Avantgarde im Königreich Jugoslawien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1 Einleitung

2 Expressionismus

3 Zenitismus
3.1 Manifeste
3.1.1 Poljanski’s Manifest
3.1.2 „Die zenitistische neue Kunst“
3.1.3 Manifest des Zenitismus
3.2 Die Zeitschrift „Zenit“
3.3 Zenitisten im europäischen Kontext

4 Der Dadaismus in Jugoslawien
4.1 Die Zeitschriften
4.2 Dadaismus

5 Sumatraismus

6 Surrealismus
6.1 Entstehung des Surrealismus
6.2 Manifeste
6.3 Die Zeitschriften

7 Zusammenfassung

8 Quellenverzeichnis

9 Appendix
9.1 Gedicht: Taba Zyklon II
9.2 Gedicht: Sumatra

1 Einleitung

Nach dem Ende des I. Weltkrieges entwickelte sich in dem neu gegründeten Königreich Jugoslawien eine neue jugoslawische Literatur. Durch die traumatischen Erlebnisse des Krieges beeindruckt sahen viele junge Künstler die Notwendigkeit einer neuen Kunstrichtung. Sie suchten nach einer Möglichkeit, die Sinnlosigkeit des Krieges und das Leben nach dem Krieg im Alltag auszudrücken. Die Manifeste der neuen literarischen Bewegungen der Avantgarde, die ganz Europa überfluteten, wurden von den jungen Künstlern dankbar angenommen. Die Gemeinsamkeit dieser Bewegungen lag in der Forderung nach einem Bruch mit der Tradition sowie deren sehr theoriebetonten Auftreten. Das Hauptanliegen der Avant­gardisten war die Überwindung der Barriere zwischen Kunst und Leben.

Die ersten avantgardistischen Versuche tauchten in den Regionen des ehemaligen österreichisch-ungarischen Staates auf. So erschien bereits 1909 ein Aufsatz in der Zeitschrift „Ljublanski zvon“ über den Futurismus und Marinetti’s Schule. 1913 präsentierte Dimitrije Mitrinović in der Zeitschrift „Bosanska Vila“ seine stark an den deutschen Expressionismus und den italienischen Futurismus angelehnte Idee einer neuen Kunst. Es entstanden eine Reihe kurzlebiger Zeitschriften wie „Savremenik“, in der unter anderem Miroslav Krleža einige Werke veröffentlichte. Die erste Avantgarde-Zeitschrift war die Zeitschrift „Svetokret: List za ekspediciju na severni pol ljudskog duha“[1], veröffentlicht von dem späteren Mitbegründer des Zenitismus Ve Poljanski. In Anlehnung an die deutsche Zeitschrift „Der Sturm“ wurde von 1917 bis 1918 die Zeitschrift „Vijavica“ und 1919 der „Juriš“ veröffentlicht. Miroslav Krleža veröffentlichte 1919 mit August Cesarec die Zeitschrift „Plamen[2].

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit einem eher unbekannten Teil der Avantgarde. Sie soll einen Überblick verschaffen, über die avant­gardistischen Strömungen im damaligen Königreich Jugoslawien. Der Hauptschwerpunkt der Arbeit liegt auf der Bewegung der Zenitisten, die zunächst in Zagreb und später in Belgrad agierten.

2 Expressionismus

1919 gründete sich in Belgrad eine lose Künstelgruppe um den Schriftsteller Ivo Andrić und Stanislav Vinaver. Unter dem Namen „Grupa Umetnika“[3] suchten sie nach Möglichkeiten, die neuen Anschauungen und Empfindungen, die nach Beendigung des I. Weltkrieges gewonnen wurden, künstlerisch auszudrücken. Im Jahr 1920 konstatierte sich die Gruppe neu. Unter der Bezeichnung „Alfa“ gegründet bestand die Gruppe nur aus Schriftstellern und bildete schon bald den Kern der serbischen Literatur. „Alfa“ war eine rein expressionistische Gruppe, die bis 1923 bestand.

Unter dem Leitmotiv des Neubeginns und des Traditionsbruches brachte die Gruppe 1921 die Lyrik-Anthologie „Albatros“ heraus.[4] Zugleich wurde „Das Manifest der expressionistischen Schule“ von Stanislav Vinaver publiziert. In seinem Manifest dekonstruierte Vinaver die Vorkriegsliteratur und übernahm die Figur eines Kritikers gegenüber der Nachkriegsliteratur. Parodie stellte dabei eines der beliebtesten Verfahren zur De­konstruktion dar.

