Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und der Zusammenhang mit Hyperaktivität


Examensarbeit, 2004

70 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit und ohne Hyperaktivität – Übersicht über den aktuellen Wissensstand und die Einordnung bisheriger Untersuchungen

3. Erscheinungsbild der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
3.1 Das Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom in Verbindung mit Hyperaktivität
3.1.1 Aufmerksamkeitsstörungen
3.1.2 Hyperaktivität
3.1.3 Impulsivität
3.2 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (ADS)
3.3 Positive Eigenschaften von aufmerksamkeitsgestörten und hyperaktiven Kindern
3.4 Komorbide Begleiterscheinungen
3.4.1 Soziale Schwierigkeiten
3.4.1.1 Soziale Störungen ohne oppositionelle Verhaltensweisen
3.4.1.2 oppositionelle Verhaltensweisen
3.4.2 Depressive Störungen
3.4.3 Angststörungen
3.4.4 Lernstörungen/Teilleistungsstörungen
3.4.5 Tic – Störungen
3.5 Verlauf der Krankheit
3.5.1 Säuglingsalter – Kleinkindalter
3.5.2 Vorschulalter
3.5.3 Grundschulalter
3.5.4 Jugendalter
3.5.5 Erwachsenalter

4. Ursachen der AD(H)S - Entstehung und Entwicklung der Krankheit
4.1 Psychosoziale Belastungen und Einfluss von Umweltbedingungen
4.2 Biologische Ursachen der AD(H)S
4.2.1 Neurochemische Befunde
4.2.2 Neurophysiologische und neuroanatomische Befunde
4.2.3 Neuropsychologische Befunde
4.2.4 Psychogenetische Befunde
4.3 Nahrungsmittelallergien als Ursache für die Entstehung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
4.4 Gehirnschädigung bzw. eine verlangsamte Entwicklung einer oder mehrerer Bereiche des Gehirns

5. Verbreitung und Diagnose des Syndroms
5.1 Prävalenz der Krankheit
5.2 Diagnosekriterien
5.2.1 Diagnosekriterien nach der „International Classification of Diseaeses“ (ICD-10)
5.2.2 Diagnosekriterien des 'Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders' (DSM-IV)
5.3 Anamnese
5.4 Testpsychologische Untersuchungen
5.5 Körperliche und neurologische Untersuchungen
5.6 Apparative Zusatzbefunde

6. Therapiemöglichkeiten
6.1 Medikamentöse Therapie
6.2 Psychotherapeutische Verfahren
6.2.1 Verhaltenstraining
6.2.1.1 Verhaltensmodifikation
6.2.1.2 Die Marburger Trainings
6.2.2 Selbstinduktionstraining
6.2.3 Familienzentrierte Maßnahmen
6.3 Alternative Therapiemöglichkeiten
6.3.1 Entspannungsverfahren
6.3.2 Psychomotorische Arbeit mit hyperaktiven Kindern
6.3.3 Therapeutisches Reiten
6.3.4 Oligoantigene Diät

7. Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder und Jugendliche.
7.1 AD(H)S im Unterricht
7.2 meine persönliche Erfahrungen mit verhaltensauffälligen Kindern
7.2.1 Jens
7.2.2 Phillip

8. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Übersicht über die Häufigkeit komorbider Störungen im Zusammenhang mit AD(H)S

Abb. 2: Schematische Darstellung des Verlaufs oppositioneller Verhaltensweisen.

Abb. 3: Der Teufelskreis

Abb. 4: Darstellung der Diagnosekriterien nach ICD-10 und DSM-IV.

Abb.5: Übersicht über die möglichen Nebenwirkungen bei der Einnahme von Psychostimulanzien

Abb. 6: Planung der Grob- und Feinziele für Phillip (November 2003 bis Juni 2004).

Abb. 7: Planung der Grob- und Feinziele für Phillip in der Zeit von Juni 2004 bis Dezember 2004

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Betrachtet man in den letzten Jahren die Veröffentlichungen zum Thema des Aufmerk-samkeitsdefizitsyndroms (mit und ohne Hyperaktivität) bzw. der Aufmerksamkeitsdefi-zit-/Hyperaktivitätsstörung, welche ich im Folgenden durch die Bezeichnung AD(H)S abkürzen werde, stellt man fest, dass neben der entsprechenden Fachliteratur jedes Jahr eine Flut von 'Elternratgebern' neu erscheint. Durch diesen vielfältigen Zuwachs an neuen Büchern, aber auch immer wieder erscheinenden Artikeln in der Zeitung, wird deutlich wie stark, über AD(H)S und die damit verbundenen Probleme, in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Hinzu kommt, dass AD(H)S heutzutage eine der am häufigsten diagnostizierten Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter darstellt, die die Entwicklung der Kinder in Bezug auf das soziale Umfeld und im Hinblick auf die schulische Laufbahn beeinflusst.

Immer mehr Eltern und Lehrer bzw. Erzieher haben Probleme mit den oftmals sehr anstrengenden Kindern und suchen Hilfe bei Ärzten oder Psychologen. Vor allem in der Schule werden in immer mehr Fällen Verhaltensstörungen bei Kindern festgestellt, die die Situation im Klassenverband und somit auch die Lernvoraussetzungen schwieriger gestalten. Dies ist mir sowohl während meiner studiumsbegleitenden Praktika als auch bei verschiedenen Hospitationen in der Schule aufgefallen.

