Beruf oder Berufung - Wie wird die Tätigkeit des Casting Directors zum anerkannten Beruf?


Bachelorarbeit, 2005

79 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abstract

Eidesstattliche Erklärung

Bilderverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorgehensweise

3. Der Casting Director – Wissensbroker zwischen den Kreativen
3.1. Der Castingbegriff oder der Begriff des Casting Directors
3.2 Ein Blick auf die historische Entwicklung des Castings
3.2.1 Entstehungsgeschichte in den
3.2.2 Entstehungsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland
3.3 Das Tätigkeitsfeld eines Casting Directors
3.4 Eine Erläuterung der medialen Hilfsmittel
3.4.1 Das Drehbuch
3.4.2 Vita und Foto
3.4.3. Das Demoband
3.4.4 Das Livecasting
3.4.5 Das Archiv
3.5 Wie ein (Film-) Projekt besetzt wird – Ablauf

4. Die Anerkennung der Tätigkeit Casting
4.1. National
4.2. International

5. Der Beruf
5.1 Was ist ein Beruf - Eine Begriffsdefinition
5.2 Die Berufung
5.3 Berufe und ihre Benennungen
5.4 Wie ein Beruf entsteht

6. Der Casting Director als Berufsbild
6.1 Der Casting Director – Der typische Freiberufler
6.2. Der bisherige Weg zum „Beruf“
6.3 Qualitätsstandards - Welche Fähigkeiten benötigt ein Casting Director
6.4 Bisherige Unternehmungen zur Etablierung des Berufsbildes Casting

7. Professionalisierung

8. Qualifizierungsmöglichkeiten – Denkbare Schritte zur Anerkennung
8.1 Die duale Ausbildung
8.1.1 Duale Ausbildung im Medienbereich
8.1.2 Eine gelungene Möglichkeit zur dualen Ausbildung im Mediensektor: Der Maskenbildner
8.1.3 Pro und Contra-Argumente zum Thema Casting als duale Ausbildung
8.1.4 Fazit duale Ausbildung
8.2 Die akademische Ausbildung
8.2.1 Der Diplomstudiengang
8.2.1.1 Casting im Rahmen eines Diplomstudienganges
8.2.1.2 Pro und Contra-Argumente zum Thema Casting im Rahmen eines Diplomstudienganges
8.2.1.3 Fazit zum Diplomstudiengang
8.2.2 Das interdisziplinäre Studium nach dem Bologna – Modell
8.2.2.1 Bachelor / Master das neue Studienkonzept
8.2.2.2 Eine gelungene Möglichkeit eine Medienstudienganges – Public Relations / Kommunikationsmanagement
8.2.2.3 Pro und Contra-Argumente zum Thema Casting als interdisziplinärer Studiengang
8.2.2.4 Casting als interdisziplinär ausgerichteter Studiengang nach dem Bologna – Modell – Ein Fazit
8.3 Qualifizierungsmaßnahmen
8.3.1 Weiterbildung in Medienberufen
8.3.1.1 Eine gelungene Möglichkeit zur Weiterbildung: Der Aufnahmeleiter
8.3.1.2 Pro und Contra-Argumente zum Thema Casting im Rahmen einer Weiterbildung
8.3.1.3 Fazit zu Weiterbildungsmaßnahmen

9. Fazit

10 .Quellenverzeichnis

Abstract

Noch immer gibt es gerade in der Welt der Medien unzählige, für die meisten Menschen unbekannte, Tätigkeiten ohne die man in dieser Branche nicht auskommen kann, für welche es aber andererseits noch immer keine Ausbildungsmöglichkeiten und somit keine Berufsanerkennung gibt.

Die Tätigkeit des Casting Directors ist eine von ihnen.

Ob das in diesem Fall auch zukünftig so bleiben muss oder ob es Möglichkeiten gibt, diesen Zustand zu verändern, möchte ich in der vorliegenden Arbeit versuchen zu analysieren.

Dazu werde ich im ersten Teil dieser Arbeit das relativ unbekannte Tätigkeitsbild eines Casting Directors vorstellen um dann im zweiten Teil die unterschiedlichen Möglichkeiten des Ausbildungserwerbs zu beleuchten und versuchen, auch mit Hilfe verschiedenster mündlicher und schriftlicher Kontakte sowie Interviews, Antworten und Lösungsansätze zu finden.

Abstract

There are countless occupations that are indispensable for the media world but for which there are still no training facilities and thus no official recognition. The job of the Casting Director is one of them.

Within this thesis I want to try to analyse whether this has to remain so in this particular case or whether it is possible to change this situation.

For this purpose I will introduce in the first part the relatively unknown job of Casting Director in order to investigate in the second part the different ways of being trained and with the help of different oral and written contacts or interviews to try to find answers to my questions.

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die Arbeit selbstständig und nur unter Zuhilfenahme der ausgewiesenen Hilfsmittel angefertigt habe.

Berlin, den 23.08.2005

Vivian Damaschun

Matrikelnummer: 162511

Bilderverzeichnis

Abbildung 1 Beruf / Anforderung / Qualifikation

Abbildung 2: Das Verfahren zur Erarbeitung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen

Geh’ Wege, die noch niemand

ging, damit du Spuren hinterlässt.

(Antoine de Saint-Exupèry)

1. Einleitung

Casting spielt bei jeder Film- und Fernsehproduktion eine signifikante Rolle, denn die Qualität der Arbeit des an der Produktion mitwirkenden Casting Directors, kann einen entscheidenden Teil zu Erfolg oder Misserfolg dieser beitragen. Trotzdem erfährt die Tätigkeit des Casting Director bis heute nicht genügend Aufmerksamkeit und vor allem Anerkennung.

Dies fängt an bei der nichtvorhandenen Existenz eines Preises für das beste Casting bei den verschiedenen Film- und Fernsehawards, obwohl es für fast jede Aufgabe in dieser Branche einen Preis gibt, und endet bei der fehlenden Ausbildung und somit auch der Anerkennung des Castings als eigenständigen Berufszweig.