Die serbischen Expressionisten waren stark von der französischen Moderne geprägt. Ihre Hauptthemen waren zum einen die Bewältigung des I. Weltkrieges und zum anderen die Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS)[5]. Ein weiteres Hauptthema war die Herausarbeitung der Position der serbischen Avantgarde im weltlichen Kontext. Bei den serbischen Expressionisten herrschten zwei Konzepte vor.[6] Einerseits wurde ein Expressionismus in Anlehnung an Frankreich gewünscht, andererseits strebte man jedoch auch nach der Abgrenzung der verschiedenen Kulturen.

3 Zenitismus

Die Hauptfiguren des Zenitismus waren zum einen Ljubomir Micić, der Begründer des Zenitismus und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Branko Micić, der auch unter den Namen Branko bzw. Ve oder Virgil Poljanski auftrat. Poljanski lebte von 1897 bis 1947 und galt als künstlerisch talentierter als sein Bruder. Er war nicht nur Schriftsteller sonder unter anderem auch Schauspieler. Als Übersetzerin der Zenitisten agierte Ljubomir’s Frau Anuška Micić, die sich Nina–Naj nannte. Als einer der engsten Mitglieder der Zenitisten ist insbesondere Marijan Mikac zu nennen, der ein eigens für den Zenitismus ein Manifest verfasste.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Als international bekanntester der Gruppe ist wohl der 1986 verstorbene Slowene Josip Seissel zu nennen, der als Zenitist unter dem Namen Jo Klek bekannt war. Anfangs widmete er sich der Malerei und später wandte er sich der Architektur zu, durch welche er bekannt geworden ist[7]. Eines seiner Werke ist zum Beispiel der 1924 ent­standene Entwurf eines „Zenitheums“ (s. Abbildung 1). Dabei handelt es um rein imaginieren Projekte, d.h. um nicht-funktionale Architektur. [8]

In den 30er Jahren machte Jossip Seissel Bekanntschaft mit den Sur­realisten und nach seinem Bruch mit den Zenitisten widmete sich nur noch surrealistischen Arbeiten.[9]

3.1 Manifeste

Der Begriff Zenit beschreibt eine Richtungsangabe, die eine Art Gegenpol zur Erde darstellt. Nach Ljubomir Micić können die Erde und der Zenit nur durch den Menschen und den Zenitismus, also dem zenitistischen Menschen verknüpft werden. Aus Jo Klek’s Darstellung einer „zeni­tistischen Konstruktion“ von 1923 wird deutlich, welche Rolle der Zenitismus aus der Sicht der Zenitisten spielte. Der Zenitismus ist die Einstellung, die es einem Menschen ermöglicht, von der Erde in den Zenit aufzusteigen. Eine Voraussetzung des Zenitismus wird ersichtlich bei der Betrachtung des Sockels. Offensichtlich ist der Ausgangspunkt auf der Erde in Richtung des Zenits auf dem Balkan zu finden. In dem, zentral positionierten Halbkreis, findet sich der Name des Zenitisten-Oberhauptes Ljubomir Micić wieder, der die Verbindung zwischen Balkan und Zenit darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 – Jo KLek, Zenitisticka Konstrukcija
[Zenitist Construction], 1923.

In einer Reihe von Manifesten[10] versuchten die Zenitisten ihre Forderungen nach einer neuen Kunst bzw. nach einem neuen Menschen auszudrücken. In den Manifesten wird erläutert, warum Zenitismus notwendig ist (Micić und Poljanski), wie die Kunst des Zenitismus auszusehen hat (Mikac) und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um als Zenitist bzw. Künstler im Sinne des Zenitismus anerkannt zu werden (Micić).

3.1.1 Poljanski’s Manifest

Poljanski verfasste 1921 ein Manifest, in dem er nach einer neuen Kunst verlangte, weil für ihn der Geist der Menschheit verkauft wurde und „völlig zu Grunde gegangen ist“. In seinem Werk verlangt Poljanski die totale Freiheit des Geistes. Poljanski fordert, dass sich der Geist mittels der Kunst zu höheren Formen erhebt. Er beschreibt die Kunst als das tiefste Innere des Geistes. Poljanski verlangt, dass dem Geist völlig freien Lauf gelassen wird und erklärt, dass Kunst nicht logisch sein muss. Es kann ruhig paradox sein und unter Lachen und Weinen entstehen. Er fordert eine neue, freie Kunst, durch die ein neuer Mensch entstehen soll. Poljanski verlangt die totale Zerstörung, um zur Loslösung der Begrenzungen zu kommen.

