Kreuz und Quer. Die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal unter Berücksichtigung musiksoziologischer, religionswissenschaftlicher und marketingspezifischer Aspekte


Bachelorarbeit, 2017

78 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

1 Einleitung

2 Methodik
2.1 Situation und Position des Verfassers
2.2 Methodische Herangehensweise

3 Theoretische Grundlagen
3.1 Kreuz und Kruzifix
3.1.1 Etymologischer Hintergrund
3.1.2 Das Jäger- und das Mutterkreuz
3.1.3 Das Opferkreuz
3.1.4 Das Jesuskreuz
3.1.5 Kreuz und Kruzifix in der Kirchengeschichte
3.1.6 Kreuz und Kruzifix in der christlichen Kunst
3.2 Metal
3.2.1 Etymologie und Bedeutung des Metal-Begriffs
3.2.2 Entstehungsgeschichte des Metal
3.2.3 Entwicklung und Ausdifferenzierung des Metal
3.3 Semiotik
3.3.1 Bedeutung des Semiotik-Begriffs
3.3.2 Syntaktik, Semantik, Pragmatik – Die drei Teildisziplinen der Semiotik
3.3.3 Signifikant und Signifikat – Die Grundelemente des Zeichens
3.3.4 Symbol, Ikon, Index – Die drei Zeichentypen
3.3.5 Kreuz und Kruzifix als Zeichen

4 Vier funktionale Aspekte der Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal in Anlehnung an Anna-Katharina Höpflinger
4.1 Überblick
4.2 Normativ-weltanschaulicher Aspekt
4.3 Abgrenzung
4.4 Zugehörigkeit
4.5 Ästhetisierung
4.6 Zwischenfazit: Populäre Religion

5 Herausforderungen durch die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal
5.1 Überblick
5.2 Um Gottes Willen, wir sind keine Christen: Ein Missverständnis
5.3 Der Kreuz(rück)zug: Zwischen Rebellion und Gewohnheit
5.4 Grenzwertige Kunst: Zensur und Grenzen von Kreuzdarstellungen

6 Semiotisches Marketing - Wenn Semiotik und Marketing sich kreuzen
6.1 Relevanz und Definition des semiotischen Marketings
6.2 Semiotisches Marketing nach Katsumi Hoshino
6.3 Mit semiotischem Marketing Herausforderungen begegnen

7 Schlussbetrachtung

Anhang 1 „Marilyn Manson. Antichrist revisited“

Anhang 2 „Powerwolf-Interview von Markus Jakob für metalnews.de“

Anhang 3 „Ehrenwörtliche Erklärung“

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Abbildungsquellen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Unterkiefer mit Schrägkreuz

Abb. 2: Schrägkreuz mit senkrechter Geraden

Abb. 3: Koordinatenkreuz

Abb. 4: Planquadrate auf Münzen

Abb. 5: Neolithische Kreuzfigur (Zypern)

Abb. 6: Radkreuz auf Grabstein

Abb. 7: Anthropomorphe Kreuze mit starren, bedrohlich wirkenden Zügen (Zypern)

Abb. 8: Auswahl christlicher Kreuzformen

Abb. 9: Ausschnitt Isenheimer Altar (ca. 1505)

Abb. 10: Kruzifix von Grosz (1928)

Abb. 11: Pioniere: Deep Purple (1968), Led Zeppelin (1968), Black Sabbath (1970)

Abb. 12: Heavy Metal: Motörhead (1976), Judas Priest (o.J.), Iron Maiden (1982)

Abb. 13: Testosteron vs. Glitzer: Manowar (1984), Mötley Crüe (1985)

Abb. 14: Zeichenmodell nach de Saussure

Abb. 15: Zeichenmodell nach Peirce

Abb. 16: Stryper verwenden lateinische Kreuze bei ihrer Bühnenshow

Abb. 17: „Holy Wood“-Cover

Abb. 18: M. Mansons Kreuz aus Waffen

Abb. 19: Inverses Kreuz im Black Metal: „Helvete“-Logo, Mayhem-Sänger A. Csihar

Abb. 20: „Preachers Of The Night“-Cover

Abb. 21: O. Osbourne mit Kreuzkette

Abb. 22: Lateinisches Kreuz, Kruzifix und Christusmonogramm bei Powerwolf

Abb. 23: Eric Clayton (Saviour Machine) vs. Attila Dorn (Powerwolf)

Abb. 24: Zensiertes „Holy Wood“-Cover

Abb. 25: „Fuck Me Jesus“-T-Shirt

Abb. 26: „The Semiotic Marketing Process“ von K. Hoshino

Abb. 27: „All Is One“-Cover

Abb. 28: Orphaned Land-Bandfoto (2013)

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: „Marilyn Manson. Antichrist revisited“

Anhang 2: „Powerwolf-Interview von Markus Jakob für metalnews.de“

Anhang 3: „Ehrenwörtliche Erklärung“

1 Einleitung

Lateinisches Kreuz, Petruskreuz, Christusmonogramm etc.: Das christliche Kreuz gehört in seinen verschiedenen Ausprägungen seit dem Aufkommen des Metal in den siebziger Jahren zu dessen Repertoire an Symbolen. Dieser Rückgriff auf das christliche Kreuz stößt nicht nur auf Zustimmung, sondern sorgt auch für zahlreiche Kontroversen, bei denen verschiedenste Akteure1 beteiligt sind. Häufig wird die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal ober- flächlich als bloße Provokation oder plakative Vermarktungsmaßnahme abgetan. Bei ge- nauerer Analyse entpuppt sie sich jedoch als ein reizvolles, tiefgreifendes Phänomen, das „kreuz und quer“ zu Denkanstößen führt: Wie und warum integrieren Metalbands das christli- che Kreuz in ihr künstlerisches Schaffen? Was bedeutet die Verwendung für die christliche Religion? Welche Herausforderungen entstehen bei dieser Verwendung vor allem im Hin- blick auf die Deutung bei den Rezipienten? Und wie kann den Herausforderungen mithilfe des semiotischen Marketings begegnet oder gar vorgebeugt werden?

2 Methodik

2.1 Situation und Position des Verfassers

Die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal wurde bisher hauptsächlich in Bezug auf die Black Metal-Subkultur abgehandelt2, wobei eine den gesamten Metal einbeziehende mu- siksoziologische und religionswissenschaftliche Thematisierung ausblieb. Den ersten Ansatz einer solchen umfassenden Auseinandersetzung unternahm der Verfasser im Rahmen des Wettbewerbes „Christentum und Kultur“ mit seiner Arbeit „Kreuz und Quer. Das Kreuz und seine Bedeutung im Musikstil Metal“, mit der er 2014 den dritten Platz belegte. In den darauf- folgenden Jahren erweiterte der Verfasser während des Musikbusiness-Studiums an der Popakademie Baden-Württemberg sein Fachwissen vor allem im Hinblick auf marketingspe- zifische Aspekte. Dadurch ergaben sich neue Anknüpfungspunkte, die Teil dieser Arbeit sind.