In meiner Abschlussarbeit „Beruf oder Berufung – Wie wird die Tätigkeit eines Casting Directors zu einem anerkannten Beruf?“ werde ich deshalb versuchen das noch immer weitestgehend unbekannte Tätigkeitsfeld des Casting Directors dem Laien näher zu bringen und des Weiteren herauszufinden, ob es möglich wäre „Casting“ als Ausbildungsberuf bzw. als Studium/Teil eines Studiums zu lehren. Bisherige Casting Directors „rutschen“ nur über Umwege in diesen Beruf und arbeiten einzig mit Erfahrungswissen, dadurch fehlte ihnen aber auch oft die Bestätigung (z.B. Nennung im Vor- oder Abspann, Mitspracherechte), welche eine Qualifikation durch einen Ausbildungsberuf bzw. ein Studienabschluss mit sich bringen würde.

Auf das Thema der Abschlussarbeit kam ich, durch ein Praktikum in einer Casting Agentur. Über die Zeit lernte man Menschen aus verschiedenen Bereichen des Filmbusiness kennen, ob nun Schauspieler, Agent oder Regisseur. Auffallend war, dass viele dieser ohne spezifische Ausbildung in diesem Betätigungsfeld in ihren Beruf geraten waren. Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, wie beliebt Jobs in der „coolen“ Filmsparte sind, und wie viele junge Menschen davon träumen später ein Teil dieser scheinbar glamourösen Welt zu sein.

Nun stellte sich für mich aber die Frage, ob denn in der gesamten Filmbranche fast nur ungelernte oder angelernte Kräfte arbeiten? Letztendlich kann es ja nicht der durchschnittliche Weg zu einem Beruf sein, über jahrelanges „herumjobben“ in anderen Bereichen irgendwann über einen Quereinstieg gepaart mit viel Glück an den so genannten Traumjob zu gelangen.

Gäbe es nicht Möglichkeiten schneller bspw. mit einer Ausbildung an sein Ziel zu kommen? Was ist zudem, wenn man erst einmal jahrelang in diesem Traumberuf gearbeitet hat, das Unternehmen aber Konkurs anmelden muss? Außer Erfahrungen kann man nichts vorweisen, um sich für den gleichen Job in einem anderen Unternehmen zu bewerben. Und woran kann man seine Qualitäten, gerade als Neuling in der Branche festmachen? Wäre es nicht günstiger, wenn man eine Art Zeugnis oder Abschluss vorweisen könnte, der beweist, dass man für seine Tätigkeit prädestiniert ist? Zwar gibt es seit einigen Jahren immer mehr Möglichkeiten durch qualifizierte Ausbildung direkt im Betätigungsfeld der Medien einzusteigen, aber leider werden dabei noch immer zu wenig Berufe außer Acht gelassen.

Da ich nun erste Erfahrungen im Castingbereich sammeln konnte, erschien es für mich lohnenswert, diesen Sektor im Zusammenhang mit den gestellten Fragen näher zu untersuchen, da ich mir vorstellen könnte auf Interesse seitens des Bundesverband Casting (BVC)[1] bzw. der Hochschulen zu stoßen.

Wie ich bei meinen Recherchen feststellen musste, erwies es sich dann jedoch als äußerst schwierig genügend Material zu finden, da es bis heute im Grossen und Ganzen leider nur sehr wenig Literatur zum Thema Casting im Allgemeinen bzw. gar kein Material zur Materie Casting als Beruf im Speziellen gibt. Deshalb muss ich die Ergebnisse meiner Arbeit überwiegend auf Informationen aufbauen, welche ich mit Hilfe von Interviews und Nachfragen bei Casting Directors, Filmhochschulen in Deutschland und diversen Institutionen, welche sich mit (Medien-) Berufen auseinandersetzen, erhalten habe.

Bei der Bearbeitung des Themas kamen mir natürlich nicht nur die angewandte Literatur oder die Ergebnisse aus meinen Interviews und Anfragen, sondern auch die gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse während meines Praktikums und meiner weiteren Arbeit bei Anja Dihrberg Casting zu gute.

Ziel dieser Arbeit ist es, einen allgemeinen Überblick über die Aufgaben eines in Deutschland tätigen Casting Directors zu bekommen und mit Hilfe meiner Untersuchung herauszufinden, welche Möglichkeiten der Ausbildung in Frage kommen, um somit zur Aufwertung einer Tätigkeit beizutragen, die noch immer nicht als eigenständiger Beruf angesehen wird.

Mit diesem Beitrag hoffe ich letztendlich einen kleinen Teil dazu beizutragen, der Tätigkeit des Casting Directors zu mehr Ansehen zu verhelfen und evt. einen ersten den Bundesverband Casting (BVC) unterstützenden Schritt in Richtung Casting als zertifiziertes Berufsbild zu machen.

2. Vorgehensweise

Bevor ich meine Fragestellung „Beruf oder Berufung – Wie wird die Tätigkeit eines Casting Directors zum anerkannten Beruf?“ klären kann, möchte ich zunächst direkt auf den Casting Director eingehen. Dazu gehört zum Ersten ein geschichtlicher Überblick, sowie Zweitens eine Erklärung zum eigentlichen Tätigkeitsfeld, welche dem Leser näher bringen soll, in welchem Umfeld sich ein Casting Director bewegt und was seine tatsächlichen Aufgaben sind, da mir in vielen Gesprächen mit Branchenfremden aufgefallen ist, dass darüber oftmals totales Unwissen herrscht.

Danach erfolgen eine Erläuterung der medialen Mittel, welcher sich ein Casting Director bei seiner Arbeit bedient, sowie eine kurze Beleuchtung des Besetzungsablaufs eines Filmprojektes.

Um zu erklären, warum die Beschäftigung als Casting Director bisher scheinbar nur Berufung anstatt Beruf ist, gehe ich danach darauf ein, was man gemeinhin unter der Definition „Beruf“ versteht und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um eine Tätigkeit Beruf werden zu lassen.

Zudem möchte ich kurz klären, ob Casting in anderen Ländern wie z.B. den USA oder Großbritannien den gleichen Status wie in Deutschland besitzt.

Darauf folgend soll erläutert werden, über welche Fähigkeiten ein Casting Director eigentlich verfügen muss und über wie man bis dato in diesen Berufszweig gelangt.

