Das Gesundheitssystem Bulgariens


Hausarbeit, 2004

34 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Geschichtlicher Hintergrund

2. Organisationsstruktur des Gesundheitssystems Bulgariens in den Übergangsjahren nach

3. Probleme und Herausforderungen vor dem bulgarischen Gesundheitssystem mit Rücksicht auf seinen bevorstehenden EU-Beitritt in Benutzte Literatur

Anhang 1, Organisationsstruktur des Gesundheitssystems Bulgariens

Anhang 2, Gesamtausgaben für Gesundheitsleistungen in Europa – gemessen als % vom BIP

Anhang 3, Ausgaben für Gesundheitsleistungen in Europa – gemessen in USD pro Kopf

Anhang 4, Anteil der Ärzte und der Krankenschwester in Europa – gemessen pro 1000 Einwohner

Anhang 5, Anteil des medizinischen Personals in Bulgarien – gemessen als Anteil pro 1000 Einwohner

Anhang 6, Finanzierung des Gesundheitssystems Bulgariens

Anhang 7, Das Krankenversicherungsgesetz vom 1998

1. Geschichtlicher Hintergrund

Gemeinschaftlich finanziertes Gesundheitswesen wurde in Bulgarien am Ende des 19.Jhs. nach der Befreiung vom 5jahrhundert langen Türkischen Joch zum ersten Mal in der neueren Geschichte des Landes eingeführt. Die dafür notwendigen Gesetze über das Gesundheitswesen wurden zwischen 1879 und 1903 erlassen und in Kraft gesetzt. Die ersten Einrichtungen des Gesundheitssystems wurden auch zu dieser Zeit errichtet. Dazu gehört u.a. auch die vom Staat finanzierte kostenfreie Behandlung für die Armen in den Krankenhäusern. Die während des Russisch-Türkischen Krieges vom 1877-1878 errichteten Lazarette wurden behalten und als reguläre Krankenhäuser weiterentwickelt. Unter den lokal wohnenden Privatärzten wurden vom Staat in allen Orten mit mehr als 4000 Einwohnern Landkreis- und Gemeindeärzte ernannt und angestellt. Auf einer teilweise privaten Basis arbeiteten die in den kleineren Orten tätigen Feldscher. Die bulgarischen ärztlichen und zahnärztlichen Verbände wurden in 1901 gegründet. Unmittelbar danach wurde das erste Gesetz über das öffentliche Gesundheitswesen verabschiedet. Private Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser, Sanatorien und Polykliniken wurden errichtet. In 1918 wurde die Medizinische Universität Sofia gegründet, die sich auch als ein Forschungszentrum auf dem medizinischen Bereich etablierte.

Das erste Krankenversicherungsgesetz wurde in 1918 eingeführt. In 1924 wurde das zweite diesbezügliche Gesetz verabschiedet, laut dessen alle Staatsbeamten und Angestellten im öffentlichen und im privaten Sektor gesetzlich pflichtversichert für Krankheitsfälle, Mutterschaft und Pensionierung sein sollten. In 1925 wurde das Krankenversicherungsgesetz für die Fälle der Albeitslosigkeit eingeführt (Quelle: Geschichte des Gesundheitswesens in Bulgarien, http://www.nhif.bg/bg/default.phtml, 07.01.2005). Das so entstandene Krankenversicherungssystem war ähnlich dem Bismarksche Versicherungssystem.

In 1929 wurde das Volksgesundheitsgesetzt verabschiedet. Ihm zufolge wurde die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung vom Staat auf die Gemeinden übertragen. Gesundheitseinrichtungen für Schwangerschaft und Mutterschaft (Geburtklinikern), sowie auch für präventive Untersuchungen und Impfungen wurden gegründet. Ärztliche Praxis in Schulen und weiteren Einrichtungen zur Gesundheitsförderung und Hygiene wurden auch eingeführt. Ein Netz von Familienärzten praktizierte die allgemeine Medizin.