2.2 Methodische Herangehensweise

Nachdem im zweiten Kapitel die Position des Autors und die methodische Herangehensweise geklärt wurden, erfolgt im dritten Kapitel ein theoretischer Überblick über die Themen Kreuz und Kruzifix und Metal. Es kommt religionsgeschichtliche, -soziologische und theologische, sowie musikgeschichtliche und -soziologische Literatur zum Einsatz. Zudem findet eine Ein- führung in die Semiotik ihren Platz in diesem Kapitel, um die Klassifizierung des christlichen Kreuzes als Zeichen, resp. Symbol, zu verdeutlichen.

Im vierten Kapitel werden die Themengebiete Kreuz und Kruzifix und Metal zusammenge- führt. In Anlehnung an die religionswissenschaftliche Arbeit Anna-Katharina Höpflingers zur Rezeption religiöser Codes im Black Metal werden vier funktionale Aspekte zur Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal erläutert – der normativ-weltanschauliche Aspekt, die Ab- grenzung, die Zugehörigkeit und die Ästhetisierung. Es zeigt sich nicht nur wie, sondern vor allem aus welchen Beweggründen und mit welchen Intentionen das christliche Kreuz verwen- det wird. In diesem Teil der Arbeit wird der Fokus auf die Produktionsebene3 gelegt, indem verschiedene Bands und Künstler als Beispiele herangezogen werden. Am Ende des Kapitels soll auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse der Frage nachgegangen werden, was der Um- gang mit dem christlichen Kreuz für die Religion bedeutet.

Die vielseitige Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal sorgt für Herausforderungen unterschiedlicher Ausprägung. Deshalb rückt im fünften Kapitel die Rezeptionsebene4 und somit die Sicht der Rezipienten in den Fokus. Was ist, wenn die Interpretationen der Rezi- pienten nicht den Intentionen der Produzenten entsprechen und es zu Diskrepanzen kommt? Was ist, wenn die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal bei Rezipienten nicht mehr die erhoffte Wirkung erzielt? Und was passiert, wenn Kunst und Zensur aufeinandertreffen, oder ein Rezipient selbst aus szeneinterner Sicht zum Schluss kommt, es gäbe Grenzen für Provokation?

Das sechste Kapitel bezieht die Vermarktungsebene mit ein, indem die Verbindung von Se- miotik und Marketing dargelegt und die Relevanz für die Kommunikations- und Produktpoli- tik herausgearbeitet wird. In diesem Teil der Arbeit werden sowohl Produzenten als auch Re- zipienten thematisiert und somit das vierte und fünfte Kapitel verknüpft. Das Modell des se- miotischen Marketingprozesses von Katsumi Hoshino zeigt auf, dass der Entwicklung und Kommunikation von Zeichen eine Analyse vorausgehen muss, damit die Zeichen vom Emp- fänger im Sinne des Senders interpretiert werden und dessen Bedürfnisse befriedigen. An ei- nem Beispiel wird veranschaulicht, wie das semiotische Marketing eingesetzt werden kann, um mit Herausforderungen durch die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal umzu- gehen.

Im letzten Kapitel formuliert der Verfasser auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse eine per- sönliche Schlussbetrachtung über die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal.

3 Theoretische Grundlagen

3.1 Kreuz und Kruzifix

3.1.1 Etymologischer Hintergrund

Das griechische Wort staurós bezeichnet einen aufrecht stehenden spitzen Pfahl, welcher als Marterwerkzeug Verwendung fand.5 Dieser Pfahl wurde bei der Kreuzigung (lat. crucifigere) um einen Querbalken ergänzt, wodurch die Form eines Kreuzes (lat. crux) zustande kommt.6 Das lateinische Wort crux ist der Vorläufer für das althochdeutsche chruci sowie für das mit- telhochdeutsche kriuce. Darauf ist das im heutigen Sprachgebrauch verwendete Wort Kreuz zurückzuführen.7

3.1.2 Das Jäger- und das Mutterkreuz

Um das Kreuz in seiner christlich-theologischen Bedeutung fundiert zu behandeln, lohnt sich ein kulturgeschichtlicher Blick auf die Jahrtausende alte Historie des Kreuzes. Archäologi- sches Material empfiehlt eine Zweiteilung in Jägerkreuz und Mutterkreuz.

Eine Form des Jägerkreuzes ist das Schrägkreuz, welches als Markierungszeichen gedeutet werden kann. Die bisher älteste Ritzzeichnung eines Schrägkreuzes wurde in Wyhlen, Baden- Württemberg, gefunden und reicht 200 000 Jahre zurück in die Riß-Kaltzeit. Im Unterkiefer eines erlegten Wildpferdes sind zwei Schrägkreuze zu erkennen, mit denen der Jäger verdeut- lichte, dass ihm das Beutetier gehört. Außerdem leistete der Jäger damit eine Art Unterschrift, die dokumentiert, dass er das Wildpferd gejagt und erlegt hat.8 Weitere archäologische Funde von Ritzzeichnungen in Felshöhlen zeigen ein Schrägkreuz, welches am Mittelpunkt von ei- ner senkrechten Geraden geschnitten wird. Der Theologe Georg Baudler erwähnt, dass diese Gerade für die Weltachse in einer dreidimensionalen Welt stehen könnte.9 Die frühen Men- schen markierten durch solche Zeichnungen nicht nur das Beutetier, sondern ebenfalls den Ort, an dem sie es erlegten. Auch heute versehen Liebespaare häufig einen Gegenstand mit einem Kreuz an dem Ort, wo sie sich das erste Mal getroffen haben. Durch das Kreuz wird dieser Ort von anderen Orten abgegrenzt und als bedeutsamer Raum gesehen, in dem der je- weilige Mensch wirkt und letztlich zum Bewusstsein seiner ins Transzendente reichenden Bedeutung – dem Existenzgefühl – gefunden hat.10

