Paradigmen der Diversitätspolitik im Wiener Stadtentwicklungsplan 2005


Seminararbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. MigrantInnen in Wien – Zahlen und Fakten der jüngeren Gegenwart

3. Retrospektive: Integrationspolitik der 1990er Jahre

4. Das Paradigma des Multikulturalismus

5. Paradigmenwandel in Wien: Von der Integrationspolitik zur Diversitätspolitik

6. Die Rolle ethnischer Gemeinschaften im Integrationsprozess

7. Paradigmen der Diversitätspolitik im Stadtentwicklungsplan 2005

8. Diversitätspolitik im Strategieplan 2004

9. Arbeitsbereiche und Organisation der MA 17 (Magistratsabteilung für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten)

10.Resümee

Literatur:

1. Einleitung

Das Thema Diversität ist politisch hoch brisant. Der Wahlkampf zur Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien im Oktober 2005 hat dies wieder deutlich zum Vorschein gebracht: Fremdenfeindliche Plakate, Agitation gegen Ausländer und Populismus sind scheinbar nicht totzukriegen.

Da reden die einen von Diversität als Schlaraffenland des kulturellen und ethnischen Miteinanders und zukunftsweisendes Paradigma in einer globalisierten Welt. Schlagworte wie Weltoffenheit, Pluralität und Chance durch Vielfalt tauchen in diesem Kontext immer wieder auf. Und gleichzeitig schüren andere Ängste vor Überfremdung und Benachteiligung der einheimischen Gesellschaft durch Zuwanderung aus dem Ausland und erhalten unerwartet hohen Zuspruch für ihre xenophobischen Äußerungen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Was ist gemeint mit Diversität, wie sie im Stadtentwicklungsplan 2005 als Querschnittmaterie deklariert wird? Ist es auf politischer Ebene Flucht nach vorne nach jahrzehntelanger Desintegrationspolitik oder ernsthafter und nachhaltiger Umdenkprozess? Und welche Chancen hat überhaupt die im STEP 05 propagierte Diversität von der Bevölkerung umgesetzt und gelebt zu werden? Ist das Diversitätsparadigma ein weltfremdes Konstrukt abgehobener Integrationspolitik oder tatsächlich fruchtbarer Ansatz für eine konfliktfreie multiethnische Lebenswelt?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir den Stadtentwicklungsplan 2005 unter die Lupe genommen und Interviews mit ExpertInnen für Diversitätspolitik geführt. Herr Mag. Bernhard Bouzek von der MA 17 (Magistratsabteilung für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten) und Frau DI Shams Asadi von der MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung), gaben uns in ausführlichen Interviews wertvolle Hilfe zum Verständnis dieses Paradigmas, wie es auf politischer Ebene konzipiert und umgesetzt wird. Herr DI Omar Al-Rawi, Integrationsbeauftragter der österreichischen islamischen Glaubensgemeinschaft, hat das Konzept von der anderen Seite, nämlich jener der MigrantInnen, in einem sehr interessanten Gespräch beleuchtet und uns zahlreiche Impulse für weitere Überlegungen gegeben. Dies sollte uns ein Bild darüber vermitteln, wie Diversitätspolitik in Wien tatsächlich verstanden und im politischen Alltag umgesetzt werden kann, und wie MigrantInnen dieses neue Paradigma wahrnehmen.

Des Weiteren haben wir versucht, die Genese dieses Paradigmenwandels zu skizzieren und die Motivation dafür zu klären. Und schließlich soll auch eine weitere bedeutende Frage beantwortet werden: Hat Diversität eine Chance in das gesellschaftliche Denken zu infiltrieren?

