Das Konsumentenverhalten beim Lebensmitteleinkauf im Discounter. Eine sozial- und perzeptionsgeographische Untersuchung am Beispiel des Stadtteils Köln-Porz


Diplomarbeit, 2005

171 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. DER LEBENSMITTELEINZELHANDEL IN DEUTSCHLAND
2.1 DIE WICHTIGSTEN BETRIEBSFORMEN
2.1.1 Discounter
2.1.2 Supermarkt
2.1.3 Verbrauchermarkt
2.1.4 SB-Warenhaus
2.2 AKTUELLER STRUKTURWANDEL
2.2.1 Verkaufsflächenwachstum
2.2.2 Konzentration
2.2.3 Internationalisierung
2.3 DIE FÜNF WICHTIGSTEN LEBENSMITTELDISCOUNTER IN DEUTSCHLAND
2.4 STANDORTENTSCHEIDUNGEN UND STANDORTPOLITIK
2.4.1 Standortentscheidungen der Discounter und ihre Aktionsparameter
2.4.2 Standortentscheidungen der Discounter und ihre Umweltparameter
2.4.3 Standorte der wichtigsten Discounter im Gro ß raum K ö ln
2.4.4 Abwanderung aus innerstädtischen Bereichen

3. DER ERFOLG DER DISCOUNTER
3.1 HANDELSENDOGENE GRÜNDE FÜR DEN ERFOLG
3.2 HANDELSEXOGENE GRÜNDE FÜR DEN ERFOLG - POLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
3.2.1 Aufhebung der vertikalen Preisbindung
3.2.2 Baurechtliche Rahmenbedingungen
3.3 HANDELSEXOGENE GRÜNDE FÜR DEN ERFOLG - KONSUMENTENWAHRNEHMUNG
3.3.1 Preis vs. Qualität
3.3.2 Hybrides Kaufverhalten und Smart Shopping
3.3.3 Instabilität des Konsumentenverhaltens
3.3.4 Einfachheit
3.3.5 Bequemlichkeit
3.3.6 Soziale Akzeptanz
3.4 ABSCHWÄCHUNG DES WACHSTUMS
3.5 DIE REAKTION DER UNTERNEHMEN
3.5.1 Erh ö hter Werbeaufwand und veränderter Werbeauftritt
3.5.2 Claims und Positionierung
3.5.3 Differenzierungsversuche

4. SOZIOLOGISCHE UND PSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
4.1 LEBENSSTILKONZEPTE
4.1.1 Milieus
4.1.2 Die Sinus-Milieus ®
4.2 KONSUM UND KONSUMENTENVERHALTEN

5. ZIELSETZUNG DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
5.1 DISCOUNT-MÜDIGKEIT?
5.2 MANGELNDE DIFFERENZIERUNG?
5.3 PROBLEMATISCHE STANDORTVERLAGERUNGEN?
5.4 GÜTEKRITERIEN EMPIRISCHER UNTERSUCHUNGEN

6. METHODIK DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
6.1 HYPOTHESENBILDUNG
6.2 ZUORDNUNG DER INTERVIEWPARTNER ZU DEN SINUS-MILIEUS®
6.3 DAS PROBLEMZENTRIERTE INTERVIEW
6.3.1 Auswertung der Interviews
6.3.2 Wahl der Interviewpartner
6.3.3 Pre-Test der Untersuchungsinstrumente
6.4 KRITISCHE BETRACHTUNG DER UNTERSUCHUNGSMETHODEN
6.5 DAS UNTERSUCHUNGSGEBIET

7. ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
7.1 DISCOUNT-MÜDIGKEIT
7.1.1 Bedeutung des Preises beim Lebensmitteleinkauf
7.1.2 Einstellung gegen ü ber Markenprodukten
7.1.3 Einstellung gegen ü ber Aktionsware der Discounter im Non-Food-Segment
7.1.4 Wahrnehmung und Einstellung gegen ü ber Bio-Ware
7.2 MANGELNDE DIFFERENZIERUNG
7.2.1 Differenzierung zwischen verschiedenen Discountern
7.2.2 Differenzierung zwischen verschiedenen Betriebsformen
7.3 VERBREITUNGSMUSTER DER EINKAUFSSTÄTTEN IN DER KONSUMENTENWAHRNEHMUNG
7.3.1 Entfernungstoleranz und Pkw-Nutzung
7.3.2 Entfernung und Erreichbarkeit
7.3.3 Versorgungszufriedenheit
7.3.4 Externes Kopplungspotenzial

8. FAZIT UND DISKUSSION DER ERGEBNISSE

9. TABELLENVERZEICHNIS

10. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

11. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

12. LITERATURVERZEICHNIS

13. ANHANG

Der Discounter ist die erfolgreichste Betriebsform des deutschen Lebensmitteleinzelhandels der letzten 20 Jahre. Gegenwärtig ist das Wachstum jedoch schwächer, einige Prognosen gehen von Stagnation oder sogar zukünftigem Rückgang des Marktanteils aus. In den Medien und der Fachöffentlichkeit findet darüber derzeit eine intensive Diskussion statt - und darüber, welche Faktoren auf diese Entwicklung Einfluss nehmen werden. Es gilt als sicher, dass hier der Konsument eine immer bedeutendere Rolle spielen wird. Neue Informationstechnologien wie das Internet ermöglichen einen permanenten Preis- und Servicevergleich, der Wissensstand (und damit die Macht) des Konsumenten steigt kontinuierlich, der Konsument wird zum „Empowered Consumer“ (BOSSHART 1997, S. 55ff.).

Die Verfügbarkeit einer grenzenlos erscheinenden Zahl an Produkten in unmittelbarer Nähe und fast rund um die Uhr führt zu „multioptionalem Verhalten“ (EGGERT 1998 S. 60ff.). Die Kunden sind sich ihrer vielfältigen Möglichkeiten bewusst und nutzen diese intensiv. Zudem haben sie sich „an die heutigen Preiskriege gewöhnt“ und „vergleichen nicht nur Konkurrenzprodukte, sie vergleichen alles mit allem“ (BOSSHART 1997, S. 57). Aus diesem Grund hat sich der ursprüngliche Wettbewerb zwischen Anbietern innerhalb eines Marktes ausgeweitet zum „Hyperwettbewerb“ zwischen ganz unterschiedlichen Märkten. Die vorliegende Arbeit rückt daher im Sinne der Perzeptionsgeographie die subjektive Wahrnehmung des Konsumenten in den Mittelpunkt.

Die Arbeit verfolgt das Ziel, Konsumentengewohnheiten, -verhalten und -einstellungen beim Lebensmitteleinkauf zu untersuchen. Die Aufmerksamkeit gilt dabei der besonderen Rolle der Discounter in der Wahrnehmung des Konsumenten. Des Weiteren stehen Veränderungen dieser Wahrnehmung und deren mögliche Auswirkungen auf Entwicklungstendenzen des Lebensmitteleinzelhandels besonders im Fokus.

Es wird unterstellt, dass sich ausdifferenzierende Lebensstile in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft wachsenden Einfluss auf Handlungsmotive, Einstellungen, Verhalten und Emotionen besitzen. Die Zugehörigkeit zu einer mehrdimensional gebildeten Lebensstilgruppe besitzt diesbezüglich eine (inzwischen) größere Erklärungskraft als die eindimensionale Perspektive einer Einteilung in Klassen oder Schichten.

Um dieser Erkenntnis Rechung zu tragen, werden die Interviewpartner in Anlehnung an die Klassifikation der Sinus-Milieus® verschiedenen Lebensstilen zugeordnet. Diese Lebensstile werden der Analyse der Konsumentengewohnheiten zu Grunde gelegt, Zusammenhänge, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den identifizierten Lebensstilen und vor allem deren Gründe sind das vorrangige Untersuchungsziel. Im ersten Schritt der empirischen Untersuchung werden theoriegeleitet Leitfragen entwickelt, welche der Konzeption der Interviewleitfäden als Basis dienen. Ein Kurzfragebogen ergänzt die gewonnenen Daten um Imageeinschätzungen verschiedener Betriebsformen und Angaben zu allgemeinen Konsumgewohnheiten, welche in schriftlicher Form leichter zu explorieren sind. Die Untersuchung fokussiert drei Teilbereiche, welche zu folgenden Kernfragestellungen verdichtet werden können:

- Ist bei den Konsumenten eine einsetzende „Discount-Müdigkeit“ zu beobachten?
- Kann der Konsument noch ausreichend zwischen den verschiedenen großflächigen Betriebsformen und den verschiedenen Discountern differenzieren?
- Werden Probleme durch den voranschreitenden Strukturwandel und die Standortverlagerungen des Lebensmitteleinzelhandels wahrgenommen oder antizipiert?

