Im Ghetto der weichen Abteilungen. Zur Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen


Hausarbeit, 2019

13 Seiten, Note: 1,3

Guillermo Gossens (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Führungstheorien
2.1 Autoritärer vs. delegativer Führungsstil nach Tannenbaum/Schmidt
2.2 Die situative Führungstheorie nach Hersey/Blanchard

3. Gibt es einen weiblichen Führungsstil?
3.1 Ja, es gibt einen weiblichen (und einen männlichen) Führungsstil
3.2 Nein, Führung hat kein Geschlecht

4. Frauen in Führungspositionen und Unternehmenserfolg – empirische Befunde
4.1 Die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen in Deutschland
4.2 Die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen auf internationaler Ebene

5. Fazit: Machen mehr Frauen in Führungspositionen Unternehmen erfolgreicher?

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Immer noch sind in drei Viertel aller 160 börsennotierten Unternehmen die Vorstände männlich“, schreibt der Bonner Generalanzeiger im Januar 2018 und bezieht sich auf eine Studie des Beratungsunternehmens EY. Zwar ist ihre Gesamtzahl im Vergleich zum Vorjahreswert um sieben gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg aber auch die Zahl der männlichen Vorstandsmitglieder – um zwölf.

Dabei gibt es Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass sich ein höherer Frauenanteil in der Führungsetage positiv auf den Erfolg von Unternehmen auswirkt. Zugleich verbessern sich nach und nach die Rahmenbedingungen (gerade für Mütter mit kleinen Kindern), um Familie und Karriere zu vereinbaren, etwa mehr Betreuungsangebote, Betriebskitas in größeren Unternehmen, flexible Arbeitszeiten oder Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse und Home Office.

Nichtsdestotrotz kommt das Weltwirtschaftsforum zu dem Ergebnis, dass bei derzeitigem Entwicklungstempo noch 170 (!) Jahre verstreichen, bis Frauen in Deutschland die gleichen Karrierechancen haben wie Männer.

Die folgende Arbeit greift zwei Fragen auf. Wie kann es sein, dass in der heutigen Zeit, in der Geschlechtergleichberechtigung eine wichtige Rolle spielt und weitgehend sehr ernst genommen wird, die Zugangschancen für Frauen zu Führungspositionen noch immer schlechter sind als für Männer? Liegt es vor allem daran, dass Männer generell Eigenschaften besitzen, die führungstauglicher sind, oder aber, andersherum gefragt: Unterscheiden sich männlicher und weiblicher Führungsstil überhaupt?

Unter 2. werden zunächst theoretische Ansätze vorgestellt, die Erklärungen für das Geschlechtergefälle in Führungsetagen bieten können. Unter 2.1 wird Max Webers Ansatz der traditionalen Herrschaft aufgegriffen. 2.2 stellt modernere Überlegungen vor. In Kapitel 3. wird der Frage nachgegangen, ob es einen männlichen und einen weiblichen Führungsstil gibt. Zunächst werden unter 3.1 Positionen vorgestellt, die dies bejahen. Unter 3.2 kommen diejenigen zu Wort, die Führungsstil und -qualität unabhängig vom Geschlecht betrachten und bewerten. Unter 4. wird auf statistische Befunde eingegangen. Es werden Untersuchungen vorgestellt, die sich auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem geografischen Bezug mit der Repräsentanz von Frauen in Unternehmensführungen und einem möglichen Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg beschäftigen. Kapitel 5. bringt die Teile 2. bis 4. in Zusammenhang und zieht ein Fazit.

2. Führungstheorien

Zum Thema Führung gibt es weit mehr als die eine Theorie oder die paar maßgeblichen Theorien. Lang/Rybnikova sprechen von „einer nahezu unendlich scheinenden Anzahl von zum Teil sehr modisch klingenden neuen und in jedem Fall einen hohen Neuigkeitsgrad reklamierenden Führungstheorien und Führungskonzepten.“ (Lang/Rybnikova 2014: 16) Auch Wolf hält fest, dass „die Zahl der verfügbaren Organisations-, Management- und Unternehmensführungstheorien sehr stark angestiegen [ist]“ und beklagt einen „Zustand allgemeiner Unübersichtlichkeit“. (Wolf 2003: IX) In der vorliegenden Arbeit wird sich daher auf zwei Führungstheorien beschränkt. Unter 2.1 wird auf das Führungsstilkontinuum nach Robert Tannenbaum und Warren Schmidt eingegangen, das die Bandbreite zwischen rein autoritärem und rein kooperativem Führungsstil beschreibt. Anschließend wird unter 2.2 die situationale Führungstheorie nach Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard vorgestellt, die sich an den Reifegraden von Mitarbeiter*innen orientiert und vier Führungsstile schablonenartig darauf anwendet.

