Untersuchung der globalen und regionalen Ausprägung von musikalischen Präferenzen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen


Diplomarbeit, 2002

148 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung
1 Der Hintergrund
2 Der Plan
3 Die Umsetzung

Musikalische Stilrichtungen
1 Der Begriff des Genre
2 Allgemeines zur Genreeinteilung
2.1 Ursachen
2.1.1 Wirtschaftliche Beweggründe
2.1.2 Wiedererkennungswert
2.2 Probleme
2.2.1 Künstlerische Vielfalt
2.2.2 Kulturelle Befangenheit
2.2.3 Aussagekraft
3 Definition musikalischer Genres
3.1 E-Musik vs. U-Musik
3.1.1 Ernste oder E-Musik
3.1.2 Populäre oder Unterhaltungsmusik
3.2 Klassische Musikstile
3.2.1 Instrumental
3.2.2 Vokal
3.2.3 Neue Musik
3.3 Internationale populäre Musikstile
3.3.1 Jazz
3.3.2 Exkurs: Afroamerikanische Musik
3.3.3 Rockmusik
3.3.4 Popmusik
3.4 Nationale populäre Musikstile
4 Musikalische Präferenzen

Distribution von Musik
1 Arten der Musikrezeption
1.1 Tonträger
1.2 Rundfunk
1.3 Internet
1.4 Öffentliche Aufführungen
2 Untersuchungsrelevante Musikanbieter
2.1 Verwertungsgesellschaften
2.1.1 Das Urheberrecht
2.1.2 Funktion der Verwertungsgesellschaften
2.1.3 Struktur der Verwertungsgesellschaften
2.1.4 Geplante Vorgehensweise
2.2 Die Musikindustrie
2.2.1 Zum Begriff
2.2.2 Entwicklung und Struktur
2.2.3 Methoden der Musikindustrie
2.2.4 Geplante Vorgehensweise
2.3 Indirekte Anbieter
2.3.1 Audio-Software mit Datenbankzugriff
2.3.2 Geplante Vorgehensweise

Untersuchung von Hörerpräferenzen
1 Forschungsfragen
2 Quellen der Datensuche
2.1 Verwertungsgesellschaften
2.2 Tonträgerhersteller
2.3 Datenbanken und Internetanwendungen
3 Materialanalyse
3.1 Genre-Einteilung bei Online-Datenbanken
3.1.1 PhonoNet
3.1.2 Gracenote CDDB
3.1.3 AMG
3.1.4 CUIDADO Project
3.1.5 Alternativen
3.2 Nationale Genreeinteilungen
3.2.1 Nordamerika
3.2.2 Europa
3.2.3 Lateinamerika
3.2.4 Asien
3.2.5 Afrika
3.2.6 Übrige Länder
4 Ergebnisse
4.1 Allgemeine Auswertung
4.2 Auswertung der Hypothesen
4.2.1 Nationale Prägung von Stilkategorien
4.2.2 Pop als erfolgreichstes Genre
4.2.3 Rezeptionsverhalten
4.2.4 Radio als Quelle für Neuerscheinungen
4.2.5 Musikvielfalt in Großstädten
5 Bilanz

Zusammenfassung

Bibliographie

Anhang

A PhonoNet Schlagwortkatalog

B Statistiken nationaler Tonträgerverbände

C Top 10 – Tonträger (Albumcharts 2000)

D Top 10 – Verwertung (Rundfunkcharts, öffentliche Aufführungen)

E Vergleich Rundfunk- und Tonträgercharts

F Auswertung von Charts

Einführung

1 Der Hintergrund

Die Entwicklung und Etablierung neuer Medien hat in den letzten Jahren zu einem enormen Anstieg der Informationsflut geführt. Der Konsument sieht sich nun einer Vielzahl möglicher Unterhaltungsangebote gegenüber, aus denen er immer präziser seinem Geschmack entsprechend auswählen kann. Vor allem in der Musikbranche erfolgte eine immer feinere Diversifizierung nach Sparten durch das Aufkommen neuer Radio- und Fernsehsender, sowie reichhaltiger Angebote im Internet. Die dadurch entstehende Konkretisierung der Zielgruppenbestimmung bringt auch für den Verbraucher mehr Nutzen, da seine individuellen Bedürfnisse in höherem Maße zufrieden gestellt werden können. In diesem sehr schnelllebigen Markt haben sich die Hersteller ständig neuen Anforderungen zu stellen, wodurch fortlaufend neue Angebotsformen entstehen.

Die Fraunhofer Arbeitsgruppe für elektronische Medientechnologie entwickelt eine Audioanlage, die dem Zuhörer geschmacksselektiv Musik anbieten soll. Aus den Metadaten eines Audiosignals ermittelt sie charakteristische Elemente der Musik. So kann sie von einem Nutzer anhand der von ihm ausgewählten Stücke ein Profil erstellen, das dazu dient, seine Präferenzen zu erraten. Mit dieser Information können dem Rezipienten weitere Musikstücke offeriert werden, die seinen musikalischen Vorlieben entsprechen. Die Kennzeichnung des Genres gibt dabei wichtige Hinweise über Hörgewohnheiten und hilft bei der Selektion entsprechender Angebote.

Ich möchte im Rahmen dieser Diplomarbeit eine Studie durchführen, die die Verbreitung von Musikrichtungen sowohl national als auch international aufzeigt. Die Informationen über die Ausprägung musikalischer Genre in verschiedenen Ländern dienen der Fraunhofer Arbeitsgruppe als Vorlage, um eine Testdatenbank zu erstellen, an der die Anwendung der automatischen Titelauswahl erprobt wird.

Neben diesen allgemeinen Informationen möchte ich zusätzlich die Hörgewohnheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen untersuchen. So erwarte ich zum Beispiel beim Vergleich von Stadt- und Landbevölkerung Unterschiede, die ich mit Hilfe demographischer Daten versuchen werde nachzuvollziehen. Aber auch soziale Unterschiede möchte ich in dieser Arbeit aufzeigen. Eine Kategorisierung nach Alter, Wohnort oder Bildungsstand wäre zum Beispiel vorstellbar.

Nutzer von Audiosoftware im Internet werden um personenbezogene Angaben gebeten, die ich in dieser Diplomarbeit zur Auswertung heranziehen möchte. Ein optimales Ergebnis wäre, wenn aus den Daten über Alter und Herkunft eines Rezipienten anhand der statistischen Verteilung in dieser gesellschaftlichen Gruppe schon eine Vorauswahl seiner musikalischen Präferenzen getroffen werden könnte.

2 Der Plan

Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Verbreitung von musikalischen Stilrichtungen aufzuzeigen. Diese Verbreitung könnte ich anhand von Umfragen erheben. Da dies aber ein sehr subjektives Bild ergeben und außerdem nur einen geringen Ausschnitt der Hörerschaft repräsentieren würde, habe ich mich für eine angebotsseitige Untersuchung entschieden. Dies ermöglicht mir, Daten in größerem Rahmen auszuwerten. Außerdem interessiert mich die Sichtweise verschiedener Kulturen auf Genrebegriff und -ausprägungen.

Absatzdaten der Musikindustrie werden eine wesentliche Quelle für die Untersuchung sein. Dabei kommt mir zugute, dass die umsatzstärksten Tonträgerproduzenten, denen meist eine Vielzahl kleinerer Labels angehört, in einem weltweit agierenden Verband, der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry), organisiert sind. Dadurch laufen aktuelle Marktdaten bei nur einer Stelle zusammen, so dass ich davon ausgehen kann, zuverlässige und vergleichbare Daten zu bekommen. Darüber hinaus möchte ich die öffentliche Verwertung von Musik untersuchen, denn so werden zusätzliche Rezeptionsmöglichkeiten betrachtet. Hier spielen vorrangig Rundfunkanbieter (speziell: Radiosender) eine Rolle, aber auch Statistiken über öffentliche Aufführungen. Für diesen Teil der Datenerfassung werde ich Verwertungsgesellschaften kontaktieren.

