Die Ehre und das Bild des Cid im spanischen Heldenepos "El Cantar de Mio Cid"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

0. Einleitung

1. Der Begriff Ehre im mittelalterlichen Spanien
1.1. Die Tradition des Ehrbegriffes in Spanien
1.2. Die Ehre und die spanische mittelalterliche Gesellschaft
1.2.1. Die Ehre des Ritters
1.2.2. Die Ehre der Frau

2. Die wichtigsten Personen, ihre Ehrauffassung und Hintergründe
2.1. El Cid und König Alfonso VI.
2.1.1. Rodrigo Díaz de Vivar (El Cid)
2.1.2. König Alfonso VI
2.1.3. Die Beziehung König-Vasall
2.2. Die Familie und Gefährten des Cid
2.3. Die Feinde des Cid

3. Der Verlauf der Ehre
3.1. Die öffentliche Ehre
3.2. Die private Ehre

4. Die Darstellung des Cid im Poema – ist er ein Kämpfer des Christentums?

5. Unterschiede zwischen dem Cid im Poema und dem der „Realität”

6. Zusammenfassung

7. Literaturnachweis

0. Einleitung

In dieser Hausarbeit zum Seminar Spanische Literatur des Mittelalters will sich der Verfasser mit dem Thema der Ehre und des Bildes des Cids in dem altspanischen Heldenepos El Cantar (Poema) de Mio Cid auseinandersetzen.

Dieses Werk wurde ausgewählt, weil der Autor sich sehr verbunden mir der Region und der Stadt Valencia fühlt, die man als sogenannten geographischen Mittelpunkt des Cantar bezeichnen kann und dieses Thema, weil der Ehre eine zentrale Bedeutung zukommt. Am Anfang dieser Niederschrift soll auf die Auffassungen der Ehre in der mittelalterlichen Zeit und deren Bedeutung für die Gesellschaft eingegangen werden. Danach stehen die einzelnen Personen und ihr jeweiliges Verständnis von Ehre im Mittelpunkt und wie der Verlauf der Ehre im Poema de Mio Cid ist. Das Bild, welches vom Protagonisten Rodrigo Díaz de Vivar im Poema aufgezeigt wird, entspricht nicht unbedingt der Realität und den historischen Chroniken. Mit diesem Sachverhalt beschäftigt sich der letzte Abschnitt.

Im folgenden soll dieses, daß als eines der ersten, fast vollständig überlieferten Werke in spanischer Sprache gilt, eingeordnet werden.

Dieser anonyme Heldenepos ist wahrscheinlich um 1140 oder 1207 entstanden und umfaßt 3730 Verse. Nach heutigem Wissen geht man davon aus, daß der Autor des Werks unbekannt ist, obwohl einige Per Abbat als Autor glaubten, dieser jedoch nur als der Schreiber des einzigen erhaltenen Exemplars angesehen wird.

Das Poema de Mio Cid ist eine Mischung aus relativ genauen historisch belegten Fakten und Persönlichkeiten und aus frei erfundenen Ereignissen. Der berühmte Hispanist Ramón Menéndez Pidal spricht von erstaunlich vorhandener historischer Treue, jedoch bezweifeln dies andere Forscher wie Hans-Jörg Neuschäfer und sprechen ihrerseits davon, daß dieses Werk nur so vor historischen Unglaubwürdigkeiten strotze. Die historische Wiedergabe bezieht sich vor allem auf die geographischen Angaben und auf die auftretenden Personen. Die Hauptfigur Rodrigo Díaz de Vivar, genannt El Cid lebte in der Zeit von 1043 bis 1099. Den Namen El Cid (arabisch sidi oder sayyid) bekam er von den Mauren anerkennend verliehen und bedeutet so viel wie „mein Herr“. Andere Bereiche, wie die Beschreibungen des Cid selbst, seiner Taten und Eigenschaften und vor allem die Beschreibungen der Ereignisse, die von seinen Feinden handeln, entsprechen im Poema de Mio Cid nicht immer der Realität.

Das Werk weist drei formelle Teile auf: Erstens, die Verbannung des Cid vom königlichen Hofe; zweitens, die Rückkehr an den königlichen Hof und die Hochzeit seiner Töchter; und drittens, die Schändung der Töchter des Cid im Wald von Corpes. In Bezug auf die Ehre läßt sich das Poema de Mio Cid in zwei Teile untergliedern: Einerseits, der Anfang des Epos, in den Verlust und die Wiedererlangung seines Ansehens und seiner Ehre im politisch-öffentlichen Bereich; und andererseits, im zweiten Teil, in die schwere Beleidigung der Familie des Cids und deren Beseitigung im familiär-privaten Bereich.

