Die Ottonen. Maßnahmen gegen Gewalt


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

28 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Amicitiae
2.1 Freundschaft zwischen Heinrich I. und König Karl dem Einfältigen
2.2 Amicitiae zwischen Heinrich von Sachsen und den Grossen

3. Herrscherliche Friedenswahrung
3.1 Königsschutz
3.2 Friedensbann
3.3 Landfrieden

4. Hoftage oder die Institution der Beratung

5. Der weltliche Leitfaden des Burchard von Worms

6. Grundherrschaft unter Heinrich dem II
6.1 Die Urkunde über die Streitigkeiten zwischen der bischöf-lichen Kirche von Worms und der Abtei Lorsch
6.2 Die Urkunde über die Streitigkeiten zwischen dem Kloster Fulda und dem Kloster Hersfeld

7. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Eine Regierung ist nur solange an der Macht, wie sie ihr Gewaltmonopol verteidigen und durchsetzen kann. Dies ist eine Regel, die zeitlos Bestand hat und ebenso für das Mittelalter zutrifft. In dieser Zeit ist ein König nur solange an der Macht, wie er allein in seinem Land das Gewaltmonopol besitzt und dieses auch durchzusetzen vermag. Dies galt bei der Machterlangung der Karolinger über die Merowinger, als auch bei dem Verlust der Königswürde der Karolinger an das Geschlecht der Ottonen. Dass ein Wechsel des Königsgeschlechts zumindest anfänglich ein Legitimationsproblem darstellt, sollte unbestritten sein, da die neuen Herrscher, wie in diesem Fall, nicht aus dem ehemaligen Königsgeschlecht stammen und sich somit nicht auf eine Königstradition berufen können. Zudem schaffen Übernahmen Begehrlichkeiten von anderen Großen des Reiches wie z.B. den Herzögen. So muss eine neue Machtbalance zwischen dem neuen Königsgeschlecht und den Großen gefunden werden. Bei den Ottonen ist zu erkennen, dass sie, um diese Balance zu finden, empfindliche Zugeständnisse dem Adel gegenüber machen mussten. An dieser Stelle sei an die Erbbarkeit von Lehen und an den Verlust der Königsboten, die den Willen des Königs durchsetzten, erinnert. Dennoch erreichte das Ostfränkische Reich eine Stabilität, im Gegensatz zum Westfränkischen Reich, die als ziemlich ungewöhnlich zu bezeichnen ist.

Das Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob es bei den Ottonen Maßnahmen gab Gewalt einzudämmen. Dabei beschränkt sich die Arbeit auf die Beschreibung der Maßnahmen. Ihre Beurteilung und Auswertung kann nicht durchgeführt werden; dies würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

Der Aufbau der Arbeit gestaltet sich wie folgt: In den Kapiteln zwei bis vier soll anhand von Quellen nachgewiesen werden, welche herrschaftliche Funktion die Ottonen ausführten und einsetzten um Frieden, zum Beispiel durch Freundschaftsschwüre, zu wahren und Gewalt, wie zum Beispiel Fehden, zu unterbinden. In den Kapiteln fünf und sechs werden konkrete Maßnahmen gegen Gewalt geschildert und beleuchtet. Auch wird anhand der Quellen untersucht, welche Aufgaben und Intentionen die einzelnen Protagonisten, zum Beispiel Heinrich II. und Burkhard von Worms, für ihr Vorgehen hatten. Das Fazit fast die wesentlichen Aussagen der Arbeit noch einmal zusammen und bewertet diese.