Auf Grundlage der Auswertung und Interpretation der gewonnenen Ergebnisse werden in diesen drei Teilbereichen Hypothesen generiert.

Zu Beginn der Arbeit werden aktuelle Situation und Strukturwandel des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland dargestellt. Es werden die großflächigen Betriebsformen definitorisch gegeneinander abgegrenzt, die wichtigsten Discount-Unternehmen Deutschlands vorgestellt und deren grundsätzliche Standortpolitik und konkrete Verteilungsmuster am Beispiel Kölns veranschaulicht. Im Folgenden werden die Gründe für den nachhaltigen Erfolg der Discounter eruiert und die gegenwärtig zu beobachtende Abschwächung des bislang schnellen und kontinuierlichen Wachstums, die dahinter vermuteten Gründe und die zu beobachtenden Reaktionen der Unternehmen zusammengetragen. Die Einführung der für diese Untersuchung relevanten soziologischen und psychologischen Grundlagen schließt den theoretischen Teil der Arbeit ab.

Diese Abschnitte bilden die Basis, auf deren Grundlage anschließend die Leitfragen der empirischen Untersuchung entwickelt werden. Die Leitfragen bewegen sich im Rahmen der drei genannten Teilbereiche. Anschließend wird die verwendete Methodik ausführlich vorgestellt, insbesondere die Operationalisierung der Zuordnung der Interviewpartner und die angewendete Interviewmethode. Darüber hinaus wird das Untersuchungsgebiet kurz vorgestellt und die verwendeten Untersuchungsmethoden einer kritischen Betrachtung unterzogen. Im letzten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargelegt, ein abschließendes Fazit gezogen und die gewonnenen Ergebnisse diskutiert.

1. Einleitung

Der Discounter ist die erfolgreichste Betriebsform des deutschen Lebensmitteleinzelhandels der letzten 20 Jahre1. Gegenwärtig ist das Wachstum jedoch schwächer, einige Prognosen gehen von Stagnation oder sogar zukünftigem Rückgang des Marktanteils aus. In den Medien und der Fachöffentlichkeit findet darüber derzeit eine intensive Diskussion statt - und darüber, welche Faktoren auf diese Entwicklung Einfluss nehmen werden. Es gilt als sicher, dass hier der Konsument eine immer bedeutendere Rolle spielen wird. Neue Informationstechnologien wie das Internet ermöglichen einen permanenten Preis- und Servicevergleich, der Wissensstand (und damit die Macht) des Konsumenten steigt kontinuierlich, der Konsument wird zum „Empowered Consumer“ (BOSSHART 1997, S. 55ff.).

Die Verfügbarkeit einer grenzenlos erscheinenden Zahl an Produkten in unmittelbarer Nähe und fast rund um die Uhr führt zu „multioptionalem Verhalten“ (EGGERT 1998 S. 60ff.). Die Kunden sind sich ihrer vielfältigen Möglichkeiten bewusst und nutzen diese intensiv. Zu- dem haben sie sich „an die heutigen Preiskriege gewöhnt“ und „vergleichen nicht nur Kon- kurrenzprodukte, sie vergleichen alles mit allem“ (BOSSHART 1997, S. 57). Aus diesem Grund hat sich der ursprüngliche Wettbewerb zwischen Anbietern innerhalb eines Marktes ausge- weitet zum „Hyperwettbewerb“ zwischen ganz unterschiedlichen Märkten.

Die vorliegende Arbeit rückt daher im Sinne der Perzeptionsgeographie die subjektive Wahrnehmung des Konsumenten in den Mittelpunkt. Der perzeptionsgeographische Ansatz stellt Fragen nach der subjektiv wahrgenommen Realität, also „nicht nach der Realität ..., wie sie ist, sondern nach der Wirklichkeit, wie der Befragte glaubt, dass sie ist und wie er sie aufgrund seines ‚Glaubens’ bewertet“ (ISENBERG 1987, S. 228).

Die Arbeit verfolgt das Ziel, auf Basis 20 qualitativer Interviews Konsumentengewohnheiten, -verhalten und -einstellungen beim Lebensmitteleinkauf zu untersuchen. Die Aufmerksam- keit gilt dabei der besonderen Rolle der Discounter in der Wahrnehmung des Konsumenten. Des Weiteren stehen Veränderungen dieser Wahrnehmung und deren mögliche Auswir- kungen auf Entwicklungstendenzen des Lebensmitteleinzelhandels besonders im Fokus.

Faktoren wie demographische, ökonomische oder politische Entwicklungen werden als sta- bil angenommen um die Untersuchung operationalisieren und dem Konsumentenverhalten die gesamte Aufmerksamkeit widmen zu können. Hingegen wird unterstellt, dass sich aus- differenzierende Lebensstile in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft wachsenden Einfluss auf Handlungsmotive, Einstellungen, Verhalten und Emotionen besitzen. Die Zuge- hörigkeit zu einer mehrdimensional gebildeten Lebensstilgruppe besitzt diesbezüglich eine (inzwischen) größere Erklärungskraft als die eindimensionale Perspektive einer Einteilung in Klassen oder Schichten.

Um dieser Erkenntnis Rechung zu tragen, werden die Interviewpartner in Anlehnung an die Klassifikation der Sinus-Milieus® mittels eines Fragebogens verschiedenen Lebensstilen zu- geordnet. Diese Lebensstile werden der Analyse der Konsumentengewohnheiten zu Grunde gelegt, Zusammenhänge, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den identifizierten Lebensstilen und vor allem deren Gründe sind das vorrangige Untersuchungsziel.

Eine solche Untersuchung enthält notwendigerweise Berührungspunkte mit benachbarten Forschungsdisziplinen wie Psychologie, Soziologie oder den Wirtschaftswissenschaften. Die- ser interdisziplinäre Charakter entspricht dem Anspruch der Perzeptionsgeographie, welche bemüht ist, „ein ganzheitliches Verstehen einer Mensch-Raum-Beziehung zu leisten. Die wissenschaftsgerechte Methode dieser Art Forschung, Ganzheit herzustellen, kann nur in der interdisziplinären Vernetzung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zu neuen frucht- baren Erkenntnissen bestehen, von denen dann letztlich die Bezugswissenschaften wieder profitieren“ (STEGMANN 1997, S. 13).

Unter geographischen Gesichtspunkten spielt die Akzeptanz, die räumliche Verteilung, der Erfolg oder Misserfolg der betroffenen Unternehmen und deren Agieren und Reagieren eine große Rolle. Als Beispiele seien unternehmerische Standortentscheidungen und deren Konsequenzen für Stadtentwicklung und Politik, Standortverlagerungen, sich ändernde Einzugsbereiche und ihre sozialen Folgen oder auch die Auswirkungen durch zusätzlich induzierten oder sich verlagernden Verkehr genannt.

Der mit dieser Arbeit verfolgte verhaltensorientierte Forschungsansatz ergänzt die eher ‚klassisch’ geographischen Untersuchungen zur Analyse von Einkaufsverhalten oder der Einkaufsstättenwahl, wie etwa auf Basis von Aktionsräumen oder mittels soziodemographi- scher Differenzierungen. Eine weitere Möglichkeit ist der zentralörtliche Ansatz, welcher sich - anders als die genannten - dem Untersuchungsgegenstand nicht aus der Perspektive der Nachfrager, sondern aus der Perspektive der Anbieter nähert (Zur ausführlich verglei- chenden Betrachtung dieser verschiedenen Untersuchungsansätze vgl. KAGERMEIER 1991).