1. Der Begriff Ehre im mittelalterlichen Spanien

1.1. Die Tradition des Ehrbegriffes in Spanien

In Spanien ist der Ehrbegriff durch mehrere Merkmale gekennzeichnet. Zu einem, wie in Italien, wird den Ansichten Platons, Aristoteles´ und Ciceros eine gewisse Bedeutung beigemessen. Zum anderen geht er aber auch auf eine aus dem Mittelalter stammende juristische Tradition sowie einer starken katholischen Moraltheorie und dem Ehrenkodex der Blutreinheit zurück. In Italien waren die Schriften von Platon, Aristoteles und Cicero weit stärker verbreitet und rezipiert worden als in Spanien, wo sie meist nur aus zweiter Hand aus den Werken Thomas von Aquins bekannt waren.[1]

Die Moraltheologie umfaßte alle gesellschaftlich wichtigen Themen wie Familie, Ehebruch und Ehre und man kann sie in zwei unterschiedliche Richtungen unterteilen. Einerseits in die Richtung, die die weltliche Ehre verachtete, in der die Eigenschaften des Bösen, des Teufels gesehen wurden und wo die einzig wahre Ehre, die göttliche Ehre ist, d.h. ein frommes Leben zu führen, das Gott gewidmet ist und man auf alle weltlichen Güter verzichtet. Die andere Strömung, die in Spanien relativ weite Verbreitung fand, war eine Ehrauffassung, die für die sogenannten weltlichen Güter, wie Reichtum, Macht, Herkunft, Ansehen, Blutreinheit, Jungfräulichkeit und Keuschheit stand. Das heißt, daß man entweder schon durch seine Herkunft in Besitz von Ehre ist oder diese durch Mut, Kampf, Ergebenheit und Treue erwerben kann. Oft wird der Begriff Ehre auch in Verbindung mit Beute genannt, soll bedeuten, wer sich in Kämpfen viel Beute anzueignen weiß, dessen Ehre nimmt ebenfalls zu. Von diesem Sachverhalt wird noch im Weiteren zu sprechen sein.

1.2. Die Ehre und die spanische mittelalterliche Gesellschaft

1.2.1. Die Ehre des Ritters

Der Ehrbegriff ist auf der spanischen Halbinsel seit dem 10. Jahrhundert durch Chroniken und in der Literatur belegt. Ein zentraler Faktor der Gesellschaft hierbei ist vor allem der Ritter, der Hidalgo. Sein wichtigster Besitz ist ein Pferd, mit dem er die Möglichkeit hat, sich in Kämpfen gegen die Feinde des Herrschers und des Christentums, z.B. gegen die Mauren zu beweisen und somit zu Reichtum und Ehre gelangen kann. Der Ritter vereint in sich die positiven Eigenschaften der mittelalterlichen Gesellschaft, wie die treue Ergebenheit zu seinem Herrn, Tugend, Tapferkeit, Mut, Kraft, kriegerisches Geschick und meist die Herkunft aus gutem Hause. Im Laufe der Zeit nähern sich die Stände des hohen Adels denen des niederen Adels an, wozu das Rittertum zu zählen ist. Gerade von dieser Annäherung oder vielmehr von den Problemen der Annäherung dieser beiden Stände handelt auch das Poema de Mio Cid. Diese Art eines Zusammenschlusses soll dabei helfen, eine führende starke Schicht im Kampf gegen die Mauren herauszubilden.

Der Ritter nimmt eine Sonderstellung im mittelalterlichen Spanien ein. Er genießt Privilegien, wie Ehrenschutz für seine Familie, ist nur dem König oder seinem unmittelbaren Herrn unterstellt, muß nicht arbeiten und keine Abgaben entrichten. Die Ehre des Ritters ist direkt an sein Verhältnis zum König oder zu seinem Herrn gebunden. Eine Störung dieser Herr- und Vasall - Beziehung ist gleichbedeutend mit dem Verlust seiner ritterlichen Ehre, die das Wichtigste für ihn ist. Es gibt in Bezug auf die Ehre eine Abstufung in der Gesellschaft, abhängig vom jeweiligen Stand. Am ehrenhaftesten gilt der Hochadel. Der niedere Adel (z.B. Ritter) folgt danach und hat immerhin noch die Möglichkeit, seine Ehre durch Kämpfe zu vergrößern. Der unterste Stand mit Bauern, Handwerkern usw. besitzt als Mensch wenigstens noch eine gewisse Form von Ehre im Gegensatz zu Tieren, Juden und Mauren. Neben den Eigenschaften wie Tugend, Mut, Treue, Besitz und Herkunft sollte ein ehrenhafter Ritter auch über christliches Handeln, Großzügigkeit, Wahrhaftigkeit, Sanftmut, Nächstenliebe, Weisheit, und Gerechtigkeit verfügen.