Abb. 1: Unterkiefer mit Schrägkreuz11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Schrägkreuz mit senkrechter Geraden12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine weitere Form des Jägerkreuzes ist das Koordinatenkreuz. Während beim Schrägkreuz die Tötungskraft im Vordergrund steht, bezieht sich das Koordinatenkreuz auf die Kraft, die Welt zu beherrschen. Dies lässt sich am Gehäuse eines versteinerten Wurzelfüßlers erläutern, das 1964 nahe der ungarischen Stadt Tata gefunden wurde.13 Dort ist ein von Menschenhand eingeritztes rechtwinkliges Kreuz zu erkennen, das das abgerundete Gehäuse in vier Teile gliedert. In der Annahme, dass für den Frühmenschen das Runde als Symbol für das Univer- sum stand, liegt die Vermutung nahe, dass er durch die Vierteilung des Gehäuses das Univer- sum in Koordinaten einteilte und dadurch eine gedankliche Eroberung der Welt gemäß dem Prinzip divide et impera14 einherging. Auf Basis dieser Kreuzkoordinaten entstanden ganze Planquadrate, die bspw. auf griechischen Drachmen und keltischen Münzen zu finden sind. Der Aspekt des Herrschens und des Beherrschens aus dem vermeintlichen Zentrum der Welt erweitert hier also die ursprüngliche Bedeutung des Jägerkreuzes als Markierungszeichen um die Funktion als Herrscherzeichen.15

Abb. 3: Koordinatenkreuz16

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Planquadrate auf Münzen17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Soll ein Kreuz beschreiben werden, bei dem alle Seitenlinien gleich lang sind, fallen nicht selten die Worte gleicharmig oder gleichschenklig. Doch nicht nur in der sprachlichen Be- obachtung, sondern auch bei zahlreichen archäologischen Funden lässt sich eine anthropo- morphe Bedeutung des Kreuzes ausmachen. Solche Kreuze in Menschengestalt werden als Mutterkreuze bezeichnet.18 Zu den ältesten Kreuzen in Menschengestalt zählen die Funde an der Südküste Kleinasiens, die auf die Mittelsteinzeit zu datieren sind. Spätere Mutterkreuze zeigen meist eine schwangere Frau mit ausgestreckten Armen. Hierbei kommt eine Mutter- Kind-Beziehung, die auf Schutz und Trost, Fruchtbarkeit und Lebenskraft gegründet ist, zum Ausdruck. Diese mütterliche Lebenskraft findet sich sowohl im altägyptischen Ankh-Zeichen als auch in neolithischen Kreuzfiguren, die auf Zypern gefunden wurden, wieder. Während das Jägerkreuz den Ort des Wirkens und Herrschens markiert, deutet das Mutterkreuz auf einen Ort hin, an dem der Mensch geliebt und mit offenen Armen empfangen wird; nach dem Religionsphilosophen Eugen Biser ein „Ort des vollen Bei-sich-seins“19.

Abb. 5: Neolithische Kreuzfigur (Zypern)20

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Radkreuz auf Grabstein21

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ausgehend von der ursprünglichen Gestalt des Mutterkreuzes entwickelten sich ähnliche Kreuzformen, die in die übrige Symbolwelt der jeweiligen Kultur eingebunden wurden, wie bspw. die Kreuzblume oder das Dreieckskreuz aus Catal Hüyük, Türkei.22 Bemerkenswert ist die Entwicklung des gleichschenkligen Mutterkreuzes zum Radkreuz und Wirbelkreuz, da sich an diesen Kreuzformen ein Bezug vom Mutterkreuz zum Jägerkreuz herstellen lässt. Die- ser Bezug kann am Beispiel des Radkreuzes auf dem Deckstein eines Großsteingrabes aus Klein-Meinsdorf in Schleswig-Holstein erläutert werden.23 An diesem Grab ist ein Radkreuz zu erkennen, das einem Koordinatenkreuz ähnelt und deshalb auch als eine Unterteilung des Universums gedeutet werden kann – nur mit dem Unterschied, dass hier die Linien schräg eingeritzt worden sind und deshalb der Eindruck entsteht, das Kreuz wäre ein Rad. Das Rad- kreuz zeigt also ein Universum des Wachstums und der Fortbewegung, das Baudler als „wir- belnde, vorwärtsstürmende Bewegung“24 beschreibt. An der Grabstätte sind neben dem Rad- kreuz auch Handzeichnungen und Opferschalen zu sehen, die die Vermutung nahelegen, dass es sich nicht nur um ein Grab sondern ebenso um eine altsteinzeitliche Opferstätte handelt. Der archaischen Religiosität entsprechend zeigt sich an dieser Kultstätte, wie die göttliche Macht ein Menschenopfer zu sich nimmt und dadurch eine menschlich-göttliche Tötungsge- walt zum Ausdruck kommt.25 Hierbei vermischt sich letztlich die vorwärtstreibende Lebens- kraft des Mutterkreuzes mit der wilden Tötungsmacht des Jägerkreuzes auf eindrückliche Weise. Es lohnt sich also, der Opferdenkform nachzugehen.

3.1.3 Das Opferkreuz

Im Duden ist der Begriff Opfer u. a. als eine „in einer kultischen Handlung vollzogene Hin- gabe von etwas oder jemandem an eine Gottheit“26 definiert. Unter Einbeziehung der langan- haltenden Mutterreligiosität in Indien lässt sich der ursprüngliche Aspekt des Opferns erklä- ren: Lebensspendende Gottheiten wie Tara oder Parvati wurden durch die dämonisch anmu- tende Gottheit Kali ergänzt, der selbst im 20. Jh. noch Menschenopfer dargebracht wurden.27

Den Grund für diese Menschenopfer sieht Religionswissenschaftler David Kinsley im Prinzip der Gegenseitigkeit: „Die ... Wahrnehmung, die diesen Kulturen zugrunde liegt, scheint die zu sein, dass diese Göttinnen, die mit Fruchtbarkeit assoziiert werden, periodisch selbst wieder ernährt werden müssen. Um Leben zu geben, müssen sie in der Form blutiger Opfer empfan- gen.“28 Es herrschte die Vorstellung, dass die mütterlich-fürsorgliche Macht, wie sie durch das ursprüngliche Mutterkreuz ausgedrückt wird, erst dann den Menschen zuteil wird, wenn die Muttergottheit durch ehrfürchtige Tötungsrituale dazu bewegt wurde oder eine Störung der göttlichen Ordnung durch den Menschen mit einem Opfer gesühnt wurde. Mit diesem Wissen erklärt Baudler auch die starren, bedrohlich wirkenden Züge der zum Mutterkreuz stilisierten Muttergottheiten aus Zypern und „Baum, Pfahl und Kreuz wurden zum bevorzug- ten Ort des Menschenopfers“29. Der Opferritus ist also vom Ursprung an mit einer auf göttli- cher Ehrfurcht basierenden Gewaltfaszination in Verbindung zu bringen. Ein Aspekt, der Jah- re später bei der römischen Kreuzigung noch deutlicher zum Tragen kommt – sodass eine Parallele von der rituellen Opfertötung zur strafenden Hinrichtung gezogen werden kann.