3.1.2 „Die zenitistische neue Kunst“

Marijan Mikac definierte in seinem Aufsatz einige Richtlinien des Zenitismus, die eingehalten werden sollten, um eine einheitliche Avantgarde­bewegung zu erreichen. Mikac schreibt, dass eine Kunst im Sinne des Zenitismus schöpferisch, aber nicht abbildend oder beschreibend sein soll. Überhaupt gilt die Kunst als Werkzeug des Zenitismus, der eher als Philosophie als, als Kunstbewegung verstanden werden will. Die Kunst ist also nicht das Ziel, sondern das Instrument. Auch er schreibt von der Zerstörung des alten kraftlosen und der Erschaffung von etwas Neuem und Reinem. Für den Zenitisten ist es wichtig originell zu sein und einen elastischen Geist zu haben. Die Prinzipien sollen eine einheitliche, geistige Bewegung garantieren. Diese Prinzipien, die Mikac als Verfahren des Zenitismus vorstellt, sind:

- Paradoxie
- Simultanität
- Assozation

„Paradoxa haben ihre Bedeutung fürs Leben und die Zeit. Was im Leben ereignet sich schon nach der strengen Logik des Herrn Professor? Im Leben überwiegen die Paradoxa.“

Simultanität erklärt Mikac wie folgt: „In einem Moment ereignet sich eine Unzahl von Geschehnissen, die voneinander völlig unabhängig sind. Diese Ausdrücke werden simultan, gleichzeitig ausgedrückt.“

„Die Assoziation“, erläutert Mikac, „verbindet Ereignisse miteinander, die der Dichter natürlich frei schafft und auswählt.“

3.1.3 Manifest des Zenitismus

Micić veröffentlichte sein Manifest 1921 in der ersten Ausgabe seiner Zeitschrift „Zenit“. In diesem Manifest fordert er die Zerstörung aller Grenzen und die totale Befreiung. Die Schlagworte des Manifestes sind Babarismus, Anarchie und Neuerschaffung.

Micić fordert einen neuen Menschen, der sich -in den Zenit- aufschwingen soll, alles nicht–menschliche zu zerstören. Dieser neue Mensch soll Barbar sein, ein Mensch, der von allem weltlichen befreit ist und ein Symbol für das Einfache darstellt. Nur die Barbaren tragen, laut Micić, die Seele der Menschen in sich und können die Menschheit retten, indem sie die restliche Welt „balkanisieren“ und den Nicht-Mensch -mit anderen Worten den Nicht-Zenitisten- sterben lassen. Zur Beschreibung des ursprünglichen Barbaren ging der Nationalist Micić von dem edlen Räubertum der Hajduken und Komiten des frühen 19. und 20. Jahr­hunderts aus, die er als ursprüngliche und ideale Menschen betrachtete. Micić kombinierte an dieser Stelle paradoxerweise den Antitraditionalismus der Avantgarde mit dem aus der serbischen Tradition stammenden Barbarismus.[11]

Micić sagt, dass der Mensch Schöpfer sein muss und einen Übermenschen aus dem Künstler und dem Menschen schaffen muss. Micić fordert eine neue Kunst, da aus seiner Sicht der Expressionismus, der Kubismus und der Futurismus tot sind.

[...]


[1] Dt. Weltwendung: Ein Magazin für eine Expedition zum Nordpol des menschlichen Geistes

[2] /Šuva03/, S.13

[3] Dt. Künstlergruppe

[4] /SIEG92/, S. 15

[5] Serb. Kraljevina Srba, Hrvata i Slovena (dt. Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen )

[6] /SIEG92/, S. 20

[7] /UZEL03/, S.161

[8] /ŠUVA03/, S.147

[9] /UZEL03/, S.161 f

[10] dt. abgedruckt in /SIEG92/

[11] /SIEG92/, S.108

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Avantgarde im Königreich Jugoslawien
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Institut für Slavisti/Lotman-Institut)
Veranstaltung
Russische Avantgarde im europäischen Kontext
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V48255
ISBN (eBook)
9783638450133
ISBN (Buch)
9783640623785
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit soll einen kurzen Überblick über die Avantgardebewegung im damaligen Königreich Jugoslawien geben.
Schlagworte
Avantgarde, Königreich, Jugoslawien, Avantgarde, Kontext, Slavistik, Slawistik, Literaturwissenschaft, Literatur
Arbeit zitieren
Stefanie Heberling (Autor:in), 2005, Avantgarde im Königreich Jugoslawien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48255

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