Als Quelle für demographische Daten sollen Nutzerprofile dienen, die von internetbasierten Anwendungen erstellt werden. Durch den Zugriff auf Musikdatenbanken im Internet via Audio-Software (z. B. Musicmatch) werden Hörerpräferenzen und Rezeptionsmuster der Nutzer ermittelt. Ich erhoffe mir bei der Untersuchung solcher Userprofile sehr detaillierte Aussagen über die Nutzer und deren Lebensumstände in Bezug auf musikalische Vorlieben. Dieser Teil der Datenerfassung wird auf wenige Einzelfälle beschränkt sein und zur Bereicherung meiner Ergebnisse beitragen.

3 Die Umsetzung

Bevor ich Daten über die Verbreitung musikalischer Stilrichtungen auswerten kann, muss ich klären, welche Genres überhaupt in Betracht kommen. Dazu möchte ich zuerst den Begriff „Genre“ klären und die Schwierigkeiten deutlich machen, die mit der Einteilung von Musik in Genres einhergehen. Im Anschluss werde ich versuchen, wesentliche musikalische Stile zu definieren (Teil I).

Im zweiten Teil werde ich die Angebote im Musikbereich näher betrachten. Hier gilt es, die grundlegenden Möglichkeiten aufzuzeigen, die einem Rezipienten zur Verfügung stehen, um Musik zu konsumieren. Anschließend werde ich Strukturen und Methoden von Musikanbietern herausarbeiten.

Diese theoretische Betrachtung dient als Basis für Forschungsfragen, die ich der Untersuchung zugrunde legen will. Das Datenmaterial werde ich anschließend analysieren und auswerten (Teil III).

Musikalische Stilrichtungen

Die Betrachtung von Genres

1 Der Begriff des Genre

Der Begriff des Genre kommt vom lateinischen Wort genus und bedeutet „Gattung, Wesen, Art, besonders in der Kunst“ (Drosdowski, 1994, S. 510). Äquivalent werden die Begriffe Stil oder Stilrichtung benutzt. In der Musik begann der Österreicher Adler um 1830, die Stilgeschichte als Betrachtungsweise einzuführen, „in der zeit-, gattungs- und persönlichkeitsbedingte Merkmale der Anwendung von Kompositionsmitteln wie Form, Harmonik, Melodik und Rhythmik als stilbildend gesehen werden“ (Brockhaus, 1982, S. 569f.). Auch Epochenbegriffe wurden verwendet, um einen musikalischen Stil zu bezeichnen.

Die Musik des 20 Jahrhunderts ist allerdings nicht mehr mit Epochenbegriffen zu beschreiben, da sie sehr vielfältig ist und somit immens viele Genres umfasst (vgl. Brockhaus, 1982, S. 570). Hier kommen auch außermusikalische, kommerzielle Aspekte in Betracht, denn in der Bedeutung populärer Musik ist der Marktwert in den Vordergrund getreten (vgl. Wicke/Ziegenrücker, 1997, S. 510). Ein Genre umreißt ein Segment, eine bestimmte Zielgruppe; die Gemeinsamkeiten einer Gruppe von Musikstücken – eines Stils – gründen sich auf unterschiedlichen Ansatzpunkten (vgl. Wicke/Ziegenrücker, 1997, S. 510).

2 Allgemeines zur Genreeinteilung

2.1 Ursachen

Die expandierende Musikvielfalt macht eine Systematisierung in stilistische Gattungen zwingend notwendig. Durch derzeitige Globalisierungstendenzen und die Zunahme von Information und Kommunikation wird das ohnehin schon sehr reichhaltige Repertoire permanent erweitert, da so z. B. Musik vorher unbekannter Kulturen weltweiten Zugang erfährt.

Die Einteilung in Genres dient prinzipiell der Verwaltung der musikalischen Masse. Ein Rezipient orientiert sich vorwiegend an Stilkategorien, wenn er z. B. einen Tonträger oder einen Radiosender auswählt, genauso verwenden Anbieter von Musik Genrebezeichnungen als Typisierung. In anderen gesellschaftlichen Bereichen werden ebenfalls Unterkategorien gebildet, um verschiedene Ausprägungen begrifflich fassbar zu machen (z. B. im Bauwesen: Hochbau, Tiefbau, Straßenbau etc., obwohl der Genrebegriff eher in künstlerischen Bereichen üblich ist).

2.1.1 Wirtschaftliche Beweggründe

Die Möglichkeit, Musik massenhaft zu vervielfältigen, führte dazu, dass im 20. Jahrhundert ein lukratives Geschäft daraus wurde. Die Produktion wurde rationalisiert, neue Künstler mussten immer besser vermarktet werden. Denn die Tonträgerindustrie verhalf der Musik zu einer Ubiquität im Alltag (Rösing, 1992, S. 311), deren Folge ist, dass ein enormer Werbeaufwand nötig ist, will man ein neues Produkt gewinnbringend verkaufen. Die Bezeichnung des Genres ist dabei von zentraler Bedeutung. Diese wird informell gehandhabt, um den Markt kategorisieren zu können (vgl. Wicke, 1997b, Sp. 1701). Die Strategie von Marketingexperten ist die Einführung eines Musikstils, einer neuen Bezeichnung, um etwas zu präsentieren und sich so von anderen Produkten abzugrenzen. So entstanden zahlreiche Genres, die einfach ein Kunstprodukt der Macher sind. Durch Hinzufügen eines bestimmten Elementes zu einem Stil wird daraus ein neuer. Bei dem immensen Ausstoß an Produktionen in der heutigen Zeit ist eine Differenzierung geradezu zwingend geworden (vgl. Wicke, 1997b, Sp. 1702). Leider ist dieser Prozess nie im ursprünglichen Sinne der Stilgeschichte verlaufen, die Bezeichnungen sind oft willkürlich und sagen häufig nichts über den Inhalt oder musikalische Merkmale aus.

2.1.2 Wiedererkennungswert

„Es klingt wie...“ – Der Vergleich mit bereits vorhandenen Künstlern ist schnell gemacht. Gegen dieses sogenannte „Schubladendenken“ wehren sich Musiker häufig, da sie nicht mit anderen in eine Kategorie gedrängt werden wollen. Zur Einordnung einer Band ist dies aber fast unumgänglich, eine alternative Beschreibung von Musik ist wesentlich schwieriger. Im Grunde sind auch nur Musiker bzw. Musikwissenschaftler fähig, eine Musik nach Klang, Metrum und ähnlichem zu definieren. Der vergleichende Ansatz ist weniger schwierig und es vermag jeder, solche Aussagen zu treffen. Dieser Ansatz ist für den Hörer auch am naheliegendsten. Deshalb werden Genres benannt – sowohl von Fans als auch von Produzenten und Managern –; diese werden immer weiter ausdifferenziert, da es immer mehr Produktionen gibt und ein großes Genre wie z. B. Pop nicht mehr sehr aussagekräftig ist. Das ist auch der Zwiespalt, mit dem ich in meiner Arbeit zu kämpfen habe. Genres werden häufig nicht definiert, neue Bezeichnungen entstehen ständig.

2.2 Probleme

2.2.1 Künstlerische Vielfalt

Musiker können häufig nicht einem einzigen Genre zugeordnet werden, da sie mit ihrem Repertoire mehrere Stilrichtungen abdecken. Dies ist die künstlerische Vielfalt und zeugt von musikalischer Weiterentwicklung. Beim Verfassen eines Songs muss die Herangehensweise ja keineswegs die Stilrichtung sein. Oft fällt es Künstlern auch selbst schwer, ihre Musik einem spezifischen Genre zuzuordnen. Das kommt auch daher, dass die Kategorien meist von Nicht-Musikern benannt werden.

Für meine Untersuchung erlangt dieser Aspekt in dem Fall Bedeutung, wenn die Lieder eines Tonträger in mehrere Kategorien fallen. Die Einordnung in Genres bleibt allerdings den Produzenten überlassen, deshalb ist diese Unschärfe von vornherein nicht zu umgehen.

2.2.2 Kulturelle Befangenheit

Bei der Beurteilung von Musik spielt die kulturelle Prägung des Hörers eine entscheidende Rolle. In Afrika beispielsweise hat Musik einen völlig anderen Stellenwert als in westlichen Ländern (vgl. dazu Ewens, 1995, S. 10f.). Aber selbst innerhalb eines Kontinents tauchen schon Unterschiede auf. Im Gespräch mit Daniel Müllensiefen, einem Musikwissenschaftler und Mitarbeiter bei PhonoNet, erfuhr ich, dass in Spanien, wo er längere Zeit tätig war, ein anderes Verständnis über Genrebezeichnungen (z. B. Pop oder Latin Music) vorherrscht als in Deutschland. Diese Kategorien wären deshalb nicht unbedingt mit den unseren vergleichbar, auch das hierarchische Denken unterscheide sich von unserem (Müllensiefen, 2002).