Danach gehe ich darauf ein, welche Bemühungen bisher stattgefunden haben Casting als Beruf zu etablieren bzw. ob es sich im Grunde rentieren würde dafür Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten . Ich gehe in diesem Teil der Arbeit auf die duale Ausbildung, das Studium, sowie die Weiterbildung ein und versuche anhand von Pro– und-Contra-Argumenten die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen, um somit herauszufinden, welche für kommende Casting Directors die Beste wäre.

Zum Schluss werde ich meine gewonnenen Erkenntnisse in einem Fazit noch einmal zusammenfassen, um zu einem schlussendlichen Ergebnis meiner Anfangs gestellten Frage zu gelangen.

Wie sich bei meinen Recherchen für die Arbeit feststellen ließ, ist Literatur zum Bereich Casting oder Casting Director kaum vorhanden. Bisher haben zudem keinerlei Untersuchungen dazu stattgefunden, ob es aus ökonomischer und qualitativer – künstlerischer Sicht lohnenswert wäre, diesen Berufszweig auszubilden.

Daraus ergibt sich, dass ich selber in mündlichen bzw. schriftlichen Kontakt mit Casting Directors, Filmhochschulen in Deutschland und diversen anderen Verbänden und Organisationen getreten bin, um mit Hilfe von zum Teil halbstrukturierten Interviews[2] Informationen zu erhalten, die mir letztendlich helfen sollten Antworten, Vorschläge und Lösungen bezüglich meiner zu Beginn gestellten Fragestellung aufzuzeigen.

Zur Vereinfachung verwende ich in der gesamten Arbeit die männlichen Formen für sämtliche Berufsbezeichnungen, wie beispielsweise den Casting Director, Regisseur, Agent oder Produzent, diese sollen aber auch die weiblichen Formen mit einschließen. Gleichzeitig benutze ich, auf Grund der fehlenden deutschen Berufsbezeichnung, durch die gesamte Arbeit hinweg, die aus dem angloamerikanischen Sprachraum übernommene Bezeichnung Casting Director anstelle der deutschen Übersetzung Castingdirektor.

3. Der Casting Director – Wissensbroker zwischen den
Kreativen

3.1. Der Castingbegriff oder der Begriff des Casting Directors

Das es für Casting kein deutsches Wort gibt, ist symptomatisch, denn dieser Beruf war im Gegensatz zu den angloamerikanischen Ländern lange unterschätzt und unterrepräsentiert.“[3]

Der Begriff „Casting“, wie er verstärkt im Vorspann eines Kinofilmes zu lesen ist, wird in der Fachliteratur unter den Begriffen „Casting“ oder „Besetzen“ wie folgt definiert:

- „Casting“:] TV] (engl. = Rollenverteilung) Test-Vorstellung. Probaufnahmen. Vorsprechen z.B. eines neuen Moderators. Auch bei Film und Theater. Synonym für Besetzen.[4]

-„Besetzen“: [TV] Die künstlerischen Mitarbeiter einer Produktion, insbesondere die Schauspieler, werden ausgewählt. Dieser Auswahlprozess wird auch Casting genannt.[5]

Ob „Casting Director“ auch als Berufsbezeichnung für Deutschland gelten kann, hängt natürlich auch entscheidend davon ab, was man gemeinhin als Beruf kategorisiert. Es findet eine Übernahme des englischen Begriffes statt, der Tätigkeitsbereich bleibt allerdings weitestgehend unklar. Richtig übersetzt wird der Begriff „Casting Director“, als Castingregisseur, allerdings findet dieser Ausdruck kaum Benutzung. Die Tätigkeit des Casting Directors wird in der Branche mit Wortschöpfungen wie „Castingdirektorin“, „Castingfrau“ oder „Casterin“ umschrieben.[6]

Casting gilt allgemein als Sammelbegriff für Besetzungstätigkeiten in unterschiedlichsten Mediensektoren: „Die Suche und Auswahl von Darstellern ist nicht nur für Spielfilme eine zentrale Aufgabe; auch für Werbung, Image oder Schulungsfilme.“[7]

In seltenen Fällen wird Casting als künstlerische Tätigkeit beschrieben, meistens aber als reine Dienstleistung betrachtet. Der Beruf des Casting Directors wird somit als Zulieferer von denjenigen Schauspielern betrachtet, die für das Medium Kino in den Augen von Regisseur und Produzent die Drehbuchvorgaben erfüllen. Manche beschränken die Tätigkeit des Casting Directors gar auf die Besetzung der Nebenrollen. Die Herausstellung eines besonderen Könnens fand ich allein in folgender Definition: „Unter dem Begriff Casting (oder Deutsch Besetzung) ist in Bezug auf die Produktion von Kinofilmen generell visuelles Vorstellen von Mitwirkenden zu verstehen.“[8]

In sämtlichen medialen Sektoren ist Casting eine aus Amerika übernommene Dienstleistung, eine Server- und Selectortätigkeit, für die ein bestimmtes visuelles Vorstellungsvermögen benötigt wird, die aber kein Beruf ist. Allgemein ist wenig über den Beruf des Casting Directors bekannt und Literatur gerade für das Preproduktions-feld des Kinocastings spärlich.

Trotz der jüngsten Bemühungen Medienberufe greifbar zu machen, bleibt der Beruf des Casting Directors offenbar noch immer ein Stiefkind.

3.2 Ein Blick auf die historische Entwicklung des Castings

Um die Bedeutung einer beruflichen Annerkennung besser nachvollziehen zu können, ist es meines Erachtens wichtig einen Einblick in die historische Entwicklung dieses Berufes zu bekommen.

Da die USA das Mutterland des Kinos und des Fernsehens darstellen, ist es auch sicher nicht verwunderlich, dass die Entwicklung des heutigen Casting Directors dort seine Ursprünge fand.

3.2.1 Entstehungsgeschichte in den USA

Anfang der 40er Jahre war das führende Managementsystem noch vornehmlich das Producer-Unit-System, die zu den Entscheidungsträgern der Studios avancierten Produzenten beherrschten den Markt. Als diese Form des Studiosystems in den Augen des Staates zu mächtig geworden war und eine Monopolstellung innehatte, kam es zu einem bisher einzigartigen Eingriff in die amerikanische Filmindustrie von Seiten des Staates.