Im ersten Schritt der empirischen Untersuchung werden theoriegeleitet Leitfragen entwickelt, welche der Konzeption der Interviewleitfäden als Basis dienen. Ein Kurzfragebogen ergänzt die gewonnenen Daten um Imageeinschätzungen verschiedener Betriebsformen und Angaben zu allgemeinen Konsumgewohnheiten, welche in schriftlicher Form leichter zu explorieren sind. Die Untersuchung fokussiert drei Teilbereiche, welche zu folgenden Kernfragestellungen verdichtet werden können:

- Ist bei den Konsumenten eine einsetzende „Discount-Müdigkeit“ zu beobachten?
- Kann der Konsument noch ausreichend zwischen den verschiedenen großflächigen Betriebsformen und den verschiedenen Discountern differenzieren?
- Werden Probleme durch den voranschreitenden Strukturwandel und die Standort- verlagerungen des Lebensmitteleinzelhandels wahrgenommen oder antizipiert?

Der Stadtbezirk Köln-Porz stellt für diese Fragestellungen ein geeignetes Untersuchungsge- biet dar, da hier alle relevanten Betriebsformen des Lebensmitteleinzelhandels an jeweils typischen Standorten, die fünf wichtigsten Discounter Deutschlands und zudem ‚alternative’ Versorgungsmöglichkeiten wie Wochenmärkte und Reformhäuser in ausreichender Zahl zu finden sind.

Auf Grundlage der Auswertung und Interpretation der gewonnenen Ergebnisse werden in diesen drei Teilbereichen Hypothesen im Sinne des Forschungsgegenstands generiert. Die Untersuchungsergebnisse erheben dabei Anspruch auf psychologische Repräsentativität, also auf die Ermittlung aller relevanten psychologischen Faktoren durch die notwendige Offenheit der gewählten Methode. Statistische Repräsentativität kann und soll nicht der Anspruch dieses qualitativen Forschungsdesigns sein.

Zu Beginn der Arbeit werden aktuelle Situation und Strukturwandel des Lebensmittelein- zelhandels in Deutschland dargestellt. Es werden die großflächigen Betriebsformen definito- risch gegeneinander abgegrenzt, die wichtigsten Discount-Unternehmen Deutschlands vor- gestellt und deren grundsätzliche Standortpolitik und konkrete Verteilungsmuster am Bei- spiel Kölns veranschaulicht. Im Folgenden werden die Gründe für den nachhaltigen Erfolg der Discounter eruiert und die gegenwärtig zu beobachtende Abschwächung des bislang schnellen und kontinuierlichen Wachstums, die dahinter vermuteten Gründe und die zu beobachtenden Reaktionen der Unternehmen zusammengetragen. Die Einführung der für diese Untersuchung relevanten soziologischen und psychologischen Grundlagen schließt den theoretischen Teil der Arbeit ab.

Diese Abschnitte bilden die Basis, auf deren Grundlage anschließend die Leitfragen der em- pirischen Untersuchung entwickelt werden. Die Leitfragen bewegen sich im Rahmen der drei genannten Teilbereiche. Anschließend wird die verwendete Methodik ausführlich vor- gestellt, insbesondere die Operationalisierung der Zuordnung der Interviewpartner und die angewendete Interviewmethode. Darüber hinaus wird das Untersuchungsgebiet kurz vorge- stellt und die verwendeten Untersuchungsmethoden einer kritischen Betrachtung unterzo- gen. Im letzten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung darge- legt, ein abschließendes Fazit gezogen und die gewonnenen Ergebnisse diskutiert.

2. Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland

2.1 Die wichtigsten Betriebsformen

Ein Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf den Discountern als besondere Betriebsform des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). In wörtlicher Übersetzung bedeutet der aus dem Engli- schen stammende Begriff Discount schlicht ‚Preisnachlass’ bzw. ‚Rabatt’, entsprechend dem deutschen ‚Diskont’. Er steht also im ursprünglichen Sinne für ein reines preispolitisches Instrument des Handels. Inzwischen ist ‚Discounting’ jedoch zum Synonym für ein komplet- tes Handelsprinzip, der Discounter in unterschiedlichsten Ausprägungen und vielen Märk- ten zur omnipräsenten Erscheinung geworden. Um fehlende Trennschärfe aufgrund inflati- onärer Verwendung dieses Begriffes zu vermeiden, wird eine Abgrenzung zu den wichtigs- ten Betriebsformen des LEH vorangestellt. Diese lassen sich folgendermaßen kategorisieren:

1. Discounter
2. Supermarkt
3. Verbrauchermarkt
4. SB-Warenhaus
5. Fach- und Spezialgeschäfte/ Nachbarschaftsläden
6. Fach- bzw. Wochenmärkte

Die Betriebsformen 5. und 6. werden jedoch zunächst außer Acht gelassen, da besonders die ersten vier aufgrund ihrer in Teilen großen Ähnlichkeit z.B. in Bezug auf Organisations- struktur oder Marktauftritt einer genaueren definitorischen Abgrenzung bedürfen. Die Grenzen sind in zunehmendem Maße fließend, sodass es teilweise schwer fällt, trennscharfe Definitionen zu liefern. Besonders da verschiedene Autoren häufig verschiedene Faktoren zur definitorischen Abgrenzung heranziehen oder denselben Faktoren ein unterschiedliches Gewicht beimessen. Als vielfach herangezogene Kriterien seien vor allem die Sortimentspoli- tik, die Betriebsgröße (hier wird häufig die Verkaufsfläche als Abgrenzungsmerkmal heran- gezogen), das Bedienungsprinzip, die Preis- und die Standortpolitik genannt. Im Folgenden wird ein zusammenfassender Überblick über mögliche Definitionskriterien dieser ersten vier Betriebsformen gegeben. Darüber hinaus werden die wichtigsten Unternehmen, welche die- se Betriebsformen repräsentieren genannt und die entscheidenden Unterschiede zu den Discountern herausgearbeitet.

2.1.1 Discounter

Um sich ein möglichst vollständiges Bild von den Discount-Unternehmen machen zu können, werden zunächst unterschiedliche Definitionen allgemeiner Art verglichen und deren Aktualität und Übertragbarkeit auf den LEH in Deutschland bewertet.

„Fachdiscounter … haben ein enges bis sehr enges Sortiment von Schnelldrehern mit einem durchweg niedrigen bis sehr niedrigen Preisniveau und eine beachtliche Werbe- intensität. [Sie] benötigen große artikelspezifische Einkaufsvolumina, Standorte in Ge- schäfts- und Einkaufszentren mit hoher Kundenfrequenz und eine gute regionale und nationale Flächenabdeckung zur Minderung von Streuverlusten bei der Werbung. Die gesamte Angebotsstrategie trägt oft den Charakter einer Sonderangebotsstrategie“ (TIETZ 1992a, S. 265).

Diese Definition von TIETZ ist in zwei Bereichen nicht (mehr) auf aktuelle Maßstäbe des mo- dernen LEHs übertragbar. Erstens benötigen moderne Lebensmittel-Discounter der neuesten Standort-Generation nicht mehr die Kundenfrequenz bestehender Geschäfts- oder Einkaufs- zentren sondern generieren diese zumeist selber (vgl. Kapitel 2.4.4). Zweitens operieren die- se aktuell eher selten mit Sonderangebotsstrategien sondern mit Dauerniedrigpreispro- grammen. DILLER macht die weitgehende Abkehr von den Sonderpreisaktionen an einer „Vielzahl von Erosionsfaktoren“ fest, die „die Wirksamkeit dieses preispolitischen Instru- mentes seit vielen Jahren unterminieren“ (DILLER 1995, S. 43). Exemplarisch seien hier die „Abnutzung der Aufmerksamkeit“, „Konkurrenz durch andere Profilierungsfaktoren im Handel (z.B. Preisgarantien oder Kundenclubs)“ oder auch die „Übersättigung durch An- wendung von vielen Anbietern“ genannt (ebd.). Dies lässt bereits erahnen, wie schnell in diesem Handelssegment bestehende Strukturen aufgebrochen und nachhaltig verändert werden. Ein weiterer Versuch einer Begriffsdefinition bezeichnet den Discounter als „eine Betriebsform des Einzelhandels, bei der vornehmlich im Wege der Selbstbedienung ein auf raschen Umschlag ausgerichtetes Sortiment zu niedrigen Preisen angeboten und auf Nebenleistungen weitgehend verzichtet wird“ (NIESCHLAG, DICHTL & HÖRSCHGEN 1994, S. 1041).

