Das Chorwesen in Deutschland

Die Bedeutsamkeit des Singens in der Gemeinschaft. Ursachen des Scheiterns von Chören und neue Impulse


Hausarbeit, 2018

15 Seiten, Note: 10

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1.0 Einleitung

2.0 Historischer Abriss
2.1 Chorgesang im 19. Jahrhundert
2.2 Chorgesang im 20. Jahrhundert
2.2.1 Erster Weltkrieg
2.2.2 Zweiter Weltkrieg
2.2.3 Neubeginn nach

3.0 Chorgesang im 21. Jahrhundert – erneute Krise und ihre Ursachen

4.0 Die Bedeutsamkeit des gemeinschaftlichen Singens

5.0 Veränderung des Chorwesens bis

6.0 Fazit

7.0 Literaturverzeichnis

1.0 Einleitung

Seit Jahrhunderten singen die Menschen, obgleich aus Gründen der mündlichen Überlieferung von Historie, als Unterhaltung am Hofe oder im 19. Jahrhundert als Antrieb und Motivation, um in den Kampf zu ziehen. Die Annahme, dass das Chorwesen in Deutschland aussterbe und es zukünftig kaum noch existiere, hält sich hartnäckig. Die Statistik jedoch deutet etwas Anderes an. Weshalb es zu solch einer Annahme kommt, wird unter anderem im Zuge dieser Arbeit erläutert.

Darüber hinaus beschäftigt sich diese wissenschaftliche Arbeit zu Beginn mit der Historie des Chorwesens, angefangen im 19. Jahrhundert mit der Zelterschen Liedertafel, die die ersten Schritte ebnet für die Laienchorbewegung, bis hin zum Chorgesang im ersten sowie im zweiten Weltkrieg und den damit verbundenen Krisen und Einbußen, die der Chorgesang hat erleben müssen. Der historische Exkurs, welcher dazu dient, das Interesse der Bevölkerung am Chorgesang zu verdeutlichen, endet mit dem aktuellen Chorleben heute. Hier wird darauf Bezug genommen, ob und inwieweit sich die gesellschaftliche Situation und der Chorgesang verändert haben. Vorangestellt wird eine Ursachenfindung für die vielen Einbrüche, die das Chorwesen in Deutschland hat erleben müssen. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Männergesangvereine gelegt, die bis heute mit immer geringer werdenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben. Die Rolle des Liederrepertoires nimmt in diesem Abschnitt eine stark thematisierte Rolle ein.

Abgeschlossen wird diese Arbeit durch ein persönliches Fazit und einen Ausblick darauf, was getan werden muss, um den Chorgesang auch künftig sichern zu können.

2.0 Historischer Abriss

2.1 Chorgesang im 19. Jahrhundert

Im Jahre 1791 wurde die „Singe-Academie“ durch Carl Fasch gegründet. Als die älteste gemischte Chorvereinigung der Welt steht sie für den „Übergang der rein höfischen Musikkultur zur bürgerlichen Musikpflege“.1 Sie gibt, zu ihrer Zeit, den Laien die Möglichkeit ebenfalls aktiv am Musizieren teilzunehmen. Aufgrund des öffentlichen Auftritts der „Singe-Academie“ kommt es ab 1793 vermehrt zur Gründung von Musikvereinen, Singakademien, Singvereinen und Singgesellschaften, darunter auch die Zeltersche Liedertafel. Diese wurde im Jahr 1809 von Carl Friedrich Zelter gegründet und gilt als die Geburtsstunde des bürgerlichen Männergesangs. Das Besondere der Zeltersche Liedertafel ist der vierstimmige Männergesang, der keinerlei Verbindung zu Kirche oder Oper aufweist und sich „die Schaffung neuer Literatur“ zu Aufgabe macht.2

„Es kann also Niemand ein Mitglied sein, der nicht singen, kein Lied dichten, oder in Musik setzen kann.“3

Die Zeltersche Liedertafel „sollte eine anhaltende Wirkung auf sozial niedrige Klassen haben“ und schon bald gründeten sich zahlreiche neue Männergesangvereine.4 Frauen sollten vorerst vom aktiven Singen ausgeschlossen bleiben, denn es galt das ungeschriebene Gesetz, dass das Singen Männersache sei, so Zelter. Darüber hinaus wird der Gesang erstmalig ein politisches Instrument zur Überwindung der Fremdherrschaft.5