Der Umgang mit Musik und die traditionellen Weisen einer Region sind ein prägender Faktor für das Musikverständnis eines Menschen. Viele Musikstile gelangen gar nicht über die Landesgrenzen hinaus. Ich erwarte deshalb vielgestaltige Einteilungen von Stilen und werde versuchen, die Sichtweisen verschiedener Kulturkreise zu erfassen.

2.2.3 Aussagekraft

Aus den bis hierher aufgezeigten Problemen lässt sich ableiten, dass bei dem gegebenen Untersuchungsumfang nur wenige große Genres betrachtet werden können. Das heißt, ich werde mich auf die Meta-Kategorien beschränken und Subgenres außer Acht lassen müssen. Sicher kommt es auch auf das Datenmaterial an, was mir zur Verfügung steht. Doch ich denke, dass für eine Untersuchung einzelner regionaler Stile beispielsweise der Aufwand nicht vertretbar wäre, zumal dafür auch keine Ressourcen – sowohl zeitliche als auch finanzielle – vorhanden sind. Das hat zur Folge, dass die Ergebnisse weniger Aussagekraft haben werden, als wenn man sich auf eine Region beschränken und deren Rezeptionsverhalten untersuchen würde. Das Ziel der Erhebung soll es aber sein, einen weltweiten Überblick über musikalische Präferenzen zu geben. Die Unfeinheiten, die sich aus der Zusammenfassung von Musik in wenige Meta-Genres ergeben, müssen daher vernachlässigt werden.

3 Definition musikalischer Genres

Im folgenden Kapitel möchte ich Definitionen für musikalische Stilrichtungen ausarbeiten, um eine theoretische Grundlage für meine Untersuchung zu schaffen. Ich werde versuchen, die einzelnen Genres anhand ihrer spezifischen Merkmale voneinander abzugrenzen. Als sinnvoll erscheinen mir die folgenden Kriterien:

- musikalische/musiktheoretische Merkmale,

- Instrumentarium,

- inhaltliche/textliche Merkmale.

Eine inhaltliche Definition von Musikstilen ist eine äußerst schwierige Aufgabe, die wohl kaum zufriedenstellend gelöst werden kann. Auch ist nicht immer jedes dieser drei Kriterien anwendbar. Bei manchen Genres ist nur eines dieser Merkmale wichtig, welches bei anderen Genres vielleicht eher unwichtig erscheint. Ich vermute, dass das Instrumentarium das wichtigste Kennzeichen für eine Stilrichtung ist, die inhaltlich-textliche Komponente hingegen am wenigsten relevant. Aufgrund des vergleichenden Ansatzes der meisten Hörer werde ich Beispiele anführen.

Bei der Suche nach geeigneten Begriffsbestimmungen stützte ich mich vorerst hauptsächlich auf Lexika aus dem musikwissenschaftlichen Bereich. Der mehrteilige Sammelband „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG) erwies sich dabei als äußerst aufschlussreich. Nebenher verwendete ich das „Metzler Sachlexikon Musik“ sowie den „Musik-Brockhaus“. Ergänzend zog ich Ausführungen von Musikwissenschaftlern hinzu.

Bevor ich mich nun aber konkreten Genres zuwenden kann, ist es unausweichlich, ein grundlegendes Problem der Musikwissenschaft aufzugreifen: die Auseinandersetzung mit den Begriffen Ernste Musik, Kunstmusik sowie Unterhaltungsmusik, populäre Musik.

3.1 E-Musik vs. U-Musik

3.1.1 Ernste oder E-Musik

Ernste Musik oder E-Musik ist Musik mit künstlerischem Anspruch, weshalb auch die Bezeichnung Kunstmusik verwendet wird. Diese Begriffe entstanden im ausgehenden 18. Jahrhundert mit der Herausbildung des Genres Unterhaltungsmusik, um sich von diesem abzugrenzen (vgl. Metzler, 1998, S. 1098). Unterhaltungsmusik gilt als anspruchslos, da sie nicht den „ästhetischen und kompositionstechnischen Normen der Kunstmusik“ (Metzler, 1998, S. 1098) entspricht. Kunstmusik dagegen „wendet sich (...) an ein hörerfahrenes, aufgeschlossenes Publikum als eine Musik, die um ihrer selbst willen entgegengenommen“ (Metzler, 1998, S. 1140) wird.

Diese Beschreibung macht deutlich, dass unterhaltende Musik von jener Zuhörerschaft zunächst abgelehnt wurde, da die Privilegien dieser gehobeneren, kunsterfahrenen Klasse – die ihr vorbehaltene Beschäftigung mit Musik – damit untergraben wurden.

Heute werden die Begriffe E- und U-Musik selten benutzt, man bevorzugt die Termini klassische Musik (oder Klassik) und populäre Musik (oder Pop). Diese sind aber nicht analog anwendbar. Auch in der als Klassik bezeichneten Musik gibt es unterhaltende Stücke (z. B. „Peter und der Wolf“ von S. Prokofjew), genauso wie es in der populären Musik (vor allem im Jazz) Werke gibt, die der Kunstmusik zugeordnet werden können. Genau genommen ist der Ausdruck „Klassik“ ein Epochenbegriff, der lediglich den Abschnitt der Musikgeschichte von etwa 1740/50 bis zum Beginn des 19.Jahrhunderts bezeichnet. In der Musikindustrie wird er aber als Synonym für Kunst- oder artifizielle Musik verwendet.

Meines Erachtens hat sich die Bezeichnung E-Musik dem (umgangssprachlichen) Begriff der Klassik angenähert (vgl. Definition Klassik (2) in Brockhaus, 1982, S. 290). Das heißt, auch unterhaltende Werke der klassischen Musik werden heute der E-Musik zugeordnet. Außerdem vermute ich, dass die Begrifflichkeiten ein deutschsprachiges Phänomen sind.

Bei der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ist die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik noch immer relevant. Auch der musikalische „Wert“ eines Werkes wird im herkömmlichen Sinne verstanden, wird ein Werk der E-Musik doch höher eingestuft (und ist somit einträglicher) als Werke der U-Musik.

3.1.2 Populäre oder Unterhaltungsmusik

Die Begriffe Unterhaltungsmusik und Popularmusik bzw. populäre Musik werden häufig synonym gebraucht, was aber nicht eindeutig zutrifft (s. o.). Im deutschen Sprachgebrauch entstanden diese Begriffe in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Komponisten wie Mozart, Beethoven oder Schubert begannen, Stücke für den alltäglichen Gebrauch zu komponieren, um weniger gebildete Leute aus dem Bürgertum zu unterhalten (vgl. Ballstaedt, 1998, Sp. 1193f.; Metzler, 1998, S. 1098). Schon zu dieser Zeit erkannte man das kommerzielle Potential, das derartige Musik innehatte. Solch „leichte“ Musik ohne Anspruch entwickelte sich zu einem Gegenstück der Kunstmusik, welche auch nur einem exklusiven Hörerkreis zugänglich war. Die Dichotomie und die Abgrenzung durch gegenseitigen Ausschluss haben sich verfestigt und bis heute erhalten (vgl. Ballstaedt, 1998, Sp. 1193ff.; Metzler, 1998, S. 1098).