Das Sherman Antitrust Law sollte in Zukunft verhindern, dass die Konzerne nur ihre eigenen Filme zuließen, während kleinen unabhängigen Filmproduzenten, den so genannten Independents, der Weg zur möglichen Popularität verweigert wurde.

Die grossen Produktionsfirmen mussten sich von Kinoketten trennen, mit denen sie den Absatz ihrer Filme gesichert hatten.[9] Über die Realisierung von Projekten entschieden nun nicht mehr das Producer - Unit System, sondern die Gesetze des freien Marktes, auf den sich nun auch die kleinen Produktionsfirmen drängten.

Intern reagierten die Studios mit Mitarbeiterreduzierung, Verkleinerung ihrer Studios, sowie dem Verkauf von Teilen ihrer Anlagen. Casting Departments verschwanden. Produktionsaufträge wurden nicht mehr Inhouse mit einem festen Stab produziert, sondern auf dem freien Markt an denjenigen vergeben, der am besten und preiswertesten arbeitete.[10]

Ehemals von Studios angestellt, waren die Filmfachleute nun auf dem freien Markt und mussten sich neu orientieren, um ihren Fähigkeiten entsprechend einen neuen festen oder zeitweiligen Arbeitgeber zu finden.

Im Unterschied zu der Kinobranche hatte das Fernsehen keine finanziellen Probleme. Von Beginn an wurden Fernsehshows von Sponsoren finanziert. Das Fernsehen war in den USA bei seiner Einführung als Luxusartikel sehr beliebt und gewann innerhalb weniger Jahre eine große Bedeutung für den amerikanischen Medienmarkt.[11] So kam es dazu, dass neben den Casting Directors auch andere ehemalige Angestellte der Studios in den TV–Sektor wechselten. Auch die Filmkonzerne begannen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation, ihre Produktionskapazitäten zunehmend auf den Bereich des Fernsehens zu verlagern.

Von der institutionellen Struktur ihres Arbeitens differenziert man seit den 70er Jahren zwischen zwei verschiedenen Arten von Casting Directors, den Inhouse Casting Director und den Independent Casting Director. Während der Inhouse Casting Director fest in einem Studio angestellt ist, arbeitet der Independent Casting Director freiberuflich.

In den 50er Jahren gab es noch keine Independent Casting Directors. Dennoch lässt sich am Beispiel des Paramount Film Studio, ein für diese Zeit äußerst spezialisiertes und hierarchisch geordnetes Casting Department ausfindig machen, an dessen Spitze ein Head Casting Director stand, dem rund ein Dutzend Angestellte untergeordnet waren. An unterster Stelle war der Talent Scout. Seine Aufgabe war es neue Gesichter von der Strasse zu holen und im Casting Department für eine mögliche Schauspielausbildung vorzustellen. Als Vorläufer des ersten Casting Departments kann die Central Casting Agency, eine Kontrollinstanz, gesehen werden. Initiator war der Vorsitzende des Dachverbandes der Major Companies Willhelm Hays, der so gegen den „anstößigen“ Lebenswandel mancher Schauspieler vorgehen wollte. Diese Casting–Abteilungen waren Vorläufer der Casting–Büros im heutigen Verständnis. Die Tätigkeit Casting Director entwickelte sich daraus erst in den folgenden Jahrzehnten.[12] Da die Investition auf einen Hoffnungsträger mit hohen Kosten verbunden war und die Gefahr bestand, dass die zu Stars aufgestiegenen Schauspieler die Studios verließen, wurden sie unter feste Verträge genommen. Dabei war der Aufgabenbereich des Casting Departments zweigeteilt. Einerseits ging es darum aus dem Pool der Festangestellten Schauspieler zu schöpfen um künftige Filme zu besetzen; andererseits sorgte das Casting Department für Nachschub und nahm neue Talente in die Datei auf. Die letzte Entscheidung lag allerdings beim Produzenten, so dass das Casting Department lediglich eine Vorauswahl anbot.

Bedingt durch die Umstrukturierung der großen Studios wurden die Casting Departments auf ein Minimum beschränkt und viele Angestellte entlassen.

Viele dieser ehemaligen Festangestellten der Studios, so auch aus den Casting Departements wurden arbeitslos und fanden eine Anstellung im TV–Bereich. Diese neue Verfügungsgewalt legten die Stars nun in die Hände von Agenturen und Managementfirmen wie William Morris Agency, International Creative Management und Music Corperation of America (MCA), aber auch der Einfluss der Independent Casting Director galt von Produzentenseite anfänglich als eine Art Selektionsinstanz, die aus dem großen neuen Pool von Schauspielern schöpfen musste, aber vor allem auch als neutrale Person im Vergleich zu Agenten und Managern, die zunehmend daran interessiert waren, möglichst viele ihrer Stars in einer Produktion unterzubringen.

Die neu gegründete Branche der Independent Casting Directors musste sich selbst einer gewissen Form des Castings unterziehen: nicht mehr im Angestelltenverhältnis der Studios mussten sie sich einen Namen erarbeiteten. So machten sie sich eigenständig und eröffneten eigene Büros. Nur wer die erforderliche Kunstfertigkeit zusammen mit einer gewissen Geschäftstüchtigkeit besaß, überlebte auf dem freien Markt.

3.2.2 Entstehungsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland

Das deutsche Mediensystem ist andersartig verfasst als das Amerikanische. Noch heute sind staatliche Filmförderungen gerade für Spielfilme in ganz Europa unabdingbar. Für Deutschland ist das Fernsehen eine zweite wichtige Förderungsinstanz.

Wie in Amerika drängte nach dem zweiten Weltkrieg das Fernsehen auf den Markt, anders als dort gab es jedoch nur ein Programm, und dies war kein rein wirtschaftlich orientiertes System, sondern lag in Staatshänden.

Als das Zweite deutsche Fernsehen (ZDF) zu Beginn der 60er Jahre hinzukam und wegen seiner geringen Produktionskapazität von Anfang an nach amerikanischen Muster Auftragsarbeiten vergab, drängten zunehmend Filmproduzenten in das Fernsehterrain der öffentlichen – rechtlichen Sender.

