Unterfördert, überfordert. Langzeitarbeitslose im aktivierenden deutschen Sozialstaat


Hausarbeit, 2018

15 Seiten, Note: 1,0

Guillermo Gossens (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theorie und Historie
2.1 Der deutsche Wohlfahrtsstaat im Wandel
2.2 Der aktivierende Wohlfahrtsstaat in Deutschland

3. Langzeitarbeitslosigkeit
3.1 Definition: Wer ist langzeitarbeitslos?
3.2 Ursachen von Langzeitarbeitslosigkeit
3.3 Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit

4. Langzeitarbeitslosigkeit in der Praxis
4.1 Langzeitarbeitslose aus Sicht der Jobcenter
4.2 Jobcenter aus Sicht von Langzeitarbeitslosen

5. Kritik am aktivierenden Sozialstaat in Deutschland mit Blick auf Langzeitarbeitslose

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit 2009 stagniert die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland bei knapp einer Million, obwohl in dieser Zeit der Arbeitsmarkt um circa drei Millionen neue Stellen gewachsen ist. „Diese Gegenüberstellung zeigt: Langzeitarbeitslose profitieren kaum vom Beschäftigungsboom.“ (Köster 2017: 4) Die aktivierende Arbeitsmarktpolitik in Gestalt der Hartz-Reformen soll in der Theorie jede/n Erwerbsfähige/n in ein Beschäftigungsverhältnis bringen. In der Praxis ist dies offenbar nicht möglich. Ist die aktivierende Arbeitsmarktpolitik, ist der aktivierende Sozialstaat unausgereift, limitiert, nicht fähig? Oder sind mehrere hunderttausend Menschen immun gegen seine Bemühungen oder gar zu clever für ihn? Die vorliegende Arbeit möchte der Frage nachgehen, wie Deutschland seit den Hartz-Reformen mit seinen Langzeitarbeitslosen umgeht, und ob dieser Umgang zielführend und im Sinne aller Betroffenen ist.

Zunächst beleuchtet der theoretisch-historische Teil in Kapitel 2 wohlfahrtsstaatliche Konzepte, wobei auf die Typisierungen von Esping-Andersen zurückgegriffen wird. Der deutsche Wohlfahrtsstaat wird dabei eingehender betrachtet.1

Kapitel 3 widmet sich dem Begriff der Langzeitarbeitslosigkeit. Es wird definiert, wer langzeitarbeitslos ist. Zudem werden die Fragen nach Ursachen und Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit für die Betroffenen aufgeworfen und nach Möglichkeit beantwortet.

Anschließend richtet sich der Blick auf die Praxis: in 4.1 aus der Perspektive der Jobcenter auf die Langzeitarbeitslosen, in 4.2 andersherum. In 4.1 wird vor allem dargelegt, nach welchen Schemata Langzeitarbeitslose in den Jobcentern behandelt und beraten werden. Unter 4.2 sollen drei Beispiele von Langzeitarbeitslosen das Verhältnis von Langzeitarbeitslosen und Jobcentern veranschaulichen.

Kapitel 5 schließlich widmet sich der kritischen Betrachtung des Konzeptes und der Umsetzung des deutschen Wohlfahrtsstaates seit den Hartz-Reformen, bevor in Kapitel 6 ein Fazit gezogen wird.

2. Theorie und Historie

Basis für das sozialpolitische Schicksal von Langzeitarbeitslosen in Deutschland ist der aktivierende Staat. In diesem Kapitel wird dargelegt, woraus er sich weshalb entwickelt hat, und wie sich seine praktische Umsetzung gestaltet.