2.1 Autoritärer vs. delegativer Führungsstil nach Tannenbaum/Schmidt

Führungskräfte, die entweder rein autokratisch oder aber rein demokratisch führen, sind den vielfältigen situativen Anforderungen des Arbeitsalltags nicht gewachsen. Zu diesem Schluss gelangten Robert Tannenbaum und Warren Schmidt in ihren Führungstrainings. In der Folge erdachten sie ein Konzept von sechs Führungsstilen. Diese sollen nicht nur beschreiben, welche Abstufungen es zwischen den beiden Extremen Autokratie und Demokratie gibt. Vielmehr sollen sie Führungskräfte dabei unterstützen, mögliches Führungsverhalten zu analysieren und anzuwenden. Variablen sind dabei: das eigene Können und die eigenen Werte; die Erfahrungen, Kenntnisse und Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen; die jeweilige Situation im Unternehmen, was Unternehmenskultur, -organisation sowie Aufgabe und Zeitvorgabe umfasst. (vgl. Achouri 2015: 180.)

Das von Tannenbaum/Schmidt ausgearbeitete Kontinuum beschreibt den Entscheidungsspielraum und definiert das jeweilige Gewicht von Vorgesetzten und der Gruppe. Ein Pol ist eine rein autoritäre Entscheidungsfindung, bei der die Mitarbeiter*innen nicht konsultiert werden und der oder die Vorgesetzte maximalen Entscheidungsspielraum besitzt. Der andere Pol ist die delegative Entscheidungsfindung. Der oder die Vorgesetzte hat hier eine rein koordinierende Rolle inne, die Entscheidung wird von der Gruppe getroffen. Zwischen diesen beiden Polen liegen vier weitere Möglichkeiten der Führung. Wird die Entscheidung patriarchalisch getroffen, entscheidet der oder die Vorgesetzte allein, ist aber bestrebt, die Mitarbeiter*innen von seiner Entscheidung zumindest zu überzeugen. Einen Schritt weiter geht der beratende Führungsstil, bei dem Fragen zur Entscheidung des Vorgesetzten erlaubt sind, um Akzeptanz zu erreichen. Beim konsultativen Führungsstil holt der oder die Vorgesetzte vorab die Meinungen der Mitarbeiter*innen ein und entscheidet dann. Bei einer partizipativen Entscheidungsfindung entwickelt die Gruppe Vorschläge, die finale Entscheidung liegt dabei immer noch beim Vorgesetzten. (vgl. ebd.: Abb 12.11) Herrscht etwa Zeitdruck und sind die Mitarbeiter*innen gering qualifiziert, so bietet sich eher ein autoritärer Führungsstil mit niedrigem Partizipationsgrad an. Sind die Mitarbeiter*innen gut qualifiziert und besitzt die Führungskraft ein optimistisches Menschenbild, kann mehr Partizipation der Gruppe von Vorteil sein. (vgl. Glöckler/Maul 2010: 32)

2.2 Die situative Führungstheorie nach Hersey/Blanchard

Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard haben ihr Modell des situativen Führens in den Sechzigerjahren entwickelt. Zwei Komponenten sind darin wesentlich: der Reifegrad der Mitarbeiter*innen und der dazu passende Führungsstil, wobei der Führungsstil als das von Mitarbeiter*innen empfundene Führungsverhalten definiert wird. (vgl. ebd.: 35)