Abb. 7: Anthropomorphe Kreuze mit starren, bedrohlich wirkenden Zügen (Zypern)30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kreuzigung, auch Pfählung genannt, war eine Todesstrafe von besonderer Grausamkeit, die im 6. Jh. v. Chr. in Persien ihren Ursprung hatte31 und über die Phönizier zu den Römern gelangte32. Sie erfolgte durch Aufhängung an einem Pfahl, mit oder ohne Querholz. In erste- rem Fall waren die Arme am Querbalken und die Füße am Pfahl mit Stricken oder Nägeln befestigt.33 Der Tod erfolgte oft erst nach Tagen durch Kreislaufkollaps34 und wurde in man- chen Fällen durch das Zerschlagen der Unterschenkel beschleunigt.35 Das Charakteristische an dieser Hinrichtungsart ist, dass der Gekreuzigte mit geöffneten Armen in der Luft hängend völlig preisgegeben war.

Grundsätzlich wird zwischen drei Formen der römischen Kreuzigung unterschieden. Auf die erste Hinrichtungsform supplicium more maiorum wird in den Legenden der Königszeit ver- wiesen. Sie lässt sich als „Hinrichtung (bzw. Sühneopfer) nach Art der Vorfahren“36 be- schreiben und galt den freien Bürgern Roms. Die zweite Form der Kreuzigung richtete sich hingegen nur an römische Bürger, die eine Vestalin verführt haben. Der Unterschied zur ers- ten Kreuzigungsform ist, dass diese Hinrichtung nicht von der politischen Instanz, sondern von der religiösen Instanz – und somit vom Pontifex Maximus – angeordnet wurde.37 Die dritte und gleichzeitig geläufigste Kreuzigungsform ist die Sklavenexekution (lat. servile supplicium). Sie galt Sklaven, Delinquenten, sowie Rebellen38 und wurde von staatlicher Seite bewusst zur Abschreckung eingesetzt39. Als Beispiel kann die Massenkreuzigung von ca. zweitausend jüdischen Widerstandskämpfern im Jahr 4 v. Chr. in Jerusalem angeführt wer- den.40 Bei der Sklavenexekution gab es im Unterschied zu den beiden vorher genannten Hin- richtungsformen keine konkreten Regeln für die Durchführung, sodass die Verurteilten den Henkern gänzlich ausgeliefert waren. Allen Kreuzigungsformen gemein ist jedoch, dass das Opfer entkleidet und ausgepeitscht wurde.

3.1.4 Das Jesuskreuz

Auf Basis des gewonnenen kultur- und religionsgeschichtlichen Wissens, kann nun die christ- lich-theologische Bedeutung des Kreuzes, resp. der Kreuzigung Jesu, betrachtet werden. Denn für Baudler ist das Jesuskreuz „von der Ausgangssituation her ein Opferkreuz: das zum Ort des grausamen Menschenopfers pervertierte Muttersymbol“41.

Sowohl christliche Zeugnisse, als auch jüdische und heidnische Geschichtsquellen belegen das Leben, Wirken und Sterben des jüdischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth. Bei der Auslegung dieser Quellen ist es notwendig, die damals vorherrschenden Denk-, Sprach- und Erzählformen zu beachten, um die Inhalte – in diesem Kapitel hauptsächlich die biblischen Texte – sinngemäß zu exegesieren.42 Am ausführlichsten berichten die Evangelisten Mat- thäus, Markus, Lukas und Johannes in den vier kanonischen Evangelien im neuen Testament der Bibel von der Persönlichkeit Jesu.43 Unter Berücksichtigung der Quellen kann die Kreuzi- gung Jesu wie folgt zusammengefasst werden:

Jesus von Nazareth wurde im Alter von 30 Jahren vom römischen Prokurator Pontius Pilatus zur servile supplicium, der Kreuzigung für Rebellen, verurteilt.44 Der Grund zur Verurteilung des tiefgläubigen Juden war dessen mehrfach erhobener Anspruch, der Messias Israels und somit Gottes Sohn zu sein – eine Behauptung, die als Gotteslästerung gedeutet wurde (vgl. Mk, 14,63f).45 Gemeinsam mit zwei weiteren Verurteilten wurde Jesus auf dem außerhalb Jerusalems befindlichen Hügel Golgata gekreuzigt, nachdem er zuvor von römischen Soldaten verhöhnt und misshandelt wurde (vgl. Mk, 15,16ff). Doch wie lässt sich erklären, dass die Christenheit ausgehend von dieser brutalen Hinrichtung seit über zweitausend Jahren Kraft schöpft? Der Theologe Rainer Lachmann kommt zu folgendem Schluss: „Erst die Erfahrung der Auferstehung lässt den Kreuzestod Jesu interessant und bedeutungsvoll werden.“46 Durch die Auferstehung Jesu und der damit zum Ausdruck gebrachten Überwindung des Todes wird das auf den ersten Blick grausam anmutende Jesuskreuz nun auch mit dem Aspekt der Erlö- sung und des Heils in Verbindung gebracht (vgl. 1. Kor, 1,18).47 In der Soteriologie48 haben sich im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Deutungen des Todes Jesu herausgebildet; sei es die Auslegung als Sühneopfer, Stellvertretung, Friedensschluss, Loskauf oder Befreiung.49

Eine dieser mannigfaltigen Deutungen ist die Satisfaktionstheorie, welche durch den Philoso- phen Anselm von Canterbury im 11. Jh. geprägt wurde und sich konfessionsübergreifend zur normativen Erlösungslehre der abendländischen Christenheit entwickelt hat. Gemäß dieser Lehre verlangt die Schuld des Menschen gegen Gott eine Genugtuung – eine Satisfaktion, die der Mensch nicht leisten kann.50 Da Gott ein Gott der Liebe und Gerechtigkeit gleichzeitig ist, möchte er einerseits den Menschen nicht bestrafen, kann aber andererseits nicht von einer Genugtuung absehen. Für den Theologen Heinz Zahrnt ist deshalb „die Menschwerdung Got- tes logisch notwendig“51. Die Menschwerdung Gottes in Gestalt Jesu Christi und dessen Tod als Sühneopfer werden als Satisfaktion gedeutet, wodurch die Versöhnung von Gott und Mensch gegeben ist.52 Diese Auslegung des Todes Jesu wird von vielen Nichtchristen als bi- zarr angesehen und ist auch in der christlichen Theologie umstritten.53