In 1944 wurde das Gesundheitsministerium mit der Aufgabe gegründet, das gesamte Gesundheitssystem Bulgariens zu koordinieren und zu kontrollieren, das inzwischen schon einen gut entwickelten öffentlichen Sektor und einen im Vergleich zu ihm kleineren privaten Sektor umfasste. (Quelle: Koulaksazov et al. 2003: 8-9)

In 1948 begann die kommunistische Administration das existierende System durch den sowjetischen Gesundheitsmodell ‚Semaschko’ zu ersetzen. Infolge dessen wurden die privaten Krankenhäuser und Apotheken nationalisiert und der zentralen Staatskontrolle unterstellt. Das Krankenversicherungssystem und die Bulgarische Medizinassoziation wurden abgeschafft. Die Ausbildung in Medizin wurde zentralisiert und dem Gesundheitsministerium unterstellt. Das Angebot an Gesundheitsleistungen wurde aber erweitert, wobei zahlreiche neue Gesundheitszentren, Geburtkliniken und Krankenhäuser in fast allen Dörfern gebaut und eingerichtet wurden. Das Netz der Familienärzte wurde abgeschafft und durch die neu errichteten und zu den Krankenhäusern angehörenden Polykliniken ersetzt. Die primäre Krankenhilfe wurde nach Stadtteilprinzip organisiert, wobei die Patienten gemäß ihrer Anschrift zu einem Arzt in einer bestimmten Polyklinik zugeordnet und angebunden wurden.

Ab 1950 begann das Errichten von Sanitärepidemischen Zentren auf der ganzen Fläche Bulgariens. Als öffentliche Gesundheitseinrichtungen wurde ihnen das Vorbeugen und die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria, Typhus, parasitäre Krankheiten zugeordnet. Weitreichende Immunisierungen wurden zu etwas Selbstverständlichem. Ein guter Netz von zahnärztlichen Kliniken und Apotheken wurde entwickelt. Forschungsinstitute und Krankenhauskliniken wurden gegründet in allen Hauptzweigen der Medizin. Als Ergebnis von dieser umfangreichen Weiterentwicklung der Gesundheitseinrichtungen Bulgariens und dem daraus resultierenden verbesserten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen wurde die Sterblichkeit, besonders von Kindern, reduziert und die Lebenserwartung der Bevölkerung erhöht. (Quelle: Koulaksazov et al. 2003: 9)

Die 60er und 70er Jahre wurden durch das Errichten von weiteren zahlreichen neuen Krankenhäuser und Zentren überall in Bulgarien und durch die universitäre Ausbildung von vielen neuen Ärzten in den 5 neuen Medizinischen Fakultäten an weiteren bulgarischen Universitäten gekennzeichnet. In 1973 wurde das Volksfürsorgegesetzt verabschiedet, das die gesetzliche Basis und die Organisationsprinzipien des Gesundheitssystems Bulgariens zugrunde legte.

Als positive Seiten der Entwicklung im Gesundheitswesen während der kommunistischen Zeit können die Folgenden beurteilt werden: die garantierten kostenfreien und für alle Bürger zugänglichen Gesundheitsdienstleistungen, das dichte Netz von Gesundheitseinrichtungen und die sehr gute Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen und –mittel im ganzen Land, das Nehmen im Griff und die Kontrolle der übertragbaren Krankheiten, die Vorsorgeuntersuchungen und die Immunisierungen, das Versorgen des Gesundheitssektors mit ausreichend vielen und hoch qualifizierten Ärzten und weiterem Medizinpersonal, die Ausdehnung der Forschungsarbeit auf dem Bereich der Medizin u.a.

Als negative Seiten des kommunistischen Gesundheitssystems können unter anderem die Folgenden genannt werden: die Unflexibilität des staatlich kontrollierten Gesundheitssystems, die unausreichende Fürsorge für chronische Krankheiten, die Mangel an einer modernen Infrastruktur für Invaliden u.a. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wurde des weiteren das so geschaffene breite System von Gesundheitseinrichtungen langfristig finanziell nicht gesichert und erwies sich nicht in der Lage, die Qualität der an die Bürger zu erbringenden Gesundheitsleistungen auf Dauer sicher zu stellen, weder die Letztere in Situationen von Wirtschaftsstagnation und –krise, die sich durch einen wesentlichen finanziellen Überschuss der Nachfrage gegen des Angebots charakterisieren, zu gewährleisten. Als Ergebnis wurden viele Elemente des kommunistischen Gesundheitssystems in den Übergangsjahren nach 1989 abgeschafft, wobei es sich oft um Komponenten und Aspekten des Gesundheitswesens handelte, dessen Funktionieren unentbehrlich und gut war, für die aber in den Bedingungen der schweren Wirtschaftskrise von den 90er Jahre keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung standen.