2.1 Der deutsche Wohlfahrtsstaat im Wandel

Deutschland ist ein Vorreiter der sozialstaatlichen Sicherung. Im späten 19. Jahrhundert werden Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung eingeführt. 1927 kommt die Arbeitslosenversicherung hinzu. Initiator Bismarck ist daran gelegen, zum einen sozialen Missständen entgegenzuwirken, die sich im Zuge der industriellen Revolution herausgebildet haben. Zum anderen sind die Sozialversicherungen ein politisches Instrument, um einer Revolution vorzubeugen. (vgl. Schmid 2010: 129) Dabei sind sie von Beginn an abhängig von zuvor entrichteten Beiträgen und damit an den Faktor Arbeit gekoppelt. (vgl. Esping-Andersen 1998: 37) Der Grad der Freistellung vom Zwang zur Arbeit ist eines der Merkmale, die Esping-Andersen nennt, um Wohlfahrtsstaaten in sozialdemokratische, konservative und liberale Typen zu klassifizieren. Der konservative Typus, dem der deutsche Wohlfahrtsstaat zuzuordnen ist, zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Sozialleistungen über die Beiträge bemessen, die der Ernährer des Familienverbands in das Sozialsicherungssystem einzahlt. So wird „prinzipiell stets die soziale Stellung innerhalb der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt wiedergegeben […].“ (Oschek 2007: 18) Mit Blick auf Deutschland äußert Wohlfahrtsstaatsexperte Esping-Andersen, dass, auch wenn es sich um „staatliche Zwangsversicherungen mit recht weitreichenden Ansprüchen“ handele, „man nicht behaupten [kann], dass hier im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in Sachen De-Kommodifizierung viel erreicht worden wäre.“ (Esping-Andersen 1998: 37.)

Trotz dieser Kritik und trotz der Unterschiede können Wohlfahrtsstaaten bis in die 1980er Jahre unter den Begriff des fürsorgenden Wohlfahrtsstaates gefasst werden, da sie ein in Grundsätzen gleiches Verständnis von Freiheit als einer Freiheit von materieller Not, von Gleichheit in der Angleichung materieller Lebensverhältnisse und von der Gewährung sozialer Rechte eint. Besonders in Deutschland finden sich starke Arbeitnehmerrechte, etwa durch Kündigungsschutz oder das Normalarbeitsverhältnis. (vgl. Dingeldey 2006: 3 f.)

Mit der Ölkrise 1973 beginnt allerdings die Krise des fürsorgenden Wohlfahrtsstaates. Inflation, hohe Arbeitslosigkeit und die aufkommende wirtschaftliche Globalisierung stellen den fürsorgenden Wohlfahrtsstaat vor Struktur- und Steuerungsprobleme. Neoliberale Ansätze, die vor allem eine Reduzierung der staatlichen Aufgaben bis hin zu ihrer teilweisen Privatisierung propagieren, beginnen sich durchzusetzen. (vgl. ebd.: 4 f.) „Insbesondere in den angelsächsischen Ländern entstanden jedoch infolge der Verbindung von Arbeitsmarktkrise und reduziertem (Sozial-)Staatskonzept neue soziale Probleme wie zunehmende Verarmung und Einkommensdifferenzierung.“ (ebd.: 4) In Großbritannien entsteht daraufhin der Social Investment State als Alternative sowohl zum althergebrachten fürsorgenden Wohlfahrtsstaat als auch zu dem Neoliberalismus unter Margaret Thatcher. An die Stelle der durch Sozialtransfers angestrebten materiellen Gleichheit tritt die Chancengleichheit, die sich in der Umverteilung von Möglichkeiten niederschlägt. Der bedeutendste Vordenker ist hierbei der Soziologe Anthony Giddens. Seine Schriften beeinflussen später auch den Umbau des deutschen Sozialstaats vom fürsorgenden hin zum aktivierenden, dem sich der folgende Abschnitt eingehender widmet. (vgl. ebd.: 5 ff.)