Eine modernere Deutung, die Stellvertretungstheorie, rückt weniger den Aspekt der Gerech- tigkeit als vielmehr die Güte Gottes in den Mittelpunkt und entspricht den meisten Bildern und Begriffen im Neuen Testament, die den Tod Jesu zum Thema haben. Zahrnt verdeutlicht den Gedanken der Stellvertretung an mehreren alltäglichen Beispielen, wie etwa eine Kran- kenschwester, die einen Patienten pflegt. In jedem Fall tritt ein Mensch für einen anderen ein und sein Tun kommt diesem dadurch zugute.54 In der Stellvertretungstheorie gewinnt diese Betonung von Hingabe an Bedeutung und das Wesen Gottes erschließt sich am Kreuz aus dem Blickwinkel der Liebe: Gott leidet gerade aufgrund der Liebe zu den Gottlosen mit den Menschen mit und steht auf der Seite der Leidenden. Jesus ist also aus Güte gestorben.55

Doch wie auch immer der Kreuzestod Jesu gedeutet wird, er bleibt für viele Menschen ein zutiefst religiöses Ereignis. Diese immense Bedeutung lässt sich auch am Tod des Apostel Petrus verdeutlichen. Petrus war einer der Gründer der Jerusalemer Urgemeinde und starb im Jahr 67 n. Chr. den Märtyrertod während der Christenverfolgung unter Kaiser Nero.56 Der Überlieferung nach äußerte Petrus den Wunsch, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu wer- den, da er sich nicht für würdig befand, wie Jesus zu sterben.57

3.1.5 Kreuz und Kruzifix in der Kirchengeschichte

In der mehr als zweitausend Jahre umfassenden Geschichte des Christentums haben sich zahl- reiche Kreuzformen in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen herausgebildet, wel- che im Folgenden unter dem Sammelbegriff des christlichen Kreuzes subsumiert werden. In diesem Unterkapitel wird eine Auswahl an Formen des christlichen Kreuzes vorgestellt.

Die populärste Form des christlichen Kreuzes ist das lateinische Kreuz (lat. crux immissa), bei dem die waagrechte Achse die senkrechte Achse oberhalb der Mitte schneidet. Die Verwen- dung des lateinischen Kreuzes ist vielseitig. Zum Beispiel ist es Teil des Rosenkranzes – einer in der volkstümlichen katholischen Art des Gebetes eingesetzten Perlenkette58 – oder es wird im Allgemeinen als Anhänger einer Kette getragen. Dabei steht die Verwendung des lateini- schen Kreuzes nicht grundsätzlich in einem rein religiösen Kontext, wie die Assoziation mit den wirtschaftlich und strategisch motivierten mittelalterlichen Glaubenskriegen gegen Un- gläubige und Häretiker – den Kreuzzügen – untermauert.59

Im Unterschied zum lateinischen Kreuz ist das Kruzifix (lat. cruci fixus) mit dem Korpus Jesu versehen.60 Kruzifixe dienen nicht nur der Erinnerung an die Passion Jesu Christi, sondern werden auch bei Exorzismen eingesetzt. Seit der Festlegung des Exorzismusablaufs durch Papst Paul V. im liturgischen Buch Rituale Romanum, gehört das Zeigen des Kruzifixes zum regelmäßigen Exorzismusritus, um im Namen Jesu Christi einen bösen Geist zu vertreiben.61

Eine weitere Form des christlichen Kreuzes ist das inverse lateinische Kreuz mit oder ohne Korpus, welches auch Petruskreuz genannt wird. In der römisch-katholischen Tradition ver- weist es auf den Märtyrertod des Apostel Petrus.62

Neben den Formen des christlichen Kreuzes mit einem Querbalken entwickelten sich auch Formen mit mehreren Querbalken. Das Doppelkreuz (lat. crux gemina), ein Kreuz mit zwei Querbalken, hat sich als Patriarchenkreuz etabliert.63 Dieses Kreuz wurde Patriarchen in Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem verliehen, um deren Metropolitan- gewalt zum Ausdruck zu bringen. Die Bedeutung der beiden Querbalken ist in diesem Ver- wendungszusammenhang also auf die überragende Würde der Patriarchen zurückzuführen, die über die der Bischöfe reichte.64

Seit dem 15. Jh. ist mit dem Papstkreuz eine Erweiterung des Patriarchenkreuzes auszu- machen. Dieses päpstliche Hoheitszeichen ist durch drei Querbalken charakterisiert, welche für die drei Hauptaufgaben des Papstamtes, das Heiligen, das Lenken und das Lehren, stehen. In der russisch-orthodoxen Kirche ist das dreifache Kreuz ebenfalls vorzufinden und wird als russisches Kreuz bezeichnet.65 Bei dieser Form des christlichen Kreuzes werden die drei Querbalken allerdings anders als beim Papstkreuz gedeutet. Der obere Querbalken steht für die Inschriftentafel am Kreuz (lat. titulus crucis), während der zweite Balken das Querholz darstellt, an dem die Hände Jesu befestigt wurden. Der schräggestellte untere Balken steht für die Fußbank am Kreuz (lat. suppedaneum).

Eine weitere Kreuzform, die sich optisch von den bisher erwähnten Ausprägungen des christ- lichen Kreuzes unterscheidet, ist das konstantinische Kreuz. Es wird auch als Christusmono- gramm bezeichnet und als Symbol für Christus und das Christentum verwendet. Das konstan- tinische Kreuz setzt sich aus den beiden übereinandergeschriebenen Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes Christós, nämlich Chi (geschrieben X) und Rho (geschrieben P), zu- sammen. Der Überlieferung nach soll Kaiser Konstantin I. einen Traum gehabt haben, in dem Christus ihm erklärte, dass er das Christusmonogramm gegen seine Feinde verwenden soll, um zu siegen (lat. in hoc signo vinces), worauf hin er es als Feldzeichen einsetzte.66

Abb. 8: Auswahl christlicher Kreuzformen67

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.1.6 Kreuz und Kruzifix in der christlichen Kunst