Hansgeorg Mühe bevorzugt den Terminus Popularmusik, denn Musik allein nach ihrer Funktion zu bestimmen (Unterhaltungsmusik), ist kein geeignetes Kennzeichen. Der Begriff populäre Musik hingegen impliziert, dass es auch unpopuläre Musik gibt, wovon er sich distanzieren will (Mühe, 1996, S.1ff.). Er entwickelt eine Definition, die auf die Wirkungsweise von Musik abzielt. Als Grundlage dient ein Modell von Knepler, das drei wesentliche Elemente im Wesen der Musik ausmacht: die biogenen, die logogenen und die mimogenen Anteile. Die biogenen Anteile wirken auf das Nervensystem des Menschen, sind also als rein körperlich-geistige Reaktion auf Musik zu verstehen. Logogen ist „die logische, gedankliche Konzeption eines Musikwerkes“ (Mühe, 1996, S. 8) – also das, was ich zu Beginn als inhaltliche/textliche Merkmale bezeichnet habe. Schwierig erscheint mir der Begriff des mimogenen Elementes: nach Knepler ist es als „Nachahmung, Darstellung, Umsetzung eines natürlichen oder gedanklichen Vorganges in menschliche Aktivität“ (zit. nach Mühe, 1996, S. 8) zu verstehen. Diese Funktion ist für mich nicht richtig nachvollziehbar, aber selbst Mühe scheint Schwierigkeiten mit dem Begriff zu haben, nutzt er doch lediglich das wörtliche Zitat Kneplers, um ihn zu erklären.

Alle drei Elemente kommen in jeder Art von Musik vor, haben aber unterschiedlich großes Gewicht. Das ist für Mühe das Entscheidende für seine Definition, obwohl die Gewichtigkeit selbst nicht der Wertmaßstab ist, nach dem Genres bestimmt werden. Man kann solche Anteile eben nicht messen, werden sie doch nicht von jedem gleichermaßen empfunden. Nach Mühe ist das Wesentliche an Unterhaltungs- bzw. Popularmusik, dass die biogenen Anteile – also die emotionellen Reaktionen auf Musik – überwiegen (vgl. Mühe, 1996, S. 7ff.).

Auch Peter Wicke betont diesen körperlichen Aspekt von populärer Musik (Wicke, 2002b). Er bezieht sich allerdings auf Popmusik des 20. Jahrhunderts. Diese ist für ihn „verkörperter Klang“ (Wicke, 2002b), sie beinhaltet einen „Bewegungscode“ (Wicke, 2002b) als dominantes Merkmal, der niemals vom Musikalischen getrennt betrachtet werden kann. Weiterhin hat Popmusik die Eigenschaft, eine autoritäre Struktur zu schaffen (vgl. Wicke, 2002b). Der Star (er erklärt es am Beispiel Michael Jacksons) wird zum Mythos, der Fan zum „hörenden Subjekt“ (Wicke, 2002b). Dadurch geraten sie in ein „symbolisches Verhältnis zueinander“ (Wicke, 2002b), welches für den Hörer durch vielfach ausgelöste Emotionen zur Selbsterfahrung wird. Popmusik muss also immer im Kontext mit der Gesellschaft, in der sie stattfindet, gesehen werden (vgl. Wicke, 2002b).

Eine Definition für Popmusik als Genre zu finden, hält Wicke allerdings für unmöglich. Sie ist für ihn ein Medium des Klangs, das nur durch sein Resultat überhaupt existiert. Das heißt, allein dadurch, dass sich ein Song „auf einer der Musikszenen, in den Medien und auf Märkten mit den entsprechenden musikalischen, kulturellen und kommerziellen Aktivitäten verbindet“ (Wicke, 2002b), wird er zu Popmusik. Solange der Song nicht veröffentlicht wird und nicht als „Medium“ fungiert, ist er keine Popmusik. Diese Auffassung ist insoweit richtig, bedeutet doch populär laut Fremdwörterbuch, dass etwas „allgemein bekannt“ (Drosdowski, 1990, S. 621) ist. An anderer Stelle bezeichnet Wicke die Musik als populäre Musik, die wirtschaftlich vertretbare Verkaufserfolge erzielt (Wicke, 1997b, Sp. 1695).

Die andere Bedeutung des Wortes populär als „gemeinverständlich, volkstümlich“ (Drosdowski, 1990, S. 621) trifft ebenfalls zu, betrachtet man die historische Entwicklung der Unterhaltungs- bzw. Popularmusik. Anfänglich wurden Stücke komponiert, die unkompliziert und damit für das Bürgertum verständlich und zugleich unterhaltsam waren. Dadurch entstand ein „Bedürfnis nach leicht konsumierbarer Musik“ (Metzler, 1998, S. 1098), um sich vom Alltag abzulenken. Sehr schnell entwickelte sich daraus ein Wirtschaftszweig und mit dem Aufkommen von Aufzeichnungs- und Vervielfältigungsmechanismen wuchs der Ausschuss an populärer, massenverständlicher Musik ins Unermessliche. In zunehmendem Maße rückte dadurch der Aspekt der Verkäuflichkeit in den Vordergrund. Die Musik, die aktuell war, gehörte zur Mode, genau wie Tänze, Kleidung usw. (vgl. Ballstaedt, 1998, Sp. 1193ff. sowie Wicke, 1997b, Sp.1695ff.; Metzler, 1998, S. 1099ff.).

Heute ist die Musikindustrie eine gut funktionierende Branche, in der die Musik an sich nicht mehr die Hauptrolle spielt. Allein die Verkäuflichkeit zählt auf diesem hart umkämpften Markt. Deshalb ist es wichtig, wenn man Erfolg haben will, sich an bestimmte Elemente von populärer Musik zu halten. Wicke umschreibt diese im MGG folgendermaßen:

„Damit wird die Variantenbildung von relativ feststehenden, im kollektiven Gebrauch herauskristallisierten Strukturmodellen (Liedform, Tanzrhythmen, Blues-Schema usw.) zur Grundlage des Musizierens (...). Die Zentriertheit um einen Grundton, also tonaler Aufbau, Bewegungsvorgänge nachbildende Metren und rhythmische Formeln wie überhaupt die Körperbezogenheit des Musikalischen auch in Form der Nachsingbarkeit beispielsweise, die Reihung und Gruppierung einer relativ begrenzten, im Gedächtnis speicherbaren und damit auch bei dekonzentrierter Aufnahme nachvollziehbaren Anzahl komplexer musikalischer Grundelemente (harmonische, melodische und rhythmische Formeln usw.) und eine klare und überschaubare Gliederung und Periodisierung des musikalischen Ablaufs zumeist nach dem Symmetrieprinzip kristallisieren sich als allgemeinste musikalische Merkmale der in dieser Kategorie [der populären Musik, Anm. d. Verf.] rubrizierbaren Musikformen heraus, die sich jedoch wieder ändern, ergeben sich mit neuen Technologien der Musikproduktion neue Möglichkeiten des Musizierens, neue Zusammenhänge, in die die Musik transportierbar ist, neue Möglichkeiten des Umgangs mit ihr“ (Wicke, 1997b, Sp. 1701).

Hier gibt er nun doch eine grobe Definition von populärer Musik. An anderer Stelle schlägt er eine Herangehensweise vor, die nicht von populärer Musik als abgegrenzte Gattung oder als Genre ausgeht, sondern davon, „wie diese Kategorie gesellschaftlich jeweils produziert ist“ (Wicke, 1998e, S. 153). Er meint, die Musikindustrie erzeugt eine allgemein akzeptierte Auffassung von Pop- oder Rockmusik dadurch, dass sie Musik als solche verkauft und diese in Charts und Hitparaden gelistet wird. Die Platzierung in einer Rangliste misst die Popularität einer Musik und ist somit eine gesellschaftliche Vereinbarung darüber, was Pop- bzw. Rockmusik eigentlich ist (vgl. Wicke, 1998e, S. 153f.). Diese Musik ist das Instrument für das „Funktionieren von Märkten und Medien“ (Wicke, 1998e, S. 154) und ist eher eine „ideologische Kategorie“ (Wicke, 1998e, S. 154), die nach musikalischen Gesichtspunkten nur widersprüchlich abgrenzbar ist (vgl. Wicke, 1998e, S. 155).

Der gesellschaftliche Kontext, in dem Musik zu populärer Musik wird, ist ein wesentlicher Aspekt, um diese Kategorie anzugehen. Die Musik, die im 19. Jahrhundert populär – im Sinne von allgemein bekannt – war, ist es heute nicht mehr. Welcher musikalisch unbedarfte Mensch kennt heute noch die Potpourries und Operetten, die damals erfolgreich waren? Darum kann man die Begriffe Unterhaltungsmusik und populäre Musik nicht gleichsetzen. Die Erfolge aus früherer Zeit sind eindeutig der Unterhaltungsmusik zuzuordnen, populär sind sie allerdings nicht mehr. Dies entspricht auch der Definition von Popmusik im Metzler als „Bereich der Unterhaltungsmusik mit dem Anspruch ‚up to date’“ (Metzler, 1998, S. 828). Solche Stücke von damals werden heute eher der Kategorie (weltliche) Klassik zugeordnet.