Im Hinblick auf diese Veränderungen finde ich es wichtig eine Unterscheidung zu treffen, welche Faktoren für die Verhaltensauffälligkeiten maßgebend sind, da sich in Bezug auf die gehäufte Erscheinung von 'Problemkindern' die Frage stellt, inwiefern die heutigen Gesellschaftsformen und die damit verbundenen Lebensweisen einen Einfluss auf die Zunahme dieser Kinder haben. In den letzten Jahren lässt sich unter anderem eine Auflösung traditioneller Gesellschaftsformen, in denen stabile Lebens-muster, wie Ehe, Familie oder beispielsweise auch die Berufstätigkeit eine Rolle gespielt haben, beobachten. Statt dessen besteht eine immer größere Forderung nach Mobilität und eine Zunahme an verschiedenen Lebensformen (Pluralität) (Janssen, 2003, S.77), so dass unsere Gesellschaft heute durch eine Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen geprägt ist. Aufgrund dessen sind uns viele der Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung mittlerweile sehr geläufig. Möchte man den Begriff AD(H)S allerdings von den gesellschaftlichen Veränderungen abgrenzen und ihm so eine spezifische Bedeutung geben, muss das Krankheitsbild sorgfältig analysiert werden.

Mich persönlich hat das Thema der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen in ihren verschiedenen Ausprägungen vor allem in Bezug auf meinen künftigen Beruf als Lehrerin interessiert, da ich es wichtig finde, neben dem fachbezogenen Studium, auch einen Einblick in die möglichen Probleme im Umgang mit Kindern zu bekommen.

Hinzu kommt, dass es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen zum Krankheitsbild der AD(H)S gibt, welche zwar grundlegend auf eine neurologische Krankheit hinweisen, allerdings vor allem in der Diagnose betroffener Kinder, Jugendlicher und Erwachsener weiterhin Schwierigkeiten bestehen, da es bislang und vermutlich auch in der Zukunft keinen allgemeingültigen bzw. eindeutigen Test zur Feststellung, ob eine Erkrankung vorliegt oder nicht, gibt. (Simchen, 2004, S.54) Aus diesem Grund wird AD(H)S immer noch entweder zu häufig oder zu selten diagnostiziert. Denn, um AD(H)S überhaupt diagnostizieren zu können, bedarf es in der Regel einer mehrstündigen Diagnose unter Einbeziehung aller Informationen durch Eltern, Erzieher und Lehrer in Verbindung mit testpsychologischen Untersuchungen und einer körperlichen Abklärung. Lehmkuhl et al. (2004, S.13) weist jedoch darauf hin, dass diese Standards häufig nicht eingehalten werden.

Auch in Bezug auf diesen Punkt finde ich es äußerst wichtig, dass eine fachgerechte und umfassende Information vorliegt um einzuschränken, dass Eltern oder Erzieher bzw. Lehrer 'übergeneralisieren’ und in diesem Fall entweder generell von einer Erkrankung ausgehen oder das Erziehungsverhalten sowie das soziale Umfeld als einzig mögliche Ursache für das gezeigte Verhalten des Kindes bzw. des Schülers verantwortlich machen. Dieser Punkt spielt meiner Meinung nach ebenfalls eine Rolle in Bezug auf die jährlich neu erscheinenden Ratgeber, in denen AD(H)S zum Teil als Modekrankheit bezeichnet oder aber komplett negiert wird und so ein falsches Bild erzeugt und weitergegeben wird.

Deswegen ist es mein Ziel, am Ende dieser Arbeit, ein klares Bild der Krankheit und eine Perspektive für den möglichen Umgang mit AD(H)S – Kindern sowohl im Alltag als auch in Bezug auf die Schule darzustellen.

Im Verlauf meiner Examensarbeit werde ich mich speziell mit den verschiedenen Erscheinungsbildern von AD(H)S beschäftigen um einen Überblick über die Krankheit und die verschiedenen Formen geben zu können.

Das erste Kapitel gibt einen Einblick in die allgemeine Problematik und beschreibt den weiteren Aufbau der Arbeit.

Das zweite Kapitel führt dann in die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Symptomatik des Syndroms ein und beschäftigt sich mit der Übersicht über den aktuellen Wissensstand und die Einordnung bisheriger Sichtweisen und Untersuchungen, die es im Laufe der Jahre in Bezug auf das Krankheitsbild gegeben hat.

Im dritten Kapitel wird das Erscheinungsbild der Krankheit näher beschrieben, indem ich die Vielfältigkeit des Syndroms anhand der primären und der begleitenden (sekundären) Störungen, welche im Zusammenhang mit den Kernsymptomen der AD(H)S auftreten können, näher erläutere und das Erscheinungsbild, durch den Verlauf der Krankheit, vervollständige.

Das vierte Kapitel beschreibt den heutigen Stand der Forschung und die bisherigen Erkenntnisse in Bezug auf die möglichen Ursachen des Krankheitsbildes der AD(H)S. Um einen besseren Überblick über die verschiedenen Sichtweisen zu bekommen, werde ich an dieser Stelle unterschiedliche Annahmen aus der Fachliteratur mit einbeziehen.

Im Verlauf des fünften Kapitels werde ich auf die Prävalenz, also die Auftretens-häufigkeit der Störung, die damit einhergehenden unterschiedlichen Diagnosekriterien und die mit den verschiedenen Kriterien verbundenen Schritte einer umfassenden Dia-gnose näher eingehen.

