einem „[…] Instrument des sprachlichen, literarischen und […] politischen Konformismus“.[17]

Ein Ausdruck dieses Konformismus findet sich in der Einführung einer königlichen Druckerlaubnis wieder, die zu der damaligen Zeit für jedes literarische Werk eingeholt werden muss. Diese Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass in dem Werk keinerlei Aussagen gegen die Religion oder die Würde des Königs enthalten sind. Nur wenn dies erfüllt ist, darf das Werk auch in Druck gegeben werden. Die einzige Möglichkeit, diese Zensur zu umgehen besteht darin, dass Werk in der Provinz oder im Ausland drucken zu lassen.

[...]


[1] Grimm, Jürgen. „Das klassische Jahrhundert“. Französische Literaturgeschichte. Hrsg.

Jürgen Grimm (Stuttgart: Metzler, 1999), 136-138.

[2] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 137.

[3] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 138.

[4] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 143.

[5] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 143.

[6] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 143.

[7] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 146.

[8] Malettke, Klaus. Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung. (Göttingen: Muster- Schmidt Verlag, 1994), 69.

[9] Malettke, 67.

[10] Malettke, 74.

[11] Malettke, 74.

[12] Malettke, 74.

[13] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 158.

[14] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 158.

[15] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 138.

[16] Des Granges, Ch.-M., J. Boudot. Histoire de la littérature française. Des origines à nos jours (Paris: Hatier, 1962), 344.

[17] Grimm. Französische Literaturgeschichte, 142.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Das Theater der französischen Klassik als Instrument der Kulturpolitik Ludwigs XIV. am Beispiel von Molière und Racine
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Einführung in die französische Literaturgeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
28
Katalognummer
V48915
ISBN (eBook)
9783638454926
Dateigröße
732 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theater, Klassik, Instrument, Kulturpolitik, Ludwigs, Beispiel, Molière, Racine, Einführung, Literaturgeschichte
Arbeit zitieren
Andreas Kirchmann (Autor:in), 2005, Das Theater der französischen Klassik als Instrument der Kulturpolitik Ludwigs XIV. am Beispiel von Molière und Racine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48915

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