Migration hat für Wien schon seit jeher eine große Bedeutung. Nur durch Zuwanderung konnte die Stadt zu einer Metropole heranwachsen und gedeihen. Die zunehmende Überalterung der einheimischen Bevölkerung in der heutigen Zeit kann durch Zuwanderung gemildert oder kompensiert werden. Die internationale Arbeitsteilung forciert einen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte, die aus dem Ausland rekrutiert werden können. Auf der anderen Seite sehen viele Menschen dabei jedoch eine Konkurrenzsituation in lebenswichtigen Bereichen wie Arbeit und Wohnen, artikulieren Angst vor „Massenansturm“, Überfremdung und medial fokussiertem islamischen Fundamentalismus. Migration ist also ein emotionales und polarisierendes Thema. Hinzu kommt, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Wien keine Marginalerscheinung mehr sind, sondern ein essenzieller und integraler Bestandteil der Bevölkerung. Man kann zudem nicht von einer transitorisch geprägten Gastarbeiterschicht sprechen, sondern von einer großen Gruppe an Einwanderern, welche die Absicht hat, sich langfristig in Österreich niederzulassen. Somit darf Österreich nicht als Gastarbeiterland gesehen werden, sondern als Einwanderungsland und neue Heimat. Eine veränderte Gesellschaft braucht eine veränderte Politik und verändertes Denken in der Gesellschaft selbst. Kann Wien diesem Gedanken Rechnung tragen? Die nun folgenden Seiten sollen das Schlagwort „Diversität“ vor dem Hintergrund eines von politischen Kreisen lancierten neuen liberalen Selbstverständnisses der Stadt Wien analysieren und kritisch hinterfragen.

2. MigrantInnen in Wien – Zahlen und Fakten der jüngeren Gegenwart

In Wien lebten zum Zeitpunkt der letzten Volkszählung 2001 248.264 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Das war bei einer Gesamtbevölkerung von 1,550.123 Menschen ein Anteil von etwa 16 Prozent. Die Zahl der im Ausland geborenen Wiener war mit 23,6 Prozent (370.000 Menschen) noch höher. Im internationalen Vergleich ist die Segregation in Wien gering. In den meisten Fällen sind nicht ganze Bezirke ethnisch geprägt, sondern einzelne Baublöcke. Dennoch wiesen die Bezirke Leopoldstadt (2.), Margareten (5.), Rudolfsheim-Fünfhaus (15.), Hernals (17.) und Brigittenau (20.) mit einem Anteil ausländischer Wohnbevölkerung von mindestens 24,9 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Wert auf. Der Bezirk Rudolfsheim - Fünfhaus zählte 2001 (bei einer Gesamtbevölkerung von 70.838) 24.039 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft und verzeichnete mit 34 Prozent den höchsten Anteil. Im Jahr 2004 lebten nach Angaben der MA 14 / MA 62 286.907 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in Wien. Bei einer fortgeschriebenen Gesamtbevölkerung Wiens von 1.627.173 Menschen stellt dies einen Anteil von 17,6 Prozent dar. Die Zahl der Einbürgerungen in Wien betrug zwischen 1999 und 2004 rund 83.454 Personen. Die größten Gruppen ausländischer Wohnbevölkerung stammen aus Serbien und Montenegro (74.299), der Türkei (41.072), Bosnien und Herzegowina (19.502), Kroatien (16.950), Deutschland (16.858) und Polen (15.298).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Stadtentwicklungsplan 2005

3. Retrospektive: Integrationspolitik der 1990er Jahre

Ende der achtziger Jahre vollzogen sich im Osten radikale politische Änderungen. Die zweipolige politische Weltordnung brach zusammen. Die Politiker des Westens beeilten sich, einen umfassenden migrationspolitischen Ansatz auszuarbeiten, dessen Ziel es war, massive Vertreibungen und den Einwanderungsdruck auf Europa durch konzentrierte multilaterale Vorbeugungsmaßnahmen hintanzuhalten. Es kam zu einer Reform der Asylsysteme und restriktiven Gesetzesnovellen.

Alev Korun, Politikerin in Wien, zeichnet in Ihrem Artikel „Strukturbereinigung- Österreichische Immigrations- und ‚Integrationspolitik’ der neunziger Jahre “ (www.initiative.minderheiten.at) ein klares Bild der damals vorherrschenden Gesetze und Entwicklungen in Österreich:

Zwischen 1988 und 1991 war die Zahl der ausländischen Beschäftigten in Österreich um mehr als 110.000 Personen angestiegen, was jedoch nur teilweise auf den Wegfall von Mobilitätshindernissen in osteuropäischen Ländern zurückzuführen war. Die österreichische Wirtschaft hatte auf die gute Konjunkturlage mit einer verstärkten Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften reagiert. Rekrutiert wurden diese hauptsächlich aus den „klassischen“ Gastarbeiterländern Jugoslawien und Türkei. Viele Flüchtlinge aus dem Jugoslawien Krieg blieben in Österreich und bauten sich hier eine Existenz auf. Es war die Zeit, in der Einwanderung zum politischen Thema wurde. Im Vordergrund stand dabei Konfliktprävention. Politischer Populismus blühte auf. Die Zeit schien ideal zum Schüren von Ängsten, brauchte man doch nur von einer „neuen Völkerwanderung“ zu sprechen. Neben dem Konfliktlösungsbedarf sah man jedoch auch zunehmend Bedarf an Informations- und Dienstleistungen. So entstand neben einer umfassenden Gesetzesnovellierung auch der Wiener Integrationsfonds. Auf politischer Ebene wurde eine Gastarbeiterpolitik betrieben: 1990 wurden im Ausländerbeschäftigungsgesetz landes- und bundesweite Höchstzahlen für die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften eingeführt. Dies sollte die Ausländerbeschäftigung besser an die jeweilige Konjunkturlage anpassen. Am 1. Juni 1992 trat ein neues Asylgesetz in Kraft. Es führte zu Einschränkungen des Asylrechts und zu einem starken Rückgang der Asylanträge. Am 1. Juli 1993 folgte ein neues Aufenthaltsgesetz. In der Regierungsvorlage zu diesem Aufenthaltsgesetz sprach man offen von einer Strukturbereinigung zur Lösung des Gastarbeiterproblems: „Grundsätzlich muss klar sein, dass sich das Aufenthaltsgesetz in Österreich nicht primär an den Bedürfnissen der Niederlassungswilligen orientiert, sondern nach den Bedürfnissen der österreichischen Gesellschaft auszurichten hat. Nur auf dieser Grundlage gelangen sie dorthin, wo sie auch tatsächlich gebraucht und gewollt werden und daher eine entsprechende Zukunft haben“. (Allgemeiner Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage) Erst 1998 wurden Aufenthalts- und Asylgesetz reformiert: es kam zu einer schrittweisen Aufenthaltsverfestigung und zu einem Rechtsanspruch auf die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung. Diese Reform kann als das erste Abrücken jahrzehntelanger Gastarbeiterpolitik verstanden werden.

Die Gründung des Wiener Integrationsfonds wurde am 9. November 1991 vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk in einer Regierungserklärung angekündigt. Der Integrationsfonds war eine verwaltungsexterne Initiative und hatte im Allgemeinen folgende Funktionen:

- Beratung und Unterstützung von MigrantInnen
- Interkulturelle Vermittlung und Mediation
- Förderung von Integrationsinitiativen
- Sprachkurse
- Jugendprojekte
- Information
- Dokumentation

Er war auf Konfliktreduzierung und Beratung ausgerichtet. Neben dem Wiener Integrationsfonds entstand in Wien die BLI (Bereichsleitung für Integration), die verwaltungsintern Koordination und Strategie übernahm. Das Aktionsschema kann so dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Antalovsky, 2005

4. Das Paradigma des Multikulturalismus:

Der internationale Diskurs als Impuls für ein neues Verständnis von Integrationspolitik in Wien

Offene Integrationsmodelle, welche dem Prinzip des Multikulturalismus entsprechen, zeichnen sich gegenüber assimilationistischen Modellen in erster Linie dadurch aus, dass darunter nicht eine Assimilation der MigrantInnen an eine Leitkultur im Vordergrund steht, sondern ein neutraler Integrationsbegriff. Integration wird als interaktiver und komplexer Prozess gesehen, der Sensibilität und Engagement von beiden Seiten erwartet. Im Vordergrund steht eine soziale, ökonomische und rechtliche Gleichstellung. Dies erfordert von den MigrantInnen neben dem Erlernen der Sprache jedoch auch die Kenntnis und Akzeptanz der grundlegenden gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien: Die Kompetenz, als Bürger in einem Staat zu handeln (Habermas, 1996, Kap. 8).

Diversität und die Anerkennung der fremden Kultur gilt als integraler Bestandteil dieses Paradigmas. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer kulturautonomen Integration, bei der die Akzeptanz ethnischer und kultureller Pluralität wesentliches Charakteristikum ist. Dabei gehen moderne offene Integrationsmodelle davon aus, dass der Integrationsprozess sich auf kollektiver Ebene vollzieht, weniger auf der Individualebene.