Auch zehn Jahre später kann diese Definition zwar noch als gültig bezeichnet werden, sie vernachlässigt jedoch wichtige Merkmale wie die Begrenztheit des Sortiments und trifft keinerlei Aussagen zu unternehmenspolitischen Faktoren.

Umfassender ist folgende, bereits aus dem Jahre 1974 stammende Begriffsbestimmung:

„Discounthäuser sind größere Selbstbedienungsunternehmen des Einzelhandels, die aus einem gestrafften und absatzbetonten Sortiment Gebrauchsgegenstände und Verbrauchsgüter, insbesondere Artikel des täglichen Bedarfs, ohne besonderen Service gegen Barzahlung dauernd merklich unter den üblichen Endverbraucherpreisen anbie- tet“ (Tietz 1974, S. 471).

Diese allgemeine Definition ist für die LEH-Discounter in ihrer heutigen Form noch weitgehend treffend, es müssen jedoch auch hier zwei aktualisierende Einschränkungen vorgenommen werden: Zum einen ist aufgrund inzwischen üblich gewordener EC-Karten-Be- zahlung (vgl. Kapitel 3.5.3) eine Barzahlung nicht mehr zwingend erforderlich. Zum anderen legen die große räumliche Verbreitung (vgl. Kapitel 2.4) und die hohen Marktanteile der Discounter im LEH (vgl. Kapitel 3) die Vermutung nahe, dass heutzutage die Preise der Discounter selbst inzwischen vom Endverbraucher als üblich angesehen werden. Aus diesem Grund sei abschließend noch eine weitere Definition genannt, welche diesem Umstand Rechnung trägt. Sie bezieht sich auf ‚Discounting’ als „…strategische Unternehmenskonzeption, die auf ein begrenztes Angebotsfeld und die für den Kundennutzen zentralen Leistungskomponenten zugeschnitten ist, von den Kunden als wesentlich empfundene Preisvorteile bietet und die ihrerseits auf dem konsequenten Umsetzen von Grundregeln der Kostenführerschaft beruhen“ (DILLER, HAAS & HAUSRUCKINGER 1997, S. 19ff.).

Offenbar ist keine der genannten Definitionen für die modernen Lebensmittel-Discounter erschöpfend und präzise, sie bieten jedoch Hinweise auf die wichtigsten Eigenschaften, welche folgendermaßen zusammengefasst werden können:

- Das Sortiment besteht aus einer stark begrenzten Anzahl an Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs.
- Die Preisgestaltung wird durch dauerhafte Niedrigpreise bestimmt. Dadurch wer- den als wesentlich empfundene Preisvorteile gegenüber konkurrierenden Betriebs- formen angestrebt.
- Die Unternehmensstrategie zeichnet sich durch das Streben nach einer hohen Flä- chendeckung und in der Folge einem hohen Filialisierungsgrad aus.
- Die Ware wird im Selbstbedienungsprinzip angeboten.

Die Standortpolitik als weiteres kennzeichnendes Merkmal wird in Kapitel 2.4 ausführlich behandelt. Die Verkaufsfläche gilt für die Discounter nicht als Definitionskriterium - im Ge- gensatz zu den anderen Betriebsformen, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird. Die durchschnittliche Verkaufsfläche bewegt sich bei allen Discount-Unternehmen in einem recht engen Rahmen (ca. 550-750 m², vgl. Tabelle 2-2, S. 26). Dieser Umstand wird in Kapitel

3.2.2 noch einmal thematisiert.

Die aktuellen Entwicklungen der Discounter im Hinblick auf Sortiment und Differenzie- rungsbemühungen (vgl. Kapitel 3.5.3) machen über diese Zusammenstellung hinaus eine genauere Unterteilung für dieses Handelssegment notwendig. Begrifflich hat sich in der Li- teratur und im Sprachgebrauch der Fachöffentlichkeit die Einteilung in ‚Hard’- und ‚Soft- Discount’ durchgesetzt, eine Festlegung auf einheitliche und exakte Merkmale oder Grenz- werte für diese Unterteilung existiert jedoch nicht. Auch dies mag begründet liegen in der außerordentlichen Veränderungsdynamik dieses Marktes. Als wichtigstes Unterscheidungs- kriterium gilt die Begrenzung der angebotenen Artikel, ein grober Richtwert liegt bei etwa 1.300 Artikeln (OCHS & STEINAUER 2004, S. 16f.). Wollte man eine solche Einteilung für die fünf wichtigsten Lebensmitteldiscounter vollziehen, so würden Aldi (-Nord und -Süd), Lidl und Norma zu den Hard-Discountern, Penny und Plus zu den Soft-Discountern zählen - eine nähere Betrachtung der genannten Unternehmen erfolgt in Kapitel 2.3. Diese Einteilung erscheint jedoch recht willkürlich und ist eher als grobe Richtlinie denn als aussagekräftige Unterscheidung zu verstehen. Zieht man weitere Kriterien wie Frische- oder Non-Food-Artikel, Anteil der Handelsmarken am Gesamtsortiment, Verkaufsfläche oder Sortiments- und Standortpolitik hinzu, wird schnell deutlich, dass die Unterschiede zwi- schen den einzelnen Unternehmen mehr und mehr verschwimmen und eine klare Abgren- zung kaum noch möglich ist. So kann man die Unterscheidung zwischen Hard- und Soft- Discount eher als Skala auffassen, an deren Enden auf der einen Seite Aldi (ca. 700 angebote- ne Artikel, ca. 725 m² Verkaufsfläche, fast ausschließlich Handelsmarken, ausschließlich Selbstbedienung und wenig Frischware) und auf der anderen Seite Plus (ca. 1.900 Artikel, ca. 544 m² Verkaufsfläche, großer Anteil Markenartikel, teilweise Bedienung und große Aus- wahl an Frischware) stehen. Die übrigen Unternehmen reihen sich in Abhängigkeit von den zu Grunde gelegten Abgrenzungsmerkmalen an unterschiedlichen Positionen ein.

2.1.2 Supermarkt

Den Supermarkt definiert das Institut für Handelsforschung als „Einzelhandelsbetrieb, der auf einer Verkaufsfläche von mindestens 400 m² Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Frischwaren und ergänzend Waren des täglichen und kurzfristigen Bedarfs anderer Bran- chen vorwiegend in Selbstbedienung anbietet“ (Institut für Handelsforschung 1995, S. 25). TIETZ zieht als definitorische Grenze die Verkaufsfläche als wichtigstes Merkmal heran: Bei einer Mindestgröße von 400 m² liegt hier die untere Grenze zu den Nachbarschaftsläden, eine Verkaufsfläche von etwa 1.000 m² bildet die obere Grenze zu den Verbrauchermärkten (TIETZ 1992b, S. 31 f.). Dies ist in der Praxis eher als Richtwert zu sehen: So gibt Edeka für sei- ne Aktiv-Märkte eine Obergrenze von 800 m², miniMal einen Durchschnittswert von 1.200- 1.500 m² an. Der Flächenbedarf eines modernen Supermarkts ist zudem aufgrund steigender Konsumentenansprüche bzgl. Service, Angebot und Bequemlichkeit steigend. Die entschei- denden Unterschiede speziell zu den Discountern sind in einem tieferen Kernsortiment, ei- nem durchschnittlich höheren Preisniveau - durch ergänzende höherpreisige Artikel und einem insgesamt größeren Anteil an Markenartikeln - und der immer noch dominierenden Sonderangebots- statt einer Dauerniedrigpreispolitik zu sehen. Ein weiteres Unterschei- dungskriterium zu anderen Betriebsformen sieht BARTH in der Standortwahl der Supermärk- te, welche „hauptsächlich in den Haupt- und Nebenstraßen erstklassiger Stadt- und Wohn- lagen“ liegen (BARTH 1993, S. 95). Als Richtgröße für die Sortimentsbreite kann eine Artikel- zahl von 10-15.000 angenommen werden, im Gegensatz zu den Discountern tritt ein Super- markt meist als Vollsortimenter auf. Zudem werden Teile des Sortiments, besonders die Frischwaren, häufiger mit Bedienung offeriert. Hier haben sich inzwischen zwei dominie- rende Betriebstypenvarianten herauskristallisiert: „Der discountorientierte Supermarkt, ohne Bedienung, mit einfachem Ladenlayout und begrenzten Frischelinien“ und der „serviceorientierte Supermarkt mit Bedienungsabteilungen, aufwändigerem Ladenlayout und einem umfassenden Frischesortiment“ (AREND-FUCHS 1995, S. 43). Besonders die Unterschiede zwischen Discounter und erstgenannter Supermarkt-Variante sind also bzgl. vieler der genannten Abgrenzungskriterien kaum mehr vorhanden.