In diesem Kapitel sollen die bislang bekannten und sinnvollen Untersuchungen angeführt werden, die nötig sind um eine relativ gesicherte Diagnose gewährleisten zu können.

Im sechsten Kapitel werden verschiedene Therapieansätze und -formen erläutert und diskutiert.

Der Schwerpunkt des siebten Kapitels bezieht sich im ersten Teil auf die Probleme aufmerksamkeitsgestörter- und hyperaktiver Kinder im schulischen Umfeld. Hier soll zum einen die Situation der Kinder veranschaulicht werden und zum anderen Möglichkeiten aufgezeigt werden, mit denen der Schulalltag mit betroffenen Kindern anders gestaltet werden kann.

Der zweite Teil des siebten Kapitels gibt meine persönlichen Erfahrungen mit verhaltensauffälligen Kindern wieder. Hier möchte ich darauf eingehen, wie ich persönlich die Krankheit bzw. den Umgang mit diesen Kindern erlebt habe.

2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit und ohne Hyperaktivität – Übersicht über den aktuellen Wissensstand und die Einordnung bisheriger Untersuchungen

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom steht für ein neurologisches Syndrom, das sowohl in Verbindung mit einer Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als auch ohne Hyperaktivität (ADS) diagnostiziert werden kann.

Als Kernsymptome der AD(H)S werden eine Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität und fakultativ Hyperaktivität genannt. Die Aufmerksamkeitsstörung zeichnet sich durch eine hohe Ablenkbarkeit und niedrige Dauerkonzentration des Kindes, vor allem bei monotonen oder subjektiv als langweilig empfundenen Tätigkeiten und Aufgaben aus, während sich die Impulsivität sowohl im kognitiven und emotionalen als auch im motivationalen Bereich feststellen lässt (Lehmkuhl et al, 2004, S.27). Die Hyperaktivität äußert sich hauptsächlich in der motorischen Unruhe des Kindes, so dass dieses beispielsweise häufig in der Klasse herumläuft oder in der Regel lieber Lauf- und Kletterspiele macht, als sich ruhig zu beschäftigen.

Während es im Laufe der Jahre bereits verschiedene Bezeichnungen gegeben hat, verwendet man heutzutage in der Regel den Begriff ADHS bzw. ADS.

In England ist diese Krankheit unter dem Namen „Attention–Deficit–Disorder“ (ADD) bekannt geworden, während in der Schweiz seit 1966 der Begriff „frühkindliches psychoorganisches Syndrom“ (POS) gebräuchlich ist (Ruf–Bächtiger, 2003, S.13). Auch die Begrifflichkeit der Hyperkinetischen Störung (HKS) kann man beispielweise in deutschen Fachbüchern noch finden.

Bislang gibt es keine griffige Definition für AD(H)S, allerdings erkennt die offizielle diagnostische Nomenklatur (System von [wissenschaftlichen] Fachausdrücken) nur zwei Arten der AD(H)S an. Hier wird unterschieden, ob das Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität diagnostiziert wird. AD(H)S bei Kindern und AD(H)S bei Erwachsenen bildet eine weitere grobe Einteilungskategorie (Hallowell und Ratey, 2002, S.231-232).

Revolutioniert wurde das Wissen über die Krankheit und die damit verbundenen Verhaltensauffälligkeiten durch die Einsicht, dass AD(H)S eine biologische Ursache hat.

Das Erscheinungsbild der AD(H)S wurde bereits im letzten Jahrhundert durch den Frankfurter Psychiater und Arzt Dr. Heinrich Hoffmann (1845) in seiner Beschreibung des „Zappelphilipps“ und des „Hans-guck-in-die-Luft“ in seinem Kinderbuch „der Struwwelpeter“ dargestellt (Kinet, 2003, S.31).

Der englische Kinderarzt George Frederic Still hat dann 1902 in einer Vorlesung am Royal College of Physicians die Störung als erster wissenschaftlich beschrieben, indem er die Hypothese vertrat, dass es sich bei dem beschriebenen Störungsbild nicht um elterliches Versagen, sondern um eine angeborene Konstitution handelt (Hallowell und Ratey, 2002, S.31; Rossi, 2001, o. S.).

In den 20er und 30er Jahren festigte sich dann der Gedanke vom hirngeschädigten Kind. Dieser musste während dieser Zeit als generelle Erklärung für unkontrollierte Verhaltensweisen herhalten auch wenn keine reellen Anzeichen für eine Hirnschä-digung vorlagen (Hallowell und Ratey, 2002, S.31). Um 1937 führte das Forscher– und Erzieherehepaar Bradley erstmals mit Erfolg eine Therapie mit Hilfe von Stimulanzien durch. Seit der Einführung dieser Therapieform erfolgte eine rege Forschungstätigkeit, welche zu zahlreichen Änderungen in der Konzeptionalisierung und der Bezeichnung des Störungsbildes führte (Rossi, 2001, o. S.). Neue Begriffe, wie „organische Trieb-haftigkeit“ und „minimale zerebrale Dysfunktion“ wurden zur Beschreibung des Syndroms herangezogen (Hallowell und Ratey, 2002, S.31).