Multikulturalismus geht nicht zwangsläufig von Konfliktfreiheit aus. In der Literatur wird hier zwischen einer idealisierenden und einer realistischen Position differenziert. Die realistische Position leugnet nicht das Auftreten von Konflikten, sondern sieht sie eher als Triebfeder zur Entwicklung des Integrationsprozesses. Pluralität ist daher keinesfalls eine verklärte Sicht auf das multikulturelle Miteinander, sondern – wie oben bereites erwähnt – interaktiver Prozess der Annäherung, der oftmals Konflikte nicht ausschließen kann.

Die theoretische Begründung des Multikulturalismus unterscheidet zudem zwischen einem kommunitaristischen und einem liberalen Ansatz. Die kommunitaristische Begründung geht vom gleichen Wert jeder Kultur aus. Die liberale Begründung stützt sich auf den Wert der Kultur für die individuelle Freiheit einer Person, welche die Ich- Identität aus dem kulturellen Kontext schöpft.

Die kommunitaristische Diskussion ist vor allem in den Vereinigten Staaten von großer Bedeutung. Sie basiert auf der Annahme, dass alle Gruppen dieselbe Fähigkeit zur Hervorbringung einer Kultur haben (Taylor, 1993, S. 67). Daraus folgt, dass alle Kulturen von gleichem Wert sind und sie den gleichen Beitrag zur Weltzivilisation leisten. Taylor fordert daher eine „Politik der Anerkennung“. Im Vordergrund steht dabei, die Besonderheit eines Individuums oder einer Gruppe anzuerkennen. Ausgangspunkt dieser Diskussion in den USA waren vor allem Schulen und Universitäten, die ihre Lerninhalte gegen Ethnozentrismus prüften.

Die zentralen Inhalte der liberalen Theorie sind die Freiheit und Gleichheit des Individuums. Jedes Individuum soll unabhängig von Schicht, Einkommen, Bildung, Religion und Ethnizität gleiche Chancen haben, gesellschaftliche Positionen zu erreichen, am öffentlichen Leben teilzunehmen und politische Ämter zu bekleiden. Gleichzeitig sollte jedes Individuum die Freiheit haben, seine persönlichen Lebensziele und –pläne nach eigenem Ermessen zu verfolgen (vgl. Dietrich, 2002, S.20). Möglich ist dies in einem liberal – demokratischen Staat mit einer modernen und funktional differenzierten (säkularisierten) Gesellschaft. Die Entscheidung über die persönlichen Lebensziele liegt beim Individuum selbst. Entscheidenden Einfluss darauf hat jedoch - so Will Kymlicka, Professor für politische Philosophie in Ottawa und Vertreter von Minderheitenrechten – die kulturelle Mitgliedschaft. Die gesellschaftliche Kultur stattet jedes Individuum mit einer reichen Auswahl an Wahlmöglichkeiten für die selbstbestimmte Wahl eines glücklichen Lebens aus. „Unsere Sprache und Geschichte sind die Medien, durch die wir uns ein Bild über die Wahlmöglichkeiten und deren Wichtigkeit machen können.“(Kymlicka, 1989, S. 165). Das Individuum bezieht die Ich-Identität aus der kulturellen Mitgliedschaft. Die Anerkennung der „societal culture“ stellt daher eine Voraussetzung für den Respekt der gleichen Freiheit von Personen dar. Der kulturelle Kontext wird als Sinnhorizont der Handlungsfreiheit verstanden und genau daraus leitet Kymlicka die Begründung für Minderheitenrechte ab:

Seiner Konzeption zufolge widersprechen sie keinesfalls einer modernen liberalen Theorie, sondern die liberale Theorie erfordert sie in höchstem Maße. Die Benachteilung von Minderheiten in einem heterogenen Staat liegt in der Frage nach der Verfügbarkeit des kulturellen Kontextes. Weil die jeweilige kulturelle Mehrheit um die Erhaltung ihres kulturellen Kontextes nicht in gleicher Weise besorgt sein muss, wie die kulturellen Minderheiten, steht der kulturelle Kontext in heterogenen Staaten nicht jedem Individuum gleichermaßen zur Verfügung. “(Kymlicka, 1989, S. 165).

Gleiche formale und individuelle Rechte können unter faktisch ungleichen Bedingungen für die betreffenden Personen ungleiche Rechte und Chancen bedeuten.