Die ältesten Kreuzdarstellungen in der christlichen Kunst reichen bis zum Ende des 3. Jh.s zurück, als das konstantinische Kreuz fester Bestandteil auf bemalten Sarkophagen wurde. Zu einer Personifizierung des Kreuzes im Kruzifix kam es mit Beginn des 5. Jh.s, was Kreuzi- gungsdarstellungen in der Architektur der römisch-katholischen Kirche St. Sabina in Rom belegen.68 Bemerkenswert ist, dass bei den Darstellungen der Ausdruck des Leidens vermie- den wurde. In den Anfängen der karolingischen Kunst gegen Ende des 8. Jh.s hielt die Kreu- zigungsdarstellung auch Einzug in die Buchmalerei, wobei der Kruzifixus jugendliche und sieghafte Züge verliehen bekam. Erst in den folgenden Jahrhunderten wurde der Aspekt des Leidens in der abendländischen Kunst aufgegriffen und – beeinflusst vom byzantinischen Kruzifixustypus – Jesus mit hageren Gesichtszügen und geneigtem Kopf dargestellt.69

Erneute Wandlungen sind mit dem Beginn der Renaissance zu beobachten, als Künstler zu- nehmend Wert auf eine anatomisch korrekte Körperbildung legten und dennoch den Kruzifi- xus mehr als jemals zuvor in der frühchristlichen Kunst nach ihrem individuellen Empfinden bildeten. Im 17. und 18. Jh. kam es zu einer Steigerung des Ausdrucks, was sich bspw. im tiefen Durchhängen des gekreuzigten Körpers äußerte. Während im 19. Jh. auf Vorbilder früherer Zeiten zurückgegriffen wurde70, war die Auffassung des Kruzifixes in der christli- chen Kunst des 20. Jh. vielfältig und das Streben nach Abstraktion führte zu neuen Aus- drucksformen, was Werke mit christlichen Motiven des deutsch-amerikanischen Malers George Grosz veranschaulichen.

Abb. 9: Ausschnitt Isenheimer Altar (ca. 1505)71

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Kruzifix von Grosz (1928)72

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Metal

3.2.1 Etymologie und Bedeutung des Metal-Begriffs

Der Begriff Heavy Metal bedeutet wörtlich aus dem Englischen übersetzt Schwermetall und lässt zunächst weniger an Musik als vielmehr an das Periodensystem chemischer Elemente denken. Erst eine (musik-)historische Betrachtung des Begriffs verdeutlicht, wie Musik mit schwerem Metall in Verbindung zu bringen ist.

Weit verbreitet ist die Annahme, dass der Heavy Metal-Begriff als Wortschöpfung dem im Jahr 1959 veröffentlichten Roman „Naked Lunch“ des US-amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs entstammt. Dabei verwendete Burroughs den Begriff dort gar nicht und führte ihn erstmals im Roman „Nova Express“ in die populäre Kultur ein, indem er die Cha- raktere seiner Science-Fiction-Geschichte bspw. „The Heavy Metal Kid“ oder „Heavy Metal People Of Uranus“ nannte.73 Aufgrund der Tatsache, dass der US-amerikanische Musikjour- nalist Lester Bangs diesen Roman in einem 1972 veröffentlichten Artikel über die Band Black Sabbath erwähnte, sehen einige Musikhistoriker in dieser – mehr oder weniger losen – Ver- bindung den Ursprung der Genrebezeichnung Heavy Metal.74

In Steppenwolfs Biker-Hymne „Born To Be Wild“ taucht der Heavy Metal-Begriff das erste Mal in einem Songtext auf, indem von „heavy metal thunder“ die Rede ist. Songwriter Mars Bonfire wollte mit dieser Phrase das Erlebnis beschreiben, mit einem Motorrad über einen Highway in Kalifornien zu fahren und dabei die Schwere und den Lärm eines leistungsstarken Fahrzeuges zu erfahren.75 Der Assoziation des Begriffs mit Lautheit und Massivität entspricht auch die Deutung des US-amerikanischen Musiksoziologen Robert Walser, der in seiner Be- griffsherleitung auf das Oxford English Dictionary von 1882 verweist: „Heavy metal, guns or shot of large size; hence, fig. ... a person or persons of great ability or power, mental or bodily; used generally of one who is or is to be another´s opponent in any contest.“76 Er zeigt auf, dass der Begriff schon im 19. Jh. nicht nur als chemische Bezeichnung für Schwermetal- le, sondern in der englischen Militärterminologie auch als Metapher für schwere Kriegsgeräte verwendet wurde. Zudem ist ein Bezug der Terminologie zu menschlichen Eigenschaften wie körperliche Kontrolle, Macht und Kraft auszumachen, die Walser in der figurativen Rede- wendung „a man of heavy metal“77 zusammenfasst. Auf Basis dieser Bedeutung verwendeten Burroughs, Bangs und Steppenwolf den Heavy Metal-Begriff vermutlich unabhängig von- einander, wenngleich sie alle damit die Charakteristika Härte und Power zum Ausdruck brin- gen wollten78 – Eigenschaften, die bis heute zu den zentralen Merkmalen dieser Kunstform zählen.

Zur besseren Verständlichkeit wird im Rahmen dieser Arbeit der Begriff Heavy Metal auf die Kurzform Metal reduziert, da in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Subgenre entstanden sind und die Bezeichnung Heavy Metal zumeist nur noch für die ursprüngliche Form dieser Musik verwendet wird.79 Außerdem wird der Metal als Musikstil und -kultur verstanden, da sich so die musikgeschichtlichen, kulturellen und musiksoziologischen Zusammenhänge er- schließen lassen.

3.2.2 Entstehungsgeschichte des Metal

Bevor die Entwicklung des Metal ab den siebziger Jahren begründet thematisiert werden kann, ist ein Blick auf die musikhistorische Basis vonnöten.

Die Wurzeln des Metal reichen zurück bis zum Blues, „der leidenschaftlichen Musik der ar- men, ländlichen Afroamerikaner in den Südstaaten der USA“80. Durch Einflüsse von Jazz und Swing erfuhr der Blues eine Neuakzentuierung, wodurch der rhythmisch gestraffte Rhythm & Blues entstand.81 Aus dieser Form der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik bildete sich in den fünfziger Jahren der Rock ´n´ Roll heraus, als weiße Musiker wie Pat Boone, Elvis Presley oder Bill Haley die Hits schwarzer Künstler interpretierten und u. a. mit Elementen der Country-Musik vermischten.82 Seit seinem Aufkommen wird der Rock ´n´ Roll mit dem Brechen gesellschaftlicher Konventionen in Verbindung gebracht; sei es aufgrund der Auf- weichung der damals strikten Trennung zwischen „schwarzer“ und „weißer“ Musik oder hin- sichtlich der sexuellen Gesten und Anspielungen einiger Musiker.