1960 veröffentlichte Stella Chess dann erste Untersuchungen zum hyperkinetischen Syndrom des Kindesalters, wobei es sich hierbei um eine Herauslösung der Krankheit aus dem Zusammenhang mit möglichen Hirnschäden handelte. Für Chess stellte sich die Symptomatik als Teil einer physiologischen Hyperaktivität dar, deren Ursache in biologischen Faktoren liegt (Hallowell und Ratey, 2002, S.32).

Im Laufe der Jahre gab es weitere Untersuchungen, die sich ebenfalls mit dem Krank-heitsbild der AD(H)S beschäftigen.

Virginia Douglas beispielsweise unterteilte die Krankheit in vier Hauptmerkmale:

a) Aufmerksamkeits- und Leistungsschwäche
b) Impulsivität
c) Schwierigkeiten mit der Regulierung des Aktivierungsniveaus
d) Bedürfnis nach sofortiger Bekräftigung

Auch die Tatsache, dass in den USA 1980 das Syndrom in ADD umbenannt wurde, lässt sich weitgehend auf die Arbeit von Virginia Douglas zurückführen (Hallowell und Ratey, 2002, S.32).

Insgesamt gilt die AD(H)S (und ihre Behandlung) im Kindesalter heutzutage als relativ gut erforscht.

Die Erforschung des Syndroms bei Erwachsenen steht demgegenüber noch am Anfang. In diesem Zusammenhang lassen sich unter anderem Leopold Bellak und Dr. Alan Zametkin nennen. Leopold Bellak leitete 1978 eine Fachtagung über AD(H)S bei Erwachsenen. Die gesammelten Vorträge wurden dann 1979 veröffentlicht. Als maßgebliche Erkenntnis der Fachtagung gilt die Feststellung, dass AD(H)S zwar zwingend im Kindesalter beginnt, sich jedoch in ca. 50% der Fälle im Erwachsenen-alter fortsetzt (Hallowell und Ratey, 2002, S.116).

Auf dieser Erkenntnis aufbauend führte Dr. Alan Zametkin eine Untersuchung bei Erwachsenen mit AD(H)S durch, die den Nachweis einer biologischen Basis der AD(H)S zur Folge hatte. Dabei konnte er Unterschiede auf der Zellebene zwischen Menschen mit AD(H)S und Menschen ohne das Syndrom feststellen. Der Energie-verbrauch der Gehirnzentren, die die Aufmerksamkeit, die Impulskontrolle und die Affektivität regulieren unterscheidet sich, seinen Ergebnissen nach, von dem Energieverbrauch 'gesunder' Menschen. Die dazu entsprechende Studie erschien 1980 im medizinischen Fachjournal „New England Journal of Medicine“ (Hallowell und Ratey, 2002, S.117).

Betrachtet man, wie bereits in der Einleitung beschrieben, die in den letzten Jahren erschienene Literatur, so stellt man fest, dass auch die AD(H)S im Erwachsenenalter zunehmend in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt ist. Allerdings erscheinen auch immer noch neue Erkenntnisse in Bezug auf die Problematik der Aufmerksam-keitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Kindern, welche sich vor allem auf die Ursachen bzw. die mögliche Basis der AD(H)S beziehen. Hierdurch wird klar, dass es auch weiterhin noch Forschungsbedarf in diesem Bereich gibt.

3. Erscheinungsbild der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

Gekennzeichnet ist die Krankheit durch eine chronische Leistungsschwäche, die durch eine neurologische Funktionsstörung hervorgerufen wird. Als Kernsymptome werden Impulsivität, Ablenkbarkeit und (häufig) Hyperaktivität genannt (Hallowell und Ratey, 2002, S.21). Allerdings treten diese typischen Symptome in unterschiedlichen Ausprä-gungen auf, die von Kind zu Kind verschieden sein können. Das Problem hierbei ist die Tatsache, dass es keine klare Trennlinie zwischen 'normalem' Verhalten und AD(H)S gibt und die Auffälligkeit demnach immer im Vergleich zu anderen, gleichaltrigen Kindern gesehen werden muss, so dass auch die Gefahr besteht, dass bei einem Kind fälschlicherweise eine AD(H)S diagnostiziert wird bzw. ein Kind mit weniger auffälligen Störungen nicht als betroffen erkannt wird (Simchen, 2004, S.54; Rossi, 2001, o. S.).

In den meisten Fällen handelt es sich um die Form der AD(H)S, welche neben den Kriterien der Unaufmerksamkeit (z.B. Flüchtigkeitsfehler, Probleme mit Daueraufmerk-samkeit und Selbstorganisation, leichte Ablenkbarkeit, etc.) zudem das Kriterium der Hyperaktivität mit einschließt.

Je nach Ausprägungsart der Störung wird zwischen dem 'Vollbild' oder Teilstörungen mit vorwiegender Aufmerksamkeitsproblematik (ADS) bzw. vorwiegender Hyperaktivität und Impulsivität (vgl. Kapitel 5.2.2, S.25) unterschieden.

3.1. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in Verbindung mit Hyperaktivität

3.1.1 Aufmerksamkeitsstörungen

Die Aufmerksamkeitsstörung zeichnet sich durch die Aspekte einer hohen Ablenkbarkeit sowie Probleme mit der Konzentrationsspanne bei Betroffenen aus. Im Rahmen des Aufmerksamkeitsdefizits zeigt das Kind in seiner Umwelt verschiedene Verhaltensweisen, die stärker ausgebildet sind als dies bei anderen Kindern der Fall ist. Hierzu gehört z.B. dass Aufträge häufig nicht durchgehalten oder erfüllt werden. Das heißt das Kind bricht begonnenes oftmals ab, bevor es eine Aufgabe beendet hat oder gibt vor, dass Aufgaben bereits erledigt seien, diese tatsächlich aber noch nicht bearbeitet wurden (Lehmkuhl et al., 2004, S.27).