Hersley/Blanchard setzen voraus, dass Mitarbeiter*innen nach ihrem Reifegrad geführt werden, der sich aus Arbeitsreife und psychologischer Reife zusammensetzt. Daraus ergeben sich vier Kombinationen von Reifegraden, die von der Kombination hohe Arbeitsreife und hohe psychologische Reife über Hoch-niedrig-Kombinationen bis hin zu niedriger Arbeits- und psychologischer Reife reichen. Dabei gehen Hersey/Blanchard davon aus, dass der Reifegrad im Laufe eines Arbeitslebens steigt. Führungskräfte sind gehalten, den Reifegrad ihrer Mitarbeiter*innen zu bestimmen und anhand des Ergebnisses den passenden Führungsstil anzuwenden. Es werden vier zur Auswahl gestellt, die die vier Reifegrade spiegeln: Ein autoritärer Führungsstil (Telling) wird bei hoer Aufgaben- und geringer Beziehungsorientierung angewendet, es erfolgen genaue Vorgaben und Kontrolle durch die Führungskraft. Der integrative Führungsstil (Selling) soll bei Mitarbeiter*innen vor allem zu Akzeptanz der Aufgabe führen; die Beziehungsorientierung ist hoch, die Aufgabenorientierung hoch bis mittel. Der partizipative Führungsstil (Participating) beinhaltet ein aktives Zuhören der Führungskraft, das eine gemeinsame Entscheidung erleichtert. Die Beziehungsorientierung ist hoch, die Aufgabenorientierung gering. Schließlich sind beim Delegationsstil sowohl Beziehungs- als auch Aufgabenorientierung niedrig. Die Führungskraft delegiert die Aufgabe vollständig, eine Kontrolle der Mitarbeiter*innen findet kaum statt. Kritisiert wird an diesem Modell vor allem, dass die potenziell unendliche Vielfalt an Mitarbeiter*innen-Charakteristika auf vier Reifegrade reduziert wird, ebenso wie es nur vier mögliche Führungsstile gibt. (vgl. ebd.: 185f)

3. Gibt es einen weiblichen Führungsstil?

Im folgenden werden Positionen dargelegt, die davon ausgehen, dass sich Führungsstile geschlechtsspezifisch klassifizieren lassen (3.1). Konträr dazu werden Positionen vorgestellt, Führung anhand geschlechtlich ungebundener Attribute, Fähigkeiten und Handlungsweisen zu beschreiben und zu bewerten (3.2).

3.1 Ja, es gibt einen weiblichen (und einen männlichen) Führungsstil

Auffällig ist, dass die Befürworter*innen dieser Betrachtungsweise nicht nur männlichen und weiblichen Führungsstil unterscheiden, sondern nicht selten auch gleich bewerten. Sehr anschaulich wird dies etwa bei Friess, die in die Offensive geht und schreibt: „Die Zukunft ist weiblich!“ (Friess 2017: 32) Es würden keine „schlechten Männer“ in den Führungsetagen gebraucht, sondern „weibliche Intuition, Feinfühligkeit und Einfühlungsvermögen.“ (ebd.) Hinzu kommt der Kooperationsgedanke. „Alphafrauen legen Wert auf eine gute und konstruktive Gemeinschaft. Sie möchten innerhalb eines Teams keine Konkurrenzkämpfe schüren[.]“ (ebd.: 34) Diese als essentiell angesehenen Softskills verortet von Kutzschenbach bereits in der menschlichen Frühzeit: „[Frauen] kommunizieren mit Kindern, mit anderen Frauen, manchmal auch mit den Männern […]“. Frauen kümmerten sich um sehr viele (scheinbar) kleine Dinge des Alltags: „Kein Wunder, dass ihre kommunikative Begabung und Wahrnehmung groß und gut entwickelt ist.“ (von Kutzschenbach 2015: 24) Bezogen auf die Gegenwart berichtet von Kutzschenbach aus seiner Praxis als Coach. Hier beobachtet er, dass Frauen und Männer unterschiedlich mit Hierarchie umgehen, die Frauen entweder sehr rigoros durchsetzen (strenge Lehrerin) oder aber aufweichen, wohingegen bei Männern eine klare Hierarchie, ebenso wie klare Ansagen, willkommen ist. Frauen führen konsensorientierter (was oft mehr Zeit beansprucht) als Männer, die direkt agieren. So führen Frauen laut von Kutzschenbach eher mit Sympathieentzug als mit offenem Druck. (vgl. ebd.: 55ff)