2. Organisationsstruktur des Gesundheitssystems Bulgariens in den Übergangsjahren nach 1989

Zum einen wesentlichen Teil wurde des Gesundheitssystem Bulgariens in den 90er Jahren weiterhin auf den sowjetischen Modell Semaschko basiert. Das ist dazu zurückzuführen, dass die Reformen eines sehr sensiblen Sektors der Sozialpolitik, welcher das Gesundheitssystem darstellt, in einer jeden Gesellschaft wirtschaftspolitisch sehr schwierig durchzuführen und mit hohen Übergangskosten aus einer sozialen und psychologischer Sicht verbunden sind. Des weiteren stellte die Reform des Gesundheitssystems Bulgariens in den 90er Jahren die dritte Restrukturierung innerhalb eines einzigen Jahrhunderts. Diese Tatsache ihrerseits hat als eine Hauptfolge die Unmöglichkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und langfristigen Durchsetzung von Organisationsprinzipen des Sektors, welche Organisationsprinzipen als traditionelle Basis in der Gesundheitspolitik anderer Staaten, denen die nacheinander folgenden geschichtlichen Erschütterungen wie im Fall Bulgarien erspart worden sind, verankert werden und um Stabilität sorgen.

Am Anfang des Übergangs in den frühen 90er Jahren war das Gesundheitssystem in Bulgarien weiterhin auf die öffentliche steuerbasierte Finanzierung hingewiesen. Die Untersuchungen der Patienten und ihre Behandlung wurde primär immer noch durch die Krankenhäuser gewährleistet. Es bestanden so gut wie fast keine Anreize für die Erbringer der Gesundheitsleistungen, die Effektivität und die Effizienz zu steigern.

Der begonnene allgemeine Übergang von Planwirtschaft zu Marktwirtschaft war aber die Grundlage zu den ersten Änderungen auch im Gesundheitssystem. Diese Änderungen stellten Entwicklungsprozesse zur Konformabilität mit den neuen marktwirtschaftlichen Prinzipien oder aber das Zurückkehren zu alten Organisationsformen dar. Als Beispiel für die ersteren Prozesse kann das Öffnen der ersten privaten ärztlichen Praxis und der ersten privaten Apotheken und für die letzteren dementsprechend das Wiedergründen der Medizinassoziationen gegeben werden. Die dafür erforderliche gesetzliche Basis wurde verabschiedet. Die Verantwortung für eine steigende Anzahl von Gesundheitsleistungen begann vom Staat auf die Gemeinden übertragen zu werden.

Ein viel radikalerer Schritt zur Umstrukturierung des Gesundheitssektors wurde am Ende der 90er Jahre durchgeführt, als das Semaschko-System abgeschafft und durch ein Sozialversicherungssystem ersetzt wurde. Die mit dieser Umstrukturierung verbundenen hohen sozialen Kosten, die nicht zuletzt auf die erneute Einschränkung der sich am Anfang der 90er Jahre durchgesetzten absoluten Wahlfreiheit der Patienten und auf eine sehr hohe finanzielle Belastung der Haushalte zurückzuführen sind, widerspiegelten sich nicht nur in einer stark gesunkenen Popularität der rechten Regierung und dadurch in einem hohen sozialen Druck auf die letztere, sondern auch in eine absteigende Inanspruchnahme von den Dienstleistungen der gesetzlichen Gesundheitsleistungssicherung zugunsten entweder der privaten Gesundheitsleistungserbringer oder aber in einer Großzahl der Fälle zugunsten des bewussten persönlichen Ausschließenseins aus dem Gesundheitssystem und des daraus resultierenden und von der Krisenentwicklung des Landes erzwungenen Eingehens an einem sehr hohen persönlichen Sozialversicherungsrisiko.