Im Kleinkindesalter zeigt sich die hohe Ablenkbarkeit besonders deutlich beim Spielen. Das Kind kann sich nicht lange alleine beschäftigen und hat Schwierigkeiten sich 'konstruktiv' mit Gegenständen auseinander zu setzen (Imhof et al., 2003, S.64). Im Grundschulalter hingegen sind häufig Ermahnungen oder Aufforderungen der Lehrkraft notwendig, weil das Kind sich immer wieder anderen Dingen zu wendet (Lehmkuhl et al., 2004, S.27; Kinet, 2003, S.32). Hierunter fallen unter anderem der Blick aus dem Fenster, das Ansprechen anderer Kinder im Unterricht und Flüchtigkeitsfehler, die so-wohl bei Schularbeiten als auch bei anderen Tätigkeiten auftauchen können.

Ebenfalls charakteristisch für eine beeinträchtigte Aufmerksamkeit ist nach Lehmkuhl et al. (2004, S.27), dass das Kind häufig Probleme hat Aufgaben und Aktivitäten zu strukturieren und sich als Folge dessen, mit der Lösung der Aufgabe bereits über-fordert fühlt und Aufgaben, welche geistiges Durchhaltevermögen erfordern, aus diesem Grund, oftmals ablehnt oder vermeidet. Auch werden im täglichen Ablauf häufig Dinge oder Absprachen vergessen, da wie bereits erwähnt, dem Kind die Möglichkeit fehlt sich und seinen Tagesablauf zu strukturieren und auf diese Weise zu reflektieren, was es noch leisten muss bzw. was noch von ihm erwartet wird.

Insgesamt wird darauf hingewiesen, dass es dem Kind durch die fehlende Aufmerksamkeitsspanne auf Dauer schwer fällt alltägliche Dinge, aber auch 'Lernstoff' zu verinnerlichen, da komplexere Abläufe oder Unterrichtseinheiten womöglich nur 'bruchstückhaft' aufgenommen werden können. Das Kind hat also beispielsweise in der Schule Schwierigkeiten etwas 'ganzheitlich' zu erfahren. Dies kann zum einen das Verständnis aber auch das Erinnern und Lernen erschweren.

Allerdings ist es, meiner Meinung nach, sinnvoll in diesem Zusammenhang auch auf die Betrachtung der jeweiligen Entwicklungsreife des Kindes hinzuweisen, da diese eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Konzentrationsfähigkeit des Kindes ausübt.

3.1.2 Hyperaktivität

Auch bei diesem Symptom ist es wichtig, dass das Kind in seinem Umfeld neben Gleichaltrigen gesehen wird, da generell jedes Verhalten eine gewisse Aktivität voraus-setzt und diese demnach grundsätzlich keine Störung des Verhaltens beschreibt. Spricht man allerdings von Hyperaktivität im Sinne eines extrem stark ausgeprägten Verhaltens, welches das Kind in seiner Entwicklung eher behindert, als das es Neugier und 'Aufgewecktheit' des Kindes widerspiegelt, lässt sich dies oftmals vor allem durch eine motorische Unruhe des Kindes beschreiben. Das Kind zappelt häufig mit Händen und Füßen bzw. windet sich auf seinem Platz oder verlässt diesen, um beispielsweise im Raum oder in der Klasse umherzugehen. Dies geschieht oftmals vor allem in Situa-tionen in denen so etwas wie 'stillsitzen' von ihm verlangt wird, also z.B. während einer Unterrichtsstunde in der Schule. Es entsteht das Gefühl, dass das Kind innerlich un-ruhig ist und diese Unruhe durch Bewegung abzubauen versucht (Lehmkuhl et al., 2004, S.28).

Des Weiteren lässt sich nach Lehmkuhl et al. (2004, S.28) beobachten, dass hyper-aktive Kinder immer wieder übermäßig laut in Spielsituationen sind und es ihnen schwer fällt sich leise zu beschäftigen. Dabei lassen sich die eben genannten Verhaltensweisen oftmals nicht durch Ermahnungen oder Aufforderungen 'beheben'.

Für Jugendliche und Erwachsene gilt, dass die motorische Unruhe zumeist mit dem Eintritt ins Jugendalter nachlässt, oftmals der innere Antrieb allerdings bleibt, so dass das Umhergehen im Raum beispielsweise das Denken unterstützt und die Person dadurch 'ruhiger' wird (Hallowell und Ratey, 2002, S.25).

3.1.3 Impulsivität

Als weiteres Kernsymptom der AD(H)S spielt die Impulsivität eine Rolle.

Diese zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind beispielsweise immer wieder mit Antworten herausplatzt oder handelt, ohne sich vorher entsprechende Gedanken gemacht zu haben. Die Charakteristik der Impulsivität besteht in einer mangelnden Kontrolle emotionaler Reaktionen, so dass es dem Kind schwer fällt bzw. oftmals nicht möglich ist, sich in Situationen zurückzunehmen, in denen es z.B. Geduld oder 'Besonnenheit' zeigen müsste. Hierzu können unter anderem Aufgabenstellungen in der Schule gehören, bei denen das Kind dann häufig bereits die Antwort zu geben versucht, bevor die Frage oder Aufgabenstellung überhaupt beendet wurde (Lehmkuhl et al., 2004, S.28).