Insbesondere nach dem Hambacher Fest 1832 vergrößern sich die Sängerzahlen in den Männergesangvereinen rasant. Es entsteht eine singende Bürgerbewegung, die eine Macht im Kampf um die „Freiheitsrechte“ und die „Einheit der Nationen“ wird. Der Chorgesang wird „zum Vehikel des Widerstands“.6

Durch die neu gewonnene Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Industrialisierung erfährt das Vereinsleben einen erneuten Boom. Die Chöre organisieren sich zu strukturierten Vereinen mit Satzungen, Mitgliederversammlungen, Mitgliedsbeiträgen und Vorständen. Jedoch wenden sich die bürgerlichen Männergesangvereine von ihren ursprünglichen Idealen ab, woraufhin die Arbeitergesellschaft, die als integriert galt, ab 1863 Arbeitergesangvereine gründet.7

Die Arbeitergesangvereine singen neben dem bürgerlichen Lied auch Arbeiter- bzw. Tendenzlieder, die „mit klassenkämpferischem Auftrag und politischer Botschaft“ vorangehen.8 1877 gründen die Arbeitergesangvereine den Deutschen Arbeiter-Sängerbund (DASB), da sie sich durch den Deutschen Sängerbund nicht mehr vertreten fühlen. Die Gleichberechtigung der Mitwirkenden und ein „emanzipatorischer Ansatz“ sind von Beginn an das Aushängeschild des DASB, und somit kommt es dazu, dass Frauen erstmals in Chören befürwortet werden.9

2.2 Chorgesang im 20. Jahrhundert

2.2.1 Erster Weltkrieg

Ein Jahrhundert nach Gründung der Zelterschen Liedertafel ist die Musikkultur durch eine breite Masse geprägt, die sich aus Handwerkern, Kaufleuten, Lehrern, Beamten, Studenten, Intellektuellen sowie Industriellen und Arbeitern zusammensetzt.10 „Der „neue“ Chorgesang ist Ausdruck des Emanzipationsbestrebens des Bürgertums und leistet – immer auch politisch – einen wesentlichen Beitrag zur Bildung des deutschen Nationalstaats.“11 Jedoch erlitten die Vereine mit dem ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 einen herben Niederschlag. Schon seit Beginn der Reichsgründung ändert sich das Liederrepertoire der Vereine zu einem nationalistisch-patriotischen Ansatz, meist entnommen aus dem Kaiserliederbuch, welches heroisch-vaterländische Lieder beinhaltet. Mit Beginn des ersten Weltkrieges kommt das Vereinsleben zum Erliegen. Es können keine Chorproben mehr stattfinden, da hunderttausende junge Männer in den Krieg ziehen müssen. Besonders die Männerchöre müssen einen starken Einbruch der Mitglieder verzeichnen.

Erstmals beginnt auch das Repertoire der Chöre einen politischen Gipfel zu erreichen. „Das Lied wird zur Waffe.“12 Es entsteht eine Sammlung neuer patriotischer, kriegsstimulierender Lieder sowie Heldenverehrungen. Das Lied übernimmt jedoch ebenso eine trostspendende und haltgebende Aufgabe in Zeiten des Krieges, an der Front sowie zu Hause, um Tod und Trauer verarbeiten zu können.13

In den Nachkriegsjahren sind die Auswirkungen des Krieges in den Männerchören noch spürbar. Allerdings erhält das Chorwesen insgesamt wieder einen deutlichen Zulauf. Besonders Kirchen und gemischte Chöre erfahren einen Zuwachs, da das Zusammenkommen in Zeiten der Not und des Hungers Geborgenheit, Sicherheit und Orientierung vermittelt. Darüber hinaus heißen die gemischten Arbeitergesangvereine neben Frauen auch Kinder willkommen. Die Chöre beginnen musikalisch anspruchsvoller zu werden und erlangen ein hohes Niveau, welches mitunter dadurch erreicht wird, dass nicht mehr ausschließlich Volks- und Tendenzlieder gesungen werden, sondern auch anspruchsvollere Werke wie z.B. von Händel oder Haydn.14