2. Amicitiae

Erst die Bündelung aller inneren Kräfte hat es den Ottonen ermöglicht, die äußeren Einfälle zum Beispiel der Ungaren abzuwehren. Doch wie hat Heinrich I. diese inneren Konflikte der Großen überwunden, um die inneren Kräfte zu bündeln, wo sich doch das ostfränkische wie auch das westfränkische Reich in einem desolaten Zustand befanden[1] ? Laut Aussage der vorhandenen Quellen hat sich durch die Machtergreifung Heinrichs I. ein neuer Herrscherstil konstituiert. Ob diese Herrscheridee von ihm ersonnen ist, ist nicht bewiesen. Dieser Herrscherstil zielt auf Einigung und Befriedung ab (näheres hierzu in Kapitel 2.1 und 3). Auch wenn die Quellenlage dürftig ist und die ottonischen Historiographen im Verdacht stehen die Vorzüge ihres Herrschers zu unterstreichen, so kann anhand der Quantität durch die Suchmaschine auf der Homepage Regesta Imperii verifiziert werden, dass unter dem Suchbegriff Freunde 3 Treffer in der Karolingerzeit vorzufinden sind gegenüber 24 Treffer in der Ottonenzeit. Es ist also zu beobachten, dass der Begriff der amicitiae (lat.) ‛Freundschaft’ in der Ottonenzeit an Bedeutung zugenommen hat.

Die amicitiae zwischen Heinrich I. und seinen Landsleuten sowie Königen anderer Reiche spiegelt augenscheinlich den neuen Herrschaftsstil dieses Königs wieder. Doch welche Verpflichtung kann diese beschworene Freundschaft zwischen zumindest zwei Parteien beinhalten?

Nachfolgende Quellen sollen Aufschluss über die Inhalte der amicitiae zur Ottonenzeit geben. Zuerst wird die wohl ausführlichste erhaltene Quelle über die „Bonner Verträge“ behandelt.

2.1 Freundschaft zwischen Heinrich I. und König Karl dem Einfältigen

Die „Bonner Verträge“ geben uns Auskunft über den Hergang der freundschaftlichen Verpflichtung, die zwischen König Heinrich I. und König Karl dem Einfältigen von Frankreich geschlossen wurden. Bevor sich die beiden Könige und ihr Gefolge zu ihrer eidlichen Vereinbarung versammelten, gingen Verhandlungen zwischen Gesandtschaften voraus. Die Könige trafen sich am vereinbarten Tag auf den gegenüberliegenden Rheinseiten und verharrten dort.[2] Drei Tage später trafen sie sich mit ihrem Gefolge auf einem Boot, das in der Mitte des Rheins verankert war.

„Friedens- und freundschafts-vertrag mit Karl dem rex Francorum occidentalium. Auf einem mitten im Rhein verankerten schiffe (ähnlich beim strassburger vertrag von 842 BM. 1331d) schwören beide könige zu erhaltung des friedens sich gegenseitig nach wissen und können einander freund zu sein, unter voraussetzung, dass der andere teil denselben schwur leiste und halte. Das gefolge Karls: die erzbischöfe Herimann von Köln und Rodger von Trier, die bischöfe Stephan von Cambrai, Bovo von Châlons, Baldrich von Utrecht, die grafen Matfred, Erkenger, Hagano, Boso, Waltker, Isaac, Ragenber, Theodrich, Adalard und Adelelm, sowie ienes Heinrichs: erzbischof Heriger von Mainz, die bischöfe Nithard von Münster, Dodo von Osnabrück, Ricawdo von Worms, Hunvard von Paderborn, Noting von Konstanz, die grafen Eberhard, Konrad, Heriman, Hato, Godefred, Heriman, Cobbo, Magenhard, Friedrich, Foldac (über die Persönlichkeiten vgl. Leibnitz Ann. 2,325), bekräftigen das abkommen mit handschlag... [3]