Zur mangelnden Kontrolle der emotionalen Reaktionen gehört auch, dass das Kind in vielen Fällen eher als andere Kinder anfängt zu weinen und insgesamt eine niedrigere Frustrationsgrenze aufweist, als dies bei Gleichaltrigen der Fall ist.

3.2 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (ADS)

Im Gegensatz zur Kernsymptomatik der ADHS, zeichnet sich das Erscheinungsbild bei der ADS (Ausprägung ohne Hyperaktivität) durch die fehlende motorische Unruhe des Kindes aus. Die bereits genannten Merkmale der Aufmerksamkeitsdefizitstörung, wie wechselnde Konzentration, leichtes 'sich ablenken lassen', 'vergessen wichtiger Dinge' und eine Häufung von Leichtsinnigkeits- bzw. Flüchtigkeitsfehlern, lassen sich allerdings ebenso auf diese Art der Verhaltensstörung übertragen.

Auch die Impulsivität findet sich bei Kindern mit ADS wieder. Jedoch äußert sich diese nicht so sehr dahingehend, dass das Kind häufig in Gespräche oder Spielsituationen 'reinplatzt', sondern vermehrt dadurch, dass die emotionale Steuerungsschwäche überwiegt. Damit ist gemeint, dass das Kind leicht kränkbar ist, sich schnell aufregt, glaubt ungerecht behandelt worden zu sein und sich wenig zutraut (Simchen, 2004, S.42). Für das Kind kann dies im alltäglichen Leben bedeuten, dass es sich, je häufiger es sich zurückgesetzt fühlt, weiter in sich zurückzieht und somit andere Menschen nicht mehr an seinem Leben bzw. Gefühlsleben teilhaben lässt.

Zudem lässt sich im Gegensatz zu den motorisch extrem aktiven Kindern, bei Kindern mit ADS, in manchen Fällen sogar eine Hypoaktivität feststellen. Diese meint, dass das Kind oftmals vergleichsweise langsamer ist und sehr viel mehr Zeit benötigt um überhaupt mit einer Aufgabe oder Tätigkeit anzufangen.

Außerdem zeigt sich bei diesen Kinder häufig eine ′Überangepasstheit′, d.h. das Kind versucht den Anforderungen der Umwelt in jedem Fall gerecht zu werden. Dies lässt sich z.B. dadurch feststellen, dass ADS – Kinder oftmals extrem fleißig sind, wenn es beispielsweise um ´s Lernen geht (Simchen, 2004, S.42).

Durch die Kombination mit der Aufmerksamkeitsschwäche, stellt das 'Abschweifen' des Kindes ein weiteres Hindernis dar. Das Kind lernt zwar fleißig, allerdings muss es ja zusätzlich das 'Verpasste' kompensieren.

Hinzu kommt, dass Kindern mit ADS die Umstellung auf neue Aufgaben oftmals we-sentlich schwerer fällt (Simchen, 2004, S.42).

Insgesamt hat man das Gefühl, dass Kinder mit ADS einen Hang zum Tagträumen haben und so oft geistesabwesend sind. Auf andere Personen machen sie dadurch häufig den Eindruck, als wären sie irgendwie in sich gekehrt (Hallowell und Ratey, 2002, S. 65).

Betrachtet man nun die Beschreibungen des Arztes Heinrich Hoffmann in den Ge-schichten vom „Zappelphilipp“ und von „Hans–guck–in–die–Luft“ hat man das Gefühl, dass beide durchaus treffend sind um die vielfältigen Facetten des Krankheitsbildes der AD(H)S näher zu beschreiben. Interessant ist, dass zu diesem Zeitpunkt bereits beide Formen der Krankheit in ihren unterschiedlichen Erscheinungsbildern bekannt waren, während sich beobachten lässt, dass das Augenmerk heutzutage hauptsächlich auf dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in Verbindung mit einer motorischen Hyperak-tivität der Kinder liegt.

3.3 Positive Eigenschaften von aufmerksamkeitsgestörten und hyperaktiven Kindern

Neben der Eigenschaft sich sehr schnell durch Dinge oder andere Personen ablenken zu lassen, sollte allerdings auch hervorgehoben werden, dass viele der betroffenen Kinder die Fähigkeit besitzen, beispielsweise bei ihrem Blick aus dem Fenster, in einem für andere Menschen bekannten Bild immer wieder etwas Neues zu entdecken oder einer Situation neue Aspekte abzugewinnen (Hallowell und Ratey, 2002, S.67).

Außerdem gelten AD(H)S – Kinder als außerordentlich sensibel. Durch die Reizoffen-heit der Kinder können emotionale Eigenschaften, wie Intuition und Empathie stärker vorhanden sein. „Es ist als ob ihre Seele ungeschützt den Stimmungen anderer aus-gesetzt wäre, als ob ihnen ein Filter fehlte, der sie vor überstarken affektiven Ein-drücken schützen könnte, gleich wie auch ihre eigenen Gefühle ungebremst und ungefiltert an die Außenwelt gelangten“ (Ruf – Bächtiger, 2003, S.93-94). Außerdem bewirkt diese Offenheit, dass die Kinder häufig als kreativ und innovativ beschrieben werden.