Mit Beginn der 80er Jahre kam es zu einer Wende in der Filmpolitik, sowie zu einer gravierenden Strukturveränderung des gesamten deutschen Mediensystems. Thilo Kleine bezeichnet sie als den „medienpolitischen Urknall“[13], da sich für die beiden öffentlichen – rechtlichen Sender ARD (Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands) und ZDF 1984 erstmals durch die privaten Fernsehanbieter eine marktwirtschaftliche Konkurrenz auftat. Via Kabel und Satellit verbreiteten sie Vollprogramme, die zunächst von den Anteilseignern und später weitgehend durch den Verkauf von Werbezeiten finanziert wurden. Dabei war das Programm genau genommen lediglich eine Kopie der breiten Palette des US – Fernsehens: Sitcoms, Gameshows, Talkshows und vor allem TV – Movies.

Doch nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei dem Mitarbeiterstab lässt sich ein „Crossoverphänomen“, wie ich es bezeichnen möchte, feststellen. Renommierte Produktionsfirmen, Regisseure, Schauspieler und die meisten Casting Directors, sind bei der Produktion von hochqualitativen Spielfilmen gleichermaßen im Fernseh- und Kinosektor tätig. Die Ausführungen belegen, dass man in Deutschland also besser von einer gemeinsamen Spielfilmbranche, als von einer separierten Kino- und Fernsehspielfilmbranche spricht.

Das die Tätigkeit oder der Beruf eines Casting Director jedoch nicht ganz neu ist, wie oftmals gedacht, beweist die Tatsache, dass es auch in Deutschland Casting – oder besser gesagt Besetzung – gab seitdem Schauspieler als Akteure für Filme benötigt wurden. Erstmals erwähnt wurden sie als Besetzungsbüros in den alten Studios (Bavaria wie Babelsberg) und später auch in den Fernsehanstalten.

In den 50 Jahren war die deutsche Kinobranche so klein, dass man die Schauspieler kannte und Besetzung noch in den Aufgabenbereich von Regie und Regieassistenz fiel. Erst langsam entwickelte sich das Besetzungsmetier als ein Spezialgebiet und als eigenständige Tätigkeit, ein anerkannter Beruf ist es bis heute nicht.

Als Pendant zum amerikanischen Independent Casting Director, gab es Casting Directors in Deutschland schon Ende der 70er Jahre, bevor weder das Privatfernsehen, die Förderungssysteme auf Länderebene, noch die deutschen Independents auf dem Markt waren. Zu nennen wären bspw. Risa Kes, Sabine Schroth und An Dorthe Braker. Betrachtet man hier nur im Einzelnen den Werdegang dieses „Castingurgesteins“, so lässt sich weder ein exakter Entstehungszeitpunkt des Berufes noch ein allgemein verbindlicher Werdegang, wie z.B. von der Regieassistentin zum Casting Director feststellen.

Für den deutschen Kinobereich lässt sich festhalten, dass Besetzung bis Ende der 80er Jahre in der Kalkulation der Budgets noch nicht berücksichtigt wurde.

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre erlebte der deutsche Castingbereich seinen Durchbruch, als erste freie Besetzungsbüros eröffnet wurden.

Erste Erfolge sind damit zu nennen, das Horst D. Scheel 1988 für den deutschen Kinospielfilm „Die Katze“ mit Götz George in der Hauptrolle, erstmalig eine Abspannnennung unter dem Terminus „Casting“ erhielt.

Als dann Mitte der 90er Jahre die neuen Privatsender und im speziellen der Markt für TV-Movies boomte, stieg neben der Nachfrage nach Schauspielern auch die nach Castingfachpersonal, so dass viele Neueinsteiger nun versuchten, sich auf dem Markt durchzusetzen. Analog zu Amerika mussten sich nicht nur Schauspieler und Agenten, sondern auch Casting Directors auf dem freien Markt beweisen.

Die Leistung von Casting Directors, also die Besetzung aller Haupt- und Nebenrollen, wurde erstmalig als Frontcredit für Casting honoriert und die Castingbranche so verstärkt in das Bewusstsein der Branche, sowie des Zuschauers gehoben .

Die Anstellung von Casting Directors für die Besetzung hochqualitativer Spielfilme, ist zwar heute Gang und Gebe, die Honorierung ihrer Arbeit mit einem Frontcredit allerdings nicht immer. Heute wie damals sind Abspannnennungen Ermessenssache der Verleiher, motiviert durch den Produzenten, Regisseur und zunehmend auch durch den Redakteur.

Gegen die Besetzungsbüros der öffentlich – rechtlichen Sender (Privatsender hatten nie eigene Besetzungsbüros), hatte sich der „freie Casting Director“ nun durchgesetzt.

3.3 Das Tätigkeitsfeld eines Casting Directors

„Ach, dann kommen bei Euch die Leute vorbei, die berühmt werden möchten?“, war eine der meist gestellten Fragen während meines Praktikums in der Agentur Anja Dihrberg Casting. Oft klingelten Leute aber auch einfach so, mit der Begründung, sie haben das Wort Casting am Türschild gelesen und wollten nun mit unserer Hilfe Model, Sänger und auf jeden Fall berühmt werden.

Während dieser Zeit wurde mir klar, wie wenig eigentlich über die Beschäftigung eines Casting Directors bekannt ist. Allzu häufig werden diese – auch bedingt durch die verschiedenen Fernsehshows à la „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Popstars“, bei welchen die Kandidaten die so genannten Castings durchlaufen müssen – mit Talent- oder Modelscouts verwechselt. Zwar legen qualifizierte und seriöse Casting Directors ihr Hauptaugenmerk, wie auch die Talent- und Modelscouts, auf die Entdeckung neuer frischer und vor allem talentierter Gesichter, bspw. durch häufige Theaterbesuche bei Vorstellungen mit unbekannten Schauspielern, aber verdienen sie im Gegensatz zu den Talentsuchern nicht mit der Vermarktung dieser ihr Geld, sondern durch die Zusammenstellung eines qualitativ hochwertigen Ensembles in der Besetzung eines Projektes.