Als wichtige Marktteilnehmer sind zu nennen: Edeka -Aktiv-Markt, miniMal, Rewe - Supermarkt, HL-Markt/ St ü ssgen, Kaiser ´ s und Spar. HL und miniMal sind jedoch zunächst als Discounter gestartet und haben sich erst sukzessive durch Erweiterungen des Sortiments und der angebotenen Serviceleistungen zu Supermärkten entwickelt (OCHS & STEINAUER 2004, S. 13).

2.1.3 Verbrauchermarkt

Der Verbrauchermarkt wird definiert als „großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der ein breites und tiefes Sortiment an Nahrungs- und Genussmitteln und an Ge- und Verbrauchsgütern des kurz- und mittelfristigen Bedarfs überwiegend in Selbstbedienung anbietet; häufig wird entweder auf eine Dauerniedrigpreispolitik oder auf eine Sonderangebotspolitik abgestellt“ (Institut für Handelsforschung 1995, S. 25). Inzwischen ist meist ein Mix beider Preisinstru- mente festzustellen. Die Abgrenzung nach der Verkaufsfläche variiert: Diese „liegt nach der Amtlichen Statistik bei mindestens 1.000 m², nach der Abgrenzung des Europäischen Han- delsinstituts bei 1.500 m², nach internationalen Erhebungsverfahren von Panel-Instituten bei 800 m²“ (AREND-FUCHS 1995, S. 39). Die eigenen Angaben der Unternehmen geben keine konkreteren Anhaltspunkte, HIT etwa beziffert auf der unternehmenseigenen Internetseite seine Verkaufsflächen mit „2.000 bis 15.000 m²“, wobei HIT sich je nach Standort mal als Verbrauchermarkt, mal als SB-Warenhaus positioniert. Edeka gibt für seine Verbraucher- markt-Filialen ‚Neukauf’ eine Untergrenze von 800 m² an. Das Sortiment ist in der Regel breiter als bei einem Supermarkt. Aufgrund der teilweise großen Intra-Betriebsformen- Unterschiede ist es schwierig, eine konkrete Artikelanzahl als Grenzwert festzulegen. Diese dürfte aber nur in seltenen Fällen 20.000 überschreiten. Der Standort ist in der Regel „auto- kundenorientiert, entweder in Alleinlage oder innerhalb von Einkaufszentren“ (ebd.). Als wichtigste Marktteilnehmer sind Edeka Neukauf, Extra, HIT, Marktkauf oder Kaufland zu nen- nen. Letzterer firmiert - je nach Region - auch unter Kaufmarkt.

2.1.4 SB-Warenhaus

Das SB-Warenhaus ist ein „großflächiger, meist ebenerdiger Einzelhandelsbetrieb, der ein umfassendes Sortiment mit einem Schwerpunkt bei Lebensmitteln ganz oder überwiegend in Selbstbedienung ohne kostenintensiven Kundendienst mit hoher Werbeaktivität in Dau- erniedrigpreispolitik oder Sonderangebotspolitik anbietet“ (Institut für Handelsforschung 1995, S. 25). Uneinigkeit besteht auch bei den SB-Warenhäusern in der Festlegung fester Grenzwerte der Verkaufsfläche, welche „nach der Amtlichen Statistik bei mindestens 3.000 m², nach der Abgrenzung des Europäischen Handelsinstituts bei 4.000 m², nach internationa- len Vereinbarungen bei 5.000 m²“ liegt (AREND-FUCHS 1995, S. 37). Edeka gibt für seine SB- Warenhäuser ‚Center’ eine Verkaufsflächen-Untergrenze von 2.500 m² an. Plaza hingegen nennt in seinen Immobilien-Voraussetzungen einen Richtwert von 4.500 m². Bzgl. Sorti- ments- und Preispolitik bestehen ähnlich große Intra-Betriebsformen-Unterschiede wie im Segment der Discounter.

Welche Grenze man für die Verkaufsfläche auch zu Grunde legt, diese bildet zusammen mit der Breite des Sortiments - genau wie bei den Verbrauchermärkten - den entscheidenden Unterschied zu den Discountern. Auch diese beiden Betriebsformen positionieren sich als Vollsortimenter, die eigenen Angaben zur durchschnittlichen Artikelanzahl bewegen sich in einer Größenordnung von 40.000 (Marktkauf) bis 60.000 (Wal-Mart). Die Standorte sind „grundsätzlich autokundenorientiert, entweder isoliert oder in gewachsenen und geplanten Zentren“ (ebd., S. 37), wobei ein Discounter aufgrund baurechtlicher Rahmenbedingungen wesentlich größere Spielräume bei der Standortwahl hat (vgl. Kapitel 3.2.2). Das Auftreten als äußerst preisaggressiver Anbieter (vor allem die amerikanische Handelskette Wal-Mart bietet in diesem Zusammenhang ein markantes Beispiel) und die Listung einer Vielzahl von Eigenmarken sind auffällige Gemeinsamkeiten zu den reinen Discountern. Bei den Größen- verhältnissen, sowohl in Sortimentsbreite, -tiefe als auch bzgl. der Verkaufsfläche sind die SB-Warenhäuser also die mit Abstand größte Betriebsform im LEH. Die wichtigsten Markt- teilnehmer sind: Edeka -Center, real, Wal-Mart, Plaza, Globus, HIT, Marktkauf und Kaufland. Die gleichzeitige Einordnung der drei Letztgenannten in die Rubriken Verbrauchermarkt und SB-Warenhaus resultiert aus einer entweder regional oder lediglich für einzelne Standorte variierenden Positionierung und Größenordnung der jeweiligen Filialen.

Für eine vollständige Betrachtung der verschiedenen Betriebsformen fehlt bislang das Unter- scheidungskriterium Einzugsgebiet, welches „die in einem bestimmten Zeitraum erfassten Herkunftsorte der Kunden“ beschreibt (HEINRITZ 2003, S. 29). Hier spielen jedoch regionale oder standortspezifische Besonderheiten eine sehr große Rolle. Es handelt sich zudem eher um „Konstrukte“, deren „Außengrenzen stets Ergebnis von Bearbeiterentscheidungen“ sind und „in der Regel auch zeitlich starken Veränderungen unterliegen“ (ebd.), sodass eine ver- allgemeinernde Abgrenzungen durch die Angabe absoluter Werte nicht möglich ist. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Supermärkte in der Regel ein wesentlich kleineres Ein- zugsgebiet bedienen als die übrigen Betriebsformen, da sie eher auf die Nahversorgung aus- gerichtet sind. BARTH nennt eine Größenordnung von ca. 750 m (BARTH 1993, S. 95), aber auch hier sind Verallgemeinerungen wenig sinnvoll. Die übrigen Betriebsformen liegen er- heblich über diesem Wert und dürften mit steigender Zahl der angebotenen Artikel und der verstärkten Verkehrsorientierung eine größere Anziehungskraft - vor allem auf motorisierte Kunden - ausüben und folglich wachsende Einzugsgebiete aufweisen.