2.2 Der aktivierende Wohlfahrtsstaat in Deutschland

In Deutschland knüpft 1998 das Schröder-Blair-Papier, das unter anderem bei Gewerkschaften auf harsche Kritik stößt, an den britischen Diskurs an. Die darauffolgenden arbeitsmarktpolitischen Reformen kulminieren in den Hartz-Gesetzen. (vgl. ebd.: 7) Oschek stellt fest: „Die programmatische Zusammenarbeit mit der britischen Labour-Regierung hat […] insofern Spuren hinterlassen, als dass der deutsche Aktivierungsansatz deutlich repressiver ausfällt als etwa die skandinavischen Modelle.“ (Oschek 2007: 84 f.) Im Jahr 2003 kündigt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Rahmen der Agenda 2010 massive Reformen in der Arbeitsmarktregulierung und den sozialen Sicherungssystemen an. Dazu zählen Maßnahmen wie die Bezugsdauerbegrenzung des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate für unter 55-Jährige, die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau. (vgl. Trampusch 2009: 144) Geleitet von der Annahme, Lohnersatzleistungen verleiteten Arbeitslose dazu, keine Anstrengungen zu unternehmen in Arbeit zu kommen, soll die Phase des Leistungsbezugs „so unattraktiv wie möglich“ (Scherschel/Booth 2012: 23) gestaltet werden. Ziel der Hartz-Gesetze ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt „wie er ist“. (ebd.) Ein Arbeitsmarkt, der anstelle des Normalarbeitsverhältnisses nun vermehrt neue Formen der Lohnarbeit anbietet: „[Im Zuge der Agenda 2010 wird, d. Verf.] der Einsatz atypischer Beschäftigungsverhältnisse, darunter Leiharbeit, befristete und geringfügige Beschäftigung, erleichtert.“ (Ramos Lobato 2017: 25) Diese atypischen Arbeitsverhältnisse bedeuten für die Betroffenen vor allem: Unsicherheit. (vgl. ebd.)

Das Gesamtkonzept der Agenda 2010, deren Kernstück Hartz IV ist, wozu u.a. besagte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zählt, fußt auf der Grundidee der erhöhten Eigenverantwortung der Bürger und des aktivierenden Staates. Letzterer bedeutet nicht die Abkehr vom Sozialstaat. Vielmehr, so die Idee, teilen sich Bürger und Staat die Verantwortung für soziale Leistungen, wobei der Staat in der Gewährleistungspflicht ist, mithin für die oben erwähnte Umverteilung von Möglichkeiten ebenso sorgt wie für die Übernahme staatlicher Aktivitäten durch Dritte (Vereine, Initiativen, Unternehmen etc.). Zugleich hat er eine kontrollierende und moderierende Funktion inne. Insgesamt spiegelt sich das Konzept des aktivierenden Staates in der bekannten Formel „fördern und fordern“ wider. (vgl. Oschek 2007: 78 ff.)

Hinsichtlich des Forderns gilt eine erhöhte Zumutbarkeit, was das Antreten einer Erwerbsarbeit angeht, und damit einhergehend das Sanktionieren mangelnder Kooperationsbereitschaft. Die Verweigerung von zumutbarer Arbeit führt zu Leistungskürzungen, wobei der oder die Erwerbslose in der Beweispflicht ist, was ihm oder ihr nicht zuzumuten ist. Dabei geht es nicht nur um Beschäftigungsverhältnisse im ersten, sondern auch im sogenannten zweiten Arbeitsmarkt, wozu Ein-Euro-Jobs und andere prekäre Arbeitsverhältnisse zählen, also Zuverdienste zum ALG-II-Bezug. „Staatliche Hilfe und Unterstützung ist nun an individuelles Wohlverhalten geknüpft, Nichtanpassung an aktivierende Maßnahmen rechtfertigt staatliche Repressalien […].“ (ebd.: 86) Tatsächlich bewirken die Reformen der Agenda 2010 ab 2005 einen Rückgang der Erwerbslosen- und der Langzeiterwerbslosenzahlen, betrachtet man die reinen Zahlen. Scherschel/Booth stellen hierzu allerdings fest: „Diese Entwicklung ging aber nur mit einem geringen Rückgang der Hilfebedürftigkeit einher. Der statistische Rückgang der Erwerbslosenzahlen wird von der Entstehung eines neuen Segmentes von arbeitenden Armen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, begleitet.“ (Scherschel/Booth 2012: 39) Hinsichtlich der Langzeitarbeitslosen hat der statistische Rückgang im Jahr 2009 sein Ende gefunden. Seither sind im Jahresdurchschnitt konstant rund eine Million Menschen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. (vgl. Hohmeyer/Lietzmann 2016: 2)

3. Langzeitarbeitslosigkeit

In diesem Abschnitt wird definiert, wer langzeitarbeitslos ist. Zudem wird ein Blick auf die aktuellen Statistiken geworfen. Es werden sowohl die Ursachen als auch die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit betrachtet. Bei letzteren steht nicht die zwangsläufige „materielle Deprivation“ (Ramos Lobato 2017: 2) im Fokus, sondern vor allem gesundheitliche und psychosoziale Folgen.