Nach Hansgeorg Mühe sind folgende drei Epochen von Unterhaltungs- (bzw. Popular-) Musik zu unterscheiden:

- Tanz- und Unterhaltungsmusik in der Zeit vor 1750,

- Unterhaltungsmusik zwischen 1750 und 1950,

- Popularmusik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

(Mühe, 1996, S. 2).

Auch dies impliziert, dass die populäre Musik von heute nichts mehr mit der Unterhaltungsmusik von früher gemein hat. Deswegen will ich bei meinen Untersuchungen in der Kategorie populäre bzw. Popmusik die (Unterhaltungs-) Musik ab dem 20. Jahrhundert betrachten.

3.2 Klassische Musikstile

Ich werde nun einige wichtige Genres der klassischen Musik anführen und deren Eigenschaften erklären. Grundsätzlich ist eine Einteilung in vokale und instrumentale Gattungen möglich, wobei die Kategorie vokal unter anderem in weltliche und geistliche Musik unterschieden werden kann. Hier wird wiederum deutlich, dass das zu Beginn erwähnte Kriterium „inhaltliche/textliche Merkmale“ nicht auf jeden Musikstil anwendbar ist.

3.2.1 Instrumental

Die Sinfonie ist ein mehrsätziges instrumentales Werk, das sich als Gattung zu Beginn des 18. Jahrhunderts durchsetzte, nachdem es als einleitendes Element der italienischen Oper (Opernsinfonie) gebräuchlich war (vgl. Metzler, 1998, S. 962f.). Joseph Haydn gilt als Schöpfer der klassischen Sinfonie, die sich durch drei Sätze (schnell-langsam-schnell) auszeichnet und mit einem vierstimmigen Streichersatz und paarweise verwendeten Bläsern (Oboe, Horn, teilweise Flöte, Fagott, Trompete, Pauke) besetzt ist (vgl. Metzler, S. 965). Den Höhepunkt markierten Ludwig van Beethovens neun Sinfonien (Metzler, 1998, S. 966). Die Form war nun durch vier Sätze bestimmt: 1. Sonatenform, 2. langsam, häufig in Liedform, 3. Menuett oder Scherzo, 4. schnelles Finale; das Instrumentarium durch Piccoloflöten und Posaunen erweitert (vgl. Metzler, 1998, S. 966). Im 19. und 20. Jahrhundert traten neue Prägungen der Sinfonie auf, so z. B. Gustav Mahler, der bis zu sieben Sätze und teilweise Vokaleinsätze verwendete (vgl. Metzler, 1998, S. 967f.).

Das Konzert bezeichnet ein Genre, das zunächst zwei Gattungstypen beinhaltete: das (meist viersätzige) Concerto grosso (ein solistischer Klangkörper gegenüber einem mehrfach besetzten) und das dreisätzige Solokonzert (Konzert für Klavier, Violine etc., z. B. Antonio Vivaldi; vgl. Metzler, 1998, S. 538). In der Wiener Klassik wurde der Begriff Konzert als Synonym für Solokonzert gebraucht, heute verwendet man meist nur den Hinweis solo oder tutti, da es keine feste Form oder Besetzung dieses Genres gibt (vgl. Metzler, 1998, S. 538f.).

Der Begriff Kammermusik bezeichnet Instrumentalwerke, die solistisch mit Streich- oder Blasinstrumenten (und teilweise Klavier) besetzt sind, von denen das wohl wichtigste das Streichquartett ist (vgl. Metzler, 1998, S. 461f.). Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden auch kammermusikalische Stücke für das häusliche Musizieren (Haus- oder Salonmusik z. B. für Blockflöte) komponiert (vgl. Metzler, 1998, S. 462f.).

Das Ballett gehört zu den Bühnenstücken, wie auch Oper, Operette und Musical. Hier steht besonders der Tanz im Vordergrund, der von einem Choreographen entwickelt wird; sehr bekannt sind „Schwanensee“ von Peter Tschaikowski (Choreographie: M. Pepita) oder „Don Juan“ von Chr. W. Glucks (vgl. Metzler, 1998, S. 59ff.). Seit Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich neue Formen des Tanztheaters heraus (z. B. Modern Dance, Ausdruckstanz; vgl. Metzler, 1998, S. 62).

3.2.2 Vokal

Zu den vokalen Bühnenstücken zählen unter anderem Oper, Operette und Musical. Die Oper zeichnet sich durch eine „profane, dramatische Handlung“ (Metzler, 1998, S. 744) aus und ist eine Werk, bei dem Sprache, Musik und Szene als Gesamtheit geschaffen werden (vgl. Metzler, 1998, S. 744). Die Operette wurde anfangs als Oper kleineren Umfangs aufgefasst, seit dem 19. Jahrhundert aber versteht man darunter ein heiteres Bühnenstück von ein bis drei Akten mit gesprochenem Dialog, das auch populäre Musik und moderne Tänze einbezieht (vgl. Metzler, 1998, S. 757).

Das Lied hat seinen Ursprung im kirchlichen bzw. klösterlichen Leben des Mittelalters, seine Merkmale sind „geringe, in den einzelnen Strophen gleiche Verszahl, gleiches Metrum und Endreim“, weiterhin „Zeilenmelodien, einfache Periodenbildung, (...) [Silbenvertonung], ein überschaubarer Tonumfang und die tonale Geschlossenheit“ (Metzler, 1998, S. 568). Bekannte Beispiele aus früher Zeit sind die „Carmina Burana“ (um 1300) oder Minnesänger wie Walther von der Vogelweide (vgl. Metzler, 1998, S. 568). In der Folge entwickelten sich vielfältige Formen des Liedes. So galt es in der Romantik als Kunstgattung (z. B. Franz Schubert, Gustav Mahler), im 20. Jahrhundert trat z. B. das politische Lied hervor (vgl. Metzler, 1998, S. 570f.). Seit 1920 gewinnt das Chorlied an Bedeutung (z. B. Paul Hindemith, Modest Mussorgski, Edward Grieg; vgl. Metzler, 1998, S. 571).

Die Kantate ist ein mehrteiliges, instrumental-vokal besetztes Werk, das in Takt, Form und Besetzung variiert (vgl. Metzler, 1998, S. 467). In Deutschland gehört die Kantate vorwiegend zur evangelischen Kirchenmusik, es gibt aber auch weltliche Ausprägungen dieser Gattung (z. B. die italienische Kantate im 17.-18. Jahrhundert; vgl. Metzler, 1998, S. 466f.).

Das Oratorium ist mit der Kantate zu vergleichen, ist aber im Gegensatz dazu ein dramatisches Werk (vgl. Metzler, 1998, S. 762). Inhaltlich werden überwiegend Bibelthemen behandelt (z. B. J. S. Bach: Weihnachtsoratorium; vgl. Metzler, 1998, S. 760ff.).

3.2.3 Neue Musik

Die Neue oder Zeitgenössische Musik gilt als „Unmusik“ (Metzler, 1998, S. 707). Im Zeitraum etwa zwischen 1905-1960 entwickelten sich mehrere Stilistiken, die triviale und populäre Strukturen herkömmlicher klassischer Musik (z. B. dekorative Verzierungen) mieden; hingegen wurden bis dahin als unmusikalisch geltende Elemente wie Dissonanz und Atonalität einbezogen (vgl. Metzler, 1998, S. 707f.).

Die Zwölftonmusik wurde von Arnold Schönberg entwickelt und ist eine Methode, die einer Komposition eine Reihe von zwölf aufeinander bezogenen Tönen zugrunde legt (vgl. Metzler, 1998, S. 1170). Die Reihe umfasst alle Töne der chromatischen Skala (alle Halbtonschritte einer Oktave), ohne einen Grundton zu bestimmen, wobei sich kein Ton vor Ablauf der Reihe wiederholen darf (vgl. Metzler, 1998, S. 1170f.).