Wie aus dieser Quelle hervorgeht, wird eine Freundschaft beschworen. Hingegen wird nicht näher auf Konsequenzen dieser Einigung eingegangen. In der damaligen Zeit ging man wohl davon aus, dass Inhalte und Pflichten des Freundschaftsschwurs allgemein bekannt waren. Ferner werden, wie aus der Quelle hervorgeht, auch die geistlichen und weltlichen Großen angeführt, die ebenfalls in das Abkommen integriert wurden. In der vorangegangenen Quelle, in der das Schiff in der Mitte des Rheins verankert wurde, wird die Gleichrangigkeit beider Könige betont. Keiner der Könige verlor sein Gesicht durch den verhandelten Austragungsort und musste sich somit dem anderen als untergeordnet betrachten[4]. Einen weiteren Punkt, der diese Gleichrangigkeit unterstreicht, kann man anhand der strengen und identischen gegenseitigen Verpflichtung (Beispiel: beide Seiten Verpflichteten sich zur Friedenserhaltung) ablesen. Mit dieser Verpflichtung (beide Seiten Verpflichteten sich zur Friedenserhaltung) haben wir einen Anhaltspunkt zwischen zwei Königen gefunden, der eine Maßnahme gegen Gewalt beinhaltet, nämlich eine eidliche Zusage sich für den Frieden in gegenseitiger Freundschaft einzusetzen. Da die vorangegangene Quelle die amicitiae zwischen Gleichrangigen charakterisiert, stellen sich nun die Fragen: erstens, ob es eine amicitiae zwischen nicht Gleichrangigen, das heißt zwischen König und den Großen gibt. Falls diese existent ist, muss zweitens hinterfragt werden, wie sich die Freundschaft zwischen den Parteien gestaltet.

2.2 Amicitiae zwischen Heinrich von Sachsen und den Grossen

In Kapitel 2.1 wurde beschrieben, nach welchen Kriterien eine Freundschaft, die den Friedenserhalt ausdrücklich kennzeichnet und ebenso die Gleichrangigkeit der Könige unterstreicht, geschlossen wurde. In diesem Kapitel soll nun untersucht werden, wie sich eine amicitiae zwischen Heinrich und den Grossen darstellt. In den Quellen der Regesta imperii[5] kann man anhand der deutschen Übersetzungen keine eindeutige amicitiae, bzw. eine eingegangene gegenseitige Verpflichtung in der Zeit Heinrichs I. als König, nachweisen. Lediglich die erfolgreiche Belagerung von Regensburg, mit der Unterwerfung Herzogs Arnulf und die Wiedereinsetzung desselbigen in Amt und Würden sowie das Zugeständnis von weiteren Vollmachten, ist in dieser Übersetzung nachweisbar und zeigt Indizien an, wie eine solche amicitiae zwischen Herren und Gefolgsmann aussehen kann[6]. Darüber hinaus werden die Indizien in der Quelle: Heinrich von Sachsen. 918-919...o, siehe nachfolgend, gestützt.

Designation Heinrichs zum könig. Vor seinem tode berief k. Konrad seine brüder (wol nur mehr Eberhard am leben, vgl. Dümmler Ostfränk. Reich 3 2, 614) und verwandten, die vornehmsten der Franken zu sich, ermahnte sie väterlich nach seinem ableben keinen zwist im reiche entstehen zu lassen, befahl ihnen den Sachsenherzog virum strennuum et industrium precipuumque pacis sectatorem als den für diese würde geeignetsten zum könig zu erwählen und übersendet ihm durch die genannten scepter krone und die andern reichsinsignien, damit er das reich wahre und schütze…überbringen, frieden und ewigen bund mit ihm schliessen…Eberhard überbringt nach Konrads tod (918 dez. 23, BM. 2049b) die reichsinsignien an herzog Heinrich, schliesst (namens der Franken c. 25) mit ihm frieden und freundschaft. Widukind I,26. Ekkehardi Casus s. Galli l. c. und ähnlich Liudprandi Antap. II,20 mit der unvermeidlichen beigabe, dass Heinrich die tronkandidatur zuerst demütig ablehnte. Folge dieses friedensschlusses und des tronverzichtes von seiten Eberhards war, dass dieser das herzogtum in Franken erhielt, amicitiam promeruit, quam fideliter familiariterque usque in finem obtinuit, Widukind I,26... [7]

Anhand dieser Quellenbeispiele lässt sich die Vermischung von herrschaftlichen und freundschaftlichen Elementen nachweisen[8]. Der Unterschied zu 2.1, in der die Gleichrangigkeit hervorsticht, ist, dass hier der Unterlegene bevor er die Freundschaft Heinrichs des I. erwirbt, erst eine rituelle deditio (lat.) ‛Übergabe, Unterwerfung’ unternehmen muss, die hier nachweislich den Thronverzicht sowie die Übergabe der Reichsinsignien beinhaltet. Aber durch die kontrollierte Eskalation, fast institutionalisierte Beilegung von Konflikten und der ritualisierten Wiederherstellung des status que ante (lat.) ‛Herstellung des vorherigen Standpunktes’, konnte der Unterlegene mit der Gnade und der Freundschaft des Königs rechnen.