Anfang der sechziger Jahren kamen zudem mit der rauen Beatmusik wichtige Impulse für die Rockmusik aus Europa, resp. England, und Bands wie The Beatles oder The Dave Clark Five stürmten die US-amerikanischen Charts – die „British Invasion“ war in vollem Gange.83 Aber auch Bands der britischen Rhythm & Blues-Tradition wie The Rolling Stones oder The Yard- birds feierten in den USA Erfolge und entwickelten die bestehenden musikalischen Katego- rien weiter; ihre Musik war härter, wilder und lauter.84 Nach dem Abschluss der Beat-Ära Ende der sechziger Jahre etablierte sich mit der Rhythm & Blues-orientierten Rockmusik ein stilistischer Nachfolger, worunter neben dem artifiziellen Art Rock und Classic Rock auch der Hard Rock gefasst wird.85

[...]


1 Aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird im Rahmen dieser Arbeit auf die explizite Nennung beider Geschlechtsformen verzichtet.

2 Vgl. Berndt, S. (2012): Gott haßt die Jünger der Lüge. Ein Versuch über Metal und Christentum. Metal als gesellschaftliches Zeitphänomen mit ethischen und religiösen Implikationen, Hamburg; Höpflinger, A.-K. (2017): Ästhetisch, identifikatorisch, normativ. Die Funktion der Rezeption religiöser Codes im Black Metal, In: Analyzing Black Metal. Transdisziplinäre Annäherung an ein düsteres Phänomen der Mu- sikkultur, Chaker, S. (Hrsg.) et al., Bielefeld, im Druck – mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

3 Im Folgenden werden die auf der Produktionsebene beteiligten Akteure als Produzenten bezeichnet. Dazu zäh- len bspw. Bands und Künstler.

4 Die auf der Rezeptionsebene beteiligten Akteure werden nachfolgend als Rezipienten bezeichnet. Dazu zählen zum Beispiel Fans, Medienvertreter oder szeneferne Akteure.

5 Vgl. Riesner, R. (1990): Kreuz/Kreuzigung. Archäologisch, In: Das große Bibellexikon, 2. Bd., Burkhardt, H. (Hrsg.) et al., 2. Aufl., Wuppertal, S. 840-842, hier S. 840.

6 Vgl. Ernst, M. (1985): Kreuz. Begriff und Form, In: Die Bibel. Das große Nachschlagewerk in Farbe, 1. Bd., Stubhann, M. (Hrsg.) 1. Aufl., Salzburg, S. 401.

7 Vgl. Läpple, A. (1996): Kleines Lexikon des christlichen Brauchtums, 1. Aufl., Augsburg, S. 136.

8 Vgl. Baudler, G. (1997): Das Kreuz. Geschichte und Bedeutung, 1. Aufl., Düsseldorf, S. 34ff.

9 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 36.

10 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 37.

11 Quelle Abb. 1 siehe Abbildungsquellen.

12 Quelle Abb. 1 siehe Abbildungsquellen.

13 Vgl. König, M. E. P. (1973): Am Anfang der Kultur. Die Zeichensprache des frühen Menschen, 1. Aufl., Ber- lin, S. 41f.

14 Die Redewendung divide et impera (lat. für teile und herrsche) meint das Aufteilen dessen, was besiegt und erobert werden soll. Bekannt wurde dieses Prinzip durch seine Anwendung in der Organisation des römischen Reichs und der römischen Außenpolitik. So hatten die einzelnen Mitgliedsstaaten nur Verträge mit der Zentral- macht Roms und die noch zu beherrschenden Völker wurden in Untergruppen aufgeteilt, damit sie besser besiegt werden konnten.

15 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 51ff.

16 Quelle Abb. 3 siehe Abbildungsquellen.

17 Quelle Abb. 4 siehe Abbildungsquellen.

18 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 70ff.

19 Biser, E. (1996): Der Mensch. Das uneingelöste Versprechen. Entwurf einer Modalanthropologie, 2. Aufl., Düsseldorf, S. 41.

20 Quelle Abb. 5 siehe Abbildungsquellen.

21 Quelle Abb. 6 siehe Abbildungsquellen.

22 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 103ff.

23 Vgl. Maringer, J. (1980): Das Kreuz als Zeichen und Symbol in der vorchristlichen Welt, 1. Aufl., Bonn, S. 45.

24 Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 113.

25 Johannes Maringer erwähnt, dass die eingeritzten Hand- und Fußbilder als Symbole göttlicher Epiphanien ge- sehen werden. Vgl. Maringer, J. (1980): a.a.O., S. 42.

26 o.V. (o.J.): Opfer, Bibliographisches Institut GmbH, URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Opfer, 20.09.17.

27 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 151f.

28 Kinsley, D. (1990): Indische Göttinnen. Weibliche Gottheiten im Hinduismus, 1. Aufl., Frankfurt a.M., S. 200.

29 Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 149.

30 Quelle Abb. 7 siehe Abbildungsquellen.

31 Vgl. Läpple, A. (1996): a.a.O., Augsburg, S. 136.

32 Vgl. Betz, O. (1998): Kreuz, In: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, 2. Bd., Burkhardt, H./ Swarat U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wuppertal, S. 1178-1179.

33 Vgl. Ernst, M. (1985): Kreuzigung, In: a.a.O., 1. Bd., Stubhann, M. (Hrsg.) 1. Aufl., Salzburg, S. 401.

34 Vgl. Günter, W. (2007): Taube, Löwe, Kreuz und Anker. Christliche Symbole und ihre Bedeutung, 1. Aufl., Wuppertal, S. 60.

35 Vgl. Schirrmacher, T. (2002): Stichwort Kreuzigung, In: Harenberg Lexikon der Religionen. Die Religionen und Glaubensgemeinschaften der Welt. Ihre Bedeutung in Geschichte, Alltag und Gesellschaft, Schirrmacher, T. et al., 1. Aufl., Dortmund, S. 36.

36 Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 185.

37 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 185.

38 Vgl. Betz, O. (1998): Kreuz, In: a.a.O., 2. Bd., Burkhardt, H./ Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wuppertal, S. 1178.

39 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 191.

40 Vgl. Läpple, A. (1996): a.a.O., Augsburg, S. 136.

41 Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 194.

42 Vgl. Rahner, K./Vorgrimler, H. (1966): Kleines Konzilskompendium, 16. Aufl., Freiburg, S. 374.

43 Vgl. Stubhann, M. (1985): Jesus Christus, In: a.a.O., 1. Bd., Stubhann, M. (Hrsg.) 1. Aufl., Salzburg, S. 339- 341, hier 339.