Über all diese Merkmale verfügt der Ritter Rodrigo Díaz de Vivar (El Cid) im Poema de Mio Cid. Das Verhältnis des Ritters und Vasallen zu seinem Herr wurde hier mustergültig dargestellt. Cid überhäuft seinen König Alfonso VI. mit Geschenken und dieser fühlt sich durch die Annahme der Präsente geehrt. Diese Annahme der Gaben symbolisiert die Erwiderung seiner Liebe und bedeutet für Rodrigo die größtmögliche Ehre.

1.2.2. Die Ehre der Frau

Eine große Rolle zu dieser Zeit nimmt die weibliche Ehre in Form von Jungfräulichkeit bei unverheirateten und die Keuschheit bei verheirateten Frauen ein. Ehre wird hier in Zusammenhang mit sexueller Reinheit, der Blutreinheit angesehen. Eine sexuelle Nötigung, Beischlaf vor der Ehe sowie die Vergewaltigung der Frau waren gleichbedeutend mit dem Verlust der Ehre. Wurde eine verheiratete Frau mit einem anderen als ihrem Ehemann sexuell aktiv, verloren beide Ehepartner ihre Ehre.

Die mittelalterliche spanische Gesellschaft verfügte also über einen gesetzlichen wie auch allgemein moralischen Verhaltenskatalog hinsichtlich der Ehre, worin verankert ist, wie man zu Ehre kommt, wie man sich ehrenhaft verhält und wie man bei Verlust sie wiedererlangen kann. Auch über die Literatur wird das Verständnis von Ehre verbreitet.[2] Eine Möglichkeit, um dem Verlust von Ehre aus dem Wege zu gehen, war, daß man eine Ehrverletzung einfach verheimlichte, wie es auch im Poema de Mio Cid vorkommt, wo die Feigheit und Schande der Schwiegersöhne des Cids verschwiegen wird, um die Ehre der Cid -Familie nicht zu beschmutzen (Verse 2278ff.; 3315ff. des Poema de Mio Cid). Des weiteren bedeutete Ehre, Spanier und Christ zu sein und andere wie Mauren und Juden galten ehrlos. Sexuelle Beziehungen einer Frau zu diesen „Rassen“ waren streng verboten. Jedoch bildete sich dies erst mit der Reconquista heraus. Davor lebten Iberer, Mauren und Juden mehr oder weniger friedlich miteinander. Mit der Reconquista änderten sich die vorherrschenden moralischen Auffassungen, Blutreinheit wurde zu einem sehr wichtigen Merkmal der Gesellschaft.

2. Die wichtigsten Personen, ihre Ehrauffassung und Hintergründe

2.1. El Cid und König Alfonso VI.

2.1.1. Rodrigo Díaz de Vivar (El Cid)

El Cid, der auch den Beinamen El Campeador (der Schlachtenlenker) trug, war ein sogenannter infanzón, aus der untersten Stufe des Adels. Er wird mit einer Vielzahl von positiven Eigenschaften beschrieben wie stark, voller Tugend, kühn, großzügig, edel, mutig, schlau, gerecht, religiös, höflich, listiger Kriegsherr, perfekter Untertan und Ehemann. Man kann ihn als den perfekten Mensch des Mittelalters ansehen, (fast) ohne Fehler oder wie Spitzer sagt: „un santo laico,“[3] und ein „rebelde leal, el rebelde que no se rebela“[4].

[...]


[1] Vgl. Toro, Alfonso de: Von den Ähnlichkeiten und Differenzen. Ehre und Drama des 16. und 17. Jahrhunderts in Italien und Spanien. Vervuert Verlag, Frankfurt am Main, 1993, S. 86.

[2] Vgl. Ebenda, S. 79.

[3] Spitzer, Leo: Historia y poesía en el Cantar del Cid. In: Rico Francisco : Historia y crítica de la literatura española. Suplemento 1. Edad Media. Barcelona, Ed. Crítica, 1991, S. 105.

[4] Ebenda, S. 102.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Ehre und das Bild des Cid im spanischen Heldenepos "El Cantar de Mio Cid"
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Spanische Literatur des Mittelalters
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V48842
ISBN (eBook)
9783638454322
ISBN (Buch)
9783638773034
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ehre, Bild, Heldenepos, Cantar, Spanische, Literatur, Mittelalters
Arbeit zitieren
M.A. Henrico Hummel (Autor:in), 2002, Die Ehre und das Bild des Cid im spanischen Heldenepos "El Cantar de Mio Cid", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48842

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