3.1 Definition: Wer ist langzeitarbeitslos?

„Langzeitarbeitslose sind Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind“, lautet § 18 Abs. 1 S. 1 SGB III. Genau dieser Gruppe widmet sich diese Arbeit. Dennoch muss erwähnt werden, dass Langzeitarbeitslose nicht gleichzusetzen sind mit Langzeitleistungsbeziehern, zu denen beispielsweise auch Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen zählen oder Personen, die im Haushalt Kinder erziehen. (vgl. Hohmeyer/Lietzmann 2016: 3) „Nur knapp die Hälfte der SGB-II-Leistungsbezieher ist arbeitslos, nur gut 20 Prozent sind langzeitarbeitslos.“ (ebd.: 1) Dabei sind die Langzeitarbeitslosen eine Masse in Bewegung. Etwa können im Zeitraum 2008 bis 2014 immerhin zwei Drittel eine Unterbrechung ihrer Langzeitarbeitslosigkeit vorweisen. (vgl. ebd.: 4) Statistisch werden daher auch Eintritte in und Austritte aus der Langzeitarbeitslosigkeit betrachtet und beispielsweise, für wie viele der Betroffenen der Weg in den ersten Arbeitsmarkt, den zweiten Arbeitsmarkt oder in eine Maßnahme führt. Allerdings würde die Berücksichtigung solcher statistischer Details den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im Zentrum der Betrachtung stehen jene Langzeitarbeitslosen, die gar nicht oder für keinen nennenswerten Zeitraum aus der Arbeitslosigkeit entfliehen konnten. Köster beziffert die Größe dieser Gruppe mit „gut 600.000“ (Köster 2017: 4), Hohmeyer/Lietzmann führen für das Jahr 2014 777.000 „langzeitarbeitslose Langzeitleistungsbezieher“ an. (vgl. Hohmeyer/Lietzmann 2016: 4) Es ist also von einem harten Kern innerhalb der Gruppe der Langzeitarbeitslosen auszugehen, dem Köster „kaum Beschäftigungsperspektiven und eine ,besondere Ferne zum Arbeitsmarkt‘“ (Köster 2017: 4) attestiert.

Im Jahr 20162 liegt die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland bei 993.000, was 37 Prozent der Gesamtarbeitslosenzahl entspricht. Knapp zehn Prozent aller Arbeitslosen sind seit mehr als 48 Monaten arbeitslos. Ältere Menschen sind häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als jüngere; bei den Über-55-Jährigen ist jede*r Zweite langzeitarbeitslos, bei den Unter-25-Jährigen sind es weniger als zehn Prozent. Frauen sind stärker betroffen als Männer: 39 Prozent der weiblichen Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos, bei den Männern hingegen nur 32 Prozent. (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2017: 6 ff.)

Hinsichtlich der Qualifikation ist festzustellen, dass ein geringer Bildungsgrad das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit messbar erhöht. So haben etwa 2016 mit 54 Prozent über die Hälfte der Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung vorzuweisen. Bei einem Viertel der Geringqualifizierten findet sich eine verhärtende Arbeitslosigkeit von 24 Monaten oder mehr. (vgl. ebd.: 10)

Geografisch findet sich bei der Langzeitarbeitslosigkeit das Nord-Süd-Gefälle, das auch in vielen anderen Statistiken auftritt. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist etwa in Bayern und Baden-Württemberg deutlich niedriger als im Nordosten und in Teilen Nordrhein-Westfalens und Bremen. (vgl. Köster 2017: 6)