2.2 Aktueller Strukturwandel

Das folgende Kapitel skizziert die Entwicklung der vier beschriebenen Betriebsformen des LEHs in den vergangenen Jahren und veranschaulicht die aktuellen Trends dieses Markt- segments. Tabelle 2-1 zeigt die Veränderungen bzgl. Filialzahl und Umsatz der wichtigsten Betriebsformen im Jahre 2003 gegenüber dem Vorjahr. Die Abgrenzung außerhalb des Dis- count-Segments erfolgt auf Basis der Verkaufsfläche, was - wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben - ob der verschwimmenden Grenzen problematisch ist und als alleiniges Un- terscheidungsmerkmal häufig nicht ausreicht. Daher ist diese scharfe Trennung zwar mit Vorsicht zu interpretieren, zur Operationalisierung eines solchen Vergleichs ist jedoch ein quantitatives Kriterium unabdingbar. Für diesen Zweck ist die Verkaufsfläche das aussage- kräftigste Mittel. Im Segment der Verbrauchermärkte wurde anhand dieses Merkmals eine Aufteilung in ‚groß’ und ‚klein’ vorgenommen, um eine genauere Aufschlüsselung der Ent- wicklung zu gewährleisten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-1: Entwicklung des LEH in Deutschland nach Betriebsformen (2002-2003)

Der Umsatz des stationären LEHs wurde im Jahre 2003 um 1,5 % gegenüber 2002 gesteigert, bei gleichzeitigem Rückgang der Filialen um knapp 3,5 %. Dies lässt bereits auf eine Verlage- rung zugunsten der großflächigen Betriebsformen schließen. Tatsächlich konnten von der Umsatzsteigerung besonders die großen Verbrauchermärkte - vor allem aber die Discounter - profitieren, während die Supermärkte gleichzeitig 1,7 % ihres Umsatzes eingebüßt haben. Den größten Verlust mussten jedoch die kleineren Nahversorger mit einer Verkaufsfläche von weniger als 400 m² hinnehmen: Innerhalb eines Jahres schlossen 6,2 % der Geschäfte, der Umsatz ging mit 8,3 % noch stärker zurück.

Die drei Betriebsformen Discounter, Verbrauchermarkt und SB-Warenhaus konnten ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr zwar steigern, dies relativiert sich jedoch bei Betrachtung des Anteils am kumulierten Umsatz dieser vier Betriebsformen. In Abbildung 2-1 sind für den Zeitraum von 1999 bis 2003 die Umsätze der kleineren Betriebsformen herausgerechnet und die Entwicklung der jeweiligen Anteile gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass im direkten Vergleich die Discounter die Gewinner sind, die restlichen Betriebsformen haben prozentua- le Anteile verloren. Sie konnten an der faktischen Umsatzsteigerung nicht in dem Maße par- tizipieren, wie dies die Discounter getan haben. Der Hauptgrund dafür ist in der extremen Expansionspolitik der Discounter zu sehen, deren Filial-Anzahl während des besagten Zeit- raums deutschlandweit eine Netto-Steigerung von ca. 1.100 erfuhr, während die übrigen Betriebsformen annähernd stagnierten, bzw. die Supermärkte sogar große Einbußen hin- nehmen mussten (vgl. Abbildung 2-2).

Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit der folgenden und der auf Seite 46 dargestellten Abbildungen sind mit Hilfe des Tabellenprogramms ‚Excel’ polynomische Trendlinien eingefügt, welche die Trends der Daten visualisieren.2 Die Bestimmtheitsmaße R² geben Auskunft über die Verlässlichkeit der Trendlinien.3

Abbildung 2-1: Prozentualer Anteil am Gesamtumsatz der 4 großen Betriebsformen des Lebens- mitteleinzelhandels in Deutschland 1999-2003

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung nach A.C. Nielsen 2004a

Abbildung 2-2: Anzahl der Filialen der 4 großen Betriebsformen des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland 1999-2003

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach A.C. Nielsen 2004a

Die bislang dargestellten Entwicklungen stehen in engem Zusammenhang mit den in den folgenden Abschnitten dargestellten Trends, welche in den letzten Jahren den LEH in Deutschland geprägt haben.

2.2.1 Verkaufsflächenwachstum

Im vergangenen Jahrzehnt hat im LEH eine deutliche Zunahme der Gesamtverkaufsfläche stattgefunden. Im Zeitraum zwischen 1993 und 2000 wurde nach Angaben des EHI (Euro Handelsinstitut) die Verkaufsfläche um fast 3 Mio. m² gesteigert, was einer Steigerungsrate von 12,9 % entspricht - bei einer gleichzeitigen Umsatzsteigerung von nur 5,4 % (WINKLER 2002, S. 87). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Flächenproduktivität, also der Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche in diesem Zeitraum gesunken ist. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) beziffert diesen Rückgang auf insgesamt 7,6 Prozent seit 1991 (BVL 2004). „Am deutlichsten war der Rückgang bei den Discountern sowie bei den Großflächen: Wurden dort 1991 auf einem Quadratmeter Verkaufsfläche noch fast 7.000 bzw. rund 4.170 Euro erwirtschaftet, so lagen diese Werte im Jahr 2001 unter 5.700 bzw. 3.550 Eu- ro. Dies sind Produktivitätsverluste von rund 19 Prozent bei den Discountern bzw. 15 Pro- zent bei den Großflächen“ (ebd.).

Gerade am Flächenwachstum haben die Discounter maßgeblichen Anteil: Allein in den Jah- ren von 1997 bis 2000 wurde die Verkaufsfläche der Discounter um knapp 1,5 Mio. m² ge- steigert, während die Nahversorger (hier sind Supermärkte und Nachbarschaftsläden zu- sammengefasst) gleichzeitig 660.000 m² ihrer Verkaufsfläche verloren. Im gleichen Zeitraum legten die großflächigen Konkurrenten zwar ebenfalls um 430.000 m² zu (ebd.), was jedoch 30 % unter der Steigerungsrate der Discounter liegt. Deren starker Zuwachs resultiert zum einen aus der noch immer vorhanden Netto-Steigerung der Anzahl der Discounter-Filialen (vgl. Abbildung 2-2), zum anderen aus der Verlagerung hin zu flächenintensiveren Standorten. Diese Thematik wird in Kapitel 2.4.4. noch einmal aufgegriffen.

2.2.2 Konzentration

Des Weiteren ist der LEH in Deutschland von starken Konzentrationsprozessen geprägt. So gab es „1974 noch 704 direkt bei der Industrie einkaufende Handelsunternehmen. Mitte der achtziger Jahre war der Kundenkreis der Lebensmittelindustrie bereits auf 260, Mitte 2003 auf 102 Direktbezieher zusammengeschmolzen“ (M+M Eurodata 2004, S. IV, 3). Besonders deutlich wird diese Tendenz bei Betrachtung der Entwicklung der fünf größten Handelsun- ternehmen: Diese besaßen 1990 zusammen etwa 45 % Marktanteil, bis 2003 stieg dieser An- teil auf 63,5 %. Die ‚Top 5’ werden im Jahre 2010 einen prognostizierten gemeinsamen Marktanteil von über 75 % aufweisen (ebd.). Ein noch nachdrücklicheres Bild der Umsatz- konzentration ergibt die Betrachtung der ‚Top 9’, also der neun umsatzstärksten Handels- konzerne bzw. -gruppierungen: „Die Filialisten Metro und Tengelmann, die Discounter Aldi, Lidl und Norma, die Handelsorganisationen Rewe, Edeka und Spar und die Verbundgruppe Markant … decken nahezu 100 % des institutionellen oder organisierten Lebensmittelhandels in Deutschland ab: entweder mit eigenen Filialen, als Lieferant von angeschlossenen Einzel- händlern oder durch die Verrechnung von Mitgliederumsätzen über eine Zentralorganisati- on“ (ebd.).