In der Seriellen Musik wurden nicht nur Tonfolgen sondern auch andere Ton-eigenschaften (Tondauer, Lautstärke etc.) und der Rhythmus (z. B. Olivier Messiaen) anhand von Reihen organisiert (vgl. Metzler, 1998, S. 708 bzw. S. 955). Mitunter dienten mathematische Formeln (z. B. Pierre Boulez) oder andere außermusikalische Aspekte als Anregung für kompositorische Konzepte, was zur gänzlichen Rationalisierung der Musik führte (vgl. Metzler, 1998, S. 955f.).

Zu Beginn der 1950er Jahre begannen Komponisten um Herbert Eimert, mittels Sinus- und Rauschgeneratoren und elektroakustischen Apparaturen aus der Rundfunkmesstechnik synthetisch erzeugte, Elektronische Musik zu produzieren (vgl. Metzler, 1998, S. 248f.). Mit dem Aufkommen von Synthesizern und später digitaler Technik wurde die Bearbeitung wesentlich vereinfacht; heute werden Computer, MIDI-Sequenzer, Sampler usw. verwendet (vgl. Metzler, 1998, S. 249f.).

In den 1960er Jahren entstand in den USA Minimal Music, eine sehr statische, auf wenige Patterns reduzierte Musik (vgl. Metzler, 1998, S. 626). Teils für Melodieinstrumente komponiert (z. B. Terry Riley), teils aber auch aus Experimenten mit Tonbandschleifen entstanden (z. B. Steve Reich), beschränkt sich diese Musik auf wenige Einzeltöne oder Klänge (vgl. Metzler, 1998, S. 626f.).

Die von mir hier benannten Genres sind nur Beispiele und stellen keinen vollständigen Überblick dar. Außerdem habe ich lediglich Genres westlicher Kultur betrachtet.

3.3 Internationale populäre Musikstile

Ich werde nun die Entwicklung jener musikalischen Stilrichtungen skizzieren, die unter den Oberbegriff populäre Musik fallen und auf internationaler Ebene bedeutsam sind. Im Laufe des 20. Jahrhunderts und mit dem Aufkommen von Massenmedien hat sich die Musikkultur verändert, Musikformen haben „einen globalen Charakter angenommen“ (Wicke, 1992, S. 445). Demzufolge entfaltete sich auch die Musikindustrie und wurde zu einem riesigen Markt, der immer mehr den Geschmack des Publikums vorbestimmte (vgl. Wicke, 1997a, Sp. 1360; mehr dazu in II 2.2.3).

Die drei dominierenden Richtungen der internationalen Popularmusik sind Jazz, Pop (als Subgenre) und Rock (vgl. Rademacher, 1995, S. 120ff.; Wicke, 1992, S. 445). Der Grund dafür ist der Pioniercharakter dieser Musik, war deren Entwicklung doch bahnbrechend „im Prozess der Herausbildung jenes transnationalen Zusammenhangs“ (Wicke, 1992, S. 445), der in der heutigen populären Musik so wesentlich ist. Die Entwicklung dieser Stile werde ich im Folgenden aufzeigen.

Im 20. Jahrhundert beeinflussten technische Neuerungen maßgeblich die Musikentwicklung und die Herausbildung neuer Stilrichtungen (vgl. Teuber, 1994b, S.123ff.; Wicke, 1992, S. 446ff.). Es begann mit der Verbreitung des Rundfunks und mit der Erfindung der Schallplatte ausgehend von den USA, wodurch Musik praktisch jedem Haushalt verfügbar gemacht wurde (vgl. Wicke, 1992, S. 447 ff.). Diese Entwicklung fiel in die Zeit der Anfänge des Jazz.

3.3.1 Jazz

Als einer der Vorläufer des Jazz gilt der Blues, der sich in der Zeit der Sklavenbefreiung in den USA aus afrikanischen und teilweise europäischen Musiktraditionen heraus entwickelte (vgl. z. B. Metzler, 1998, S. 450). Blues ist seinem Ursprung nach „schwarze weltliche Volksmusik der USA“ (Hoffmann, 1994, Sp. 1600), die sich bis heute unabhängig vom Jazz als eigenständige Musikrichtung weiterentwickelt hat (vgl. Knauer, 1996, Sp. 1387).

Eines der wichtigsten Kriterien des Blues ist der Text bzw. der Gesang. Seine Vorläufer – zur Zeit der Sklaverei entstandene „ work songs“, „ field hollers “ und Spirituals – waren unbegleitete Klagegesänge, die in einem afroamerikanischen Dialekt, sogenanntes „Black American English“ (Hoffmann, 1994, Sp. 1601), vorgetragen wurden, was daher rührt, dass sich die Schwarzen in den USA eine ihnen fremde Sprache aneignen mussten (vgl. Knauer, 1996, Sp. 1385f.). Die Texte sind ein „Mittel zur sozialen Kommentierung“ mit „erzieherischem und moralischen Anspruch“ (Hoffmann, 1994, Sp. 1601).

Wichtige stilistische Merkmale des Blues, die auch im Jazz Bedeutung haben, sind:

- die harmonische Grundstruktur, die aus dem afrikanischen Ruf-Antwort-Prinzip entstand und sich zu einem (üblicherweise) zwölftaktigen Blues-Schema entwickelt hat,

- die Tongebung, die reich an Kehllauten und Zwischentönen ist, und

- die sogenannten „ blue notes “, eine „indifferente, schwebende Intonation von dritter und siebenter Stufe der Tonleiter“ (vgl. zu allen Punkten Wicke, 1992, S. 452). Die „blue notes“ entsprechen einer Verschiebung um eine Viertelnote und werden nur von melodieführenden Instrumenten gespielt, wodurch Dissonanzen entstehen (vgl. Bernstein, 1963, S. 91ff.).

Weitere wichtige Merkmale des Jazz, welche aus dem Ragtime übernommen wurden, sind die synkopierte Spielweise bei feststehendem Metrum und die freie Improvisation über ein vorgegebenes Thema (vgl. Wicke, 1992, S. 451; Bernstein, 1963, S. 94ff.).

Das Instrumentarium des Jazz besteht vorwiegend aus Blasinstrumenten als Soloinstrumenten, Schlagzeug, Gitarre und (Kontra-) Bass als Begleitinstrumente. Das Schlagzeug und seine typische Rhythmusstruktur (1. und 3. Schlag des Taktes auf der großen Trommel; 2. und 4. Schlag auf der kleinen Trommel) wurde mit dem Jazz erst erfunden und bildet heute die Grundlage der meisten populären Musikstile (vgl. Wicke, 1992, S. 452f.).

Die Instrumente und Spielweisen des Jazz änderten sich im Laufe der Zeit. Deshalb möchte ich einige wichtige Strömungen nennen:

klassischer Jazz

New Orleans Jazz/Dixieland (Tanzmusik der 1920er Jahre)

Instrumente: kleine Besetzung mit ein oder zwei Trompeten, Posaune, Klarinette und Rhythmusgruppe aus Klavier, Banjo, Bass oder Tuba;

Spielweise: Betonung der Grundschläge durch die Rhythmusgruppe, Umspielung durch Soloinstrumente, Trompete als Lead-Stimme; „Hot-Intonation“: unsauber intonierte Töne („dirty tones“), Vibrato, Glissando etc. als Nachahmung der menschlichen Stimme, improvisierte Soli;

Beispiele: Creole Jazz Band, Jelly Roll Morton, Kid Ory

(vgl. u.a. Metzler, 1998, S. 451; Knauer, 1996, Sp. 1389f.).