Bedingt durch solche Unsicherheiten in Punkto Begriffsdefinierung und Eingrenzung, haftet den Casting Directors oft ein unseriöses Image an. Um sich von dieser Reputation zu entfernen und auch um das Berufsbild des Casting Directors in Deutschland zu begründen, zu festigen und letzten Endes instand zu halten, wurde der BVC gegründet. Letztendlich ist es die Aufgabe eines Casting Directors an Hand von Drehbüchern, Archiv und Erfahrungswissen Vorschläge für passende Darsteller für Film, Fernseh- oder Werbeproduktion zu machen. Dabei kooperieren sie eng mit Regisseur und Produzent.[14]

3.4 Eine Erläuterung der medialen Hilfsmittel

„Wir alle leben von der Kommunikation.“[15]

3.4.1 Das Drehbuch

Die erste Begegnung mit den zu besetzenden Rollen erfolgt für den Casting Director durch das Drehbuch. Dabei lässt sich folgender Arbeitsablauf festhalten: Beim ersten Lesen entwickeln sich visuelle Vorstellungen zu den Figuren, die sich die meisten Casting Directors schriftlich notieren. Figuren werden im Drehbuch auf zwei Weisen charakterisiert: Zunächst durch Beschreibungen, wie beispielsweise „Karl: 5 Jahre, blaue Augen, „Stupsnase“, die sich zum Typ „Frechdachs“ zusammenfassen ließen.

Darüber hinaus gibt es psychologische Drehbuchbeschreibungen wie „wirkt ängstlich“ oder „hat dieses gewisse Etwas“. Die besten Drehbücher sind frei von körperlichen Zwangsvorgaben; unkonkrete psychologische Kriterien sind dagegen hilfreicher, um dem Schauspieler einen möglichst hohen individuellen kreativen Freiraum zu ermöglichen. In vielen Fällen, bei denen Schauspieler als Typen gecastet wurden, hat sich heute die schauspielerische Wandlungsfähigkeit als unabdingbar erwiesen. Dennoch bleibt der Typ als körperliche Erscheinung Grundvoraussetzung für die Auswahl.

3.4.2 Vita und Foto

Laut dem Casting Director Thomas Biehl ist „das Foto [der] erste Kommunikationsträger zwischen dem Schauspieler und dem Regisseur.“[16] Nähere Details zur bisherigen Schauspielerlaufbahn vermittelt dann die Vita. Wie in Amerika zeigt diese heute meist die letzten Projekte geordnet nach Theater, Film und Fernsehen mit Jahr, Titel, Rolle, Regisseur und Spielstätte mit Intendant, Sender oder Produktionsfirma mit Sender. Darauf folgen persönliche Angaben wie die besuchte Schauspielschule, Alter, Besonderheiten, Größe, Sportarten, Augenfarbe, Führerschein etc. Diese Koppelung von Bild und Text ist seit Mitte der 90er Jahre in den Agenturkatalogen Gang und Gebe. Eingeführt von der neuen Agenturgeneration ist es seitdem Standard, als Agentur einen hauseigenen Katalog mit seinen Schauspielern oder sonstigen Filmklienten anzubieten.

Die Wichtigkeit des Fotos als mediale Hilfestellung, um sich ein Bild vom Schauspieler zu machen, ist soweit ausgereift, dass es Spezialfotografen gibt, die einen Schauspieler mit spezieller Typberatung ablichten. Thomas Biehl möchte beispielsweise „dass das Foto eine möglichst hohe Übereinstimmung mit der Person hat, die zur Tür reinkommt – Natürlichkeit ist wichtig. Das Foto soll mir die Fantasie lassen, in welche Richtung der Schauspieler spielen kann. Die Augen sind der Spiegel zur Seele.“[17] Die Tendenz zu großen Fotos und Portraits ist heute eindeutig. „New York actors have the best, most natural looking publicity shots, casting directors say, while L.A. actors have the most gimmicky pictures imaginable.”[18] Dass der erste Eindruck vom Gesicht ausgeht, zeigt sich auch in einer besonderen Form des Agenturkataloges, einem Posterkatalog, der den Schauspieler neben allen anderen Klienten der Agentur im Portrait festhält. Auf diese Weise erfolgt beim Betrachter eine schnelle Kopplung der Informationsstränge des visuellen Bildes mit dem Namen des Schauspielers: „Es ist klasse, wenn der Name unter dem Bild steht, was sich bislang nur vereinzelt durchgesetzt hat. Die hängst Du dir dann an die Wand und hast sofort den Namen parat.“[19]

3.4.3. Das Demoband

Während in der Anfangszeit der neuen Agenturen alle Schauspieler auf einem einzigen Demoband waren, besitzt heute jeder Klient ein eigenes Band. CD-ROMs und DVDs sind die neuen technischen Datenträger, die sich mittlerweile auf dem Markt etabliert haben und das Video abzulösen beginnen. Auf dem jeweiligen Datenträger befindet sich ein Zusammenschnitt von fünf bis fünfzehn Minuten langen Filmsequenzen der bisherigen Projekte. Bei Nachwuchsschauspielern kann es sich auch um Zusammenschnitte bisheriger Casting - Auftritte handeln. Generell fassen Demobänder die besten schauspielerischen Leistungen zusammen und verknüpfen sie thematisch, gewöhnlich mit musikalischer Untermalung, um so das Image des Schauspielers zu verkaufen.

Für Nachwuchsschauspieler ist gerade das Demoband der einzige Weg, von Regisseuren, Redakteuren, Produzenten und vor allem Casting Direktoren gesehen zu werden. Denn anders als in Hollywood, wo praktisch alle Nachwuchsschauspieler vor Ort sind und sich problemlos zum Vorsprechen laden lassen, sind die Zentren des Filmbusiness in Deutschland auf die vier Großstädte Berlin, München, Hamburg und Köln verteilt. Festzuhalten ist für das Videoband in Ergänzung zum Foto, dass es das menschliche Gesicht lebendig macht, einen tiefergehenden Einblick in die Fähigkeiten des Schauspielers ermöglicht und ein fundiertes Urteil über seine Eignung für die Rolle zulässt. Diese mediale Erweiterung unterstützt die zuvor aufgestellte These, dass nicht nur der Typ, sondern auch die Schauspielleistung ausschlaggebend für die Besetzung ist.