Das neu eingeführte Sozialversicherungssystem rief demzufolge ins Leben neue Akteure im Gesundheitssystem Bulgariens. Dies sind die Nationalkrankenkasse (als ein Analog der im deutschen Gesundheitssystem bestehenden Krankenkassen) zum einen und das sogenannte GP-Netz (als ein Analog dem englischen Netz von ‚general practitioners’, also von Ärzten der allgemeinen Medizin) zum anderen (siehe Anhang 7, Das Krankenversicherungsgesetz vom 1998). Die Parallele zu den als Vorbild genommenen Organisationsstrukturen aus dem deutschen und dem englischen Gesundheitssystem aber benötigten im Fall des neuen bulgarischen Gesundheitssystems den Hinweis, dass es sich dabei vorwiegend um Übernahme von Grundprinzipien der Organisationsstruktur und der Funktionierungsweise geht, welche aber der bulgarischen Realität angepasst wurden und weiterhin angepasst werden. So beispielsweise besteht im deutschen System eine Vielzahl von Krankenkassen, welche Vielzahl nicht zuletzt darauf hingewiesen sein sollte, den Wettbewerb zu steigern. Im bulgarischen System ist im Unterschied dazu die Krankenkasse nur eine, dies ist durch das Gesetz für die nationale Krankenkasse geregelt und setzt erneut eine zentralisierte Finanzierungsstruktur voraus, die im Unterschied zum Somaschko-System nicht durch Steuer, sondern durch Beiträge und das Staatsbudget finanziert wird. Das englische System des GP-Netzes ist primär auf die primäre Untersuchung und Hausbesuche einer Großzahl von ‚qualifizierten Krankenschwester’ (qualified nurses) basiert, die anders als in Deutschland und in Bulgarien die Vollmächte haben, Arzneien zu verordnen, Rezepte zu schreiben und nur dann den Patienten ihrem obergesetzten Arzt zu schicken, wenn sie der Einsicht sind, dass der Patient eine grundsätzlichere Untersuchung durch den Letzteren bräuchte. Im bulgarischen GP-Netz geht es wiederum nur um Ärzte der allgemeinen Medizin, die sich selbständig gemacht haben und in ihren privaten Praxis sowohl Patienten der nationalen Krankenkasse gegen Zurückerstattung der daraus entstehenden Kosten durch die Krankenkasse und durch einen kleinen und pro Besuch anfallenden vom Patienten dem Arzt zu bezahlenden Barbeitrag behandeln, als auch Privatpatienten, worunter im bulgarischen Kontext keine private Krankenversicherung zu verstehen ist, sondern die 100%-ige Bezahlung in bar für die entstehenden Kosten infolge der in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen durch den Patienten selbst.

Die weiteren Teilnehmer im Gesundheitssystem Bulgariens, die in ihrem überwiegenden Teil Nachfolger von Organisationsstrukturen geschaffen während des Aufbaus des bulgarischen Gesundheitssystem in der kommunistischen Zeit sind und nun einen neuen oder geänderten Umfang von Verantwortungen und Kompetenzen haben, sind wie folgt (für die komplette Organisationsstruktur siehe Anhang 1, Organisationsstruktur des Gesundheitssystems Bulgariens):

1. Der Ministerrat an der Staatsregierung – unter seinen Verantwortungen fällt auch die nationale Gesundheitspolitik. Auf Vorschlag des Gesundheitsministers genehmigt er die nationale Gesundheitsstrategie, die danach vom Parlament verabschiedet wird. Wieder auf Vorschlag des Gesundheitsministers genehmigt er auch die nationalen Gesundheitsprogramme. „Die nationale Gesundheitspolitik und die nationalen Gesundheitsprogramme beruhen auf die Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Gesundheitsbedürfnisse der Bürger, die gesundheitsdemographischen Tendenzen und die Ressourcemöglichkeiten des nationalen Gesundheitssystems“ (Art. 3 (4), das Gesetz über die Gesundheit vom 10.08.2004, in Kraft vom 01.01.2005). Die nationalen Gesundheitsprogramme werden vom Staatsbudget wie differenzierte vom Budget des Gesundheitsministeriums Ausgaben finanziert und dürfen durch alternative Finanzierungsquellen unterstützt werden (Art 3(5), das Gesetz über die Gesundheit).
2. Das Gesundheitsministerium – ihm ist das ganze Gesundheitssystem, inkl. das komplette System der Krankenhäuser und (Poly-) Kliniken unterstellt (siehe Anhang 1). Seine Verantwortung ist die Ausarbeitung der nationalen Gesundheitspolitik, das Bestimmen ihrer Ziele und Prioritäten, die Aufsicht auf das gesamte Gesundheitssystem, der Entwurf von Gesetzen. Der Gesundheitsminister leitet das nationale Gesundheitssystem und die Aufsicht auf die Tätigkeiten des Gesundheitsschutzes der Bürger (Art.5(1)1, das Gesetz über die Gesundheit), der Notfallhilfe, der transfusionalen Hämatologie, der stationären psychiatrischen Hilfe, der medizinisch-sozialen Sorge um Kinder bis zum Alter von 3 Jahren, der Transplantationen und der Gesundheitsinformation (Art.5(1)2), der Gewährleistung und der nachhaltigen Entwicklung der Gesundheitsarbeit in den Kranken- und Gesundheitseinrichtungen (Art.5(1)3) und der medizinischen Expertise (Art.5(1)4).
3. Der Höhere Medizinrat zum Gesundheitsminister – er ist ein Beratungsorgan, der aus 5 vom Gesundheitsminister ernannten Mitgliedern, 5 Vertretern des Bulgarischen Ärztlichen Verbandes, 3 Vertretern des Bulgarischen Zahnärztlichen Verbandes, 3 Vertretern der Nationalen Krankenkasse und je einem Vertreter der Nationalvereinigung der Gemeinden, der Medizinfakultäten zu den Universitäten, und des Bulgarischen Roten Kreuzes besteht (Art.6(2), das Gesetz über die Gesundheit).
4. Das Finanzministerium – es überwacht die Finanzierung des Gesundheitssektors und wirkt bei der Bestimmung der Ziele der Gesundheitspolitik und –strategie mit. Es ist ferner auch Partei in den Darlehenverträgen geschlossen mit dem Ziel der externen Finanzierung zur Unterstützung der Reformen im Gesundheitssystem (Koulaksazov et al. 2003: 14).
5. Das Wissenschafts- und Ausbildungsministerium – zu seinen Verantwortungen gehören sowohl die Ausbildungsregelungen und –inhalt, nach denen die Medizinspezialisten in den Medizinfakultäten ausgebildet werden und die Regelungen, nach denen sie ihren Beruf auf das Territorium Bulgariens ausüben dürfen (Art. 174-196) und die Medizinforschung durchgeführt wird (Art.197-209), als auch die Informationsversorgung in den Schulen und die diesbezügliche Einführung von neuen Gesundheitsausbildungsprogrammen, einschl. Vorsorge und Sport, zur Förderung eines selbstverantwortlichen Verhaltens und gesundheitskonformen Lebensstil der Bürger.
6. Das Verteidigungsministerium – unter seiner administrativen Leitung sind die Krankenhäuser und die Polykliniken für die im nationalen Verteidigungssektor beschäftigten bulgarischen Bürger.