2.2.2 Zweiter Weltkrieg

Den zweiten großen Einbruch erfährt das Chorwesen mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933. Es kommt er zu einer Gleichschaltung des Deutschen Sängerbunds durch die Reichskulturkammer und einer Durchorganisation nach dem Führerprinzip.15 Neben dem Lied als Waffe wie es schon im ersten Weltkrieg Gebrauch findet, wird nun das Lied auch als nationalpolitisches Erziehungsmittel eingesetzt.16 Der Missbrauch von Lied und Chorgesang beginnt alltäglich zu werden. Dies führt wiederum „auf Vereinsebene […] [zu] Chorproben-Absenz, Interesselosigkeit und Ablehnung“17.

Der DASB löst sich 1933 auf, da gegen ihn noch stärkere Maßnahmen verhängt werden, als gegen die Männergesangvereine. Viele Chöre beginnen sich jedoch daraufhin im Verborgenen neu zu organisieren und somit entsteht ein Treffpunkt von Sozialdemokraten, Kommunisten und Regimegegnern, um politischen Widerstand inkognito zu leisten.18

Zu Beginn des zweiten Weltkriegs schwächt das Vereinsleben ab, da zahlreiche Sänger und Dirigenten einberufen werden. Mit dem „totalen Krieg“ kommt das Vereinsleben letzten Endes völlig zum Erliegen, besonders die Männerchöre müssen einen starken Einriss ihrer Mitgliederzahlen verzeichnen.19

2.2.3 Neubeginn nach 1945

Nach dem zweiten Weltkrieg liegt das Vereinsleben vorerst brach, neue Vereine müssen gegründet und Vereinssatzungen dringend erneuert werden. Unter dem Motto „Friede, Freiheit, Freude“ gründet sich 1949 der Deutsche Sängerbund (DSB) neu. Trotz des Wiederaufbaus des Vereinslebens und der Verabschiedung eines Kulturprogramms, welches die Aufnahme der Frauenchöre, gemischten Chöre sowie Kinder- und Jugendchöre beinhaltet, leidet das Chorleben nach wie vor unter dem Missbrauch des Liedes zu Zeiten des Krieges. Der Badische Sängerbund fordert in seinem Gründungsprotokoll im „Denken und Handeln weltoffenere Sänger“ ein und gleichzeitig ein neues Liederrepertoire, welches bereits in den 50er Jahren umgesetzt wird.20

[...]


1 Lutschewitz, Hartmut: Chorgesang in Deutschland. Die neue Lust zu singen: 200 Jahre deutscher Laienchorgesang – seine historische Entwicklung und aktuelle Lage. 2.Auflage, Heidelberg: BWB Verlag und Mediendienste 2017. S.3.

2 Ebd. S.5.

3 Fischer, Axel/Kornemann, Matthias (Hg.): Dichten, Singen, Komponieren: Die Zeltersche Liedertafel als kulturgeschichtliches Phänomen (1809-1945). Berlin: Wehrhahn Verlag 2016. S.13.

4 Ebd. S.12.

5 Lutschewitz, Hartmut: Chorgesang in Deutschland. S. 4ff.

6 Ebd. S.12.

7 Ebd. S.14-18.

8 Ebd. S.19.

9 Ebd. S.19ff.

10 Ebd. S.26.

11 Ebd. S.26.

12 Ebd. S.29.

13 Ebd. S.30.

14 Ebd. S.31ff.

15 Ebd. S.35.

16 Ebd. S.36.

17 Ebd. S.35.

18 Ebd. S.36.

19 Ebd. S.37ff.

20 Ebd. S.44.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Chorwesen in Deutschland
Untertitel
Die Bedeutsamkeit des Singens in der Gemeinschaft. Ursachen des Scheiterns von Chören und neue Impulse
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
10
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V489103
ISBN (eBook)
9783668972100
ISBN (Buch)
9783668972117
Sprache
Deutsch
Schlagworte
chorwesen, deutschland, bedeutsamkeit, singen, gemeinschaft, ursachen, scheiterns, chören, impulse
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Das Chorwesen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489103

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