Hinzu kommen Charaktereigenschaften, wie z.B. eine enorme Begeisterungsfähigkeit, dass AD(H)S – Kinder selten nachtragend sind und sich oftmals als originelle Problem-löser beweisen. Auch können sie, wenn es ihre eigenen sind, Ziele durchaus intensiv verfolgen (Ruf–Bächtiger, 2003, S.94). Dies gilt ebenfalls für Interessen oder Aktivi-täten, die ihnen Spaß machen.

Es sollte also festgehalten werden, dass neben den oftmals im Vordergrund stehenden Verhaltensstörungen durchaus auch Eigenschaften vorhanden sind, welche diese Kinder im positiven Sinne von anderen Kindern unterscheiden. Allerdings werden oft-mals eher die negativen Verhaltensweisen erwähnt, da diese zumeist vorrangig für die Probleme des AD(H)S – Kindes in seiner Umwelt verantwortlich sind und das soziale Verhalten beeinflussen.

3.4 Komorbide Begleiterscheinungen

Neben den in Kapitel 3.1 beschriebenen Kernsymptomen der AD(H)S, lassen sich in den meisten Fällen begleitende Störungen feststellen, welche sich im Laufe der Krankheit entwickelt haben.

Durch das Problem der AD(H)S, welches unter anderem darin besteht, dass einzelne Reize, die das Kind aufnimmt nicht ausreichend selektiert bzw. gefiltert werden können, wird alles was auf das Kind einwirkt als wichtig empfunden – 'Es darf nichts verpasst werden'. Der dadurch hervorgerufene 'mentale Stress' erzeugt und verstärkt auf Dauer die Ablenkbarkeit und Zerstreutheit des Kindes weiter. Das Kind wird also quasi mit Informationen überflutet. Diese Weitwinkeloptik bewirkt auch, dass eine Einschätzung der Umwelt und der eigenen Person oftmals sehr schwer fällt, weil insgesamt viel zu viel wahrgenommen wird, und das Kind nicht mehr in der Lage ist, einzelne Gegebenheiten von anderen abzugrenzen – zu fokussieren (Rossi, 2000, o. S). Durch diese Problematik können sich im Krankheitsverlauf Probleme in vielen Bereichen des Lebens aufbauen. Vor allem dann, wenn die Krankheit über einen langen Zeitraum hinweg nicht erkannt wird, entstehen Sekundärprobleme, wie z.B. ein geringes Selbstwertgefühl, Depressionen, Langeweile und Frustration in der Schule, Angst vor neuen Aufgaben und Tätigkeiten und soziale Schwierigkeiten (Hallowell und Ratey, 2002, S.88).

Diese sogenannten komorbiden Störungen treten bei ca. 2/3 aller Kinder auf und lassen sich grob in drei Symptomprofile unterteilen (Lehmkuhl et al., 2004, S.30):

1. Externale Störungen, wie oppositionelle oder dissoziale Verhaltensweisen
2. Internale Störungen, welche beispielsweise durch eine Angststörung begleitet werden
3. Kombination von externalen und internalen Begleitstörungen

Insgesamt konnte man im Laufe der Jahre unterschiedliche Auftretenswahrscheinlich-keiten im Hinblick auf die mit der AD(H)S einhergehenden Sekundärprobleme feststellen (vgl. Abb.1, S.10).

Häufigkeit komorbider Störungen im Zusammenhang mit AD(H)S

- 50% oppositionelle Störung des Sozialverhaltens
- 30-50% Störung des Sozialverhaltens (ohne oppositionelle Verhaltensstörung)
- 10-40% affektive, vor allem depressive Störungen
- 20-25% Angststörungen
- 10-25% Lernstörungen, Teilleistungsschwächen
- bis 30% Tic Störungen oder Tourette – Syndrom

Abb.1 (Quelle: Kinet, 2003, S.32)

3.4.1 Soziale Schwierigkeiten

Die sozialen Probleme, welche sich neben der Kernsymptomatik der AD(H)S entwickeln können, lassen sich in oppositionelle Störungen des Sozialverhaltens und Störungen des Sozialverhaltens ohne oppositionelle Verhaltensweisen unterteilen.

3.4.1.1 Soziale Störungen ohne oppositionelle Verhaltensweisen

Kinder mit AD(H)S haben häufig im Umgang mit anderen Kindern oder Erwachsenen Probleme, die sich im Laufe der Zeit in verschiedene Richtungen entwickeln können.

Dadurch, dass sie beispielsweise extrem impulsiv sind, reagieren sie in Situationen, die sie verunsichern oftmals mit einer Überschussreaktion, die von Gleichaltrigen oder Er-wachsenen nicht verstanden wird (Imhof et al., 2003, S.13). Mit zunehmender Häufig-keit solcher Reaktionen kann es passieren, dass sich das Kind selber oder aber das Umfeld des Kindes zurückzieht.

Diese Überreaktionen können beispielweise durch Probleme in der Wahrnehmung hervorgerufen werden. Im Gegensatz zu gesunden Menschen bekommen Kinder mit AD(H)S oftmals soziale Signale, wie z.B. eine Veränderung der Stimmlage, hoch-gezogene Augenbrauen und andere minimale Verhaltensweisen, die Gestik und Mimik betreffen, innerhalb eines Gespräches nicht mit. Als Folge dessen fühlen sich Betrof-fene häufig ausgeschlossen, bedroht oder aber provoziert (Hallowell und Ratey, 2002, S.89; Imhof et al., 2003, S.13).