2.2.3 Internationalisierung

Eine dritter Aspekt des Strukturwandels ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße zu beobachten: Eine steigende Internationalisierung des LEHs, vor allem im Segment der discountorientierten Anbieter. Dies gilt in besonderes für die Unternehmen Aldi und Lidl: Wie aus Tabelle 2-2 hervorgeht, ist Lidl inzwischen in 13 verschiedenen Ländern vertreten und betreibt dort bereits etwa 54 % seiner Filialen. Aldi (-Nord und -Süd gemeinsam) ist in 11 Ländern vertreten, knapp über 40 % der Filialen haben ihren Standort außerhalb Deutschlands. Der im Ausland erwirtschaftete Umsatz hat bei beiden Unternehmen einen erheblichen Anteil am Gesamtergebnis. Bei Aldi beträgt dieser laut M+M Eurodata für das Jahr 2004 rund 40 %, bei Lidl knapp 35 % (HEINRITZ 2003, S. 40).

Umgekehrt jedoch funktioniert der Erfolg ausländischer Unternehmen in Deutschland weni- ger gut, bis heute ist der deutsche Lebensmitteleinzelhandel von deutschen Unternehmen bestimmt. „Es hat in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben, auf dem deut- schen Markt Fuß zu fassen. Kein ausländisches Handelsunternehmen ist aber mit der Menta- lität und dem Verbraucherverhalten der Deutschen zurechtgekommen. So hat es überrascht, dass sich 1997/98 innerhalb nur eines Jahres zwei der ganz großen Handelsunternehmen der Welt und Europas in Deutschland engagiert haben: Wal-Mart hat Wertkauf und die Interspar - Märkte übernommen, Intermarch é die deutsche SPAR.“ (M+M Eurodata 2004, S. IV, 5). In den Medien und der Öffentlichkeit erlangte vor allem der Markteintritt von Wal-Mart große Be- achtung, die anfängliche Besorgnis der Konkurrenten hat sich jedoch inzwischen gelegt. Der erwartete große Erfolg hat sich nicht eingestellt, die aggressive und flächendeckende Expan- sion ist ausgeblieben. Als eine der wichtigsten Ursachen gilt in diesem Fall die falsche Ein- schätzung der hiesigen Kundschaft. „Deutschland ist Discountland. Kaum ein Konsument ist so preisbewusst wie der Deutsche. Billigangebote sind nichts Neues und an jeder Ecke steht ein Aldi - oder Lidl -Markt. Mit seinen ‚Dauerniedrigpreisen’ mag Wal-Mart in den USA die Leute locken, hier dagegen zeigt sich die Kundschaft abgehärtet“ (SUCHER 2004).

Auch in Köln-Porz gibt es eine von gegenwärtig insgesamt 91 deutschlandweiten Wal-Mart - Filialen. Auf deren spezielle Rolle für die Versorgung des Stadtteils wird im empirischen Teil noch gesondert eingegangen und es wird versucht, die erwähnte negative Konsumentenwahrnehmung zu überprüfen und gegebenenfalls Gründe hierfür zu explorieren.

2.3 Die fünf wichtigsten Lebensmitteldiscounter in Deutschland

Den allergrößten Umsatzanteil im Discountsegment des deutschen LEHs teilen sich die Un- ternehmen Aldi (-Nord und -Süd), Lidl, Plus, Penny, Norma und Netto (-Schels und - Stavenhagen). Deren gemeinsamer Umsatzanteil wird für das Jahr 2002 auf 95,7 % beziffert (M+M Eurodata 2004, S. 14). Die vorliegende Arbeit spart jedoch Netto in der Betrachtung weitgehend aus, da im Untersuchungsgebiet Köln-Porz keine Netto -Filiale existiert. Die Verbreitung des Filialnetzes von Netto -Schels fand ihren Ursprung in Bayern. Von dort aus verbreitete man die Standorte in Richtung Norden und Nord-Osten, sodass Netto -Schels ak- tuell, neben Bayern, vor allem in Sachsen und Thüringen präsent ist. In Nordrhein-Westfalen sind lediglich vereinzelt Filialen vorzufinden, im gesamten Kölner Stadtgebiet jedoch keine einzige. Netto -Stavenhagen ist ausschließlich in östlichen Regionen Deutschlands vertreten, vor allem in Berlin und Brandenburg, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen- Anhalt. Beide Handelsketten gemeinsam sind bzgl. Filialanzahl, Umsatz und Marktanteil der kleinste Anbieter unter den genannten Discountern.

Bei der Organisationsform ist folgender Umstand zu berücksichtigen: Während Aldi, Lidl und Norma keiner übergeordneten Organisation angehören und somit völlig unabhängig agieren können, ist dies bei den übrigen Handelsketten nicht der Fall. So gehört Plus zur Tengelmann-Firmengruppe, einem Filialisten, der sowohl im Food-, als auch im Non-Food- Bereich aktiv ist und in beiden Segmenten verschiedene Vertriebslinien betreibt. Plus reprä- sentiert die Discount-Vertriebslinie des Tengelmann-Konzerns. Netto und Penny hingegen sind Teile größerer Handelsgruppen: Netto -Schels und Netto -Stavenhagen gehören zur Han- delsgruppe SPAR AG, Penny hingegen zur REWE -Gruppe. Diese Handelsgruppen treten, genau wie EDEKA, „als Filialisten auf, sind gleichzeitig aber Großhändler und Kontore mit zumindest Rest-Ansätzen von kooperativer oder genossenschaftlicher Verfasstheit“ (M+M Eurodata 2004, S. IV, 5), was für die angeschlossenen Discounter eingeschränkte Flexibilität, Abhängigkeit, gleichzeitig jedoch auch Absicherung durch eine starke Organisation im Hin- tergrund bedeutet. Ebenso wie der gesamte stationäre LEH Deutschlands (vgl. Kapitel 2.2.2), stellt auch das Discountsegment ein Oligopol dar.

Nicht nur das Thema Unternehmensorganisation erfordert die Berücksichtigung einer Viel- zahl von Besonderheiten des unabhängigen Unternehmens Aldi: 1962 eröffneten die Brüder Albrecht (‚Albrecht-Discount’) den ersten Markt in Dortmund (KEUN & LANGER 2003). An- schließend folgte eine rasche Expansion, in deren Zuge sich die Brüder die Fläche Deutsch- lands als potenziellen Markt in eine nördliche und eine südliche Hälfte aufteilten und in de- ren Grenzen sie mit voneinander unabhängigen Unternehmen aktiv sind. Die Grenze zwi- schen Aldi -Nord und Aldi -Süd verläuft durch Nordrhein-Westfalen, Hessen und entlang der Grenze zwischen Bayern und Thüringen. Darüber hinaus sprechen sich die beiden Unter- nehmen auch bei ihren internationalen Aktivitäten ab, die Expansion ins Ausland ist ebenso exakt nach den jeweiligen Ländern zwischen den Unternehmen aufgeteilt.

Trotz unternehmerischer Unabhängigkeit kann von einer weitgehend gemeinsamen Markt- politik ausgegangen werden. Dies wird auch häufig in der Außendarstellung kommuniziert, wie Abbildung 2-3 veranschaulicht. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf dieser Ar- beit - wie auch in den meisten Statistiken, der Literatur oder der Presse - das Unternehmen Aldi als Einheit betrachtet: Mit Aldi ist somit immer Aldi -Süd und Aldi -Nord gemeinsam ge- meint. Dies entspricht auch der Wahrnehmung der Konsumenten, welche überwiegend „nicht zwischen Aldi Nord und Aldi Süd unterscheiden können“ (OCHS & STEINAUER 2004, S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Gemeinsame Außendarstellung von Aldi-Nord und -Süd

Werbe-Beilage ‚ Aldi informiert’ vom 20.10.2004 Startseite des gemeinsamen Internetauftritts von Aldi -Nord und -Süd (www.aldi.de. Zugriff: 29.01.2005) Aldi nimmt gegenüber den Konkurrenten als Pionier und Marktführer im Discount-Sektor eine Sonderstellung in Deutschlands LEH ein. Die Umsatz- und andere Kennzahlen lassen zwar darauf schließen, dass diese Sonderstellung in Auflösung begriffen ist, gerade im Ver- gleich zum härtesten Konkurrenten Lidl. Jedoch gibt es offenbar bzgl. Kundenwahrneh- mung, Bekanntheitsgrad, sowie einer Art ‚Kultstatus’ nach wie vor bemerkenswerte Unter- schiede, wie im empirischen Teil der Arbeit noch zu zeigen sein wird. Hierfür sind der ca. 15 Jahre frühere Markteintritt und die immer noch größere räumliche Verbreitung verantwort- lich, welche eine höhere Marktpräsenz und in der Folge eine größere Markenbekanntheit verursacht. 98 % der Bevölkerung kennt den Anbieter Aldi, „eine Markenbekanntheit, die ihresgleichen sucht“ (OCHS & STEINAUER 2004, S. 10). Sowohl Präsenz als auch Bekanntheit der beiden Hauptkonkurrenten gleicht sich jedoch inzwischen - vor allem aufgrund der ag- gressiven Expansionspolitik von Lidl in den letzten Jahren - mehr und mehr an.