44 Vgl. Läpple, A. (1996): a.a.O., S. 135.

45 Vgl. Betz, O. (1998): Kreuz, In: a.a.O., 2. Bd., Burkhardt, H./ Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wuppertal, S. 1178.

46 Lachmann, R. (1999): Kreuz/Kreuzigung Jesu, In: Theologische Schlüsselbegriffe. Biblisch - systematisch - didaktisch, 1. Bd., Adam, G./ Lachmann, R./ Ritter, W. (Hrsg.), 1. Aufl., Göttingen, S. 202-217, hier 202.

47 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 267.

48 Soteriologie ist die Lehre von der Erlösung der Menschen in einem christlichen Kontext. Der Terminus setzt sich aus den Begriffen Erlösung (griech. soteria) und Wort (griech. logos) zusammen.

49 Vgl. Zahrnt, H. (1977): Warum ich glaube. Meine Sache mit Gott, 1. Aufl., München, S. 139.

50 Vgl. Haacker, K. (1998): Rechtfertigung. Die christologische Grundlage, In: a.a.O., 3. Bd., Burkhardt, H./ Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wuppertal, S. 1661.

51 Zahrnt, H. (1977): a.a.O., S. 139.

52 Vgl. Hahn, E. (1998): Sühne, In: a.a.O., 3. Bd., Burkhardt, H./, Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wuppertal, S. 1936.

53 Vgl. o.V. (2009): Warum starb Jesus Christus am Kreuz?, WeltN24 GmbH, URL: https://www.welt.de/kultur/article3429266/Warum-starb-Jesus-Christus-am-Kreuz.html, 22.09.17.

54 Vgl. Zahrnt, H. (1977): a.a.O., S. 140f.

55 Vgl. Zahrnt, H. (1977): a.a.O., S. 142f.

56 Vgl. Thiede, C.-P. (1998): Petrus. Apostel, In: a.a.O., 2. Bd., Burkhardt, H./ Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wup- pertal, S. 1550-1551.

57 Vgl. o.V. (2008): Apostel Petrus als Stellvertreter Gottes, Zweites Deutsches Fernsehen, URL: https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/apostel-petrus-als-stellvertreter-gottes-100.html, 22.09.17.

58 Vgl. Schirrmacher, T. (2002): Rosenkranz, In: a.a.O., Schirrmacher, T. et al., 1. Aufl., Dortmund, S. 231.

59 Vgl. Asbridge, T. (2016): Die Kreuzzüge, 7. Aufl., Stuttgart, S. 403ff.

60 Vgl. Haedeke, H.-U. (1960): Der Kruzifixus, In: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Bd., Galling, K. (Hrsg.), 3. Aufl., Tübingen, S. 47-49, hier S. 47.

61 Vgl. Ernst, M. (1985): Exorzismus, In: a.a.O., 1. Bd., Stubhann, M. (Hrsg.) 1. Aufl., Salzburg, S. 196.

62 Vgl. Thiede, C.-P. (1998): Petrus. Apostel, In: a.a.O., 2. Bd., Burkhardt, H./ Swarat, U. (Hrsg.), 2. Aufl., Wup- pertal, S. 1550-1551.

63 Vgl. Heinz-Mohr, G. (1998): Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, München, S. 179f.

64 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 91f.

65 Vgl. Heinz-Mohr, G. (1998): a.a.O., München, S. 180.

66 Vgl. Schirrmacher, T. (2002): Stichwort Christusmonogramm, In: a.a.O., Schirrmacher, T. et al., 1. Aufl., Dortmund, S. 21.

67 Quelle Abb. 8 siehe Abbildungsquellen.

68 Vgl. Haedeke, H.-U. (1960): Der Kruzifixus, In: a.a.O., 4. Bd., Galling, K. (Hrsg.), 3. Aufl., Tübingen, S. 47- 49, hier S. 47.

69 Vgl. Haedeke, H.-U. (1960): Der Kruzifixus, In: a.a.O., 4. Bd., Galling, K. (Hrsg.), 3. Aufl., Tübingen, S. 47- 49, hier S. 48.

70 Vgl. Baudler, G. (1997): a.a.O., S. 340f.

71 Quelle Abb. 9 siehe Abbildungsquellen.

72 Quelle Abb. 10 siehe Abbildungsquellen.

73 Vgl. Walser, R. (1993): Running With The Devil. Power, Gender, And Madness In Heavy Metal Music, Ha- nover, S. 8.

74 Vgl. Wehrli, R. (2005): Verteufelter Heavy Metal. Skandale und Zensur in der neueren Musikgeschichte, 2. Aufl., Münster, S. 16.

75 Vgl. Weinstein, D. (1991): Heavy Metal. A Cultural Sociology, New York, S. 19.

76 Walser, R. (1993): a.a.O., Hanover, S. 1.

77 Walser, R. (1993): a.a.O., Hanover, S. 1.

78 Vgl. Berndt, S. (2012): a.a.O., Hamburg, S. 50.

79 Vgl. Herr, M. (1990): Matthias Herr´s Heavy Metal Lexikon Vol. 2, Berlin, S. 12.

80 Wehrli, R. (2005): a.a.O., S. 16.

81 Vgl. Fuchs, A./Majewski, C. (2000): Black Metal. Musiksoziologische Analyse der Darstellungsformen und -inhalte einer Subkultur, Hamburg, S. 11.

82 Vgl. Wehrli, R. (2005): a.a.O., S. 17.

83 Vgl. Fuchs, A./Majewski, C. (2000): a.a.O., S. 13.

84 Vgl. Lücker, C. (2013): Das Phänomen Heavy Metal. Ein Szene-Portrait, 2. Aufl., Oberhausen, S. 18.

85 Vgl. Fuchs, A./Majewski, C. (2000): a.a.O., S. 13.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Kreuz und Quer. Die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal unter Berücksichtigung musiksoziologischer, religionswissenschaftlicher und marketingspezifischer Aspekte
Hochschule
Popakademie Baden-Württemberg GmbH
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
78
Katalognummer
V475192
ISBN (eBook)
9783668956346
ISBN (Buch)
9783668956353
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Christentum, Metal, Religion, Musik, Provokation, Kreuz, Jesus, Musikbusiness, Kruzifix
Arbeit zitieren
Philipp Issler (Autor:in), 2017, Kreuz und Quer. Die Verwendung des christlichen Kreuzes im Metal unter Berücksichtigung musiksoziologischer, religionswissenschaftlicher und marketingspezifischer Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/475192

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