3.4.4 Das Livecasting

Aus vier relevanten Gründen werden Livecastings angesetzt. Neben der Hauptfrage, ob der Typ passt, gelten sie auch als Mittel zur Chemieüberprüfung zwischen Regisseur und Schauspieler, zur Ensembleüberprüfung und zum Szenentest des Drehbuchs. Ein ganz entscheidender Unterschied liegt im Vorselektionsprozess des US–Livecastings zum deutschen Livecasting, denn im Gegensatz zum Archiv des deutschen Casting Directors besteht ein amerikanisches Castingbüro oft nur aus unzähligen Projektordnern der letzten Arbeiten; amerikanische Agenturen besitzen keine Kataloge mit Fotos und Vitae und auch keine Demobänder. Dies liegt in der Eigenverantwortung des Schauspielers.

Während in Amerika fünfzig bis hundert Schauspieler für eine Nebenrolle eingeladen werden und der Regisseur erst bei der Endauswahl anwesend ist, werden in Deutschland für eine persönliche Begegnung mit dem Regisseur meist vier bis acht Schauspieler pro Rolle eingeplant.[20] Dabei muss beachtet werden, dass es sich deutsche Casting Directors zu eigen gemacht haben, im Vorfeld bereits ohne ein konkretes vorliegendes Projekt Schauspieler mit Demoband einzuladen, um auf diese Weise den Schauspielertypen und seine Kamerapräsenz zu testen.

Für ein optimales Livecast unterscheidet man in drei Stufen: Die generelle „Typ- und Talentaufnahme“, dem „Szenenrecall“ in dem der Schauspieler spezifisch für das Projekt in Augenschein genommen werden soll, sowie der Präsentation der Endauswahl in Anwesenheit des Regisseurs. Gerade die erste Begegnung bei der Typ- und Talentaufnahme ist für Ingeborg Molitoris von entscheidender Bedeutung: „ Es geht um den Typ. Was macht er mit dem Text? Was bietet er an? Wie schnell setzt er was um und wie bringt er sich ein? Was bringt er mit?“[21] Für alle drei Stufen gibt es verschiedene Möglichkeiten bei der Aufzeichnung: „Das Gespräch, bei dem die Kamera mitläuft, das Cold reading, die Improvisation, der Monolog, 2er-Szene am Tisch mit Schuss Gegenschuss, 2-3er Szene in Bewegung, Call back in Kostüm und Maske.“[22]

In Deutschland hat sich die Improvisationstechnik des Cold readings nach amerikanischem Prinzip durchgesetzt.

3.4.5 Das Archiv

Durch tägliche Bewerbungen neuer Schauspieler und Einsendung aktueller Fotos, Vitae, Videos oder Kataloge bedarf es einer täglichen Aktualisierung des Archivs. Im Laufe der Jahre haben dabei die Casting Directors angefangen, ihre Materialien zusätzlich im Computer zu archivieren.

Im Folgenden möchte ich auf Outcast und deren Internetableger Filmmakers hinweisen. Als „Schauspielercasting im Internet“ haben die Casting Directors Thomas Biehl und Clemens Erbach ihre virtuelle Schauspielerkartei von 1994 in das World Wide Web gestellt: „Durch die immer stärkere Verzweigung der Branche und den immer höheren Zeitdruck haben wir uns entschlossen, ein professionelles Werkzeug für alle am Besetzungsprozess Beteiligten im Internet anzubieten.“[23] Unter http://www.filmmakers.de können angemeldete Nutzer für eine Monatspauschale von derzeit 35 Euro auf die Datensätze von ca. 13.500 Schauspielern aus dem deutschsprachigem Raum zurückzugreifen. Gegenüber anderen Firmen, die zwar den marktwirtschaftlichen Bedarf erkannten, aber bei „Null“ anfangen mussten, hat sich Filmmakers durch das seit Jahren aufgebaute Outcast Archiv etabliert: Zugang zu diesem Arbeitsmittel haben nur „Branchenprofis“, das heißt eben die genannten Gruppen von Redakteuren, Produzenten und Casting Directors, die neben der Recherche über ein integriertes E-Mailprogramm schnell Kontakt zueinander aufnehmen können. Auf diese Weise ermöglicht die Internetdatenbank eine leichte Kommunikation. Letztlich liegt der Erfolg der Datenbank in der Zeitersparnis, denn auf diese Weise können in der immer schneller produzierenden Branche mehrere Projekte gleichzeitig betreut werden. Durch die Datenbank wird der Schauspieler zwar in Erinnerung gerufen; das persönliche Kennen des Schauspielers bleibt jedoch unbedingt erforderlich. Die Datenbank liefert im Grunde genommen nur einen schnellen Rückgriff auf Schauspieler, dennoch bleibt die Suche des jeweiligen Casting Directors innovativ. Darüber hinaus bedürfen beispielsweise Schauspielschulabgänger weiterhin der persönlichen Aufmerksamkeit und das äußerst komplexe und sensible Feld des Kindercasting ist ebenso nicht erfasst.

3.5 Wie ein (Film-) Projekt besetzt wird – Ablauf

„Die schönsten Momente sind, wenn in Zusammenarbeit mit dem Regisseur ein Ensemble entsteht.“[24]

Betrachtet man die deutsche Castingbranche, so zeigt sich, dass es den typischen Castingarbeitsablauf für Spielfilmprojekte nicht gibt. Für jeden Castingprozess müssen die Kompetenzbereiche der Handelnden insofern neu in Relation gesetzt werden, als das die Handelnden zwar gleich sein mögen, es aber Variablen wie das Budget gibt, die die Aktionen der Betroffenen bestimmen. Im Regelfall vollzieht sich „die Besetzung anhand von Agenturkatalogen, in denen die Schauspieler mindestens mit Foto und Filmographie präsentiert werden.“[25] Laut Schmidt, hat „diese immer wieder eingesetzten Gesichter […] in vielen Filmen Zuverlässigkeit bewiesen, und Zuverlässigkeit spielt bei der Besetzung zuweilen eine grössere Rolle als Können.“[26] Die tendenziell teurere Alternative zum Katalogcasting ist „der Einsatz von Dienstleistungsunternehmen, die sich auf Rollenbesetzung spezialisiert haben. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass auf dem Markt neue Gesichter kommen. […] Insbesondere bei Öffentlich –Rechtlichen werden solche Casting – Dienstleister auch mit Argwohn betrachtet, weil sie als Modeerscheinung aus den USA gelten.“[27]