Durch amicitiae wurde den Parteien zudem ein Ventil geboten den Konflikt schon vorzeitig zu beenden und in Gnade (bei Untergebenen) aufgenommen zu werden bzw. Frieden (zwischen Gleichrangigen) zu schließen. So dass man diese Politik Heinrich des I. als äußerst erfolgreiches Instrument der Konfliktvermeidung bzw. Konfliktlösung charakterisieren kann[9].

[...]


[1] Vgl. Althohoff, G.: Amicitiae und Pacta. Hannover 1992, S. 5f.

[2] Vgl. Ottenthal, E. von (Hrsg.): Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschern aus dem Sächsischen Hause 919-1024, Innsbruck 1893. 921 nov. 4 ad Bonnam castrum, Nr. 2c.

[3] Vgl. Ottenthal; E. von (Hrsg.): Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschern aus dem Sächsischen Hause 919-1024, Innsbruck 1893. 921 nov. 7 ad Bonnam castrum, Nr.3.

[4] Vgl. Althohoff, Gerd: Amicitiae und Pacta. Hannover 1992, S. 24.

[5] Vgl. www.regesta-imperii.de (25.12.03).

[6] Vgl. Althohoff, Gerd: Amicitiae und Pacta. Hannover 1992, S. 27f. und vgl. Emil von Ottenthal. Innsbruck 1893; in www.regesta-imperii.de 921, Raginesburg 2b:… Arnulf unterwirft sich ohne es auf den kampf ankommen zu lassen (apertis portis, Widukind); darin sind die berichte bei Widukind und Liudprand Antap. II, 21-23 einig, der bei Widukind stereotyp für die anerkennung durch die herzoge von Franken, Schwaben und Baiern gebrauchte ausdruck se tradidit wird Liudprands wendung regis miles efficitur (c. 23) gleichzustellen sein…

In oratorisch ausgearbeiteter erzählung raten hier die bairischen grossen dem Arnulf von Heinrich zu fordern (c. 23): ut quod decessores non habuere tui, tibi concedatur, scilicet quatinus totius Bagoariae pontifices tuae subiaceant dicioni tueque sit potestati uno defuncto alterum ordinare, die gewährung dieses königlichen (vgl. Waitz Heinrich I.55 und VG. 7,285) vorrechtes bestätigt auch Thietmar I, 26 (15): (dux Arnulfus) omnes episcopatus in his partibus constitutos sua distribuere manu singularem habuit potestatem. Nach Liudprand Antap. III,49 wäre Arnulf auch das freie kriegsrecht zugestanden worden. Qui (Arnulf) honorifice ab eo susceptus, amicus regis appellatus est, Widukind I, 27,…

[7] Vgl. Emil von Ottenthal (Hrsg.): Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschern aus dem Sächsischen Hause 919-1024. Innsbruck 1893. Heinrich von Sachsen. 918-919 Nr. o

[8] Vgl. Althoff, G.: Amicitiae und Pacta. Hannover 1992, S. 28.

[9] Vgl. Althoff, G.: „Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert“, in: Frühmittelalterliche Studien 23, 1989, S. 288ff.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Ottonen. Maßnahmen gegen Gewalt
Hochschule
Universität Münster
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V47805
ISBN (eBook)
9783638446716
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ottonen, Maßnahmen, Gewalt
Arbeit zitieren
Thorsten Dornemann (Autor:in), 2004, Die Ottonen. Maßnahmen gegen Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47805

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