3. Probleme und Herausforderungen vor dem bulgarischen Gesundheitssystem mit Rücksicht auf seinen bevorstehenden EU-Beitritt in 2007

3.1. Strukturänderungen. Seit dem 1991 begann ein fortlaufender Prozess der Dezentralisierung des zuvor stark zentralisierten bulgarischen Gesundheitssystem. Dieser Prozess widerspiegelte sich in drei Gruppen von Restrukturierungsmaßnahmen:

1. Der Eigentum der meisten Einrichtungen des Gesundheitssektors wurde auf die lokalen Gemeinden übertragen. Mit der Veränderung des Gesundheitsgesetzes im 1997 wurde es möglich, dass die Gesundheitseinrichtungen zu unabhängigen juristischen Personen werden und als solche fungieren.
2. Das Gesundheitsministerium baute in 1995 einen wesentlichen Teil der zentralen Administration ab und übertrug einen großen Teil der administrativen Tätigkeiten auf die 28 regionalen Gesundheitszentren.
3. Es zog einen extensiven Privatisierungsprozess der Apotheken und vieler ärztlichen Praxis. Das pharmazeutische Staatsmonopolunternehmen wurde nach einem geographischen Prinzip in 28 getrennten voneinander staatlich besitzten Unternehmen transformiert. Um Jahrhundertwende war der Eigentum auf die letzteren bis zu 70% privat.

Das Gesundheitsministerium behielt die Zentralkontrolle auf nationaler Ebene, sowie auch auf die regionalen Großkrankenhäuser (Koulaksazov et al. 2003: 23-24). Einige der schwerwiegendsten Probleme, die diese Strukturtransformationsprozesse beglitten oder aber die als Ergebnis von den letzteren entstanden sind:

- Finanzierungs- und Kontrollelücken im gesamten Gesundheitssektor, mangelnde Transparenz und unausreichende Auskunft auf dem Gesundheitsmarkt – beispielsweise in bezug auf vorwiegend aus der EU (vor allem aus Deutschland) und der Schweiz importierte Arzneimittel, welche in den späten 90er Jahren in dem sich gut ausgedehnten Netz von Privatapotheken erhältlich waren, ohne Andeutung, ob sie als rezeptpflichtig oder als rezeptfrei zu verkaufen sind. Ein weiterer Beispiel ist die neulich getroffene Entscheidung des Gesundheitsministerium, die Subventionen für alle Krankenhäuser zu kürzen, welche die im voraus geplante Anzahl von behandelten Patienten überschritten und an mehr Patienten Gesundheitsleistungen erbracht haben. Das Ziel sollte dabei sein, die Anzahl der fiktiv von den Krankenhäusern für die Ziele der Subventionssicherung angemeldeten Patienten, sowie auch die Anzahl der Patienten, die keine bewiesene Bedürftigkeit von Krankhausbehandlung haben, begrenzt zu werden (http://www.btv.bg/news/newsprint.php?story=36977, 01.11.2004).
- ein rasantes Qualitätssinken der an Patienten erbrachten Gesundheitsleistungen in vielen kleineren Krankenhäusern, besonders in ländlicheren Orten als Folge der reduzierten Finanzierung, der Kürzungen im Gesundheitspersonal, der gesunkenen Aufsichtskontrolle und der in Bulgarien herrschenden schweren allgemeinen Wirtschaftskrise in den frühen und mittleren 90er Jahre.
- Sach- und Resourcemissbrauch seitens vieler Ärzte – der letztere entstand als Folge von der temporären gesetzlichen Lücke im Laufe der 90er Jahre, die das parallele Betreiben des ärztlichen Berufs zum einen im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses mit Krankenhäusern und zum anderen durch die Eröffnung eigener privaten ärztlichen Praxis ermöglichte. Infolge dessen wurden kostspielige und von den noch staatlichen Krankenhäusern beschaffene Medikamente und weitere Behandlungsmaterialen in den privaten Praxis der Ärzte benutzt gegen Zahlung out-of-pocket seitens der Patienten, die Patienten wurden von den Krankenhäusern und den Polykliniken durch die behauptete Mangel an Resourcen zu den Privatpraxis und Privatkliniken umgesteuert, die teuere Medizintechnik in den Krankenhäusern wurde oft auch für die Privatpatienten der Ärzte benutzt – gegen hohe Barzahlungen des Patienten am Arzt und gegen keine Zahlung des Arztes ans Krankenhaus. Dadurch wurde der Weg der Korruption eröffnet, die mit einer absteigenden Kraft immer noch ein Problem des bulgarischen Gesundheitssystem ist. In den letzten Jahren wurden die ersten Gerichtsurteile gegen korrumpierte Ärzte, einschl. Chirurgen, gegeben, die unter anderem auch Gefängnis als Straffmaßnahme verordnen (http://www.btv.bg/news/newsprint.php?story=37127, 08.11.2004).

3.2. Finanzierung (siehe Anhang 6). Bis 2000 wurde das Gesundheitssystem aus den allgemeinen Steuern von zwei Hauptquellen finanziert – das Staats- und das Gemeindebudgets. Wie schon erwähnt, enthielt die Finanzierung des Sektors auch eine Barzahlungskomponente, die leicht in ‚under-the-table’ Zahlungen überging. Nach Verabschieden des Krankenversicherungsgesetzes in 1998 (als Anhang 7 hierzu beigelegt) wurde die Finanzierung des Gesundheitssystems aufgrund Krankenversicherungsbeiträge eingeführt. Die letzteren sind zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingeteilt. Das Niveau des Beitrags ist als Prozent vom gesetzlichen Minimalmonatsentgelt festgelegt. Ursprünglich betrug es 6% und wurde in Proportion 5:1 zulasten des Arbeitgebers eingeteilt. Momentan ist das Beitragsniveau 10%. Bis zum Beitritt Bulgariens zur EU in 2007 soll die Beteiligung des Arbeitgebers weiter spürbar gesenkt werden und das Proportionsverhältnis 1:1 erreichen (siehe Anhang 7, Art. 40 (1)a des Krankenversicherungsgesetzes). Einige der wesentlichsten Probleme, die aus dem Übergang zu Krankenversicherungsfinanzierung entstanden sind, sind wie folgt:

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Das Gesundheitssystem Bulgariens
Hochschule
Universität Hamburg
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
34
Katalognummer
V47699
ISBN (eBook)
9783638445849
ISBN (Buch)
9783640997176
Dateigröße
779 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
13 Seiten Hausarbeit plus Anhang
Schlagworte
Gesundheitssystem, Bulgariens, Geschichtlicher Hintergrund, Organisationsstruktur, Bulgarien
Arbeit zitieren
Ginka Tchervenkova (Autor:in), 2004, Das Gesundheitssystem Bulgariens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47699

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