Swing (Tanzmusik der 1930er Jahre)

Instrumente: Orchester oder Bigband mit einer Bläsergruppe aus mehreren Trompeten, Posaunen und Saxophonen und einer Rhythmusgruppe aus Klavier, Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug; außerdem gibt es einen Arrangeur;

Spielweise: Musik ist stark durcharrangiert; Betonung aller Grundschläge durch Bass und Gitarre, die anderen Instrumente spielen leicht verschoben zum Beat, wodurch swing entsteht; knappe Akkordeinwürfe durch das Klavier, immer stärkere Virtuosität der Einzelsolisten, teilweise auch Gesangssolisten;

Beispiele: Orchester von Bennie Goodman, Duke Ellington, Count Basie

(vgl. u.a. Metzler, 1998, S. 451f.; Knauer, 1996, Sp. 1393ff.).

moderner Jazz

Bebop (1940er Jahre), Hard Bop (1950er Jahre)

Instrumente: meist als Quintett mit Trompete, Saxophon, Klavier, Bass und Schlagzeug;

Spielweise: schnelle, komplexe Spielart mit deutlich mehr Improvisationen (auch von Klavier und Schlagzeug), auch die fünfte Note der Tonleiter wird als „blue note“ gespielt („flatted fifth “), unisono gespielte Melodiepassagen rahmen das Stück ein; Hard Bop (auch Funk-Jazz oder Soul-Jazz) verwendet Einflüsse aus Blues, Gospel, Soul, Rhythm and Blues, entwickelt die „modale“ Spielweise, bei der Improvisationen eine Skala zugrunde gelegt wird;

Beispiele: B.: Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Thelonious Monk, Max Roach;

Hard Bop: Art Blakey, John Coltrane, Horace Silver

(vgl. Metzler, 1998, S. 452; Knauer, 1996, Sp. 1403ff.).

Cool Jazz/Third Stream/Westcoast Jazz (1950er Jahre)

Instrumente: für den Jazz unübliche Instrumente (z. B. Oboe, Fagott, Vibrafon, Horn, Harfe) finden Eingang in die Musik;

Spielweise: Cool Jazz zeichnet sich durch introvertierte Spielweise aus, reinen Klang (im Gegensatz zur Hot-Intonation) und komplexe Arrangements; Third Stream verbindet europäische Konzertmusik mit Jazz, wird auch als „Musik zwischen E und U“ (Knauer, 1996, Sp. 1407) bezeichnet;

Beispiele: C. J.: Modern Jazz Quartett, Dave Brubeck, Gerry Mulligan;

T. S.: Gunther Schuller, Charles Mingus, Harold Shapero

(vgl. Knauer, 1996, Sp. 1406ff.).

Free Jazz (1960er Jahre)

Spielweise: keine einheitlichen Merkmale mehr, sondern freie Gestaltung der Musik, teils komponiert mit kurzen Passagen für Improvisation, teils komplett improvisiert; teils mit durchlaufender Basslinie als Rhythmusgeber, teils ohne Taktvorgabe; teils mit harmonischem Grundgerüst, teils atonal usw.; Sounds werden erweitert;

Beispiele: Ornette Coleman, Cecil Taylor, Sun Ra, Albert Ayler

(vgl. Metzler, 1998, S. 452f.; Knauer, 1996, Sp. 1408ff.).

Fusion (1970er Jahre)

Instrumente: elektrisch verstärkte Instrumente (E-Gitarre, E-Bass, Keyboard) neben Blasinstrumenten und Schlagzeug;

Spielweise: kommerziell ausgerichtete und daher simplere Form des Jazz, die an populärer Musik ausgerichtet ist (Rock-Jazz, Pop-Jazz);

Beispiele: Frank Zappa, Colloseum, Joe Zawinul, Mahavishnu Orchestra

(vgl. Knauer, 1996, Sp. 1410ff., Wicke, 1992, S. 459f.).

Die meisten der hier aufgeführten Jazz-Stile erfuhren Revivals und seit den 1980er Jahren kann man nicht mehr von einem vorherrschenden Stil sprechen. Da der Jazz vielfältige stilistische Ausprägungen hat, fällt eine übergreifende musikalische Definition schwer (Metzler, 1998, S. 450). Es bleibt festzuhalten, dass das Instrumentarium vorwiegend aus (Blech-) Blasinstrumenten besteht, weiterhin Schlagzeug, Bass und Gitarre, oft auch Klavier.

Zusammenfassend zur Stilistik möchte ich Joachim-Ernst Berendt zitieren:

„Der Jazz unterscheidet sich von der europäischen Musik durch drei Grundelemente: 1. Durch ein besonderes Verhältnis zur Zeit, das mit dem Wort ‚swing’ gekennzeichnet wird; 2. Durch eine Spontaneität und Vitalität der musikalischen Produktion, in der die Improvisation eine Rolle spielt; 3. Durch eine Tonbildung bzw. Phrasierungsweise, in der sich die Individualität des spielenden Jazzmusikers spiegelt“ (Behrendt, 1997, S. 7).

3.2.2 Exkurs: Afroamerikanische Musik

Bereits in den Ausführungen zum Jazz wird deutlich, dass afroamerikanische Einflüsse auf die populäre Musik sehr entscheidend sind. Sie ziehen sich durch die gesamte Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts. Deshalb möchte ich nun kurz gesondert darauf eingehen.

Die besondere Bedeutung, die dieser Musik zukommt, liegt darin begründet, dass sie sehr emotionell ist. Gefühlvoller Gesang und die facettenreiche Nutzung der Stimme, sowie vielfältige Rhythmen drücken einen Bezug zur Körperlichkeit aus, der für Weiße bis dahin ungekannt ist. Da diese Art der Musik dadurch authentischer wirkt und das Publikum mitzureißen vermag, wird sie immer wieder von den Weißen adaptiert. Ulf Poschardt beschreibt diesen Sachverhalt in „DJ Culture“, einem Werk über die Popkultur als Geschichte der Diskjockeys: Die Musik der Schwarzen entwickelte sich stets als Subkultur, abgegrenzt vom „Mainstream“, der hauptsächlich von Weißen dominiert wurde. Neu entstandene Stile der Underground-Musikszene erlangten aber oft sehr schnell Popularität und wurden in den Mainstream integriert (vgl. Poschardt, 1997, S. 350ff.).

Neben Jazz entwickelte sich Rhythm’n’Blues (auch in den Schreibweisen Rhythm and Blues, Rhythm&Blues oder R&B), der die Traditionen des Blues (s. o.) mit tanzbaren Rhythmen verbindet (vgl. Metzler, 1998, S. 889f.). Diese Musik ist ein direkter Vorläufer des Rock’n’Roll, zu dem ich im nächsten Kapitel komme.

In den 1950er Jahren wurde – vor allem durch Ray Charles – der Rhythm’n’Blues zum Soul weiterentwickelt (vgl. Brockhaus, 1982, S. 494). Dieser Stil verbindet Spiritual- und Gospel-Traditionen mit der Musik und zeichnet sich durch sehr emotionale Intensität aus (vgl. Metzler, 1998, S. 983f.). Der Gesang ist gefühlvoll und umfasst eine „breite stimmliche Ausdrucksskala (vom Schrei bis zum Schluchzen)“ (Brockhaus, 1982, S. 560).

Eine Spielart des Soul ist Funk, der aus dem Jazz (Hard Bop) entstand (vgl. Metzler, 1998, S. 317). Als Ausdruck sexueller Freizügigkeit wird das Rhythmische verstärkt betont, die Musik wird basslastiger und soll zum Tanzen animieren (vgl. Poschardt, 1997, S. 429f.).

Hier wären noch einige Musikstile zu nennen. Den Disco-Stil als Weiterentwicklung des Funk und andere Genres, die in diesem Kapitel Beachtung finden sollten (z. B. Rap), will ich jedoch vorerst zurückstellen.

3.3.3 Rockmusik

Rockmusik ist schwierig zu beschreiben, da sie sich nicht eindeutig zum Pop abgrenzen lässt. Es gibt Auffassungen, nach denen Rock eine Stilrichtung des Pop ist, andere Ansichten sind genau umgekehrt. Geht man davon aus, dass jede populäre Stilrichtung als Popmusik bezeichnet wird, so ist die erstere Ansicht selbsterklärend. Oft werden aber Rock und Pop als gleichgewichtige Stile behandelt, so dass ich davon ausgehe, dass zwar alles in diesem Kontext Behandelte Pop bzw. populäre Musik ist, dass es aber noch ein Subgenre Pop gibt, welches sich aus der Rockmusik heraus entwickelt hat. Dies wäre die Erklärung für die zweite Ansicht. Da auch in der Musikindustrie zwischen Rock und Pop getrennt wird, will ich versuchen, Ansätze für eine Abgrenzung zu finden.