3.2 Ursachen von Langzeitarbeitslosigkeit

Über neunzig Prozent der Langzeitarbeitslosen weisen mindestens ein sogenanntes Vermittlungshemmnis auf. Solche Hemmnisse werden in personelle und unbeeinflussbare Faktoren (Alter und Geschlecht) sowie in beeinflussbare Faktoren (Religion, Bildungsgrad, Lebenssituation und -wandel) unterteilt. (vgl. ebd.: 4) Vor allem das Alter stellt einen großen Risikofaktor dar und birgt gleich zwei Gefahren in sich: die der beeinträchtigten Gesundheit und die der nicht mehr verwertbaren Qualifikationen. (vgl. Hohmeyer/Lietzmann 2016: 5) Daneben erhöht eine fehlende Ausbildung das Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit; Menschen ohne Berufsabschluss sind um ein Drittel höher von ihr bedroht als jene mit abgeschlossener Ausbildung. (vgl. Köster 2017: 6) Weitere konkrete Hemmnisse sind mangelnde Deutschkenntnisse, Mutterschaft (auch in Kombination mit fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten) und Pflegetätigkeiten. Die Herkunft aus einem langzeitarbeitslosen Elternhaus erhöht die Wahrscheinlichkeit, später selbst von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ebenfalls. Nicht zuletzt kann die im Zuge anhaltender erfolgloser Stellensuche gesunkene Motivation eine Rolle spielen. (vgl. Klingert/Lenhart 2017: 15 ff.)

Eine statistisch nicht erfasste und in den für diese Arbeit herangezogenen Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nicht erwähnte Gruppe findet verhaltensbedingt keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Haubner spricht hier von Personen, die „unter bestimmten Existenzbedingungen Verhaltensweisen ausbilden, die mit institutionell-gesellschaftlichen Anforderungen (beispielsweise seitens staatlicher Behörden oder privatwirtschaftlicher Unternehmen) nicht kompatibel sind.“ (Haubner 2013: 322) Büschken wird konkret und nennt etwa Adressaten der offenen Drogenarbeit und Punks. (Büschken 2017: 199)

Auf Seiten des Arbeitsmarktes kann sich die Relation von offenen Stellen und Arbeitslosen bemerkbar machen, nämlich dann, wenn zwar die Zahl der offenen Stellen hoch ist, zu wenige davon aber aus dem Personenkreis der Langzeitarbeitslosen heraus besetzt werden können. (vgl. Klingert/Lenhart 2017: 18) Ramos Lobato stellt dazu fest, dass „steigende Qualifikationsanforderungen und der Rückgang sogenannter Einfacharbeitsplätze“ maßgeblich sind für eine Herausbildung einer Gruppe von Menschen, die den Anschluss an den Arbeitsmarkt verloren haben und „deren Arbeitskraft entbehrlich geworden ist“. (Ramos Lobato 2017: 1 f.)

[...]


1 Je nach Quelle ist von Wohlfahrtsstaat oder Sozialstaat die Rede, die Bedeutung beider Begriffe ist hier die gleiche.

2 Das Jahr 2016 ist das letzte Jahr, für das bereits wissenschaftliche Analysen der Arbeitslosenzahlen vorhanden sind. Daher bezieht sich diese Arbeit auf die Statistiken bis 2016, wenngleich aktuelleres Zahlenmaterial vorhanden ist. Unter statistik.arbeitsagentur.de fand sich als aktuellster Wert die Zahl von 841.655 Langzeitarbeitslosen im April 2018.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Unterfördert, überfordert. Langzeitarbeitslose im aktivierenden deutschen Sozialstaat
Hochschule
Hochschule RheinMain  (Sozialwesen)
Veranstaltung
Sozialpolitik und Sozialstaatlichkeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V488973
ISBN (eBook)
9783668972322
ISBN (Buch)
9783668972339
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitslosigkeit, Soziale Arbeit, Sozialpolitik, Sozialwesen, Hartz IV, Schröder, Blair, Wohlfahrtsstaat, Sozialstaat, Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktpolitik, Jobcenter, ALG II, Politik, Innenpolitik
Arbeit zitieren
Guillermo Gossens (Autor:in), 2018, Unterfördert, überfordert. Langzeitarbeitslose im aktivierenden deutschen Sozialstaat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/488973

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