Zusammenfassend lässt sich die Konzeption von Kymlicka durch folgende Punkte charakterisieren:

- „Unsere Sprache und Geschichte sind die Medien, durch die wir uns ein Bild über die Wahlmöglichkeiten und deren Wichtigkeit machen können.“
- Die Anerkennung der kulturellen Zugehörigkeit ist eine Voraussetzung für den Respekt der gleichen Freiheit von Personen.
- Verfügbarkeit des kulturellen Kontextes muss gegeben sein.
- Eine aufoktroyierte Assimilation an die Mehrheitskultur kann für die Angehörigen von Minderheiten eine Beeinträchtigung von Lebenschancen und Deprivationseffekte mit sich bringen.
- Die Berücksichtigung von Unterschieden ist der wahre Kern der Freiheit.
- Liberale Begründung von Minderheitenrechten.

Die Qualität der Umsetzung von Integrationsmodellen hängt ganz entscheidend von der gesellschaftlichen Akzeptanz ab. Die Konzeption der offenen, neutralen Integration sieht einen vielschichtigen und interaktiven Prozess vor. Ein breites, grundlegendes Umdenken: Vom Gastarbeiterland zum neuen Heimatland verschiedener Ethnien mit jeweils spezifischem kulturellen Kontext. Diversitätsorientierte Migrationspolitik kann nur dann funktionieren, wenn beide Seiten einen fruchtbaren Boden dafür schaffen. Diversität hat Grenzen, ebenso wie Assimilationsprozesse zu Lasten persönlicher Freiheit. In diesem Zusammenhang ist Diversitätspolitik nach wie vor auch Integrationspolitik, verstanden als Prozess beidseitiger Annäherung und Wertschätzung. Im nächsten Kapitel wird das Konzept der Diversitätspolitik in Wien näher vorgestellt und erläutert. Es orientiert sich grundlegend an internationalen Konzepten, wie sie in den vorangegangenen Seiten vorgestellt wurden, und steht im Zentrum eines neuen Selbstverständnisses der Stadt Wien in Bezug auf ihre ethnische, demographische und kulturelle Vielfalt. Ein Bekenntnis dafür, dass sich die Stadt auf einen Wandel einstellen und Migration vor dem Hintergrund globaler Arbeitsteilung als Chancenpotenzial erkennen muss. Ein neue Sichtweise, die auch auf institutioneller Ebene mit Gründung der MA 17 (Magistratsabteilung für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten) manifestiert wurde: Vom Rand ins Zentrum, als Weiterentwicklung des Wiener Integrationsfonds. Sicherlich muss das neue Konzept – der plötzliche Sinneswandel – kritisch durchleuchtet und auch aus Perspektive der Zielgruppe genauer analysiert werden. Wertvolle Ansätze dazu brachte uns sicherlich das Interview mit Omar Al-Rawi, dem Integrationsbeauftragten der österreichischen islamischen Glaubensgemeinde.

Von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Diversitätspolitik ist auch die Rolle der ethnischen Communities in Großstädten. Sie stellen zum einen eine Zone der kulturellen und gesellschaftlichen Identifikation dar, zum anderen eine Kommunikationsschnittstelle für die MA 17 oder NGO’s. Ethnische Gemeinschaften sind eine kulturelle Pufferzone für viele MigrantInnen und erleichtern die Arbeit all jener, die mit MigrantInnen arbeiten und eine zentrale Anlaufstelle hierfür suchen.

Der Kontrast einer modernen Diversitätspolitik zur Integrationspolitik früherer Jahrzehnte in Österreich scheint enorm, obwohl Asylpolitik und Integration nach wie vor Zielscheibe populistischer Politik sind, die mit xenophobischen Parolen in den Wahlkampf rückt. Dagegen kann auch eine akademische Diskussion um den Sinn einer diversitätsorientierten Politik nichts ausrichten…

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Paradigmen der Diversitätspolitik im Wiener Stadtentwicklungsplan 2005
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Wiener Stadtentwicklungsplan 2005
Note
1
Autoren
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V48013
ISBN (eBook)
9783638448284
Dateigröße
777 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Paradigmen, Diversitätspolitik, Wiener, Stadtentwicklungsplan, Wiener, Stadtentwicklungsplan
Arbeit zitieren
Peter Robineau (Autor:in)Marijan Raunikar (Autor:in), 2005, Paradigmen der Diversitätspolitik im Wiener Stadtentwicklungsplan 2005, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48013

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