Hinzu kommen die allgemeinen Probleme, welche sich durch die Kernsymptomatik ergeben. Hierunter fällt beispielsweise die häufige Ermahnung des Kindes, wenn es beispielsweise eine Aufgabe 'wieder mal' nicht erledigt hat oder es im Unterricht nicht aufpasst.

Auf Dauer kann das für das Kind bedeuten, dass es das Gefühl bekommt, nichts richtig zu machen. In der Folge kann es dann sein, dass sich das Kind entweder zurückzieht und aus diesem Grund nicht mehr auf andere Personen zugeht oder aber es entwickelt ein Gefühl von Frust, welches sich häufig in oppositionellen Verhaltensweisen äußert (vgl. Abb.1, S.10).

3.4.1.2 oppositionelle Verhaltensweisen

Aggressive Verhaltensweisen können z.B. dadurch entstehen, dass die Kinder in ver-schiedenen Lebensbereichen immer wieder Rückschläge erleiden, welche sich mit der Zeit in Frustration umwandeln. Hierunter fallen beispielsweise Leistungsschwächen in der Schule, so dass sie mit anderen Kindern nicht mithalten können; häufige Ermahnungen aufgrund der mangelnden Aufmerksamkeit und in der Regel die Tatsache, dass diese Kinder nur sehr selten gelobt werden, weil angemessene Verhaltensweisen generell vorausgesetzt werden. Viele Lehrer bedenken hierbei nicht, dass dies für AD(H)S – Kinder häufig schon eine Anstrengung bedeutet (Imhof et al., 2003, S.13).

Als weitere Ursache für oppositionelles Verhalten kann die Ablehnung durch Gleich-altrige bezeichnet werden. AD(H)S – Kinder versuchen häufig in Gruppen zu domi-nieren und andere Kinder zu kontrollieren. Durch die wachsende Ablehnung der Anderen steigt wiederum die Frustration bei dem AD(H)S – Kind. Oppositionelle Ver-haltensweisen sind auch typisch für das frühe Kindesalter (Döpfner et al., 1998, S.12). Ruf-Bächtiger (2003, S.88) bezeichnet diese Verhaltensweisen im Kleinkindesalter als verlängerte Trotzphase, welche sich später entwickelt, aber dafür wesentlich länger und stärker verläuft.

In ca. 50% der Fälle kann das oppositionelle Verhalten im Jugendalter abgelegt wer-den. Ist dies nicht der Fall bleibt das Verhalten zumeist dauerhaft bestehen und der Jugendliche entwickelt dissoziale Verhaltensweisen (Döpfner et al., 1998, S.12).

Charakteristisch für eine oppositionelle Störungen des Sozialverhaltens ist, dass das Kind bzw. der Jugendliche wichtige Regeln nicht befolgt, die Anweisungen der Eltern nicht beachtet und häufig Wutausbrüche bekommt. (Döpfner et al., 2000b, S.16).

Die folgende Abbildung stellt die Entstehung sowie den möglichen Verlauf von oppo-sitionellen Verhaltensweisen graphisch dar. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine zwangsläufig einsetzende Entwicklung.

Verlauf von oppositionellen Verhaltensweisen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 (Quelle: Döpfner et al., 1998, S.12)

Mit der Störung des Sozialverhaltens der Kinder geht in den meisten Fällen auch eine belastende Eltern–Kind–Beziehung einher, die durch vermehrte Auseinandersetzun-gen in der Familie gekennzeichnet ist und darauf aufbaut, dass das Kind den Aufforderungen der Eltern nicht nachkommt. Hierbei ist es nicht entscheidend, ob das Kind aufgrund der Aufmerksamkeitsprobleme und der Impulsivität den Aufforderungen nicht nachkommt oder ob es diese verweigert.

Durch die immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen innerhalb der Familie ent-steht in vielen Fällen ein Teufelskreis (vgl. Abb.3, S.13), in den Eltern und Kinder auf Dauer geraten können (Döpfner et al., 1998, S.19).

Teufelskreis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 (Quelle: Döpfner et al., 2000b, S.21)

3.4.2 Depressive Störungen

Depressionen gehören zu der Gruppe der internalen Störungen und bauen zumeist auch auf den Rückschlägen der Kinder auf. Eine besondere Rolle können hierbei das anhaltende Schulversagen und die sozialen Probleme des Kindes spielen, so dass der Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins verhindert und die Entwicklung einer Depression in Folge dessen unterstützt wird (Döpfner et al., 2000a, S.8).

Depressionen gehören zu der Gruppe der internalen Störungen und bauen zumeist auch auf den Rückschlägen der Kinder auf. Eine besondere Rolle können hierbei das anhaltende Schulversagen und die sozialen Probleme des Kindes spielen, so dass der Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins verhindert und die Entwicklung einer Depression in Folge dessen unterstützt wird (Döpfner et al., 2000a, S.8).

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Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und der Zusammenhang mit Hyperaktivität
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
70
Katalognummer
V47862
ISBN (eBook)
9783638447126
Dateigröße
706 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Hyperaktivität
Arbeit zitieren
Ulrike Merz (Autor:in), 2004, Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und der Zusammenhang mit Hyperaktivität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47862

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