Entstanden ist die Rockmusik in den 1950er Jahren, als der Rock’n’Roll in den USA seinen Siegeszug antrat. Das Nachspielen bekannter Rhythm’n’Blues-Titel auf einem elektrisch verstärkten, standardisierten Instrumentarium (2 Gitarren, Bass, Schlagzeug, Saxophon und/oder Klavier) erzielte durchschlagenden Erfolg beim jugendlichen Publikum (vgl. Brockhaus, 1982, S. 499f.; Metzler, 1998, S. 898). Mehrere Musikformen aus der Zeit zwischen 1954-1957 wurden unter dem Etikett Rock’n’Roll vermarktet (u. a. Rockabilly, eine ländliche Musikform weißer Musiker wie Elvis Presley; Piano Blues und Boogie Woogie, vor allem bekannt durch Little Richard oder Fats Domino; eine Variante des Western Swing von Bill Haley, usw.) (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 355). Allen gemeinsam war das sehr schnelle Tempo, eine ekstatische Off-Beat-Phrasierung und eine bis dahin ungekannte Lautstärke, um der Aufführung solcher Musik auf großen Tanzveranstaltungen gerecht zu werden (vgl. Brockhaus, 1982, S. 499; Metzler, 1998, S. 898f.).

Als die Erfolgswelle nach Europa überschwappte, begannen in Großbritannien Amateurmusiker, diese Musik nachzuspielen. Die vordergründige Betonung der Grundschläge durch Schlagzeug und die akkordisch gespielte Rhythmusgitarre führte zur Bezeichnung British Beat, deren bekannteste Vertreter die Beatles sind. Der Gesang war mehrstimmig, der Bass spielte die Grundtöne. Im Laufe der Zeit wurden die Bands professioneller und erlangten auch in den USA Erfolg, wo sich die Bezeichnung Rockmusik durchsetzte (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 356f.).

Im allgemeinen hing die Entwicklung der Rockmusik stets mit einer Protestkultur zusammen. Häufig sind ihre Spielarten aus dem Abgrenzungswillen der Jugend gegen die massenhafte Vermarktung bzw. gegen gesellschaftliche Umstände entstanden (z. B. Folk Rock von Joan Baez oder Bob Dylan im Zuge der Protestsongbewegung; zu Folk siehe I 3.4). Dies ist oft ein Kreislauf: Es entsteht eine neue Musikform, die sich aufgrund bestehender Missstände von der bisherigen Musik abgrenzen will. Diese Musik wird erfolgreich, sie bekommt einen Namen (meist durch die Musikindustrie) und wird mit allen Mitteln vermarktet, so dass der Protest – ist er gegen den Kommerz gerichtet – hinfällig wird (vgl. Metzler, 1998, S. 899). Sehr deutlich wird dies beim Punk oder beim Grunge. Eine solche Entwicklung lässt sich häufig beobachten. Laut Ulf Poschardt hängt dies vor allem mit der Intention der Musiker zusammen. Popmusik zielt auf Verkauf und Berühmtheit und „schöne Songs“ (Poschardt, 1997, S. 402) ab; Underground-Musik dient hauptsächlich dazu, „sich selbst auszudrücken, Spaß zu haben und möglichst unentfremdet arbeiten und produzieren zu können“ (Poschardt, 1997, S. 402). Oft werden auch von der Musikindustrie Stilbezeichnungen geprägt für Musik, die auf den Markt kommt und eigentlich einem vorhandenen Stil zugeordnet werden könnte. Ein neuer Name ist allerdings ein bevorzugtes Marketinginstrument (z. B. Jungle laut Müllensiefen, 2002).

Eine vollständige Aufzählung aller Stilformen ist meines Erachtens unmöglich. Bei meiner Literatursuche stellte ich außerdem fest, dass in jeder Abhandlung andere Stile auftauchen. Vor allem in älteren Werken sind die Bezeichnungen völlig abweichend, Erklärungen fehlen häufig.

Die Entwicklung von Rockmusik verlief nicht chronologisch wie beim Jazz, da sie die „erste wirklich globale Form von Musikpraxis“ war (Wicke, 1998c, Sp. 351). Es entstanden massenhaft Stilformen, wodurch es schwer fällt, eine Definition für den Oberbegriff Rockmusik zu finden. Peter Wicke bezeichnet Rockmusik nicht einmal als Genre oder Stil. Für ihn ist sie eine „kulturelle Praxis Jugendlicher“ (Wicke, 1998c, Sp. 351) mit dem Bezug auf afroamerikanische Musikkulturen (Blues, Rhythm’n’Blues), die sich durch eine Betonung des Rhythmischen, durch eine Struktur in Form von Patterns und vor allem durch den Umgang mit Klang auszeichnet (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 351f.).

Die Entwicklung neuer Stile hing häufig mit der Weiterentwicklung der Technik und neuen Soundmöglichkeiten zusammen. So kamen seit den 1970er Jahren Tasteninstrumente wie Keyboards, Synthesizer oder Orgeln und Effektgeräte zum Einsatz. Diese erweiterten das Klangbild im Psychedelic Rock (1960er Jahre Hippie-Bewegung, z. B. Grateful Dead, Jefferson Airplane), im Electronic Rock (z. B. Pink Floyd, Tangerine Dream) oder in der New Wave (1970er Jahre Avantgarde-Musik in den USA, z. B. Blondie, Talking Heads, Patti Smith) (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 358ff.; zu technischen Neuerungen im Zusammenhang mit Musik vgl. Teuber, 1994, S. 123ff. und Poschardt, 1997, S. 356ff.). Im Art Rock wurden ebenfalls alternative Klangstrukturen eingesetzt (z. B. Genesis, Yes, Gentle Giant). Hier nutzten Musiker Zitate, z. B. aus klassischen Werken, oder experimentierten mit Sinfonieorchestern (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 359f.).

Sound gilt als das besondere Kennzeichen der Rockmusik, oft gab es aber auch Rückbezüge zu den Ursprüngen mit der Standardbesetzung Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass. So zum Beispiel im Punkrock (z. B. Stooges, Sex Pistols, Clash) als Gegenbewegung zu ausgefeilten Soundexperimenten (vgl. Wicke, 1998c, Sp. 361; Brockhaus, 1982, S. 499).

Sehr prägnant in der Rockmusik-Entwicklung war der Hard Rock (z. B. Black Sabbath, Uriah Heep), eine „härtere“ Spielart des Rock, mit einer weiteren Steigerung im Heavy Metal (z. B. AC/DC, Metallica). Diese Stile sind gekennzeichnet durch Riffs (die ständige Wiederholung einer Tonfolge durch die Rhythmusgitarre), Gitarrensoli und teilweise hohe Tempi (vgl. Rohlf, 1994, S. 48). Heavy Metal wurde vor allem in den 1980er Jahren immer ausgefeilter und brachte wiederum sehr viele Subgenres hervor, auf die ich aber nicht weiter eingehen will. Hard Rock und Heavy Metal haben auch heute noch einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert in der Rockmusik.

Zusammenfassend stelle ich folgende Merkmale der Rockmusik heraus: Rhythmusbetonung, patternartige Songstruktur und ein charakteristischer Sound, der hauptsächlich durch Schlagzeug, Bass und Gitarre bestimmt wird. In diversen Stilen wird dieser Sound mit elektronischen Klangerzeugern nachgeahmt oder erweitert, so z. B. im Industrial Rock (z. B. Nine Inch Nails, Ministry). Grundsätzlich haben zahlreiche Stilmischungen (Crossover) stattgefunden (vgl. Metzler, 1998, S. 899), sodass ein umfassender Überblick kaum mehr möglich ist. Zu erwähnen ist hier noch die Bezeichnung Alternative Rock für Stile, die sich aus dem Punk Rock heraus durch Crossover entwickelt haben (vgl. AMG; z. B. Grunge von Nirvana, Pearl Jam).

[...]

Ende der Leseprobe aus 148 Seiten

Details

Titel
Untersuchung der globalen und regionalen Ausprägung von musikalischen Präferenzen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen
Hochschule
Technische Universität Ilmenau
Note
1,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
148
Katalognummer
V48603
ISBN (eBook)
9783638452670
ISBN (Buch)
9783638939355
Dateigröße
1757 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Untersuchung, Ausprägung, Präferenzen, Bevölkerungsgruppen
Arbeit zitieren
Anke Lerp (Autor:in), 2002, Untersuchung der globalen und regionalen Ausprägung von musikalischen Präferenzen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48603

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