Bei Lang/Rybnikova findet sich der Begriff der weiblichen Führung explizit im Glossar und wird in Abgrenzung zum männlichen Führungsstil des Befehlens und Kontrollierens beschrieben. Auch hier werden bestimmte Attribute als den weiblichen Führungsstil kennzeichnend benannt: Partizipation, Motivierung und Erhöhung des Selbstwerts der Mitarbeiter*innen sowie Macht- und Informationsteilung mit den Mitarbeiter*innen. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass diese Zuschreibungen „eine Verhaltens- und Identitätsvorschrift für die weiblichen Führungskräfte [darstellen]“. (Lang/Rybnikova 2014: 460) Und nicht nur das: Es gibt Ansätze, denen zufolge diese als weiblich gekennzeichneten Fähigkeiten sogar weiblichen Führungsansprüchen im Weg stehen, was sich in der Bezeichnung „Ghetto der weichen Abteilungen“ (ebd.: 394) widerspiegelt. Frauen würden demnach eher im Personalmanagement und im Controlling arbeiten respektive solche Abteilungen führen, wohingegen sie in strategisch bedeutsamen Bereichen kaum zu finden sind. (vgl. ebd.)

3.2 Nein, Führung hat kein Geschlecht

Frauen führen grundsätzlich nicht anders als Männer – so, wie sich Verfechter*innen einer Unterscheidung von männlichem und weiblichem Führungsstil finden, gibt es auch diese Position. Schneider etwa bezieht sich auf diverse Studien, die Führung nicht nach Geschlecht, sondern nach Art der Ausübung unterscheiden. So führen Männer und Frauen gleichermaßen kooperativ und verhalten sich, sofern nötig, autoritär. Zu diesem Resultat kommt eine Studie aus dem Jahr 1999, auf die Schneider sich bezieht. Eine Erhebung aus 2007 hat zum Ergebnis, dass Manager und Managerinnen zu je fast achtzig Prozent der Ansicht sind, dass die geringe Repräsentanz von Frauen in Führungsetagen nicht auf den Führungsstil der Frauen zurückzuführen ist. Und 2005 beschrieben ausschließlich männliche Topmanager ihnen bekannte weibliche Führungskräfte mit scheinbar männlichen Attributen: entschlussstark, delegationsfähig, durchsetzungsstark. (vgl. Schneider 2010: 51f) Mit Blick auf diese Ergebnisse kommt Schneider zu dem Schluss: „Menschen in Spitzenpositionen brauchen vor allem eins: ein komplexes Verhaltensrepertoire.“ (ebd.: 52)

Mahlstedt schildert aus einem Führungskräfteseminar, wie eine Teilnehmerin nach einem Expatriate-Einsatz in den USA von einem Kulturschock berichtet. Die Debatte, die in Deutschland hinsichtlich Frauen in Führungspositionen geführt wird, gebe es dort nicht. Sie sei gar nicht nötig, „weil Frauen genauso selbstverständlich in Führungspositionen befördert würden wie Männer!“ (Mahlstedt 2017: 177) Denn: „Grundsätzlich führen Frauen nicht anders als Männer.“ (ebd.) Sind Frauen in Führungsverantwortung, so lässt sich ferststellen, dass sie von ihren männlichen Kollegen mit scheinbar männlichen Attributen beschrieben werden: entschlusskräftig, delegations- und durchsetzungsfähig. Mahlstedt konstatiert, dass es weder einen typisch weiblichen, noch einen typisch männlichen Führungsstil gebe; mit Blick auf Hersey/Blanchard (siehe 2.2) hält sie fest, dass Führungskräfte dann erfolgreich sind, wenn sie sich auf den Bedarf ihrer Mitarbeiter*innen einstellen. (vgl. ebd.: 178f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Im Ghetto der weichen Abteilungen. Zur Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen
Hochschule
Hochschule RheinMain  (Sozialwesen)
Veranstaltung
Organisation und Management in der Sozialen Arbeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
13
Katalognummer
V488975
ISBN (eBook)
9783668969803
ISBN (Buch)
9783668969810
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Arbeit, Sozialwesen, Gender, Geschlecht, Frauen, Führungspositionen, Management, Job, Karriere, Gender Pay Gap, Sex, Aufstiegschancen, Gleichberechtigung, Beruf, Diskriminierung, Patriarchat, Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit, Arbeitswelt, Organisation
Arbeit zitieren
Guillermo Gossens (Autor:in), 2019, Im Ghetto der weichen Abteilungen. Zur Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/488975

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