Weitere Besonderheiten von Aldi werden in den folgenden Kapiteln sukzessive aufgegriffen.

Tabelle 2-2 gibt die wichtigsten aktuellen Kennzahlen der fünf großen Lebensmittel- Discounter Deutschlands wieder, welche aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen wurden. Im Laufe der Arbeit wird auf diese Zahlen mehrfach Bezug genommen, da sie für Struktur und Besonderheiten dieser Betriebsform häufig wichtige Indikatoren darstellen. Aufgrund der im vorangegangenen Kapitel dargelegten Gründe sind die unter ‚ Aldi Gesamt’ subsumierten Kennzahlen für die meisten Zusammenhänge von größerer Bedeutung. Die meisten Angaben - besonders die Umsatzzahlen - sollten jedoch vorsichtig interpretiert werden, da sie häufig auf Schätzungen beruhen. Die Firmen versuchen alles, um die Offen- legung ihrer Bilanzen zu verhindern. Dies verdeutlicht BRANDES, ehemaliger Geschäftsfüh- rer und Mitglied des Verwaltungsrates Aldi -Nord: „Zum kargen Informationswesen bei Aldi gehört auch, dass Mitarbeiter nur über das informiert werden, was ihren Arbeitsbereich un- mittelbar angeht. Erreicht hat Aldi damit, dass Mitbewerber und Öffentlichkeit nur wenig exaktes Material über die Aldi -Gruppe haben und außer den Mitgliedern der Verwaltungsrä- te in Essen und Mülheim kaum jemand weiß, welchen Umsatz beide Gruppen heute erzie- len“ (BRANDES 2004).

Tabelle 2-2: Kennzahlen der fünf wichtigsten Lebensmittel-Discounter Deutschlands

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 Standortentscheidungen und Standortpolitik

In diesem Kapitel werden die Standortentscheidungen der Discounter auf eine mögliche grundsätzliche Systematik hin untersucht. Standort wird dabei „als erdräumliche Lokalisation mit bestimmten sachlichen und funktionalen Attributen“ (HEINRITZ 2003, S. 29) verstanden. Es wird beleuchtet, vor welchem Hintergrund diese Entscheidungen getroffen werden, und welche Muster der räumlichen Verbreitung diese bedingen.

Um der Standortpolitik eines Unternehmens eine Systematik zu verleihen, bietet sich die Differenzierung nach Aktionsparametern und Umweltparametern der Standortwahl an (TIETZ 1974, S. 1906f.). Dabei sind Aktionsparameter „durch den betrieblichen Entscheidungsträger … kontrollierte und durch Anweisungen festlegbare Größen“, und Umweltparameter solche, „die nicht von ihm in ihrer Ausprägung festlegbar“ sind (ebd.).

2.4.1 Standortentscheidungen der Discounter und ihre Aktionsparameter

Die von TIETZ eruierten Parameter werden in der Folge auf die Relevanz für die Standortentscheidungen moderner Lebensmittel-Discounter überprüft und gegebenenfalls ergänzt. Als allgemeine Aktionsparameter gelten:

- Auswahl eines geeigneten Grundstücks
- Typ des zu errichtenden Betriebes
- Art und Größe des angebotenen Sortiments
- Entscheidung zwischen Bauen und Mieten
- Zeitpunkt der Eröffnung (TIETZ 1974, S. 1906f.)

Die letzten vier dieser fünf Parameter sind im Falle eines modernen Discounters obsolet: Der Typ des zu errichtenden Betriebes steht außer Frage, ebenso die Art und die Größe des angebotenen Sortiments. Von der Entscheidung zwischen Bauen und Mieten machen die Unternehmen ihre Standortentscheidung nicht abhängig, beide Varianten sind denkbar. Die inzwischen von allen Unternehmen favorisierte standardisierte Bauweise neuer Filialen bei gleichzeitiger Bevorzugung zentrenferner Standorte (vgl. Kapitel 2.4.3) lässt den Anteil von Bauen jedoch inzwischen erheblich überwiegen. Für den Zeitpunkt der Eröffnung ist keine besondere Strategie erforderlich, sobald die Filiale bezugsreif oder der Bau fertig gestellt ist, wird die Filiale eröffnet.

So bleibt die Auswahl eines geeigneten Grundstücks, respektive des richtigen Standorts als zunächst einziger, aber bedeutender Aktionsparameter zu beachten.

Die Betrachtung der Unternehmensangaben bzgl. bevorzugt gesuchter Grundstücke und Immobilien bietet wichtige Hinweise über die Beschaffenheit eines für die Discounter geeigneten Standortes. Diese sind bei allen Discountern nahezu identisch (vgl. Tabelle 2-3).

Tabelle 2-3: Angaben der Lebensmittel-Discounter bzgl. bevorzugt gesuchter Standortmerkmale

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Unternehmenseigene Internetseiten. Zugriff: November 2004

[...]


1 Im Verlaufe dieser Arbeit wird der Einfachheit halber lediglich der Begriff „Discounter“ verwendet, womit im Untersuchungszusammenhang Discounter-Filialen des Lebensmitteleinzelhandels gemeint sind.

2 Der Hersteller dieses Tabellenprogramms beschreibt polynomische Trendlinien als Werkzeug für die Analyse der Zu- und Abnahme von Werten in großen Datenmengen. (Microsoft Online: Auswählen der besten Trendlinie für Ihre Daten. http://office.microsoft.com/de- de/assistance/HP052623211031.aspx. Zugriff: 08.01.2005.). Im vorliegenden Fall erbrachten sie im Vergleich zu anderen Arten der Trendlinien-Berechnung die verlässlichste Abbildung der Daten, bestätigt durch die höchsten Werte des Bestimmtheitsmaßes R².

3 Das Bestimmtheitsmaß ist „eine Zahl, deren Wert zwischen 0 und 1 betragen kann und die den Grad der Übereinstimmung zwischen den geschätzten Werten für eine Trendlinie und Ihren tatsächlichen Daten anzeigt. Die Verlässlichkeit einer Trendlinie ist am größten, je näher sich der Betrag des Bestimmtheitsmaßes dem Wert 1 nähert“ (ebd.).

Ende der Leseprobe aus 171 Seiten

Details

Titel
Das Konsumentenverhalten beim Lebensmitteleinkauf im Discounter. Eine sozial- und perzeptionsgeographische Untersuchung am Beispiel des Stadtteils Köln-Porz
Hochschule
Universität zu Köln  (Geographisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
171
Katalognummer
V48727
ISBN (eBook)
9783638453417
ISBN (Buch)
9783656827948
Dateigröße
4901 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Untersuchung fokussiert drei Teilbereiche: - Ist bei den Konsumenten eine einsetzende 'Discount-Müdigkeit' zu beobachten? - Kann der Konsument noch ausreichend zwischen den verschiedenen großflächigen Betriebsformen und den verschiedenen Discountern differenzieren? - Werden Probleme durch den voranschreitenden Strukturwandel und die Standortverlagerungen des Lebensmitteleinzelhandels wahrgenommen oder antizipiert?
Schlagworte
Konsumentenverhalten, Lebensmitteleinkauf, Berücksichtigung, Discounter, Eine, Untersuchung, Beispiel, Stadtteils, Köln-Porz
Arbeit zitieren
Gerrit Seul (Autor:in), 2005, Das Konsumentenverhalten beim Lebensmitteleinkauf im Discounter. Eine sozial- und perzeptionsgeographische Untersuchung am Beispiel des Stadtteils Köln-Porz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48727

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