Trotz allem verläuft die Arbeit der Besetzungsberater meist in einer klaren Abfolge. Mit dem Durcharbeiten des Drehbuchs werden die ersten Listen von möglichen Besetzungen der einzelnen Rollen zusammengestellt. Diese Vorauswahl wird in Regiebesprechungen mit Regisseur, Produzent und meist auch Redakteur diskutiert. Dies erweist sich nicht immer als einfach, da die jeweiligen Vorstellungen von einem Rollencharakter doch recht subjektiv sind und die Geschmäcker bezüglich eines Schauspieler häufig variieren. Ein guter Casting Director ist gezwungen zu „ […] versuchen, Regisseur, Produzent und Redaktion unter einen Hut zu bekommen. Das ist manchmal gar nicht so einfach.[28]

Zudem ist es bei der Suche der einzelnen Darsteller von Bedeutung nicht das Gesamtkonzept aus den Augen zu verlieren. „Es ist wichtig sich zu überlegen, wer zusammenpasst.“[29], erklärt Casting Director Heta Mantscheff.

Generellen Vorgesprächen bezüglich des Hauptcasts folgt die intensivere Gesprächsphase mit dem Regisseur, der letztlich auch dem Casting Director als zwischenmenschlichen Berater in Anspruch nimmt. In jedem Falle stellt sich ein „Puzzleakt“ ein, denn später muss die Geschichte im Gesamten stimmen, auch die kleinsten Rollen müssen in die Komparserie passen. Letztlich ist es also mehr als nur eine Typfrage, ob eine Besetzung später in das künstlerische und wirtschaftliche Gesamtkonzept passt. Gleichzeitig kann die Erfahrung eines Casting Directors eine entscheidende Rolle spielen. „Der Erfolg der Serie ist auch mit auf meine Arbeit zurückzuführen. Ich achte sehr darauf, diese Durchschnittsfiguren mit absolut professionellen Schauspielern zu besetzen. Ich vertrete dabei das Interesse der Zuschauer[30], meint Horst Scheel selbstbewusst. Damit unterscheide er sich stark von der Arbeit beispielsweise bei Dailys, wo nur oberflächlich und nach äußerer Erscheinung gecastet würde: „Diese Darsteller sind meist Durchlauferhitzer ohne größere Professionalität.“[31]

[...]


[1] Der Bundesverband Casting (BVC) e.V. wurde am 24. Juni 2003 während der Cologne Conference als der Berufsverband der Casting Directors in Deutschland gegründet. Seither informiert und unterstützt der Verband seine Mitglieder in berufsständischen Fragen und verpflichtet sie zu einer fachgerechten Berufsausübung. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Image des Berufsstandes des Casting Directors zu fördern und Kenntnisse darüber publik zu machen. Der Beruf Casting wird auf diese Weise in der Fachwelt und der beträchtlicheren Allgemeinheit repräsentiert. Dabei stehen die Informationsvermittlung und der Dialog mit der Filmbranche im Vordergrund der Arbeit des BVC. (Quelle: http://www.castingverband.de/start.htm)

[2] Unter halbsstrukturierten Interviews versteht man die Sorte Konversation, die bereits längerfristig terminlich vereinbart worden sind und bei welchen bereits vor dem Gespräch die Thematik sowie Gesprächsführung im groben umrissen wird, um sicherzustellen, dass die Interviewpartner die Möglichkeit erhalten, sich inhaltlich vorzubereiten (Quelle: vgl. Russel 1994, 208ff)

[3] Braker, A. In: Weidinger 1997

[4] Kühner A. /Sturm T. 2000, 53

[5] Ebd., 38

[6] vgl. www.elle.de

[7] http://www.aim-mia.de

[8] Roth, R. 1985, 49

[9] vgl. Dorn 2000, 208

[10] vgl. Dorn 2000, 207-209

[11] vgl. Schäffner, B. 2001, 179

[12] vgl. Prokop, D. 1988, 88

[13] Kleine, T. 1994, 248

[14] vgl. www.medienhandbuch.de

[15] Schroth In: Gallasch, P. 2002, 103

[16] Biehl, T. In: Gallasch, P. 2002, 71

[17] ebenda

[18] Murphy, R. CSA Brief vom 29.6.2005

[19] Molitoris In: Gallasch, P. 2002, 97

[20] vgl. Gallasch, P. 2002, 84

[21] Molitoris In: Gallasch, P. 2002, 98

[22] Schroth In: Gallasch, P. 2002, 104

[23] Filmmakers Broschüre 2002

[24] Schott, I. In: Blickpunkt Film 15/99

[25] Kauschke, A. /Klugius, U. 2000, 181

[26] Schmidt, S. 1994, 121

[27] Kauschke, A. /Klugius, U. 2000, 182

[28] Zurmühlen, S. In: Blickpunkt Film 15/99

[29] Mantscheff, H. In: Blickpunkt Film 15/99

[30] Scheel, H. In: Blickpunkt Film 16/99

[31] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Beruf oder Berufung - Wie wird die Tätigkeit des Casting Directors zum anerkannten Beruf?
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
79
Katalognummer
V47644
ISBN (eBook)
9783638445412
ISBN (Buch)
9783656712084
Dateigröße
797 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit entstand im Rahmen des Cultural Engineering Studiums (Kulturwissenschaft, Wissensmanagement und Logistik). Der hauptteil der Arbeit bezieht sich auf das Fach Wissensmanagement, dieses war aber hier nicht aufgelistet.
Schlagworte
Beruf, Berufung, Tätigkeit, Casting, Directors, Beruf
Arbeit zitieren
Vivian Damaschun (Autor:in), 2005, Beruf oder Berufung - Wie wird die Tätigkeit des Casting Directors zum anerkannten Beruf?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47644

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Beruf oder Berufung - Wie wird die Tätigkeit des Casting Directors zum anerkannten Beruf?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden